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[Braunschweig-Wolfenbüttel, Herzog Julius von]: Corpus Doctrinae, Das ist/ Die Summa/ Form und Fürbilde der reinen Christlichen Lehre/ aus der heiligen Göttlichen Schrifft der Propheten und Aposteln zusammen gezogen. Helmstedt, 1603.

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hat dieser nichts vber all verstanden noch gelehret von Sünde oder Gerechtigkeit / eben so wenig / als seine Meister / die Hochgelahrten in der hohen Schul zu Pariß / die noch heutiges tages des Endchrists Diener seyn.

Ich rede wie ichs erfahren habe / daß solche törichte / Gottlose vnd auff rhürische Predigten von Christlicher Freyheit / viel feiner geschickter vnd gelerter Leute vom Euangelio abgeschreckt haben / wenn sie gehöret haben solche Klüglinge das Euangelium rhümen / zum Deckel solcher grewlicher Irrthumb / daß sie darnach von der gantzen Lehre des Euangelij nichts gehalten haben / So doch solche tolle Schwermer nicht das Euangelion Christi / sondern jhr eigene Trewme predigen / Denn das Euangelion hebet nicht auff Weltliche Obrigkeit vnd Ordnung / sondern bestetigt sie. Derhalben haben sie auch von Weltlicher Obrigkeit vbel gelehret / daß sie solch Ampt nicht gepreiset haben / als ein gut vnd nötig Werck / sondern getadelt / als ein vnbillichen zwang oder Tyranney.

Etliche / so sie gehöret haben / daß die Christen alle von GOTT müssen gelehret werden / wollen sie damit jhre Faulheit vnd Vnwissenheit beschützen / vnd fahen an alle gute Lehre vnd Kunst / als ein vntüchtig ding / zu verachten / blehen vnd brüsten sich / als können vnd wissen sie alles. Vnd je vngelehrter ein solcher ist / je herrlicher rhümet er von seinem Geist / gerad als habe der Heilig Geist an seinen eigenen Gaben / nemlich / Kunst vnd Weißheit / miß fallen. Aus solchem Irrthumb kömmets / daß auch gemeine Handwercks Leute vnd Bawren vom Dorff in das Predigampt fallen / Vnd geben für / Mann dürffe keines studierens dazu / denn wir werden alle von Gott gelehret. Darumb weil sie sich vnterstehen die Schrifft zu handeln / ohn die Gaben der Weissagung / stifften sie vnzehlich viel Irrthumb. Sie verachten die alten Christlichen Lehrer / als wüstens jetzt allein die Vngelehrten alles / Vnd der meiste hauffe vnter jnen verachten auch die Kinderschulen / daß jetzt alle Schulen wüst werden / welche Verachtung siehet der Teuffel sehr gerne / aber Gott wird dadurch auffs höchste erzürnet.

Lieber GOTT / Woher sollen doch die Kirchen vber zwantzig Jahr Prediger wehlen vnd beruffen? Woher sollen Fürsten vnd Städte Juristen vnd Cantzler nehmen? Es werden zuletzt die Leute gar wild / als eytel vnuernünfftige Thier werden / vnd wird aus Teutschland wieder ein lauter Barbarey / wie es vor zeiten gewesen ist / Vnd werden darnach sich wieder müssen lassen schinden / vnd berauben durch allerley Verführer. Denn daß wir den Ende-

hat dieser nichts vber all verstanden noch gelehret von Sünde oder Gerechtigkeit / eben so wenig / als seine Meister / die Hochgelahrten in der hohen Schul zu Pariß / die noch heutiges tages des Endchrists Diener seyn.

Ich rede wie ichs erfahren habe / daß solche törichte / Gottlose vnd auff rhürische Predigten von Christlicher Freyheit / viel feiner geschickter vnd gelerter Leute vom Euangelio abgeschreckt haben / wenn sie gehöret haben solche Klüglinge das Euangelium rhümen / zum Deckel solcher grewlicher Irrthumb / daß sie darnach von der gantzen Lehre des Euangelij nichts gehalten haben / So doch solche tolle Schwermer nicht das Euangelion Christi / sondern jhr eigene Trewme predigen / Denn das Euangelion hebet nicht auff Weltliche Obrigkeit vnd Ordnung / sondern bestetigt sie. Derhalben haben sie auch von Weltlicher Obrigkeit vbel gelehret / daß sie solch Ampt nicht gepreiset haben / als ein gut vnd nötig Werck / sondern getadelt / als ein vnbillichen zwang oder Tyranney.

Etliche / so sie gehöret haben / daß die Christen alle von GOTT müssen gelehret werden / wollen sie damit jhre Faulheit vnd Vnwissenheit beschützen / vnd fahen an alle gute Lehre vnd Kunst / als ein vntüchtig ding / zu verachten / blehen vnd brüsten sich / als können vnd wissen sie alles. Vnd je vngelehrter ein solcher ist / je herrlicher rhümet er von seinem Geist / gerad als habe der Heilig Geist an seinen eigenen Gaben / nemlich / Kunst vnd Weißheit / miß fallen. Aus solchem Irrthumb köm̃ets / daß auch gemeine Handwercks Leute vnd Bawren vom Dorff in das Predigampt fallen / Vnd geben für / Mann dürffe keines studierens dazu / denn wir werden alle von Gott gelehret. Darumb weil sie sich vnterstehen die Schrifft zu handeln / ohn die Gaben der Weissagung / stifften sie vnzehlich viel Irrthumb. Sie verachten die alten Christlichen Lehrer / als wüstens jetzt allein die Vngelehrten alles / Vnd der meiste hauffe vnter jnen verachten auch die Kinderschulen / daß jetzt alle Schulen wüst werden / welche Verachtung siehet der Teuffel sehr gerne / aber Gott wird dadurch auffs höchste erzürnet.

Lieber GOTT / Woher sollen doch die Kirchen vber zwantzig Jahr Prediger wehlen vnd beruffen? Woher sollen Fürsten vnd Städte Juristen vnd Cantzler nehmen? Es werden zuletzt die Leute gar wild / als eytel vnuernünfftige Thier werden / vnd wird aus Teutschland wieder ein lauter Barbarey / wie es vor zeiten gewesen ist / Vnd werden darnach sich wieder müssen lassen schinden / vnd berauben durch allerley Verführer. Denn daß wir den Ende-

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[6/0674] hat dieser nichts vber all verstanden noch gelehret von Sünde oder Gerechtigkeit / eben so wenig / als seine Meister / die Hochgelahrten in der hohen Schul zu Pariß / die noch heutiges tages des Endchrists Diener seyn. Ich rede wie ichs erfahren habe / daß solche törichte / Gottlose vnd auff rhürische Predigten von Christlicher Freyheit / viel feiner geschickter vnd gelerter Leute vom Euangelio abgeschreckt haben / wenn sie gehöret haben solche Klüglinge das Euangelium rhümen / zum Deckel solcher grewlicher Irrthumb / daß sie darnach von der gantzen Lehre des Euangelij nichts gehalten haben / So doch solche tolle Schwermer nicht das Euangelion Christi / sondern jhr eigene Trewme predigen / Denn das Euangelion hebet nicht auff Weltliche Obrigkeit vnd Ordnung / sondern bestetigt sie. Derhalben haben sie auch von Weltlicher Obrigkeit vbel gelehret / daß sie solch Ampt nicht gepreiset haben / als ein gut vnd nötig Werck / sondern getadelt / als ein vnbillichen zwang oder Tyranney. Etliche / so sie gehöret haben / daß die Christen alle von GOTT müssen gelehret werden / wollen sie damit jhre Faulheit vnd Vnwissenheit beschützen / vnd fahen an alle gute Lehre vnd Kunst / als ein vntüchtig ding / zu verachten / blehen vnd brüsten sich / als können vnd wissen sie alles. Vnd je vngelehrter ein solcher ist / je herrlicher rhümet er von seinem Geist / gerad als habe der Heilig Geist an seinen eigenen Gaben / nemlich / Kunst vnd Weißheit / miß fallen. Aus solchem Irrthumb köm̃ets / daß auch gemeine Handwercks Leute vnd Bawren vom Dorff in das Predigampt fallen / Vnd geben für / Mann dürffe keines studierens dazu / denn wir werden alle von Gott gelehret. Darumb weil sie sich vnterstehen die Schrifft zu handeln / ohn die Gaben der Weissagung / stifften sie vnzehlich viel Irrthumb. Sie verachten die alten Christlichen Lehrer / als wüstens jetzt allein die Vngelehrten alles / Vnd der meiste hauffe vnter jnen verachten auch die Kinderschulen / daß jetzt alle Schulen wüst werden / welche Verachtung siehet der Teuffel sehr gerne / aber Gott wird dadurch auffs höchste erzürnet. Lieber GOTT / Woher sollen doch die Kirchen vber zwantzig Jahr Prediger wehlen vnd beruffen? Woher sollen Fürsten vnd Städte Juristen vnd Cantzler nehmen? Es werden zuletzt die Leute gar wild / als eytel vnuernünfftige Thier werden / vnd wird aus Teutschland wieder ein lauter Barbarey / wie es vor zeiten gewesen ist / Vnd werden darnach sich wieder müssen lassen schinden / vnd berauben durch allerley Verführer. Denn daß wir den Ende-

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Wolfenbütteler Digitale Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-02-15T13:54:31Z)
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Zitationshilfe: [Braunschweig-Wolfenbüttel, Herzog Julius von]: Corpus Doctrinae, Das ist/ Die Summa/ Form und Fürbilde der reinen Christlichen Lehre/ aus der heiligen Göttlichen Schrifft der Propheten und Aposteln zusammen gezogen. Helmstedt, 1603, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_corpus_1603/674>, abgerufen am 25.11.2024.