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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2567, Czernowitz, 14.08.1912.

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"Czernowitzer Allgemeine Zeitung" 14. August 1912.
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[Spaltenumbruch]
Der Mann im Keller.

41] (Nachdruck verboten.)

"Vielleicht," sagte Nielsen, der es nicht ganz zugeben
mochte, "jedenfalls war sie billiger als Mr. Weston. Auch
warnte sie mich davor, ihm Geld zu borgen. Jawohl, und
es schien ihre ehrliche Meinung zu sein. Sie will ihn ohne
Zweifel loswerden, das ist klar."

"Na, rücken Sie heraus mit dem ganzen Bericht,"
sagte der Doktor kurz, und Nielsen, erzählte, was sich
begeben hatte.

"Hum, hum," sagte der Doktor und lief murmelnd
in seinem Zimmer auf und ab, "Unsinn haben Sie also
noch nicht angerichtet, obwohl es klar ist, daß Sie schon
ziemlich tief in die Augen dieser hübschen Lady geguckt
haben. Na, das mag Ihr Recht sein -- sie aber hat
Ihnen nichts als Lügen erzählt, und das ist nicht ihr
Recht, und Sie dürfen sich auch nicht narren lassen."

Nielsen sagte nichts.

"Ueber ihren Vater und ihre Mutter, die tot sein
sollen, will ich hinweggehen," fuhr der Doktor fort.
"Die gehen uns nichts an. Reqaiescat in pace! --
Den Mr. Armstrong kennen wir; er ist ohne Zweifel
ein Halunke. Nebenbei bemerkt, gratuliere ich Ihnen
dazu, daß Sie Ihre Bekanntschaft mit ihm nicht ver-
raten haben; es wäre echt dänisch-geistreich gewesen,
wenn Sie etwa gerufen hätten: "Heiliger Bimbam,
den Mann kenne ich ja! Sie haben wirklich ein schönes,
diplomatisches Talent, junger Mann. Und daß Sie
vom Hause Cranbourne Grove 48 nichts wußten, war
ebenfalls sehr gescheit von Ihnen. Allerdings haben
Sie recht, sowie Mrs. Weston von Armstrong die Pa-
piere erhält, weiß Sie natürlich Bescheid über uns."


[Spaltenumbruch]

Nielsen unterbrach ihn: "Ich kann aber immer noch
nicht einsehen, mit welchem Recht Sie sie beschuldigten,
gelogen zu haben!"

Der Doktor lachte. "Ho, ho! Nun spricht das Opfer
des Cupido! Legen Sie einmal bloß für einen Moment
Ihre übergütigen Gefühle für diese Lady beiseite und
überlegen Sie mit nüchterner Vernunft, was Sie Ihnen
eröffnet hat. Zunächst behauptet sie, daß Throgmorton
ihr Bruder sei. Das bezweifle ich schon stark. Wenn
Bruder und Schwester miteinander auf solchem Fuße
stehen, dann leben sie nicht zusammen, sondern getrennt.
Ich glaube, der sogenannte Mr. Throgmorton war Mr.
Weston. Auf diesen Gedanken bin ich draußen bei
Rybaek gekommen. Und der lange Englishman, den
sie jetzt loswerden will, ist der Major. Das ist klar.
Sie hat also gelogen, die Schlange, nicht wahr?"

"Das zu behaupten haben Sie kein Recht," war
Nielsens Antwort. "Wir haben es uns doch zur Regel
gemacht, bei unsern Schlüssen keine Sprünge zu machen,
und das tun sie jetzt."

"Nein, mein Freund, durchaus nicht. Sie wollen
bloß nicht sehen. Wenn der lange Mensch wirklich
Mr. Weston wäre, dann würden die beiden entweder
geschieden sein oder sie lebten richtig als Mann und
Frau zusammen. Sie würde ihn dann auch nicht in
Ihre Hände übergeben und allein davonlaufen, was
doch ihre Absicht ist. Ich will nicht gerade behaupten,
daß sie Ihnen Ihr Geld nicht zurückerstatten wird --
obwohl Damen in dieser Hinsicht bekanntlich vergeßlich
sein können -- aber wiedersehen werden Sie sie auf
keinen Fall. Das Haus gehört ihr tatsächlich; also geht
sie schnnrstracks zu Armstrong, dem Spitzbuben, und --
entdeckt, daß Sie und ich ihre Mieter sind. Sofort ist
sie von Argwohn erfüllt, verkauft schleunigst alles, was
[Spaltenumbruch] sie hat, und verschwindet in die Kolonien! Weg ist
sie und für uns nicht mehr zu haben! Inzwischen
kommt Miß Derry hier angereist -- allein natürlich,
denn Mr. Armstrong ist viel zu schlau, sich hier her-
überlocken zu lassen. Und dann sitzen wir mit dem
Langen und Amy Nummer 1 alleine hier. Bloß die
Katze fehlt noch, um die Gesellschaft komplett zu machen."

Der Doktor setzte sich, nachdem er diese lange Rede
gehalten, und qualmte wie ein Schornstein.

Nielsen schien sich über ihn zu amüsieren. "Lieber
Doktor," sagte er, "es ist doch sonst nicht Ihre Art, so
im Galopp vorwärtszustürmen. Wenn Mrs. Weston
wirklich die Absichten hegte, die Sie ihr so ritterlicher-
weise beilegen, warum in aller Welt sollte sie sich dann
die Mühe machen, mit mir zu reden, wie sie es doch
getan hat?"

Der Doktor lachte sarkastisch. "Sagen Sie lieber:
Ihnen ihr Vertrauen zu schenken. Das ist richtiger!"

Nielsen dachte einen Augenblick nach. "Meinen Sie
etwa, sie habe mit mir nur gesprochen, um zu ver-
hindern, daß ich diesem Tölpel die fünfzig Pfund gäbe?"

"Ungefähr so." Der Doktor sah Nielsen von der
Seite an und lachte gutmütig. "Es tut mir leid um
Sie, mein Junge, aber das denke ich wirklich. Sie sollten
sich nun für ihr Vertrauen revanchieren und sich ihr
als Mieter des Hauses Cranbourne Grove 48 South
Kensington London vorstellen; erklären Sie ihr dabei,
daß Sie mit dem Hause ganz zufrieden seien, bloß mit
dem Keller unter dem Speisezimmer, wo wir eine Katze
gefunden hätten, nicht! Dann bemerken Sie nebenbei,
daß Madame Sivertsen die Verpflegung der Katze über-
nommen hat, jedoch von dem stummen Kellerbewohner
keine Ahnung besitzt.

(Fortsetzung folgt.)




[]
„Czernowitzer Allgemeine Zeitung“ 14. Auguſt 1912.
[]


[Spaltenumbruch]
Der Mann im Keller.

41] (Nachdruck verboten.)

„Vielleicht,“ ſagte Nielſen, der es nicht ganz zugeben
mochte, „jedenfalls war ſie billiger als Mr. Weſton. Auch
warnte ſie mich davor, ihm Geld zu borgen. Jawohl, und
es ſchien ihre ehrliche Meinung zu ſein. Sie will ihn ohne
Zweifel loswerden, das iſt klar.“

„Na, rücken Sie heraus mit dem ganzen Bericht,“
ſagte der Doktor kurz, und Nielſen, erzählte, was ſich
begeben hatte.

„Hum, hum,“ ſagte der Doktor und lief murmelnd
in ſeinem Zimmer auf und ab, „Unſinn haben Sie alſo
noch nicht angerichtet, obwohl es klar iſt, daß Sie ſchon
ziemlich tief in die Augen dieſer hübſchen Lady geguckt
haben. Na, das mag Ihr Recht ſein — ſie aber hat
Ihnen nichts als Lügen erzählt, und das iſt nicht ihr
Recht, und Sie dürfen ſich auch nicht narren laſſen.“

Nielſen ſagte nichts.

„Ueber ihren Vater und ihre Mutter, die tot ſein
ſollen, will ich hinweggehen,“ fuhr der Doktor fort.
„Die gehen uns nichts an. Reqaiescat in pace!
Den Mr. Armſtrong kennen wir; er iſt ohne Zweifel
ein Halunke. Nebenbei bemerkt, gratuliere ich Ihnen
dazu, daß Sie Ihre Bekanntſchaft mit ihm nicht ver-
raten haben; es wäre echt däniſch-geiſtreich geweſen,
wenn Sie etwa gerufen hätten: „Heiliger Bimbam,
den Mann kenne ich ja! Sie haben wirklich ein ſchönes,
diplomatiſches Talent, junger Mann. Und daß Sie
vom Hauſe Cranbourne Grove 48 nichts wußten, war
ebenfalls ſehr geſcheit von Ihnen. Allerdings haben
Sie recht, ſowie Mrs. Weſton von Armſtrong die Pa-
piere erhält, weiß Sie natürlich Beſcheid über uns.“


[Spaltenumbruch]

Nielſen unterbrach ihn: „Ich kann aber immer noch
nicht einſehen, mit welchem Recht Sie ſie beſchuldigten,
gelogen zu haben!“

Der Doktor lachte. „Ho, ho! Nun ſpricht das Opfer
des Cupido! Legen Sie einmal bloß für einen Moment
Ihre übergütigen Gefühle für dieſe Lady beiſeite und
überlegen Sie mit nüchterner Vernunft, was Sie Ihnen
eröffnet hat. Zunächſt behauptet ſie, daß Throgmorton
ihr Bruder ſei. Das bezweifle ich ſchon ſtark. Wenn
Bruder und Schweſter miteinander auf ſolchem Fuße
ſtehen, dann leben ſie nicht zuſammen, ſondern getrennt.
Ich glaube, der ſogenannte Mr. Throgmorton war Mr.
Weſton. Auf dieſen Gedanken bin ich draußen bei
Rybaek gekommen. Und der lange Engliſhman, den
ſie jetzt loswerden will, iſt der Major. Das iſt klar.
Sie hat alſo gelogen, die Schlange, nicht wahr?“

„Das zu behaupten haben Sie kein Recht,“ war
Nielſens Antwort. „Wir haben es uns doch zur Regel
gemacht, bei unſern Schlüſſen keine Sprünge zu machen,
und das tun ſie jetzt.“

„Nein, mein Freund, durchaus nicht. Sie wollen
bloß nicht ſehen. Wenn der lange Menſch wirklich
Mr. Weſton wäre, dann würden die beiden entweder
geſchieden ſein oder ſie lebten richtig als Mann und
Frau zuſammen. Sie würde ihn dann auch nicht in
Ihre Hände übergeben und allein davonlaufen, was
doch ihre Abſicht iſt. Ich will nicht gerade behaupten,
daß ſie Ihnen Ihr Geld nicht zurückerſtatten wird —
obwohl Damen in dieſer Hinſicht bekanntlich vergeßlich
ſein können — aber wiederſehen werden Sie ſie auf
keinen Fall. Das Haus gehört ihr tatſächlich; alſo geht
ſie ſchnnrſtracks zu Armſtrong, dem Spitzbuben, und —
entdeckt, daß Sie und ich ihre Mieter ſind. Sofort iſt
ſie von Argwohn erfüllt, verkauft ſchleunigſt alles, was
[Spaltenumbruch] ſie hat, und verſchwindet in die Kolonien! Weg iſt
ſie und für uns nicht mehr zu haben! Inzwiſchen
kommt Miß Derry hier angereiſt — allein natürlich,
denn Mr. Armſtrong iſt viel zu ſchlau, ſich hier her-
überlocken zu laſſen. Und dann ſitzen wir mit dem
Langen und Amy Nummer 1 alleine hier. Bloß die
Katze fehlt noch, um die Geſellſchaft komplett zu machen.“

Der Doktor ſetzte ſich, nachdem er dieſe lange Rede
gehalten, und qualmte wie ein Schornſtein.

Nielſen ſchien ſich über ihn zu amüſieren. „Lieber
Doktor,“ ſagte er, „es iſt doch ſonſt nicht Ihre Art, ſo
im Galopp vorwärtszuſtürmen. Wenn Mrs. Weſton
wirklich die Abſichten hegte, die Sie ihr ſo ritterlicher-
weiſe beilegen, warum in aller Welt ſollte ſie ſich dann
die Mühe machen, mit mir zu reden, wie ſie es doch
getan hat?“

Der Doktor lachte ſarkaſtiſch. „Sagen Sie lieber:
Ihnen ihr Vertrauen zu ſchenken. Das iſt richtiger!“

Nielſen dachte einen Augenblick nach. „Meinen Sie
etwa, ſie habe mit mir nur geſprochen, um zu ver-
hindern, daß ich dieſem Tölpel die fünfzig Pfund gäbe?“

„Ungefähr ſo.“ Der Doktor ſah Nielſen von der
Seite an und lachte gutmütig. „Es tut mir leid um
Sie, mein Junge, aber das denke ich wirklich. Sie ſollten
ſich nun für ihr Vertrauen revanchieren und ſich ihr
als Mieter des Hauſes Cranbourne Grove 48 South
Kenſington London vorſtellen; erklären Sie ihr dabei,
daß Sie mit dem Hauſe ganz zufrieden ſeien, bloß mit
dem Keller unter dem Speiſezimmer, wo wir eine Katze
gefunden hätten, nicht! Dann bemerken Sie nebenbei,
daß Madame Sivertſen die Verpflegung der Katze über-
nommen hat, jedoch von dem ſtummen Kellerbewohner
keine Ahnung beſitzt.

(Fortſetzung folgt.)




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[6/0006] „Czernowitzer Allgemeine Zeitung“ 14. Auguſt 1912. _ Der Mann im Keller. Kriminalroman von Palle Roſenkrantz. Ueberſetzung aus dem Engliſchen von Fr. Bernh. Müller. 41] (Nachdruck verboten.) „Vielleicht,“ ſagte Nielſen, der es nicht ganz zugeben mochte, „jedenfalls war ſie billiger als Mr. Weſton. Auch warnte ſie mich davor, ihm Geld zu borgen. Jawohl, und es ſchien ihre ehrliche Meinung zu ſein. Sie will ihn ohne Zweifel loswerden, das iſt klar.“ „Na, rücken Sie heraus mit dem ganzen Bericht,“ ſagte der Doktor kurz, und Nielſen, erzählte, was ſich begeben hatte. „Hum, hum,“ ſagte der Doktor und lief murmelnd in ſeinem Zimmer auf und ab, „Unſinn haben Sie alſo noch nicht angerichtet, obwohl es klar iſt, daß Sie ſchon ziemlich tief in die Augen dieſer hübſchen Lady geguckt haben. 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Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Benjamin Fiechter, Susanne Haaf: Bereitstellung der digitalen Textausgabe (Konvertierung in das DTA-Basisformat). (2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Amelie Meister: Vorbereitung der Texttranskription und Textauszeichnung. (2018-01-26T13:38:42Z)

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




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URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer2567_1912
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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 2567, Czernowitz, 14.08.1912, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer2567_1912/6>, abgerufen am 23.11.2024.