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Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 1905, Czernowitz, 24.05.1910.

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24 Mai 1910. Czernowitzer Allgemeine Zeitung.

[Spaltenumbruch] angenommen: "Die Teilnehmer des Parteitages nehmen die
Berichte der Referenten zur Kenntnis und sprechen ihre
Zustimmung hiezu aus. Insbesondere begrüßen sie den
wenngleich bisher noch in loser Weise erfolgten Zusammen-
schluß der deutschfreiheitlichen Abgeordneten des Reichsrates
und des Landtages mit Freude und erhoffen, daß sich diese
Einigkeit immer mehr vertiefen und zum festen Organ, zur
Wahrung der Rechte des Deutschtums in Oesterreich und
besonders in Böhmen ausgestalten werde. Sie sprachen ihre
Ueberzeugung dahin aus, daß die Besserung der rechtlichen
Stellung des Deutschtum im Lande nur auf dem Grund-
gedanken der nationalen Abgrenzung und
Selbstverwaltung erzielt werden kann, und wünschen,
daß vor der ausdrücklichen Anerkennung dieser Grund-
sätze auf czechischer Seite die Flottmachung des
Landtages unterbleibe.
"




Die Lemberger Universitätsfrage.

Die "Neue Freie Presse" berichtet in ihrem Sonntags-
blatte, daß die hinsichtlich der Universitätsfrage zwischen Polen
und Ruthenen gepflogenen Verhandlungen bereits insofern zu
einem günstigen Resultate geführt hätten, als sie wenigstens
die Feststellung eines einigenden grundsätzlichen Ge-
dankens
ergaben. Es soll einerseits der polnische Charakter
der Lemberger Universität anerkannt werden, während auf
der anderen Seite die ruthenischen Lehrkanzeln systematisch
ausgestaltet, erweitert und vermehrt werden sollen. Allerdings
ist über den wichtigsten Punkt noch immer keine Einigung
erzielt, nämlich darüber, wie weit die Ausgestaltung des
ruthenischen Hochschulwesens zu gehen hätte. Die Polen erklären,
daß die ruthenischen Lehrkanzeln im Rahmen der polnischen
Universität zu verbleiben hätten, während die Ruth[e]nen die
Errichtung einer selbständigen Universität verlangen. Aber
immerhin sind die beiden Parteien einander insoweit näher
gekommen, daß sie beide den Grundsatz anerkennen wollen:
polnischer Charakter der Universität mit gleichzeitiger
Erweiterung des ruthenischen Hochschulunter-
richtes.
Der Verwirklichung dieses Prinzips im Wege der
Gesetzgebung stellt das von der Slavischen Union aufgestellte
Junktim zwischen den slavischen Hochschulforderungen jedoch
unüberbrückbare Hindernisse entgegen. Es ist nun im Laufe
der zwischen Polen und Ruthenen gepflogenen Verhandlungen
die Idee aufgetaucht, die Lemberger Universitätsfrage durch
eine kaiserliche Verordnung zu regeln. Hiezu meldet
das zitierte Blatt:

Im Verlaufe der Verhandlungen
zwischen Polen und Ruthenen über den Lemberger Univer-
sitätsstreit ist der Vorschlag aufgetaucht, im Wege einer
kaiserlichen Willenskundgebung den Wünschen beider nationalen
Parteien gerecht zu werden. Man will hiedurch den politischen
Schwierigkeiten ausweichen, die einer Regelung im Wege der
Gesetzgebung entgegenstehen. Nach dem Plane, über den gegen-
wärtig zwischen den Polen und Ruthenen verhandelt wird,
soll eine kaiserliche Kundgebung erfolgen, in der einerseits der
polnische Charakter der Lemberger Universität festgelegt, an-
dererseits die allmähliche Schaffung einer ruthenischen Univer-
sität angekündigt wird.




In Besprechung der Frage, ob und inwieweit nach dem
geltenden Rechte der Weg einer kaiserlichen Entschließung in
diesem Falle gangbar sei, weist die "N. Fr. Pr." auf Grund
der Bestimmungen des § 11, lit. i des Staatsgrundgesetzes
und an Hand der durch die Zweiteilung der Prager und die
Errichtung der Czernowitzer Universität gegebenen
Präzedenzfälle nach, daß die Errichtung einer Universität in
die Kompetenz der Reichsgesetzgebung falle. Allerdings gingen
in beiden Fällen der legislativen Aktion die feierliche Ankün-
digung der Errichtung in Form kaiserlicher Entschließungen
voran. Hieraus wäre zu folgern, daß auch hinsichtlich der
Regelung der ruthenischen Universitätsfrage, falls zwischen
Polen und Ruthenen eine Vereinbarung über die Erlassung
einer kaiserlichen Entschließung zustandekommen sollte, dieser
letzteren gleichfalls nur die Bedeutung der feierlichen Ankün-
digung einer nachfolgenden gesetzlichen Lösung zukommen
könnte.




Eine irredentistische Verschwörung.

Die Triester Polizei ist einer weit-
verzweigten irredentistischen Verschwörung auf die
Spur gekommen, die bereits zu 18 Verhaftungen geführt hat.
Die Aufdeckung erfolgte durch Zufall. Einer der Verschwörer
hatte an ein Frl. Anita Brandolino in Triest eine Karte
gerichtet, welche von Majestätsbeleidigungen strotzte. Als die
Polizei die Adressatin über den Absender der Karte vernahm,
gestand sie auf eindringliches Befragen, daß der Absender der
Karte in ein irredentistisches Komplott verwickelt sei. Die
Polizei setzt die Erhebungen in Triest und Görz gegenwärtig
fort. Die Verhafteten sind Mitglieder von Sportvereinen,
welche unter der harmlosen Maske von sportlichen
Vereinigungen politische Geheimbündelei treiben.




Programmrede Graf Khuens.

(Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Der Ministerpräsident Graf Khuen Hedervary hielt
[Spaltenumbruch] heute vor den Wählern des vierten hauptstädtischen Bezirkes
seine Programmrede, in welcher er unter anderem ausführte,
daß es der Wille der ganzen Nation sei, wieder auf den
von Franz Deak gewiesenen Weg zurückzukehren. Der Grund
der Erschütterungen die in den letzten Jahren Ungarn heim-
suchten, sei, daß man diese Bahnen verlassen habe. Der
Ministerpräsident wendete sich sodann gegen die Obstruktion
und betonte wiederholt die Notwendigkeit des Einvernehmens
der Nation mit dem König. Der in jeder Faser seinen An-
schauungen vom Geiste Franz Deaks durchgedrungene
Ministerpräsident kritisiert die verflossene Finanz-
wirtschaft,
durch welche die Ausgaben sich um 4% er-
höhten. Der Ministerpräsident kündigt sodann die Erhöhung
der Erfordernisse für die Armee
an, zur
Sicherung der Unversehrtheit des Landes gegen Angriffe und
als Garantie für jene, mit denen die Monarchie im Bündnisse
steht. Die Vermehrung der eigenen Kraft sei die größte
Sicherung der Selbständigkeit und Unabhängigkeit des
Staates. Die Regierung wird, bevor sie auf das Gebiet
positiver Schöpfungen übertreten könne, sehr viel zu tun haben,
um die Versäumnisse der letzten Zeit wieder gut zu machen.
Der Ministerpräsident glaube mit Recht, auf die Unterstützung
der ganzen Nation rechnen zu können. Redner versicherte, daß
er stets alles tun werde, um die Erwartungen der Nation
zu erfüllen. (Wiederholter lebhafter Beifall.)

Finanzminister Lukacs über die Wahl-
rechtsfrage.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Finanzminister Lukacs hielt hier seine Programmrede, in
welcher er sich gegen die Obstruktion aussprach. Bezüglich
der Wahlrechtsfrage erklärte der Minister, er sei ein
Anhänger der möglichst weiten Ausdehnung des Wahlrechtes,
und führte zahlreiche Argumente dafür an, daß diese dem
Lande in keiner Weise schaden würde.

Wahlexzesse.

KB. (Tel. der "Cz. Allg.
Ztg.")

In Marginen, Wahldezirk Fogaras, fand ein
Zusammenstoß zwischen den Anhängern des Regierungs-
kandidaten, Werner,
und den Anhängern der Kandidaten
der Rumänen Vajda statt. Die Gendarmerie mußte
einschreiten. Zwei Personen wurden getötet,
zweiverletzt.




Die Kretafrage.
KB. (Tel. der "Cz. Allg.
Ztg.")

Die Zeitungen veröffentlichen Interviews mit dem
Marineminister, wonach dieser begüglich des Aus-
laufens der Flotte
erklärte, daß die Türkei die
Verwirklichung des Versprechens der Schutzmächte abwarte.
Sollte sich aber die Notwendigkeit ergeben, daß die Türkei
selbst ihre Rechte verteidige, dann werde die Regierung nicht
zögern, ihre Pflicht zu erfüllen.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Infolge Beschlusses des letzten in Resna abgehaltenen Protest-
meetings meldeten sich bereits zahlreiche Freiwillige
für den Marsch an die griechische Grenze.

Die türkische Flotte
bestehend aus fünf Panzerschiffen und mehreren Torpedo-
booten ist Samstag in See gegangen, sie soll nach Schieß-
übungen in Marmarameer nach dem Archipel dampfen und
dort kreuzen.

Die Blätter fordern die Regierung auf,
wegen der Kretavorgänge und des Einfalls der Altalbenier in
Bosnien auf der Hut zu sein, welche Machenschaften als
Vorwand zur Okkupierung des Sandschak benutzt werden
könnten. Es könne plötzlich ein großer Balkanbrand aufflamen.
Serbien dürfe nicht wieder wie bei der Annexion von Bosnien
und der Herzegowina überrascht werden.




Nach der Beisetzung König Eduards.
Kaiser Wilhelm und Minister Pichon.

Der französische Minister des
Aeußern Pichon, der als Führer der Delegation Frankreichs
bei dem Leichenbegängnis König Eduards war, ist, wie
gemeldet, von Kaiser Wilhelm in ein längeres Gespräch
gezogen worden. Der Minister hat dem Korrespondenten des
"Matin" folgendes über die Unterhaltung mitgeteilt. Kaiser
Wilhelm entwickelte mit großer Beredsamkeit die ihm sehr
sympathische Idee des europäischen Staatenbundes. Im
Interesse der Menschheit und der Zivilisation, sagte Kaiser
Wilhelm, sollten die großen europäischen Völker einig bleiben,
einander unterstützen und einen großen Friedensbund bilden.

In Windsor ist dem Kaiser, als
er sich in einem vierspännigen, offenen Wagen mit Spitzen-
reitern vom Schlosse Windsor nach dem Bahnhof begab, eine
stürmische Ovation von der kolossalen Menschenmenge dar-
gebracht worden. Der Kaiser dankte sichtlich überrascht.




[Spaltenumbruch]
Bunte Chronik.


Krönung der Czenstochauer Mutter-
gottesstatue.

KB. (Tel. der "Cz. Allg.
Ztg.")

Zu der heute stattfindenden feierlichen Krönung des
wundertätigen Mutter-Gottesbildes mit den Kronen, die der
Papst als Ersatz für die im Vorjahre geraubten spendete,
ist hier eine außerordentlich große Zahl katholischer Geistlicher
eingetroffen. Die Zahl der Wallfahrer wird mit 300.000
bis 500.000 Personen angegeben. An der Feier nahmen
auch Abordnungen aus Warschau, Lemberg und Krakau teil.




Der Komet.

Das Rätsel des Kometen ist gelöst. Die Annahme, daß
die Erde den Kometenschweif bereits passiert hat, ist jetzt bereits
zur Gewißheit geworden. Die Wissenschaft hat also Recht
behalten, wenn sie auf Grund ihrer Betrachtungen den Vor-
übergang des Kometenkerns vor der Sonnenscheibe für den
19. Mai von 4 Uhr 34.5 Minuten bis 5 Uhr 34.3 Min.
festsetzte. Der Durchgang der Erde durch den Kometenschweif
ließ sich rechnerisch nicht genau festlegen. Aus der von der
Sonnenwendstein-Warte festgestellten Tatsache jedoch, daß der
Kometenschweif, der Donnerstag früh noch beobachtet werden
konnte, Freitag verschwunden war, wird mit unumstößlicher
Gewißheit der bereits vollzogene Durchgang der Erde durch den
Kometenschweif geschlossen.

Angestellte Beobachtungen.

Aus William Bay in Wisconsin
wird telegraphiert: Die Yerkes-Sternwarte meldet, daß der
Halleysche Komet gestern abend von 7 Uhr 40 Minuten bis
8 Uhr 35 Minuten im Westen beobachtet wurde. Er war
dem bloßen Auge sichtbar und ging um neun Uhr unter. Sein
Schweif wurde nicht gesehen.

In Volo wurde gestern nachts um
1 Uhr 15 Minuten am Firmament eine große Feuerkugel
von außerordentlicher Lichtstärke wahrgenommen, die die Be-
völkerung in Schrecken versetzte. Die Feuerkugel bewegte sich von
Westen nach Osten.

Feuersbrunst.
KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

In dem Städtchen Skotschau (Oest.-Schls.) brach heute vor-
mittags 10 Uhr eine Feuerbrunst aus, die bisher 25 Häuser
erfaßte. Die Bielitzer Feuerwehr und zwei gleichfalls aus
Bielitz requirierte Kompagnien-Infanterie sind mit der Be-
kämpfung des Brandes beschäftigt. Das Feuer ist wahrscheinlich
durch Ausschütten glühender Asche in eine Kehrichtgrube
entstanden.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Der Brand in Skotschau hielt die ganze Nacht an. Ein
ganzes Stadtviertel ist abgebrannt. Der Gesamt-
schaden beträgt 600.000 Kr.




Raubüberfall auf einen Kassier.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

In
der Nähe der Stadt übersielen vier Räuber einen Kassier und
beraubten ihm. Von der Feldpolizei verfolgt, wurden zwei von
ihnen erschossen. Die übrigen zwei versuchten auf eine fahrende
Lokomotive aufzuspringen, wobei sie den Zugsführer verletzten,
schließlich wurden sie von der Feldpolizei eingeholt und ver-
haftet. Beide waren aber bereits schwer verletzt.




Luftschiffahrt.

Der Aviatiker de Lesseps unter-
nahm heute nachmittags 3 Uhr 30 Min. bei herrlichem Wetter
einen Versuch, mit seinem Apparat nach Dover zu fliegen und
von dort wieder nach Calais. Er stieg sofort in eine Höhe von
500 Meter über dem Meeresspiegel.

de Lesseps ist nach Ueberquerung
des Kanals um 4 Uhr 20 Min. in der Margaretenbucht
zwischen hier und Dover glatt gelandet.

Ein zweiter Flug über den Aermelkanal.

KB. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.")

Der Aviatiker Lesseps gab den für heute vormittags beab-
sichtigten Rückflug über den Kanal wegen des heftigen Windes
auf und ließ den Apparat zum Transport nach Calais
verpacken.




[Die Hygiene der Briefmarke.]

Metall- und
Papiergeld haben sich schon oft den Vorwurf gefallen lassen
müssen, wegen der Möglichkeit, Krankheitskeime zu übertragen,
sehr gefährlich zu sein. Ein englischer Arzt weist nun darauf
hin, daß dieser Vorwurf für die Briefmarke in viel höherem
Grade zutrifft. Im Auftrage des "Daily Mirror" hat er
hierüber eingehende Untersuchungen ausgeführt. Er hat auf
einem Postamte einen Bogen Briefmarken gekauft. Hiervon
wurden einige sofort in Glasröhrchen gesteckt, die verschlossen
auf ein paar Tage dem bakteriologischen Brutofen anvertraut

24 Mai 1910. Czernowitzer Allgemeine Zeitung.

[Spaltenumbruch] angenommen: „Die Teilnehmer des Parteitages nehmen die
Berichte der Referenten zur Kenntnis und ſprechen ihre
Zuſtimmung hiezu aus. Insbeſondere begrüßen ſie den
wenngleich bisher noch in loſer Weiſe erfolgten Zuſammen-
ſchluß der deutſchfreiheitlichen Abgeordneten des Reichsrates
und des Landtages mit Freude und erhoffen, daß ſich dieſe
Einigkeit immer mehr vertiefen und zum feſten Organ, zur
Wahrung der Rechte des Deutſchtums in Oeſterreich und
beſonders in Böhmen ausgeſtalten werde. Sie ſprachen ihre
Ueberzeugung dahin aus, daß die Beſſerung der rechtlichen
Stellung des Deutſchtum im Lande nur auf dem Grund-
gedanken der nationalen Abgrenzung und
Selbſtverwaltung erzielt werden kann, und wünſchen,
daß vor der ausdrücklichen Anerkennung dieſer Grund-
ſätze auf czechiſcher Seite die Flottmachung des
Landtages unterbleibe.




Die Lemberger Univerſitätsfrage.

Die „Neue Freie Preſſe“ berichtet in ihrem Sonntags-
blatte, daß die hinſichtlich der Univerſitätsfrage zwiſchen Polen
und Ruthenen gepflogenen Verhandlungen bereits inſofern zu
einem günſtigen Reſultate geführt hätten, als ſie wenigſtens
die Feſtſtellung eines einigenden grundſätzlichen Ge-
dankens
ergaben. Es ſoll einerſeits der polniſche Charakter
der Lemberger Univerſität anerkannt werden, während auf
der anderen Seite die rutheniſchen Lehrkanzeln ſyſtematiſch
ausgeſtaltet, erweitert und vermehrt werden ſollen. Allerdings
iſt über den wichtigſten Punkt noch immer keine Einigung
erzielt, nämlich darüber, wie weit die Ausgeſtaltung des
rutheniſchen Hochſchulweſens zu gehen hätte. Die Polen erklären,
daß die rutheniſchen Lehrkanzeln im Rahmen der polniſchen
Univerſität zu verbleiben hätten, während die Ruth[e]nen die
Errichtung einer ſelbſtändigen Univerſität verlangen. Aber
immerhin ſind die beiden Parteien einander inſoweit näher
gekommen, daß ſie beide den Grundſatz anerkennen wollen:
polniſcher Charakter der Univerſität mit gleichzeitiger
Erweiterung des rutheniſchen Hochſchulunter-
richtes.
Der Verwirklichung dieſes Prinzips im Wege der
Geſetzgebung ſtellt das von der Slaviſchen Union aufgeſtellte
Junktim zwiſchen den ſlaviſchen Hochſchulforderungen jedoch
unüberbrückbare Hinderniſſe entgegen. Es iſt nun im Laufe
der zwiſchen Polen und Ruthenen gepflogenen Verhandlungen
die Idee aufgetaucht, die Lemberger Univerſitätsfrage durch
eine kaiſerliche Verordnung zu regeln. Hiezu meldet
das zitierte Blatt:

Im Verlaufe der Verhandlungen
zwiſchen Polen und Ruthenen über den Lemberger Univer-
ſitätsſtreit iſt der Vorſchlag aufgetaucht, im Wege einer
kaiſerlichen Willenskundgebung den Wünſchen beider nationalen
Parteien gerecht zu werden. Man will hiedurch den politiſchen
Schwierigkeiten ausweichen, die einer Regelung im Wege der
Geſetzgebung entgegenſtehen. Nach dem Plane, über den gegen-
wärtig zwiſchen den Polen und Ruthenen verhandelt wird,
ſoll eine kaiſerliche Kundgebung erfolgen, in der einerſeits der
polniſche Charakter der Lemberger Univerſität feſtgelegt, an-
dererſeits die allmähliche Schaffung einer rutheniſchen Univer-
ſität angekündigt wird.




In Beſprechung der Frage, ob und inwieweit nach dem
geltenden Rechte der Weg einer kaiſerlichen Entſchließung in
dieſem Falle gangbar ſei, weiſt die „N. Fr. Pr.“ auf Grund
der Beſtimmungen des § 11, lit. i des Staatsgrundgeſetzes
und an Hand der durch die Zweiteilung der Prager und die
Errichtung der Czernowitzer Univerſität gegebenen
Präzedenzfälle nach, daß die Errichtung einer Univerſität in
die Kompetenz der Reichsgeſetzgebung falle. Allerdings gingen
in beiden Fällen der legislativen Aktion die feierliche Ankün-
digung der Errichtung in Form kaiſerlicher Entſchließungen
voran. Hieraus wäre zu folgern, daß auch hinſichtlich der
Regelung der rutheniſchen Univerſitätsfrage, falls zwiſchen
Polen und Ruthenen eine Vereinbarung über die Erlaſſung
einer kaiſerlichen Entſchließung zuſtandekommen ſollte, dieſer
letzteren gleichfalls nur die Bedeutung der feierlichen Ankün-
digung einer nachfolgenden geſetzlichen Löſung zukommen
könnte.




Eine irredentiſtiſche Verſchwörung.

Die Trieſter Polizei iſt einer weit-
verzweigten irredentiſtiſchen Verſchwörung auf die
Spur gekommen, die bereits zu 18 Verhaftungen geführt hat.
Die Aufdeckung erfolgte durch Zufall. Einer der Verſchwörer
hatte an ein Frl. Anita Brandolino in Trieſt eine Karte
gerichtet, welche von Majeſtätsbeleidigungen ſtrotzte. Als die
Polizei die Adreſſatin über den Abſender der Karte vernahm,
geſtand ſie auf eindringliches Befragen, daß der Abſender der
Karte in ein irredentiſtiſches Komplott verwickelt ſei. Die
Polizei ſetzt die Erhebungen in Trieſt und Görz gegenwärtig
fort. Die Verhafteten ſind Mitglieder von Sportvereinen,
welche unter der harmloſen Maske von ſportlichen
Vereinigungen politiſche Geheimbündelei treiben.




Programmrede Graf Khuens.

(Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Der Miniſterpräſident Graf Khuen Hedervary hielt
[Spaltenumbruch] heute vor den Wählern des vierten hauptſtädtiſchen Bezirkes
ſeine Programmrede, in welcher er unter anderem ausführte,
daß es der Wille der ganzen Nation ſei, wieder auf den
von Franz Deak gewieſenen Weg zurückzukehren. Der Grund
der Erſchütterungen die in den letzten Jahren Ungarn heim-
ſuchten, ſei, daß man dieſe Bahnen verlaſſen habe. Der
Miniſterpräſident wendete ſich ſodann gegen die Obſtruktion
und betonte wiederholt die Notwendigkeit des Einvernehmens
der Nation mit dem König. Der in jeder Faſer ſeinen An-
ſchauungen vom Geiſte Franz Deaks durchgedrungene
Miniſterpräſident kritiſiert die verfloſſene Finanz-
wirtſchaft,
durch welche die Ausgaben ſich um 4% er-
höhten. Der Miniſterpräſident kündigt ſodann die Erhöhung
der Erforderniſſe für die Armee
an, zur
Sicherung der Unverſehrtheit des Landes gegen Angriffe und
als Garantie für jene, mit denen die Monarchie im Bündniſſe
ſteht. Die Vermehrung der eigenen Kraft ſei die größte
Sicherung der Selbſtändigkeit und Unabhängigkeit des
Staates. Die Regierung wird, bevor ſie auf das Gebiet
poſitiver Schöpfungen übertreten könne, ſehr viel zu tun haben,
um die Verſäumniſſe der letzten Zeit wieder gut zu machen.
Der Miniſterpräſident glaube mit Recht, auf die Unterſtützung
der ganzen Nation rechnen zu können. Redner verſicherte, daß
er ſtets alles tun werde, um die Erwartungen der Nation
zu erfüllen. (Wiederholter lebhafter Beifall.)

Finanzminiſter Lukacs über die Wahl-
rechtsfrage.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Finanzminiſter Lukacs hielt hier ſeine Programmrede, in
welcher er ſich gegen die Obſtruktion ausſprach. Bezüglich
der Wahlrechtsfrage erklärte der Miniſter, er ſei ein
Anhänger der möglichſt weiten Ausdehnung des Wahlrechtes,
und führte zahlreiche Argumente dafür an, daß dieſe dem
Lande in keiner Weiſe ſchaden würde.

Wahlexzeſſe.

KB. (Tel. der „Cz. Allg.
Ztg.“)

In Marginen, Wahldezirk Fogaras, fand ein
Zuſammenſtoß zwiſchen den Anhängern des Regierungs-
kandidaten, Werner,
und den Anhängern der Kandidaten
der Rumänen Vajda ſtatt. Die Gendarmerie mußte
einſchreiten. Zwei Perſonen wurden getötet,
zweiverletzt.




Die Kretafrage.
KB. (Tel. der „Cz. Allg.
Ztg.“)

Die Zeitungen veröffentlichen Interviews mit dem
Marineminiſter, wonach dieſer begüglich des Aus-
laufens der Flotte
erklärte, daß die Türkei die
Verwirklichung des Verſprechens der Schutzmächte abwarte.
Sollte ſich aber die Notwendigkeit ergeben, daß die Türkei
ſelbſt ihre Rechte verteidige, dann werde die Regierung nicht
zögern, ihre Pflicht zu erfüllen.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Infolge Beſchluſſes des letzten in Resna abgehaltenen Proteſt-
meetings meldeten ſich bereits zahlreiche Freiwillige
für den Marſch an die griechiſche Grenze.

Die türkiſche Flotte
beſtehend aus fünf Panzerſchiffen und mehreren Torpedo-
booten iſt Samſtag in See gegangen, ſie ſoll nach Schieß-
übungen in Marmarameer nach dem Archipel dampfen und
dort kreuzen.

Die Blätter fordern die Regierung auf,
wegen der Kretavorgänge und des Einfalls der Altalbenier in
Bosnien auf der Hut zu ſein, welche Machenſchaften als
Vorwand zur Okkupierung des Sandſchak benutzt werden
könnten. Es könne plötzlich ein großer Balkanbrand aufflamen.
Serbien dürfe nicht wieder wie bei der Annexion von Bosnien
und der Herzegowina überraſcht werden.




Nach der Beiſetzung König Eduards.
Kaiſer Wilhelm und Miniſter Pichon.

Der franzöſiſche Miniſter des
Aeußern Pichon, der als Führer der Delegation Frankreichs
bei dem Leichenbegängnis König Eduards war, iſt, wie
gemeldet, von Kaiſer Wilhelm in ein längeres Geſpräch
gezogen worden. Der Miniſter hat dem Korreſpondenten des
„Matin“ folgendes über die Unterhaltung mitgeteilt. Kaiſer
Wilhelm entwickelte mit großer Beredſamkeit die ihm ſehr
ſympathiſche Idee des europäiſchen Staatenbundes. Im
Intereſſe der Menſchheit und der Ziviliſation, ſagte Kaiſer
Wilhelm, ſollten die großen europäiſchen Völker einig bleiben,
einander unterſtützen und einen großen Friedensbund bilden.

In Windſor iſt dem Kaiſer, als
er ſich in einem vierſpännigen, offenen Wagen mit Spitzen-
reitern vom Schloſſe Windſor nach dem Bahnhof begab, eine
ſtürmiſche Ovation von der koloſſalen Menſchenmenge dar-
gebracht worden. Der Kaiſer dankte ſichtlich überraſcht.




[Spaltenumbruch]
Bunte Chronik.


Krönung der Czenſtochauer Mutter-
gottesſtatue.

KB. (Tel. der „Cz. Allg.
Ztg.“)

Zu der heute ſtattfindenden feierlichen Krönung des
wundertätigen Mutter-Gottesbildes mit den Kronen, die der
Papſt als Erſatz für die im Vorjahre geraubten ſpendete,
iſt hier eine außerordentlich große Zahl katholiſcher Geiſtlicher
eingetroffen. Die Zahl der Wallfahrer wird mit 300.000
bis 500.000 Perſonen angegeben. An der Feier nahmen
auch Abordnungen aus Warſchau, Lemberg und Krakau teil.




Der Komet.

Das Rätſel des Kometen iſt gelöſt. Die Annahme, daß
die Erde den Kometenſchweif bereits paſſiert hat, iſt jetzt bereits
zur Gewißheit geworden. Die Wiſſenſchaft hat alſo Recht
behalten, wenn ſie auf Grund ihrer Betrachtungen den Vor-
übergang des Kometenkerns vor der Sonnenſcheibe für den
19. Mai von 4 Uhr 34.5 Minuten bis 5 Uhr 34.3 Min.
feſtſetzte. Der Durchgang der Erde durch den Kometenſchweif
ließ ſich rechneriſch nicht genau feſtlegen. Aus der von der
Sonnenwendſtein-Warte feſtgeſtellten Tatſache jedoch, daß der
Kometenſchweif, der Donnerstag früh noch beobachtet werden
konnte, Freitag verſchwunden war, wird mit unumſtößlicher
Gewißheit der bereits vollzogene Durchgang der Erde durch den
Kometenſchweif geſchloſſen.

Angeſtellte Beobachtungen.

Aus William Bay in Wisconſin
wird telegraphiert: Die Yerkes-Sternwarte meldet, daß der
Halleyſche Komet geſtern abend von 7 Uhr 40 Minuten bis
8 Uhr 35 Minuten im Weſten beobachtet wurde. Er war
dem bloßen Auge ſichtbar und ging um neun Uhr unter. Sein
Schweif wurde nicht geſehen.

In Volo wurde geſtern nachts um
1 Uhr 15 Minuten am Firmament eine große Feuerkugel
von außerordentlicher Lichtſtärke wahrgenommen, die die Be-
völkerung in Schrecken verſetzte. Die Feuerkugel bewegte ſich von
Weſten nach Oſten.

Feuersbrunſt.
KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

In dem Städtchen Skotſchau (Oeſt.-Schlſ.) brach heute vor-
mittags 10 Uhr eine Feuerbrunſt aus, die bisher 25 Häuſer
erfaßte. Die Bielitzer Feuerwehr und zwei gleichfalls aus
Bielitz requirierte Kompagnien-Infanterie ſind mit der Be-
kämpfung des Brandes beſchäftigt. Das Feuer iſt wahrſcheinlich
durch Ausſchütten glühender Aſche in eine Kehrichtgrube
entſtanden.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Der Brand in Skotſchau hielt die ganze Nacht an. Ein
ganzes Stadtviertel iſt abgebrannt. Der Geſamt-
ſchaden beträgt 600.000 Kr.




Raubüberfall auf einen Kaſſier.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

In
der Nähe der Stadt überſielen vier Räuber einen Kaſſier und
beraubten ihm. Von der Feldpolizei verfolgt, wurden zwei von
ihnen erſchoſſen. Die übrigen zwei verſuchten auf eine fahrende
Lokomotive aufzuſpringen, wobei ſie den Zugsführer verletzten,
ſchließlich wurden ſie von der Feldpolizei eingeholt und ver-
haftet. Beide waren aber bereits ſchwer verletzt.




Luftſchiffahrt.

Der Aviatiker de Leſſeps unter-
nahm heute nachmittags 3 Uhr 30 Min. bei herrlichem Wetter
einen Verſuch, mit ſeinem Apparat nach Dover zu fliegen und
von dort wieder nach Calais. Er ſtieg ſofort in eine Höhe von
500 Meter über dem Meeresſpiegel.

de Leſſeps iſt nach Ueberquerung
des Kanals um 4 Uhr 20 Min. in der Margaretenbucht
zwiſchen hier und Dover glatt gelandet.

Ein zweiter Flug über den Aermelkanal.

KB. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)

Der Aviatiker Leſſeps gab den für heute vormittags beab-
ſichtigten Rückflug über den Kanal wegen des heftigen Windes
auf und ließ den Apparat zum Transport nach Calais
verpacken.




[Die Hygiene der Briefmarke.]

Metall- und
Papiergeld haben ſich ſchon oft den Vorwurf gefallen laſſen
müſſen, wegen der Möglichkeit, Krankheitskeime zu übertragen,
ſehr gefährlich zu ſein. Ein engliſcher Arzt weiſt nun darauf
hin, daß dieſer Vorwurf für die Briefmarke in viel höherem
Grade zutrifft. Im Auftrage des „Daily Mirror“ hat er
hierüber eingehende Unterſuchungen ausgeführt. Er hat auf
einem Poſtamte einen Bogen Briefmarken gekauft. Hiervon
wurden einige ſofort in Glasröhrchen geſteckt, die verſchloſſen
auf ein paar Tage dem bakteriologiſchen Brutofen anvertraut

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[3/0003] 24 Mai 1910. Czernowitzer Allgemeine Zeitung. angenommen: „Die Teilnehmer des Parteitages nehmen die Berichte der Referenten zur Kenntnis und ſprechen ihre Zuſtimmung hiezu aus. Insbeſondere begrüßen ſie den wenngleich bisher noch in loſer Weiſe erfolgten Zuſammen- ſchluß der deutſchfreiheitlichen Abgeordneten des Reichsrates und des Landtages mit Freude und erhoffen, daß ſich dieſe Einigkeit immer mehr vertiefen und zum feſten Organ, zur Wahrung der Rechte des Deutſchtums in Oeſterreich und beſonders in Böhmen ausgeſtalten werde. Sie ſprachen ihre Ueberzeugung dahin aus, daß die Beſſerung der rechtlichen Stellung des Deutſchtum im Lande nur auf dem Grund- gedanken der nationalen Abgrenzung und Selbſtverwaltung erzielt werden kann, und wünſchen, daß vor der ausdrücklichen Anerkennung dieſer Grund- ſätze auf czechiſcher Seite die Flottmachung des Landtages unterbleibe.“ Die Lemberger Univerſitätsfrage. Die „Neue Freie Preſſe“ berichtet in ihrem Sonntags- blatte, daß die hinſichtlich der Univerſitätsfrage zwiſchen Polen und Ruthenen gepflogenen Verhandlungen bereits inſofern zu einem günſtigen Reſultate geführt hätten, als ſie wenigſtens die Feſtſtellung eines einigenden grundſätzlichen Ge- dankens ergaben. Es ſoll einerſeits der polniſche Charakter der Lemberger Univerſität anerkannt werden, während auf der anderen Seite die rutheniſchen Lehrkanzeln ſyſtematiſch ausgeſtaltet, erweitert und vermehrt werden ſollen. Allerdings iſt über den wichtigſten Punkt noch immer keine Einigung erzielt, nämlich darüber, wie weit die Ausgeſtaltung des rutheniſchen Hochſchulweſens zu gehen hätte. Die Polen erklären, daß die rutheniſchen Lehrkanzeln im Rahmen der polniſchen Univerſität zu verbleiben hätten, während die Ruthenen die Errichtung einer ſelbſtändigen Univerſität verlangen. Aber immerhin ſind die beiden Parteien einander inſoweit näher gekommen, daß ſie beide den Grundſatz anerkennen wollen: polniſcher Charakter der Univerſität mit gleichzeitiger Erweiterung des rutheniſchen Hochſchulunter- richtes. Der Verwirklichung dieſes Prinzips im Wege der Geſetzgebung ſtellt das von der Slaviſchen Union aufgeſtellte Junktim zwiſchen den ſlaviſchen Hochſchulforderungen jedoch unüberbrückbare Hinderniſſe entgegen. Es iſt nun im Laufe der zwiſchen Polen und Ruthenen gepflogenen Verhandlungen die Idee aufgetaucht, die Lemberger Univerſitätsfrage durch eine kaiſerliche Verordnung zu regeln. Hiezu meldet das zitierte Blatt: Wien, 21. Mai. Im Verlaufe der Verhandlungen zwiſchen Polen und Ruthenen über den Lemberger Univer- ſitätsſtreit iſt der Vorſchlag aufgetaucht, im Wege einer kaiſerlichen Willenskundgebung den Wünſchen beider nationalen Parteien gerecht zu werden. Man will hiedurch den politiſchen Schwierigkeiten ausweichen, die einer Regelung im Wege der Geſetzgebung entgegenſtehen. Nach dem Plane, über den gegen- wärtig zwiſchen den Polen und Ruthenen verhandelt wird, ſoll eine kaiſerliche Kundgebung erfolgen, in der einerſeits der polniſche Charakter der Lemberger Univerſität feſtgelegt, an- dererſeits die allmähliche Schaffung einer rutheniſchen Univer- ſität angekündigt wird. In Beſprechung der Frage, ob und inwieweit nach dem geltenden Rechte der Weg einer kaiſerlichen Entſchließung in dieſem Falle gangbar ſei, weiſt die „N. Fr. Pr.“ auf Grund der Beſtimmungen des § 11, lit. i des Staatsgrundgeſetzes und an Hand der durch die Zweiteilung der Prager und die Errichtung der Czernowitzer Univerſität gegebenen Präzedenzfälle nach, daß die Errichtung einer Univerſität in die Kompetenz der Reichsgeſetzgebung falle. Allerdings gingen in beiden Fällen der legislativen Aktion die feierliche Ankün- digung der Errichtung in Form kaiſerlicher Entſchließungen voran. Hieraus wäre zu folgern, daß auch hinſichtlich der Regelung der rutheniſchen Univerſitätsfrage, falls zwiſchen Polen und Ruthenen eine Vereinbarung über die Erlaſſung einer kaiſerlichen Entſchließung zuſtandekommen ſollte, dieſer letzteren gleichfalls nur die Bedeutung der feierlichen Ankün- digung einer nachfolgenden geſetzlichen Löſung zukommen könnte. Eine irredentiſtiſche Verſchwörung. Wien, 22. Mai. Die Trieſter Polizei iſt einer weit- verzweigten irredentiſtiſchen Verſchwörung auf die Spur gekommen, die bereits zu 18 Verhaftungen geführt hat. Die Aufdeckung erfolgte durch Zufall. Einer der Verſchwörer hatte an ein Frl. Anita Brandolino in Trieſt eine Karte gerichtet, welche von Majeſtätsbeleidigungen ſtrotzte. Als die Polizei die Adreſſatin über den Abſender der Karte vernahm, geſtand ſie auf eindringliches Befragen, daß der Abſender der Karte in ein irredentiſtiſches Komplott verwickelt ſei. Die Polizei ſetzt die Erhebungen in Trieſt und Görz gegenwärtig fort. Die Verhafteten ſind Mitglieder von Sportvereinen, welche unter der harmloſen Maske von ſportlichen Vereinigungen politiſche Geheimbündelei treiben. Programmrede Graf Khuens. KB. Budapeſt, 23. Mai. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Der Miniſterpräſident Graf Khuen Hedervary hielt heute vor den Wählern des vierten hauptſtädtiſchen Bezirkes ſeine Programmrede, in welcher er unter anderem ausführte, daß es der Wille der ganzen Nation ſei, wieder auf den von Franz Deak gewieſenen Weg zurückzukehren. Der Grund der Erſchütterungen die in den letzten Jahren Ungarn heim- ſuchten, ſei, daß man dieſe Bahnen verlaſſen habe. Der Miniſterpräſident wendete ſich ſodann gegen die Obſtruktion und betonte wiederholt die Notwendigkeit des Einvernehmens der Nation mit dem König. Der in jeder Faſer ſeinen An- ſchauungen vom Geiſte Franz Deaks durchgedrungene Miniſterpräſident kritiſiert die verfloſſene Finanz- wirtſchaft, durch welche die Ausgaben ſich um 4% er- höhten. Der Miniſterpräſident kündigt ſodann die Erhöhung der Erforderniſſe für die Armee an, zur Sicherung der Unverſehrtheit des Landes gegen Angriffe und als Garantie für jene, mit denen die Monarchie im Bündniſſe ſteht. Die Vermehrung der eigenen Kraft ſei die größte Sicherung der Selbſtändigkeit und Unabhängigkeit des Staates. Die Regierung wird, bevor ſie auf das Gebiet poſitiver Schöpfungen übertreten könne, ſehr viel zu tun haben, um die Verſäumniſſe der letzten Zeit wieder gut zu machen. Der Miniſterpräſident glaube mit Recht, auf die Unterſtützung der ganzen Nation rechnen zu können. Redner verſicherte, daß er ſtets alles tun werde, um die Erwartungen der Nation zu erfüllen. (Wiederholter lebhafter Beifall.) Finanzminiſter Lukacs über die Wahl- rechtsfrage. KB. Kremnitz, 23. Mai. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Finanzminiſter Lukacs hielt hier ſeine Programmrede, in welcher er ſich gegen die Obſtruktion ausſprach. Bezüglich der Wahlrechtsfrage erklärte der Miniſter, er ſei ein Anhänger der möglichſt weiten Ausdehnung des Wahlrechtes, und führte zahlreiche Argumente dafür an, daß dieſe dem Lande in keiner Weiſe ſchaden würde. Wahlexzeſſe. KB. Budapeſt, 23. Mai. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) In Marginen, Wahldezirk Fogaras, fand ein Zuſammenſtoß zwiſchen den Anhängern des Regierungs- kandidaten, Werner, und den Anhängern der Kandidaten der Rumänen Vajda ſtatt. Die Gendarmerie mußte einſchreiten. Zwei Perſonen wurden getötet, zweiverletzt. Die Kretafrage. KB. Konſtantinopel. 23. Mai. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Die Zeitungen veröffentlichen Interviews mit dem Marineminiſter, wonach dieſer begüglich des Aus- laufens der Flotte erklärte, daß die Türkei die Verwirklichung des Verſprechens der Schutzmächte abwarte. Sollte ſich aber die Notwendigkeit ergeben, daß die Türkei ſelbſt ihre Rechte verteidige, dann werde die Regierung nicht zögern, ihre Pflicht zu erfüllen. KB. Saloniki, 23. Mai. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Infolge Beſchluſſes des letzten in Resna abgehaltenen Proteſt- meetings meldeten ſich bereits zahlreiche Freiwillige für den Marſch an die griechiſche Grenze. Konſtantinopel, 22. Mai. Die türkiſche Flotte beſtehend aus fünf Panzerſchiffen und mehreren Torpedo- booten iſt Samſtag in See gegangen, ſie ſoll nach Schieß- übungen in Marmarameer nach dem Archipel dampfen und dort kreuzen. Belgrad, 22. Mai. Die Blätter fordern die Regierung auf, wegen der Kretavorgänge und des Einfalls der Altalbenier in Bosnien auf der Hut zu ſein, welche Machenſchaften als Vorwand zur Okkupierung des Sandſchak benutzt werden könnten. Es könne plötzlich ein großer Balkanbrand aufflamen. Serbien dürfe nicht wieder wie bei der Annexion von Bosnien und der Herzegowina überraſcht werden. Nach der Beiſetzung König Eduards. Kaiſer Wilhelm und Miniſter Pichon. Paris, 21. Mai. Der franzöſiſche Miniſter des Aeußern Pichon, der als Führer der Delegation Frankreichs bei dem Leichenbegängnis König Eduards war, iſt, wie gemeldet, von Kaiſer Wilhelm in ein längeres Geſpräch gezogen worden. Der Miniſter hat dem Korreſpondenten des „Matin“ folgendes über die Unterhaltung mitgeteilt. Kaiſer Wilhelm entwickelte mit großer Beredſamkeit die ihm ſehr ſympathiſche Idee des europäiſchen Staatenbundes. Im Intereſſe der Menſchheit und der Ziviliſation, ſagte Kaiſer Wilhelm, ſollten die großen europäiſchen Völker einig bleiben, einander unterſtützen und einen großen Friedensbund bilden. London, 21. Mai. In Windſor iſt dem Kaiſer, als er ſich in einem vierſpännigen, offenen Wagen mit Spitzen- reitern vom Schloſſe Windſor nach dem Bahnhof begab, eine ſtürmiſche Ovation von der koloſſalen Menſchenmenge dar- gebracht worden. Der Kaiſer dankte ſichtlich überraſcht. Bunte Chronik. Czernowitz, 23. Mai. Krönung der Czenſtochauer Mutter- gottesſtatue. KB. Czenſtochan, 23. Mai. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Zu der heute ſtattfindenden feierlichen Krönung des wundertätigen Mutter-Gottesbildes mit den Kronen, die der Papſt als Erſatz für die im Vorjahre geraubten ſpendete, iſt hier eine außerordentlich große Zahl katholiſcher Geiſtlicher eingetroffen. Die Zahl der Wallfahrer wird mit 300.000 bis 500.000 Perſonen angegeben. An der Feier nahmen auch Abordnungen aus Warſchau, Lemberg und Krakau teil. Der Komet. Das Rätſel des Kometen iſt gelöſt. Die Annahme, daß die Erde den Kometenſchweif bereits paſſiert hat, iſt jetzt bereits zur Gewißheit geworden. Die Wiſſenſchaft hat alſo Recht behalten, wenn ſie auf Grund ihrer Betrachtungen den Vor- übergang des Kometenkerns vor der Sonnenſcheibe für den 19. Mai von 4 Uhr 34.5 Minuten bis 5 Uhr 34.3 Min. feſtſetzte. Der Durchgang der Erde durch den Kometenſchweif ließ ſich rechneriſch nicht genau feſtlegen. Aus der von der Sonnenwendſtein-Warte feſtgeſtellten Tatſache jedoch, daß der Kometenſchweif, der Donnerstag früh noch beobachtet werden konnte, Freitag verſchwunden war, wird mit unumſtößlicher Gewißheit der bereits vollzogene Durchgang der Erde durch den Kometenſchweif geſchloſſen. Angeſtellte Beobachtungen. London, 22. Mai. Aus William Bay in Wisconſin wird telegraphiert: Die Yerkes-Sternwarte meldet, daß der Halleyſche Komet geſtern abend von 7 Uhr 40 Minuten bis 8 Uhr 35 Minuten im Weſten beobachtet wurde. Er war dem bloßen Auge ſichtbar und ging um neun Uhr unter. Sein Schweif wurde nicht geſehen. Athen, 22. Mai. In Volo wurde geſtern nachts um 1 Uhr 15 Minuten am Firmament eine große Feuerkugel von außerordentlicher Lichtſtärke wahrgenommen, die die Be- völkerung in Schrecken verſetzte. Die Feuerkugel bewegte ſich von Weſten nach Oſten. Feuersbrunſt. KB. Troppau, 22. Mai. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) In dem Städtchen Skotſchau (Oeſt.-Schlſ.) brach heute vor- mittags 10 Uhr eine Feuerbrunſt aus, die bisher 25 Häuſer erfaßte. Die Bielitzer Feuerwehr und zwei gleichfalls aus Bielitz requirierte Kompagnien-Infanterie ſind mit der Be- kämpfung des Brandes beſchäftigt. Das Feuer iſt wahrſcheinlich durch Ausſchütten glühender Aſche in eine Kehrichtgrube entſtanden. KB. Troppau, 23. Mai. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Der Brand in Skotſchau hielt die ganze Nacht an. Ein ganzes Stadtviertel iſt abgebrannt. Der Geſamt- ſchaden beträgt 600.000 Kr. Raubüberfall auf einen Kaſſier. KB. Odeſſa, 23. Mai. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) In der Nähe der Stadt überſielen vier Räuber einen Kaſſier und beraubten ihm. Von der Feldpolizei verfolgt, wurden zwei von ihnen erſchoſſen. Die übrigen zwei verſuchten auf eine fahrende Lokomotive aufzuſpringen, wobei ſie den Zugsführer verletzten, ſchließlich wurden ſie von der Feldpolizei eingeholt und ver- haftet. Beide waren aber bereits ſchwer verletzt. Luftſchiffahrt. Calais, 22. Mai. Der Aviatiker de Leſſeps unter- nahm heute nachmittags 3 Uhr 30 Min. bei herrlichem Wetter einen Verſuch, mit ſeinem Apparat nach Dover zu fliegen und von dort wieder nach Calais. Er ſtieg ſofort in eine Höhe von 500 Meter über dem Meeresſpiegel. Deal, 22. Mai. de Leſſeps iſt nach Ueberquerung des Kanals um 4 Uhr 20 Min. in der Margaretenbucht zwiſchen hier und Dover glatt gelandet. Ein zweiter Flug über den Aermelkanal. KB. London, 23. Mai. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Der Aviatiker Leſſeps gab den für heute vormittags beab- ſichtigten Rückflug über den Kanal wegen des heftigen Windes auf und ließ den Apparat zum Transport nach Calais verpacken. [Die Hygiene der Briefmarke.] Metall- und Papiergeld haben ſich ſchon oft den Vorwurf gefallen laſſen müſſen, wegen der Möglichkeit, Krankheitskeime zu übertragen, ſehr gefährlich zu ſein. Ein engliſcher Arzt weiſt nun darauf hin, daß dieſer Vorwurf für die Briefmarke in viel höherem Grade zutrifft. Im Auftrage des „Daily Mirror“ hat er hierüber eingehende Unterſuchungen ausgeführt. Er hat auf einem Poſtamte einen Bogen Briefmarken gekauft. Hiervon wurden einige ſofort in Glasröhrchen geſteckt, die verſchloſſen auf ein paar Tage dem bakteriologiſchen Brutofen anvertraut

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Zitationshilfe: Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 1905, Czernowitz, 24.05.1910, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_czernowitzer1905_1910/3>, abgerufen am 27.11.2024.