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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2811, Czernowitz, 27.01.1913.

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„Czernowitzer Allgemeine Zeitung“ 27. Jänner 1913

[Spaltenumbruch]
Abfahrtszeit der Züge von Czernowitz in
der Richtung gegen:

[]
[] [Spaltenumbruch]

lungen mit ihnen fortzuſetzen. Wie verlautet, iſt die po-
litiſche Zenſur an den Blättern und Depeſchen ziemlich
ſtark eingeſchränkt und dürfte ganz aufgehoben werden.
Nach dem erſten Eindrucke von den donnerstägigen Ereig-
niſſen, nahm Stambul wieder ſein gewöhnliches Aus-
ſehen an. Es herrſcht vollſtändige Ruhe.

Kriegsgericht in Konſtantinopel.
193 Verhaftungen.

(Priv.-Tel. der „Cz.
Allg. Ztg.“)

Das neue Kabinett hat ein Kriegsgericht ein-
geſetzt, das bereits 193 Verhaftungen vorgenommen hat.
Auch Kiamil Paſcha wird vor das Kriegsgericht ge-
ſtellt werden und Reſchid Paſcha iſt ſchon ins Ge-
fängnis gebracht worden.

Vom neuen Kabinett.

KB. (Tel. der „Cz.
Allg. Ztg.“)

Wie verlautet, iſt der Chef des Generalſtabes
Izzet Paſcha zum Kriegsminiſter und der Staats-
ratspräſident Prinz Said Halim zum Miniſter des
Innern auserſehen. Der ehemalige zweite Kammerherr
des Sultans Tewfik Bey wurde in ſeine Funktion
wieder eingeſetzt.

Ernennung hoher Beamter.
Wiedereinſetzung der Jungtürken.

KB. (Tel. der „Cz. Allg.
Ztg.“)

Die höheren Beamtenſtellen werden wieder mit
Anhängern des jungtürkiſchen Komitees beſetzt. Der
frühere erſte Sekretär des Sultans wurde zum Stadtprä-
fekten, der Ex-Vali von Adana und Bagdad Dſchemal
Bey, ein hervorragendes Komiteemitglied, zum Militär-
gouverneur und der Ex-Gouverneur von Ipek Oberſt
Tajar zum Polizeipräfekten in Konſtantinopel er-
nannt. Es verlautet, daß auch alle Ligaoffiziere, welche
in der Armee der Tſchataldſchalinie Kommandoſtellen
inne hatten, würden erſetzt werden. Wie verlautet, ſoll der
Ex-Sultan Abdul Hamid unter der neuen Regierung
nicht mehr in Konſtantinopel verbleiben, ſondern nach
Konia gebracht werden.

Nachts wurde hier ein ziemlich ſtarker Erdſtoß ver-
ſpürt.

Ein Erfolg der Türken gegen die Griechen.

KB. (Tel. der „Cz. Allg.
Ztg.“)

Den Blättern zufolge habe die türkiſche Armee
unter Dſchavid Paſcha Goritza von den Griechen wieder
erobert. Die frühere Regierung habe die Meldung vor
fünf Tagen erhalten, ſie jedoch nicht veröffentlicht.

Von den Serben.

(Priv.-Tel. der „Cz. Allg.
Ztg.“)

Sämtliche beurlaubte Offiziere ſind telegraphiſch
zu ihren Truppenkörpern einberufen worden.




Das Befinden Erzherzog Rainers.
In Agonie.
KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Ueber das Befinden des Erzherzogs Rainer wurde uns
um 9 Uhr abends mitgeteilt: Der Erzherzog verlor um
halb 1 Uhr das Bewußtſein, das um drei Uhr nachmittags
für einen Augenblick wiederkehrte. Seither liegt der Erz-
herzog in der Agonie. Atmen zeitweiſe kaum merkbar,
Herztätigkeit ſehr ſchwach, Puls 120 bis 130 Schläge in
[Spaltenumbruch] der Minute. Jeden Moment wird die Kataſtrophe er-
wartet.

(Priv.-Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Erzherzog Rainer liegt ſeit geſtern nachts im Sterben.
Er ließ ſeine Verwandten und den Prieſter rufen. Er
nahm von ſeinen Angehörigen und von der Dienerſchaft
bei vollem Bewußtſein Abſchied und dankte allen für
Liebe, Freundſchaft und erwieſene treue Dienſte. Der
Prieſter erteilte die letzte Oelung. Um 11 Uhr nachts tra-
ten Delirien ein. Am Sterbebette weilen die Gemahlin
Erzherzogin Marie, dann Erzherzogin Valerie und die
Erzherzöge Leopold Salvator, Franz Salvator und
Friedrich.

Dem Kaiſer wurde Bericht erſtattet darüber, daß der
Kräfteverfall raſch fortſchreite und die Kataſtrophe ſtünd-
lich zu erwarten ſei.




Attentat auf Erzherzog Ludwig Salvator.

(Priv.-Tel. der „Cz. Allg.
Ztg.“)

Hier iſt eine Meldung aus Barcelona eingetroffen,
wonach auf den augenblicklich in Miramar auf den Ba-
learen weilenden Erzherzog Ludwig Salvator ein Atten-
tat verübt worden iſt. Ein dem Arbeiterſtande angehöri-
ger Mann feuerte auf den promenierenden Erzherzog
mehrere Schüſſe aus einem Revolver ab. Der Erzherzog
wurde nur leicht verletzt. Der Attentäter iſt feſtgenom-
men; es ſcheint ſich um die Tat eines Wahnſinnigen zu
handeln.




Die ungariſche Wahlreformvorlage und
die Sozialdemokraten.
KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Das ungar. Tel.-Kor.-Bureau meldet: Von dem heute ab-
gehaltenen Landeskongreß der ungariſchen ſozialdemokra-
tiſchen Partei, an welchem auch Delegierte Oeſterreichs
und Belgiens teilnahmen, wurde eine Reſolution ange-
nommen, in welcher die Arbeiterſchaft den Wahlreform-
entwurf der Regierung nicht nur für die Arbeiterſchaft,
ſondern auch für ſämtliche Erwerbsklaſſen als ſchädlich er-
klärt. Der Kongreß konſtatiert, daß durch dieſen Wahl-
reformentwurf das Verſprechen auf Einhaltung des all-
gemeinen, gleichen, direkten und geheimen Wahlrechtes
nicht eingehalten wurde. Die Parteileitung wird den Ent-
wurf mit den ſchärfſten Mitteln bekämpfen und im Falle
der Votierung dieſes Wahlgeſetzes durch das Oktroy des
jetzigen Rumpfparlamentes werden die Sozialiſten an der
Wahl nicht teilnehmen. Schließlich wurde die Parteilei-
tung aufgefordert, Vorbereitungen für einen Ge-
neralſtreik
zu treffen. Der Kongreß iſt ruhig ver-
laufen.

Die chriſtlichſoziale Partei beſchloß, gegen den Wahl-
reformentwurf der Regierung zugunſten des demokrati-
ſchen Wahlrechtes den ſchärfſten Kampf einzuleiten.

Im Nationalkaſino fand heute die Wahl vier neuer
Ausſchußmitglieder ſtatt. Wie verlautet, iſt die Wahl des
Grafen Stefan Tisza, der ſich unter den Kandidaten be-
findet, vollſtändig geſichert.




KB. (Meldung des ungar. Tel.-
Korr.-Bureaus.)

Abgeordneter Szekely iſt heute in
Sepſi-Szent-György plötzlich geſtorben.




Aviatik.
KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Die in Morgenblättern veröffentlichte Nachricht über den
Abſturz eines Militäraviatikers wird dahin berichtigt,




[Spaltenumbruch]
Kurz iſt der Frühling.

4] (Nachdruck verboten.)

IV.

Martin hatte mürriſch die alte Kaleſche hervorgezo-
gen und putzte ſie blank ſo gut es ging. Noch verdroſſener
aber ſpannte er die Pferde vor. Die jungen Braunen ſoll-
ten heute Tang vom Meere über den ſchweren Sand
ziehen, ſo mußten ein paar alte Gäule vor die Kutſche.
Daß Martin, der vor vierzig Jahren den ſeligen Vater
des Herrn — der allerdings durch ſeine Paſſionen das
Gut für immer verſchuldete — vierſpännig gefahren hat-
te, mit dieſen Kläppern zur Bahn ſollte, fand er eine arg[e]
Zumutung. Gewiß, für dieſen Verwandtenbeſuch waren
die alten Gäule gut genug, aber Martin fürchtete den
Spott der anderen Kutſcher. Der Herr und das Fräulein
kümmerten ſich auch zu wenig um die Welt. Und der alte
Mann ſchniegelte und ſtriegelte an den alten Pferden her-
um bis es ſchwitzte.

Liſette band die Wald- und Feldblumen, die ſie heute
morgen gepflückt hatte, zu zwei großen Sträußen zuſam-
men. Sie ſang ein Lied dabei und atmete mit Behagen
den friſchen Wieſenduft, der den Pflanzen entſtrömte.

Flink trug ſie die Blumen in die Fremdenzimme[r]
hinauf und ſah noch einmal nach, ob alles in Ordnung
und nichts vergeſſen ſei und alles ſo war, wie es die Tan-
ten liebten. [Sie] kannte ihre Gewohnheiten ja von Kind-
heit an. Dann ſetzte ſie den großen hellen Florentinerhut
mit dem Mohnblumenkranz auf das goldblonde Haar und
lief hinunter, wo Martin ſchon zuſammengebückt auf dem
Bock des Wagens ſaß und wartete.

„Huh, Martin, verdirb uns das Wetter nicht mit
deinem Murrgeſicht“, ſagte Liſette lächelnd, als ſie an den
Wagen trat.


[Spaltenumbruch]

Martins Geſicht verzog ſich zu einem Grinſen, mit
Fräulein Ti konnte er nun einmal nicht grollen.

„Nu jo,“ ſagte er, „ich möchte auch lieber ein paar
hübſche, junge Mädchen holen, als ſolche — —“ er mur-
melte etwas Unverſtändliches in den Bart, das ſicher keine
Schmeichelei für den erwarteten Beſuch war.

Liſette nahm ihm ſeine Reſpektloſigkeit nicht übel,
ſie ſchwang ſich lachend in den Wagen, die Pferde zogen
an und begannen zu laufen, ſo gut ſie noch konnten.

Tante Vally mit ihrer Tochter Hanna und Tante
Aurelie ſollten kommen. Tante Vally war die älteſte
Schweſter des Vaters und Hanna war ſchon Ende der
Dreißig. Aber ſie kleidete ſich wie eine Siebzehnjährige,
kicherte kindlich, ſo oft es nur möglich war und hatte im-
mer etwas von Heiratsanträgen und Liebeserklärungen
zu flüſtern.

Zu dieſen beiden gehörte als unvermeidliche Dritte
Tante Aurelie, die nur einen einzigen Sohn, den Leut-
nant hatte, der ſeiner Mutter nur ſchrieb, um ſie um
Geld zu bitten. Sie war unzertrennlich von der Schweſter,
denn ſie mußte jemand haben, dem ſie jede kleine Unan-
nehmlichkeit mit größter Ausführlichkeit unterbreiten
konnte.

Auf dieſe drei wartete nun Liſette, als ſie an den
hellgrünen Büſchen, die den Bahnhof umrahmten, auf
und ab wanderte und ohne Erregung den Zug näherkom-
men ſah.

Der Zug brauſte in die Halle und er hatte ſchon eine
geraume Weile gehalten, als die erſte der Gäſte Tante
Aurelie auf den Bahnſteig herunterkletterte. Liſettes ſtü-
tzende Hand konnte ſie nicht faſſen, denn ſie hatte in der
Linken eine grasgrüne Jagdtaſche, die das perlengeſtickte
Abbild dreier toter Haſen ſchmückte und in der Rechten
eine ſchaukelnde Tortenſchachtel. Während ſie zwei Knall-
küſſe auf Liſettes friſche, etwas zur Seite gewendete Bak-


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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2811, Czernowitz, 27.01.1913, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer2811_1913/2>, abgerufen am 22.01.2025.