Czernowitzer Allgemeine Zeitung. Nr. 1588, Czernowitz, 30.04.1909.Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 30. April 1909. [Spaltenumbruch] anfänglich enengisch gegen die Wegführung protestierte, sich KB. Konstantinopel, 28. April. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.") Nicht nur die Nationalversammlung Wie verlautet, wird der Leibeunuch Nadir Agha KB. Konstantinopel, 29. April. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.") Zur Abreise des gewesenen Sultans wird Konstantinopel, 28. April. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.") Eine maßgebende Persönlichkeit äußerte sich über des Sultan Mehmed V. KB. Konstantinopel, 28. April. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.") Die Krönung und die Umgürtung Die "Vossische Zeitung" entwirft folgende Charakteristik Die Glückwünsche Frankreichs. K.-B. Paris, 29. April. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.") Der Minister des Aeußern Pichon erschien heute in der Das Strafgericht der Jungtürken. Konstantinopel, 28. April. (Orig.-Korr.) Nach dem [Spaltenumbruch] Unter den hervorragenden Persönlichkeiten, die den Jung- Konstantinopel ist von Hodschas und Softas entblößt. Der Gouverneur von Tschataldscha wurde gefangen Mussafer Bey, Kapitän des Kreuzers "Peikischefket", Eine Unterredung mit Mohammed V. (Spezialbericht des Korrespondenten des "Berliner Lokalanzeiger"). Konstantinopel, 28. April. Die Pforten von Dol- Vom Tage. Czernowitz, 29. April. Sitzung des Abgeordnetenhauses (Schluß aus dem gestrigen Blatte.) K.-B. Wien, 29. April. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.") In fortgesetzter Verhandlung des ruthenischen Dring- Abg. Renner erklärt, die Sozialdemokraten werden Abg. German betont, daß der galizische Landsmann- Abg. Starek bezeichnet die Institution der Lands- Abg. Silniger erklärt, die Majorität der slavischen Die Debatte wurde hierauf geschlossen. Der Generalredner (pro) Abg. Hudec (Prag) erklärt Nach tatsächlichlichen Berichtigungen der Abg. Gabel (Aus dem Polenklub.) Wien, 28. April. Im Polenklub macht sich ein Die ungarische Krise. KB. Budapest, 29. April. (Tel. der "Cz. Allg. Ztg.") Im Klub der Unabhängigkeitspartei sprach Beratungen der Majoritätsparteien. Budapest, 28. April. Heute begannen die Vorbe- Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 30. April 1909. [Spaltenumbruch] anfänglich enengiſch gegen die Wegführung proteſtierte, ſich KB. Konſtantinopel, 28. April. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Nicht nur die Nationalverſammlung Wie verlautet, wird der Leibeunuch Nadir Agha KB. Konſtantinopel, 29. April. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Zur Abreiſe des geweſenen Sultans wird Konſtantinopel, 28. April. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Eine maßgebende Perſönlichkeit äußerte ſich über des Sultan Mehmed V. KB. Konſtantinopel, 28. April. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Die Krönung und die Umgürtung Die „Voſſiſche Zeitung“ entwirft folgende Charakteriſtik Die Glückwünſche Frankreichs. K.-B. Paris, 29. April. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Der Miniſter des Aeußern Pichon erſchien heute in der Das Strafgericht der Jungtürken. Konſtantinopel, 28. April. (Orig.-Korr.) Nach dem [Spaltenumbruch] Unter den hervorragenden Perſönlichkeiten, die den Jung- Konſtantinopel iſt von Hodſchas und Softas entblößt. Der Gouverneur von Tſchataldſcha wurde gefangen Muſſafer Bey, Kapitän des Kreuzers „Peikiſchefket“, Eine Unterredung mit Mohammed V. (Spezialbericht des Korreſpondenten des „Berliner Lokalanzeiger“). Konſtantinopel, 28. April. Die Pforten von Dol- Vom Tage. Czernowitz, 29. April. Sitzung des Abgeordnetenhauſes (Schluß aus dem geſtrigen Blatte.) K.-B. Wien, 29. April. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) In fortgeſetzter Verhandlung des rutheniſchen Dring- Abg. Renner erklärt, die Sozialdemokraten werden Abg. German betont, daß der galiziſche Landsmann- Abg. Starek bezeichnet die Inſtitution der Lands- Abg. Silniger erklärt, die Majorität der ſlaviſchen Die Debatte wurde hierauf geſchloſſen. Der Generalredner (pro) Abg. Hudec (Prag) erklärt Nach tatſächlichlichen Berichtigungen der Abg. Gabel (Aus dem Polenklub.) Wien, 28. April. Im Polenklub macht ſich ein Die ungariſche Kriſe. KB. Budapeſt, 29. April. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“) Im Klub der Unabhängigkeitspartei ſprach Beratungen der Majoritätsparteien. Budapeſt, 28. April. Heute begannen die Vorbe- <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0002" n="2"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 30. April 1909.</hi> </fw><lb/> <cb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div xml:id="hamid2" prev="#hamid1" type="jArticle" n="3"> <p>anfänglich enengiſch gegen die Wegführung proteſtierte, ſich<lb/> jedoch ſchließlich fügte und ſehr niedergeſchlagen mit kleinem<lb/> Gefolge, darunter angeblich ſechs Frauen, unter großer <hi rendition="#g">und<lb/> ſehr ſtrenger Ueberwachung,</hi> wie ein <hi rendition="#g">Gefangener</hi><lb/> wegtransportiert wurde.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head>KB.</head> <dateline><hi rendition="#b">Konſtantinopel,</hi> 28. April.</dateline> <bibl>(Tel. der „Cz.<lb/> Allg. Ztg.“)</bibl> <p>Nicht nur die <hi rendition="#g">Nationalverſammlung</hi><lb/> und <hi rendition="#g">Schefket Paſcha,</hi> ſondern, wie verlautet, auch der<lb/> neue <hi rendition="#g">Sultan</hi> haben <hi rendition="#g">Abdul Hamid die Sicherheit<lb/> ſeines Lebens</hi> in unzweifelhafter Weiſe zugeſichert.</p><lb/> <p>Wie verlautet, wird der <hi rendition="#g">Leibeunuch Nadir Agha</hi><lb/> morgen gehängt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head>KB.</head> <dateline><hi rendition="#b">Konſtantinopel,</hi> 29. April.</dateline> <bibl>(Tel. der „Cz.<lb/> Allg. Ztg.“)</bibl> <p>Zur Abreiſe des geweſenen <hi rendition="#g">Sultans</hi> wird<lb/> noch gemeldet: <hi rendition="#g">Abdul Hamid</hi> ſchien am Bahnhof nicht<lb/> mehr deprimiert zu ſein, er unterhielt ſich <hi rendition="#g">leutſelig</hi> mit<lb/> den Anweſenden. Mit ihm reiſten <hi rendition="#g">elf Frauen,</hi> Prinz<lb/><hi rendition="#g">Abdurhamin,</hi> ein jüngſt geborener Sohn, ſowie zwei<lb/><hi rendition="#g">Eunuchen.</hi> Die <hi rendition="#g">Frauen</hi> waren alle ſichtlich eilig ange-<lb/> kleidet, nur halb oder gar nicht verſchleiert. Die Wegführung<lb/> des Sultan’s wurde von <hi rendition="#g">Huſſein Paſcha</hi> und dem<lb/> Oberſten <hi rendition="#g">Galib</hi> überwacht.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline><hi rendition="#b">Konſtantinopel,</hi> 28. April.</dateline> <bibl>(Tel. der „Cz. Allg.<lb/> Ztg.“)</bibl> <p>Eine maßgebende Perſönlichkeit äußerte ſich über des<lb/> enttrohnten Sultans Schickſal folgendermaßen: Er wird ſtreng<lb/> bewacht werden und <hi rendition="#g">Zeit ſeines Lebens Gefangener<lb/> bleiben;</hi> an Mitteln zum Leben ſoll’s ihm nicht fehlen,<lb/> aber Geld, um neue Intriguen zu ſtiften, wird er nicht<lb/> beſitzen. Sein Leben wird geſchont, doch es iſt nicht unmöglich,<lb/> daß der <hi rendition="#g">ehemalige Sultan aus Verzweiflung<lb/> über ſein Los ſelbſt Hand an ſich legt.</hi> </p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Sultan Mehmed <hi rendition="#aq">V.</hi> </hi> </head><lb/> <head>KB.</head> <dateline><hi rendition="#b">Konſtantinopel,</hi> 28. April.</dateline> <bibl>(Tel. der „Cz.<lb/> Allg. Ztg.“)</bibl> <p>Die <hi rendition="#g">Krönung und die Umgürtung</hi><lb/> des <hi rendition="#g">neuen Sultans</hi> mit dem Schwerte in der Moſchee<lb/><hi rendition="#g">Ejub</hi> erfolgt erſt nach 40 Tagen. Ueber die im Yildiz<lb/> vorgefundene <hi rendition="#g">Ueberfülle</hi> an <hi rendition="#g">Waffen und Koſtbar-<lb/> keiten</hi> werden <hi rendition="#g">intereſſante Angaben</hi> gemacht.<lb/> Abdul Hamid ſoll nur das erhalten, was ſein Privateigentum<lb/> iſt. Alles andere wird <hi rendition="#g">Staatsgut.</hi> </p><lb/> <p>Die „Voſſiſche Zeitung“ entwirft folgende Charakteriſtik<lb/> über den neuen Sultan: „Abdul Hamid iſt jedenfalls abge-<lb/> tan. Sein 64jähriger Bruder Reſchad hat als Mehmed <hi rendition="#aq">V.</hi><lb/> den Thron beſtiegen. Er wird als eine behäbige und paſſive<lb/> Natur geſchildert, als ein Mann alſo, wie ihn die Jung-<lb/> türken brauchen. Sie erhoffen nichts von ihm und befürchten<lb/> nichts von ihm. Jemand muß an der Spitze des Staates<lb/> ſtehen, und ſei es auch nur dem Namen nach. Reſchad wurde<lb/> Sultan, weil nach alter Ueberlieferung der Türkei das älteſte<lb/> Mitglied des Hauſes Osman zum Thronfolger auserſehen iſt.<lb/> Die türkiſche Verfaſſung hat dieſe Ueberlieferung anerkannt.<lb/> Die Jungtürken hielten ſich alſo an die Verfaſſung, als ſie<lb/> Reſchad zum Sultan erhoben. Sie werden ihm alle gebührenden<lb/> Ehren angedeihen laſſen, doch wird er kaum etwas anderes<lb/> ſein, als beſtenfalls ihr Prokuraführer.“</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die Glückwünſche Frankreichs.</hi> </head><lb/> <head>K.-B.</head> <dateline><hi rendition="#b">Paris,</hi> 29. April.</dateline> <bibl>(Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)</bibl><lb/> <p>Der Miniſter des Aeußern <hi rendition="#g">Pichon</hi> erſchien heute in der<lb/><hi rendition="#g">türkiſchen Botſchaft</hi> und drückte dem Botſchafter die<lb/> Glückwünſche zur Thronbeſteigung des Sultans <hi rendition="#g">Mehmed</hi> <hi rendition="#aq">V.</hi><lb/> aus. Auch die <hi rendition="#g">franzöſiſche Regierung</hi> ſandte tele-<lb/> graphiſche Glückwünſche an die <hi rendition="#g">türkiſche Regierung.</hi> </p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Das Strafgericht der Jungtürken.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Konſtantinopel,</hi> 28. April.</dateline> <bibl>(Orig.-Korr.)</bibl> <p>Nach dem<lb/> Siege das Strafgericht. Die Jungtürken gehen auch hierin<lb/> überaus gründlich, vielleicht allzugründlich, zu Werke. Große<lb/><hi rendition="#g">Trupps von Gefangenen</hi> zogen geſtern durch die<lb/> Straßen, <hi rendition="#g">Mann an Mann gefeſſelt.</hi> Es waren weiß-<lb/> bärtige Leute, Offiziere und Unteroffiziere unter ihnen. Iſt<lb/> ſchon dieſer Anblick geeignet, menſchliches Mitgefühl ſelbſt bei<lb/> den Gegnern dieſer Unglücklichen hervorzurufen, ſo wandelt<lb/> ſich dieſe Teilnahme in lebhaften <hi rendition="#g">Unwillen,</hi> wenn man<lb/> ſieht, wie von dieſen Gefangenen viele <hi rendition="#g">geprügelt</hi> und<lb/><hi rendition="#g">verwundet</hi> werden. In den Kreiſen der Diplomatie und<lb/> unter den Ausländern macht dieſes Benehmen der Sieger den<lb/><hi rendition="#g">denkbar ungünſtigſten Eindruck.</hi> Auch die maſſen-<lb/> haften <hi rendition="#g">Verhaftungen,</hi> die ſeit einigen Tagen zu <hi rendition="#g">Hun-<lb/> derten</hi> auf die <hi rendition="#g">unſicherſten Anhaltspunkte</hi> hin<lb/> vorgenommen werden, beweiſen, daß die Jungtürken von den<lb/> jüngſten Ereigniſſen nichts gelernt haben und in die <hi rendition="#g">Achmed<lb/> Riza-Politik</hi> der <hi rendition="#g">Rache</hi> und des <hi rendition="#g">Haſſes</hi> zurückver-<lb/> fallen. Es ſind viele Hunderte von Iildisbeamten, Sekretären,<lb/> Adjutanten, Dienern, Köchen, Gärtnern uſw., ſowie von<lb/> Hodſchas und Softas und nicht weniger als <hi rendition="#g">achthundert<lb/> Poliziſten</hi> und <hi rendition="#g">Spione</hi> des alten Regimes verhaftet.<lb/> Faſt alle, Hodſchas, Poliziſten und Spione, führten große<lb/><hi rendition="#g">Geldmittel</hi> mit ſich, die — wie die dreißigtauſend Pfund<lb/> der verhafteten Soldaten — unzweifelhaft aus dem <hi rendition="#g">Iildis</hi><lb/> ſtammen. Bei den Hodſchas allein wurden 12.000 türkiſche<lb/> Pfund, ungefähr 225.000 Mark, gefunden. Nach der Herkunft<lb/> des Geldes befragt, zuckten ſie ſtumm die Achſeln oder machten<lb/> unglaubhafte Angaben.</p><lb/> <cb/> <p>Unter den hervorragenden Perſönlichkeiten, die den Jung-<lb/> türken in die Hände fielen, b<supplied>e</supplied>finden ſich: <hi rendition="#g">Ali Djewod<lb/> Bey,</hi> der erſte Sekretär (Chef des Zivilkabinetts) des Sul-<lb/> tans; <hi rendition="#g">Tahir</hi> Paſcha, der „Tüfenkoſchi Baſchi“ (Chef der<lb/> Büchſenſpanner), der Kurde <hi rendition="#g">Ahmed Tſchauſch,</hi> der An-<lb/> führer der Meuterer, die am 13. April auf dem Platze vor<lb/> der Achmedj<hi rendition="#aq">é</hi>-Moſchee rebellierten, und der ſchwarze Palaſt-<lb/> eunuche <hi rendition="#g">Nadir Aga.</hi> Dieſer hatte in der letzten Zeit eine<lb/> wichtige politiſche Rolle geſpielt und gilt neben dem Prinzen<lb/> Buchaneddin und Ahmed Tſchauſch als der Haupturheber der<lb/> Meuterei vom 13. April. In der europäiſchen Preſſe wird<lb/> er irrtümlich als Obereunuch des ſultaniſchen Harem (Kislar<lb/> Aga) bezeichnet.</p><lb/> <p>Konſtantinopel iſt von Hodſchas und Softas entblößt.<lb/> Viele Geiſtliche ſind vor dem Truppeneinmarſch Schiff<lb/> nach <hi rendition="#g">Aſien geflüchtet</hi> und ſollen dabei ungeheuer <hi rendition="#g">viel<lb/> Geld</hi> mitgenommen haben. Man befürchtet daher, daß ſie<lb/> die aſiatiſchen Provinzen <hi rendition="#g">revoltieren</hi> werden.</p><lb/> <p>Der Gouverneur von <hi rendition="#g">Tſchataldſcha</hi> wurde gefangen<lb/> nach Saloniki gebracht und wird wegen Widerſtandes gegen<lb/> das Verfaſſungsheer von dem Kriegsgericht abgeurteilt.</p><lb/> <p><hi rendition="#g">Muſſafer Bey,</hi> Kapitän des Kreuzers „Peikiſchefket“,<lb/> hat aus Verzweiflung über die Niederlage des Sultans<lb/><hi rendition="#g">Selbſtmord</hi> begangen.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head><hi rendition="#b">Eine Unterredung mit Mohammed <hi rendition="#aq">V.</hi> </hi><lb/> (Spezialbericht des Korreſpondenten des „Berliner<lb/> Lokalanzeiger“).</head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Konſtantinopel,</hi> 28. April.</dateline> <p>Die Pforten von Dol-<lb/> mabagdje, hinter deſſen Mauern Reſchad ſeit 33 Jahren in<lb/> ſtrenger Gefangenſchaft, abgeſchnitten von jedem Verkehr mit<lb/> der Außenwelt, ſein Leben vertrauerte, haben ſich heute für<lb/> mich, den erſten Europäer, der dieſes durch Kunſtſchätze und<lb/> Naturſchönheiten einzig daſtehende Gefängnis betrat, geöffnet.<lb/> Ein vom General Schefket-Paſcha ausgeſtellter Paſſierſchein<lb/> ermächtigte mir den Zutritt zur Palaſtwache. Als ich aber<lb/> dem dienſthabenden Offizier meinen Wunſch vortrug, Reſchad<lb/> zu ſprechen, wich er ob meiner Kühnheit zurück. Seine Ge-<lb/> bärde ſagte: <hi rendition="#g">„Rimmer mehr!“</hi> Ich ließ aber nicht locker<lb/> und erreichte zunächſt, ins Empfangzimmer geführt zu werden.<lb/> Als ich den langgeſtreckten Hof betrat, erregte meine, die<lb/> Anweſenheit eines Europäers, ungeheure Senſation. Die in<lb/> einer Ecke zuſammengekauerten Eunuchen, die ſich ob der<lb/> Wandlung der Dinge noch immer nicht faſſen können, ſprangen<lb/> entſetzt empor. Aus allen Gebäuden des Palaſtes liefen erſt<lb/> ſeit drei Tagen eingeſetzte, Reſchad ergebene, jungtürkiſche<lb/> Würdenträger herbei, und als ich das Empfangszimmer betrat,<lb/> waren hier ſchon anweſend der vor einigen Tagen aus<lb/> 27jährigem Exil zurückgekehrte Leibarzt Reſchads, Dr. Hairi-<lb/> Bei, ferner der erſte Sekretär Ibrahim-Bei, der ſeit 33<lb/> Jahren nicht aus dem Palaſt herausgekommen, der Zweite<lb/> Sekretär Mahmud-Bei und der Dritte Sekretär Sabit-Bei.<lb/> Mein Erſcheinen hatte bei allen dieſen Herren unbeſchreibliche<lb/> Freude hervorgerufen. Sie ließen meine Hände nicht frei, und<lb/> Sairi-Bei und Sabit-Bei, die glänzend frazöſiſch ſprechen,<lb/> riefen ein über das andere Mal: „<hi rendition="#g">Das iſt die neue<lb/> Zeit, die mit Ihnen hereintritt.</hi> Gott ſegne Sie!“<lb/> Dann wurden Koffee, Süßigkeiten und Zigaretten in goldenen<lb/> Gefäßen und auf goldenen Tabletten herbeigebracht. Endlich<lb/> konnte auch ich zu Wort kommen und meine Bitte vortragen,<lb/> von Reſchad empfangen zu werden. Hairi-Bei und Ibrahim-<lb/> Bei übernahmen es, Reſchad meinem Erſuchen geneigt zu<lb/> ſtimmen. Während ſie bei Reſchad weilten, wagte ich, den<lb/> Kommandanten der den Palaſt bewachenden Gendarmerie,<lb/> Kapitän Ethem-Bei, unvermittelt zu fragen; „Wann wird<lb/> die Herrſchaft überſiedeln?“ Und prompt bekam ich die<lb/> Antwort: „Hoffentlich morgen“. Da kehrten der Arzt und<lb/> der erſte Sekretär zurück mit der freudigen Botſchaft: Seine<lb/> Hoheit ſei bereit, mich zu ſehen. Ich überſchritt den Hof<lb/> nochmals, und von dem Gefolge Reſchads geführt, paſſierte<lb/> ich durch ein Spalier von Eunuchen eine Marmortrepue und<lb/> gelangte in eine große Marmorſäulenhalle. Hier ſah ich plötz-<lb/> lich einen europäiſch gekleideten jungen Mann mit blondem<lb/> Schnurrbart und einem Panamahut auf dem Kopf. Meine<lb/> Begleitung verbeugte ſich tief, und Hairi-Bei flüſterte mir zu:<lb/> „der älteſte Sohn Reſchads, Zia Eddin Effendi“. Ich machte<lb/> meine Referenz, und er, den ich ſonſt für einen europäiſchen<lb/> Gentleman gehalten hätte, winkte mir lachend einen Gruß<lb/> zu und erklärte einer neben ihm ſtehenden, nach der letzten<lb/> europäiſchen Mode gekleideten Dame, wer ich ſei. Da öffnete<lb/> ſich rechts eine große Tür. Hairi faßte mich an der Hand,<lb/> zog mich nach ſich, und im nächſten Augenblick ſtand ich vor<lb/><hi rendition="#g">Reſchad,</hi> der in den nächſten Stunden ſchon <hi rendition="#g">Sultan</hi><lb/> und <hi rendition="#g">Kalif</hi> ſein wird. Ein unterſetzter, nicht allzudicker<lb/> Mann, der die lange Gefangenſchaft mit beiſpielloſer Spann-<lb/> kraft überſtanden hat. Seine Feinde behaupten, er ſei kein<lb/> großes Kirchenlicht, aber ſeine lebhaften, klaren, grauen Augen<lb/> ſtrafen dieſe Behauptung Lügen. Trotz des grauen, buſchigen<lb/> Schnurrbarts, der über die bevorſtehende Unterlippe fällt,<lb/> ſieht man ihm ſein Alter von 64 Jahren nicht an. Ich mache<lb/> die tiefſte Verbeugung, deren ich fähig bin, er richtet mich<lb/> aber hoch und ſchüttelt und ſtreicht mir die Hand, und ſein<lb/> Geſicht lacht vor Freude. Ich ſtammle einige Worte, er aber<lb/> ſagt: „Sie ſind ein Journaliſt, ein <hi rendition="#g">deutſcher</hi> Journaliſt.<lb/> Ich liebe die Journaliſten, ich liebe die Preſſe, denn es iſt<lb/> ihre Aufgabe, Wiſſen und Aufklärung unter den Völkern zu<lb/> verbreiten und die Menſchen dem Glück entgegenzuführen.<lb/> Sagen Sie allen Deutſchen, die wir ſo hoch ſchätzen, daß ich,<lb/> ſolange ich denken kann, <hi rendition="#g">für die Konſtitution</hi> gelebt<lb/> habe, <hi rendition="#g">immer</hi> nur ein <hi rendition="#g">treuer Diener</hi> der Konſtitution<lb/> ſein werde. Bei ihr iſt das Heil des Staates und des Volkes.<lb/> Von Euch Europäern habe ich gelernt, und Eure Lehren,<lb/> Eure Wiſſenſchaft ſoll bei uns auf fruchtbaren und dankbaren<lb/> Boden fallen. Verkünden Sie, daß ich ein Freund der Mächte<lb/> bin und nur den Wunſch hege, daß die Türkei mit allen<lb/> Mächten in Freundſchaft und Liebe verkehre“. Mit Glück-<lb/> und Segenwünſchen entließ mich Reſchad. Ich wurde in das<lb/> Empfangszimmer geführt, wo Hairi-Bei zu mir ſagte: „Jetzt<lb/> haben Sie den Sultan Mehmed Reſchad <hi rendition="#aq">V.</hi> geſprochen. Sie<lb/><cb/> beide werden dieſen Tag niemals vergeſſen.“ Als ich wieder<lb/> auf der Straße war, wurden gerade di<supplied>e</supplied> Proklamationen ver-<lb/> teilt, die dem Volke mitteilten, daß Abdul Hamit abgeſetzt ſei.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <head> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#aq">Vom Tage.</hi> </hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#g">Czernowitz,</hi> 29. April.</dateline><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Sitzung des Abgeordnetenhauſes</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <ref> <hi rendition="#g"> <hi rendition="#c">(Schluß aus dem geſtrigen Blatte.)</hi> </hi> </ref> </head><lb/> <head>K.-B.</head> <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 29. April.</dateline> <bibl>(Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)</bibl><lb/> <p>In fortgeſetzter Verhandlung des <hi rendition="#g">rutheniſchen Dring-<lb/> lichkeitsantrages</hi> betreffend die Abſchaffung beziehungs-<lb/> weiſe Zweiteilung des galiziſchen Landsmannminiſteriums,<lb/> deſſen erſter Teil von den Antragſtellern zurückgezogen wurde,<lb/> erklärte der Abg. E. von <hi rendition="#g">Stransky,</hi> ſeine Partei gebe zu,<lb/> daß die Ruthenen einen außerordentlich ſchweren Kampf zu<lb/> führen haben. Redner befaßt ſich eingehend mit den Ver-<lb/> hältniſſen der Deutſchen Galiziens.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#g">Renner</hi> erklärt, die Sozialdemokraten werden<lb/> für die Dringlichkeit ſtimmen, weil ſie keine Gelegenheit<lb/> vorübergehen laſſen wollen, ohne die mit den nationalen<lb/> Miniſterien verbundene Korruption zu beleuchten.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#g">German</hi> betont, daß der galiziſche Landsmann-<lb/> miniſter der Fürſprecher der Intereſſen des ganzen Landes<lb/> und ſämtlicher darin wohnenden Nationen ſei, und weiſt die<lb/> Anſchuldigungen Stransky’s zurück.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#g">Starek</hi> bezeichnet die Inſtitution der Lands-<lb/> mannminiſter für überflüſſig.</p><lb/> <p>Abg. <hi rendition="#g">Silniger</hi> erklärt, die Majorität der ſlaviſchen<lb/> Union ſei gegen die Dringlichkeit des vorliegenden Antrages.<lb/> Sie wünſchen, daß in Galizien Ruhe und brüderliche Ein-<lb/> tracht herrſche. Redner kritiſiert in ſcharfer Weiſe das Ver-<lb/> halten des deutſchen Landsmannminiſters und erklärt, es<lb/> wäre ſehr wünſchenswert, wenn die <hi rendition="#g">Böhmen</hi> in Wien<lb/> und Niederöſterreich ſo geſtellt wären wie die Deutſchen in<lb/> Galizien. Seine Partei werde gegen die Dringlichkeit ſtimmen.</p><lb/> <p>Die <hi rendition="#g">Debatte wurde hierauf geſchloſſen.</hi> </p><lb/> <p>Der Generalredner (pro) Abg. <hi rendition="#g">Hudec</hi> (Prag) erklärt<lb/> die Forderung der Ruthenen nach einem nationalen Vertreter<lb/> im Kabinett für berechtigt. Die Sozialdemokraten werden für<lb/> die Dringlichkeit ſtimmen.</p><lb/> <p>Nach tatſächlichlichen Berichtigungen der Abg. <hi rendition="#g">Gabel</hi><lb/> und <hi rendition="#g">Okuniewski</hi> und nach dem Schlußworte des Antrag-<lb/> ſtellers <hi rendition="#g">Sawicki</hi> wurde die Dringlichkeit des Antrages<lb/> abgelehnt und zur Tagesordnung, dem Berichte des volks-<lb/> wirtſchaftlichen Ausſchuſſes betreffend die Abänderung und<lb/> Ergänzung einiger Beſtimmungen der <hi rendition="#g">Gewerbeordnung</hi><lb/> übergegangen. Nachdem der Berichterſtatter Abg. <hi rendition="#g">Licht</hi> das<lb/> Referat erſtattet hatte, wurde die Verhandlung abgebrochen<lb/> und die Sitzung geſchloſſen. Die nächſte Sitzung findet<lb/> Freitag ſtatt.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <head> <hi rendition="#g">(Aus dem Polenklub.)</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Wien,</hi> 28. April.</dateline> <p>Im <hi rendition="#g">Polenklub</hi> macht ſich ein<lb/> heftiger Widerſtand gegen die vom Finanzminiſter Ritt. von<lb/><hi rendition="#g">Bilinski</hi> zu unterbreitende <hi rendition="#g">Konſumſteuervorlage</hi><lb/> geltend. Die Polen werfen dem Finanzminiſter vor, daß er<lb/> das Land materiell und politiſch ſchädige, indem er das<lb/> Budgetrecht der Landtage in Bezug auf die Verbrauchsab-<lb/> gaben aufhebe und die Wiener Zentralgewalt als eine Kon-<lb/> trolle der Landesvertretungen einſetze. Sie wollen die Ein-<lb/> bringung der Spiritus- und Bierſteuervorlage abwarten und<lb/> dann eine Sitzung des Klubs <hi rendition="#aq">ad hoc</hi> einberufen und den<lb/> Finanzminiſter hierzu einladen.</p> </div> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#b">Die ungariſche Kriſe.</hi> </head><lb/> <head>KB.</head> <dateline><hi rendition="#b">Budapeſt,</hi> 29. April.</dateline> <bibl>(Tel. der „Cz. Allg.<lb/> Ztg.“)</bibl> <p>Im Klub der <hi rendition="#g">Unabhängigkeitspartei</hi> ſprach<lb/> Präſident <hi rendition="#g">Putſch</hi> heute ſeine Meinung darin aus, er glaube<lb/> nicht, daß von <hi rendition="#g">Wien</hi> aus ein <hi rendition="#g">abſolutiſtiſches<lb/> Kabinett</hi> wurde inauguriert werden. Er ſei überzeugt, daß<lb/> höheren Ortes der Wille der Parlamentsmajorität werde in<lb/> Betracht gezogen werden, der bekanntlich auf die Errichtung<lb/> einer <hi rendition="#g">ſelbſtändigen ungariſchen Bank</hi> abziele.<lb/> Deshalb ermuntere er die Mitglieder der Partei zu weiterer<lb/><hi rendition="#g">Ausdauer.</hi> </p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="2"> <head> <hi rendition="#g">Beratungen der Majoritätsparteien.</hi> </head><lb/> <dateline><hi rendition="#b">Budapeſt,</hi> 28. April.</dateline> <p>Heute begannen die Vorbe-<lb/> ſprechungen der Führer der Mehrheitsparteien in der Wohnung<lb/> des Handelsminiſters <hi rendition="#g">Koſſuth.</hi> Es wurde über eine neue<lb/> Löſung des Problems der Vertagung der Bankverhandlungen,<lb/> konferiert. Bekanntlich haben geſtern abend ſowohl Graf<lb/><hi rendition="#g">Andraſſy</hi> als auch Graf Aladar <hi rendition="#g">Zichy</hi> erklärt, daß die<lb/> Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Situation und der ge-<lb/> genwärtigen Parteikonſtellation die einzig reale Baſis, für die<lb/> Aufrechterhrltung des gegenwärtigen Regimes bieten. Es<lb/> müſſen alſo von allen Seiten Anſtrengungen gemacht werden,<lb/> um die derzeit auf verſchiedenen prinzipiellen Grundlagen<lb/> ſtehenden Parteien zu einer einheitlichen Regierungsmehrheit<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [2/0002]
Czernowitzer Allgemeine Zeitung. 30. April 1909.
anfänglich enengiſch gegen die Wegführung proteſtierte, ſich
jedoch ſchließlich fügte und ſehr niedergeſchlagen mit kleinem
Gefolge, darunter angeblich ſechs Frauen, unter großer und
ſehr ſtrenger Ueberwachung, wie ein Gefangener
wegtransportiert wurde.
KB. Konſtantinopel, 28. April. (Tel. der „Cz.
Allg. Ztg.“) Nicht nur die Nationalverſammlung
und Schefket Paſcha, ſondern, wie verlautet, auch der
neue Sultan haben Abdul Hamid die Sicherheit
ſeines Lebens in unzweifelhafter Weiſe zugeſichert.
Wie verlautet, wird der Leibeunuch Nadir Agha
morgen gehängt.
KB. Konſtantinopel, 29. April. (Tel. der „Cz.
Allg. Ztg.“) Zur Abreiſe des geweſenen Sultans wird
noch gemeldet: Abdul Hamid ſchien am Bahnhof nicht
mehr deprimiert zu ſein, er unterhielt ſich leutſelig mit
den Anweſenden. Mit ihm reiſten elf Frauen, Prinz
Abdurhamin, ein jüngſt geborener Sohn, ſowie zwei
Eunuchen. Die Frauen waren alle ſichtlich eilig ange-
kleidet, nur halb oder gar nicht verſchleiert. Die Wegführung
des Sultan’s wurde von Huſſein Paſcha und dem
Oberſten Galib überwacht.
Konſtantinopel, 28. April. (Tel. der „Cz. Allg.
Ztg.“) Eine maßgebende Perſönlichkeit äußerte ſich über des
enttrohnten Sultans Schickſal folgendermaßen: Er wird ſtreng
bewacht werden und Zeit ſeines Lebens Gefangener
bleiben; an Mitteln zum Leben ſoll’s ihm nicht fehlen,
aber Geld, um neue Intriguen zu ſtiften, wird er nicht
beſitzen. Sein Leben wird geſchont, doch es iſt nicht unmöglich,
daß der ehemalige Sultan aus Verzweiflung
über ſein Los ſelbſt Hand an ſich legt.
Sultan Mehmed V.
KB. Konſtantinopel, 28. April. (Tel. der „Cz.
Allg. Ztg.“) Die Krönung und die Umgürtung
des neuen Sultans mit dem Schwerte in der Moſchee
Ejub erfolgt erſt nach 40 Tagen. Ueber die im Yildiz
vorgefundene Ueberfülle an Waffen und Koſtbar-
keiten werden intereſſante Angaben gemacht.
Abdul Hamid ſoll nur das erhalten, was ſein Privateigentum
iſt. Alles andere wird Staatsgut.
Die „Voſſiſche Zeitung“ entwirft folgende Charakteriſtik
über den neuen Sultan: „Abdul Hamid iſt jedenfalls abge-
tan. Sein 64jähriger Bruder Reſchad hat als Mehmed V.
den Thron beſtiegen. Er wird als eine behäbige und paſſive
Natur geſchildert, als ein Mann alſo, wie ihn die Jung-
türken brauchen. Sie erhoffen nichts von ihm und befürchten
nichts von ihm. Jemand muß an der Spitze des Staates
ſtehen, und ſei es auch nur dem Namen nach. Reſchad wurde
Sultan, weil nach alter Ueberlieferung der Türkei das älteſte
Mitglied des Hauſes Osman zum Thronfolger auserſehen iſt.
Die türkiſche Verfaſſung hat dieſe Ueberlieferung anerkannt.
Die Jungtürken hielten ſich alſo an die Verfaſſung, als ſie
Reſchad zum Sultan erhoben. Sie werden ihm alle gebührenden
Ehren angedeihen laſſen, doch wird er kaum etwas anderes
ſein, als beſtenfalls ihr Prokuraführer.“
Die Glückwünſche Frankreichs.
K.-B. Paris, 29. April. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)
Der Miniſter des Aeußern Pichon erſchien heute in der
türkiſchen Botſchaft und drückte dem Botſchafter die
Glückwünſche zur Thronbeſteigung des Sultans Mehmed V.
aus. Auch die franzöſiſche Regierung ſandte tele-
graphiſche Glückwünſche an die türkiſche Regierung.
Das Strafgericht der Jungtürken.
Konſtantinopel, 28. April. (Orig.-Korr.) Nach dem
Siege das Strafgericht. Die Jungtürken gehen auch hierin
überaus gründlich, vielleicht allzugründlich, zu Werke. Große
Trupps von Gefangenen zogen geſtern durch die
Straßen, Mann an Mann gefeſſelt. Es waren weiß-
bärtige Leute, Offiziere und Unteroffiziere unter ihnen. Iſt
ſchon dieſer Anblick geeignet, menſchliches Mitgefühl ſelbſt bei
den Gegnern dieſer Unglücklichen hervorzurufen, ſo wandelt
ſich dieſe Teilnahme in lebhaften Unwillen, wenn man
ſieht, wie von dieſen Gefangenen viele geprügelt und
verwundet werden. In den Kreiſen der Diplomatie und
unter den Ausländern macht dieſes Benehmen der Sieger den
denkbar ungünſtigſten Eindruck. Auch die maſſen-
haften Verhaftungen, die ſeit einigen Tagen zu Hun-
derten auf die unſicherſten Anhaltspunkte hin
vorgenommen werden, beweiſen, daß die Jungtürken von den
jüngſten Ereigniſſen nichts gelernt haben und in die Achmed
Riza-Politik der Rache und des Haſſes zurückver-
fallen. Es ſind viele Hunderte von Iildisbeamten, Sekretären,
Adjutanten, Dienern, Köchen, Gärtnern uſw., ſowie von
Hodſchas und Softas und nicht weniger als achthundert
Poliziſten und Spione des alten Regimes verhaftet.
Faſt alle, Hodſchas, Poliziſten und Spione, führten große
Geldmittel mit ſich, die — wie die dreißigtauſend Pfund
der verhafteten Soldaten — unzweifelhaft aus dem Iildis
ſtammen. Bei den Hodſchas allein wurden 12.000 türkiſche
Pfund, ungefähr 225.000 Mark, gefunden. Nach der Herkunft
des Geldes befragt, zuckten ſie ſtumm die Achſeln oder machten
unglaubhafte Angaben.
Unter den hervorragenden Perſönlichkeiten, die den Jung-
türken in die Hände fielen, befinden ſich: Ali Djewod
Bey, der erſte Sekretär (Chef des Zivilkabinetts) des Sul-
tans; Tahir Paſcha, der „Tüfenkoſchi Baſchi“ (Chef der
Büchſenſpanner), der Kurde Ahmed Tſchauſch, der An-
führer der Meuterer, die am 13. April auf dem Platze vor
der Achmedjé-Moſchee rebellierten, und der ſchwarze Palaſt-
eunuche Nadir Aga. Dieſer hatte in der letzten Zeit eine
wichtige politiſche Rolle geſpielt und gilt neben dem Prinzen
Buchaneddin und Ahmed Tſchauſch als der Haupturheber der
Meuterei vom 13. April. In der europäiſchen Preſſe wird
er irrtümlich als Obereunuch des ſultaniſchen Harem (Kislar
Aga) bezeichnet.
Konſtantinopel iſt von Hodſchas und Softas entblößt.
Viele Geiſtliche ſind vor dem Truppeneinmarſch Schiff
nach Aſien geflüchtet und ſollen dabei ungeheuer viel
Geld mitgenommen haben. Man befürchtet daher, daß ſie
die aſiatiſchen Provinzen revoltieren werden.
Der Gouverneur von Tſchataldſcha wurde gefangen
nach Saloniki gebracht und wird wegen Widerſtandes gegen
das Verfaſſungsheer von dem Kriegsgericht abgeurteilt.
Muſſafer Bey, Kapitän des Kreuzers „Peikiſchefket“,
hat aus Verzweiflung über die Niederlage des Sultans
Selbſtmord begangen.
Eine Unterredung mit Mohammed V.
(Spezialbericht des Korreſpondenten des „Berliner
Lokalanzeiger“).
Konſtantinopel, 28. April. Die Pforten von Dol-
mabagdje, hinter deſſen Mauern Reſchad ſeit 33 Jahren in
ſtrenger Gefangenſchaft, abgeſchnitten von jedem Verkehr mit
der Außenwelt, ſein Leben vertrauerte, haben ſich heute für
mich, den erſten Europäer, der dieſes durch Kunſtſchätze und
Naturſchönheiten einzig daſtehende Gefängnis betrat, geöffnet.
Ein vom General Schefket-Paſcha ausgeſtellter Paſſierſchein
ermächtigte mir den Zutritt zur Palaſtwache. Als ich aber
dem dienſthabenden Offizier meinen Wunſch vortrug, Reſchad
zu ſprechen, wich er ob meiner Kühnheit zurück. Seine Ge-
bärde ſagte: „Rimmer mehr!“ Ich ließ aber nicht locker
und erreichte zunächſt, ins Empfangzimmer geführt zu werden.
Als ich den langgeſtreckten Hof betrat, erregte meine, die
Anweſenheit eines Europäers, ungeheure Senſation. Die in
einer Ecke zuſammengekauerten Eunuchen, die ſich ob der
Wandlung der Dinge noch immer nicht faſſen können, ſprangen
entſetzt empor. Aus allen Gebäuden des Palaſtes liefen erſt
ſeit drei Tagen eingeſetzte, Reſchad ergebene, jungtürkiſche
Würdenträger herbei, und als ich das Empfangszimmer betrat,
waren hier ſchon anweſend der vor einigen Tagen aus
27jährigem Exil zurückgekehrte Leibarzt Reſchads, Dr. Hairi-
Bei, ferner der erſte Sekretär Ibrahim-Bei, der ſeit 33
Jahren nicht aus dem Palaſt herausgekommen, der Zweite
Sekretär Mahmud-Bei und der Dritte Sekretär Sabit-Bei.
Mein Erſcheinen hatte bei allen dieſen Herren unbeſchreibliche
Freude hervorgerufen. Sie ließen meine Hände nicht frei, und
Sairi-Bei und Sabit-Bei, die glänzend frazöſiſch ſprechen,
riefen ein über das andere Mal: „Das iſt die neue
Zeit, die mit Ihnen hereintritt. Gott ſegne Sie!“
Dann wurden Koffee, Süßigkeiten und Zigaretten in goldenen
Gefäßen und auf goldenen Tabletten herbeigebracht. Endlich
konnte auch ich zu Wort kommen und meine Bitte vortragen,
von Reſchad empfangen zu werden. Hairi-Bei und Ibrahim-
Bei übernahmen es, Reſchad meinem Erſuchen geneigt zu
ſtimmen. Während ſie bei Reſchad weilten, wagte ich, den
Kommandanten der den Palaſt bewachenden Gendarmerie,
Kapitän Ethem-Bei, unvermittelt zu fragen; „Wann wird
die Herrſchaft überſiedeln?“ Und prompt bekam ich die
Antwort: „Hoffentlich morgen“. Da kehrten der Arzt und
der erſte Sekretär zurück mit der freudigen Botſchaft: Seine
Hoheit ſei bereit, mich zu ſehen. Ich überſchritt den Hof
nochmals, und von dem Gefolge Reſchads geführt, paſſierte
ich durch ein Spalier von Eunuchen eine Marmortrepue und
gelangte in eine große Marmorſäulenhalle. Hier ſah ich plötz-
lich einen europäiſch gekleideten jungen Mann mit blondem
Schnurrbart und einem Panamahut auf dem Kopf. Meine
Begleitung verbeugte ſich tief, und Hairi-Bei flüſterte mir zu:
„der älteſte Sohn Reſchads, Zia Eddin Effendi“. Ich machte
meine Referenz, und er, den ich ſonſt für einen europäiſchen
Gentleman gehalten hätte, winkte mir lachend einen Gruß
zu und erklärte einer neben ihm ſtehenden, nach der letzten
europäiſchen Mode gekleideten Dame, wer ich ſei. Da öffnete
ſich rechts eine große Tür. Hairi faßte mich an der Hand,
zog mich nach ſich, und im nächſten Augenblick ſtand ich vor
Reſchad, der in den nächſten Stunden ſchon Sultan
und Kalif ſein wird. Ein unterſetzter, nicht allzudicker
Mann, der die lange Gefangenſchaft mit beiſpielloſer Spann-
kraft überſtanden hat. Seine Feinde behaupten, er ſei kein
großes Kirchenlicht, aber ſeine lebhaften, klaren, grauen Augen
ſtrafen dieſe Behauptung Lügen. Trotz des grauen, buſchigen
Schnurrbarts, der über die bevorſtehende Unterlippe fällt,
ſieht man ihm ſein Alter von 64 Jahren nicht an. Ich mache
die tiefſte Verbeugung, deren ich fähig bin, er richtet mich
aber hoch und ſchüttelt und ſtreicht mir die Hand, und ſein
Geſicht lacht vor Freude. Ich ſtammle einige Worte, er aber
ſagt: „Sie ſind ein Journaliſt, ein deutſcher Journaliſt.
Ich liebe die Journaliſten, ich liebe die Preſſe, denn es iſt
ihre Aufgabe, Wiſſen und Aufklärung unter den Völkern zu
verbreiten und die Menſchen dem Glück entgegenzuführen.
Sagen Sie allen Deutſchen, die wir ſo hoch ſchätzen, daß ich,
ſolange ich denken kann, für die Konſtitution gelebt
habe, immer nur ein treuer Diener der Konſtitution
ſein werde. Bei ihr iſt das Heil des Staates und des Volkes.
Von Euch Europäern habe ich gelernt, und Eure Lehren,
Eure Wiſſenſchaft ſoll bei uns auf fruchtbaren und dankbaren
Boden fallen. Verkünden Sie, daß ich ein Freund der Mächte
bin und nur den Wunſch hege, daß die Türkei mit allen
Mächten in Freundſchaft und Liebe verkehre“. Mit Glück-
und Segenwünſchen entließ mich Reſchad. Ich wurde in das
Empfangszimmer geführt, wo Hairi-Bei zu mir ſagte: „Jetzt
haben Sie den Sultan Mehmed Reſchad V. geſprochen. Sie
beide werden dieſen Tag niemals vergeſſen.“ Als ich wieder
auf der Straße war, wurden gerade die Proklamationen ver-
teilt, die dem Volke mitteilten, daß Abdul Hamit abgeſetzt ſei.
Vom Tage.
Czernowitz, 29. April.
Sitzung des Abgeordnetenhauſes
(Schluß aus dem geſtrigen Blatte.)
K.-B. Wien, 29. April. (Tel. der „Cz. Allg. Ztg.“)
In fortgeſetzter Verhandlung des rutheniſchen Dring-
lichkeitsantrages betreffend die Abſchaffung beziehungs-
weiſe Zweiteilung des galiziſchen Landsmannminiſteriums,
deſſen erſter Teil von den Antragſtellern zurückgezogen wurde,
erklärte der Abg. E. von Stransky, ſeine Partei gebe zu,
daß die Ruthenen einen außerordentlich ſchweren Kampf zu
führen haben. Redner befaßt ſich eingehend mit den Ver-
hältniſſen der Deutſchen Galiziens.
Abg. Renner erklärt, die Sozialdemokraten werden
für die Dringlichkeit ſtimmen, weil ſie keine Gelegenheit
vorübergehen laſſen wollen, ohne die mit den nationalen
Miniſterien verbundene Korruption zu beleuchten.
Abg. German betont, daß der galiziſche Landsmann-
miniſter der Fürſprecher der Intereſſen des ganzen Landes
und ſämtlicher darin wohnenden Nationen ſei, und weiſt die
Anſchuldigungen Stransky’s zurück.
Abg. Starek bezeichnet die Inſtitution der Lands-
mannminiſter für überflüſſig.
Abg. Silniger erklärt, die Majorität der ſlaviſchen
Union ſei gegen die Dringlichkeit des vorliegenden Antrages.
Sie wünſchen, daß in Galizien Ruhe und brüderliche Ein-
tracht herrſche. Redner kritiſiert in ſcharfer Weiſe das Ver-
halten des deutſchen Landsmannminiſters und erklärt, es
wäre ſehr wünſchenswert, wenn die Böhmen in Wien
und Niederöſterreich ſo geſtellt wären wie die Deutſchen in
Galizien. Seine Partei werde gegen die Dringlichkeit ſtimmen.
Die Debatte wurde hierauf geſchloſſen.
Der Generalredner (pro) Abg. Hudec (Prag) erklärt
die Forderung der Ruthenen nach einem nationalen Vertreter
im Kabinett für berechtigt. Die Sozialdemokraten werden für
die Dringlichkeit ſtimmen.
Nach tatſächlichlichen Berichtigungen der Abg. Gabel
und Okuniewski und nach dem Schlußworte des Antrag-
ſtellers Sawicki wurde die Dringlichkeit des Antrages
abgelehnt und zur Tagesordnung, dem Berichte des volks-
wirtſchaftlichen Ausſchuſſes betreffend die Abänderung und
Ergänzung einiger Beſtimmungen der Gewerbeordnung
übergegangen. Nachdem der Berichterſtatter Abg. Licht das
Referat erſtattet hatte, wurde die Verhandlung abgebrochen
und die Sitzung geſchloſſen. Die nächſte Sitzung findet
Freitag ſtatt.
(Aus dem Polenklub.)
Wien, 28. April. Im Polenklub macht ſich ein
heftiger Widerſtand gegen die vom Finanzminiſter Ritt. von
Bilinski zu unterbreitende Konſumſteuervorlage
geltend. Die Polen werfen dem Finanzminiſter vor, daß er
das Land materiell und politiſch ſchädige, indem er das
Budgetrecht der Landtage in Bezug auf die Verbrauchsab-
gaben aufhebe und die Wiener Zentralgewalt als eine Kon-
trolle der Landesvertretungen einſetze. Sie wollen die Ein-
bringung der Spiritus- und Bierſteuervorlage abwarten und
dann eine Sitzung des Klubs ad hoc einberufen und den
Finanzminiſter hierzu einladen.
Die ungariſche Kriſe.
KB. Budapeſt, 29. April. (Tel. der „Cz. Allg.
Ztg.“) Im Klub der Unabhängigkeitspartei ſprach
Präſident Putſch heute ſeine Meinung darin aus, er glaube
nicht, daß von Wien aus ein abſolutiſtiſches
Kabinett wurde inauguriert werden. Er ſei überzeugt, daß
höheren Ortes der Wille der Parlamentsmajorität werde in
Betracht gezogen werden, der bekanntlich auf die Errichtung
einer ſelbſtändigen ungariſchen Bank abziele.
Deshalb ermuntere er die Mitglieder der Partei zu weiterer
Ausdauer.
Beratungen der Majoritätsparteien.
Budapeſt, 28. April. Heute begannen die Vorbe-
ſprechungen der Führer der Mehrheitsparteien in der Wohnung
des Handelsminiſters Koſſuth. Es wurde über eine neue
Löſung des Problems der Vertagung der Bankverhandlungen,
konferiert. Bekanntlich haben geſtern abend ſowohl Graf
Andraſſy als auch Graf Aladar Zichy erklärt, daß die
Aufrechterhaltung der gegenwärtigen Situation und der ge-
genwärtigen Parteikonſtellation die einzig reale Baſis, für die
Aufrechterhrltung des gegenwärtigen Regimes bieten. Es
müſſen alſo von allen Seiten Anſtrengungen gemacht werden,
um die derzeit auf verſchiedenen prinzipiellen Grundlagen
ſtehenden Parteien zu einer einheitlichen Regierungsmehrheit
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(2018-01-26T13:38:42Z)
grepect GmbH: Bereitstellung der Texttranskription und Textauszeichnung.
(2018-01-26T13:38:42Z)
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