[Braunschweig-Wolfenbüttel, Herzog Julius von]: Corpus Doctrinae, Das ist/ Die Summa/ Form und Fürbilde der reinen Christlichen Lehre/ aus der heiligen Göttlichen Schrifft der Propheten und Aposteln zusammen gezogen. Helmstedt, 1603.Item / da ein Magd / ein Knecht seinem Herrn trewlich zu dienen pflichtig ist. Dieselbigen Wercke heltet man nicht für Göttlich / sondern für Weltlich Wesen / Also / daß viel Leute darüber jhnen ein schweer Gewissen gemacht. Denn man weis je / daß etliche jhren Fürsten Stand verlassen / etliche den Ehestand / vnd sind in Klöster gangen / heilig vnd Geistlich zu werden. Vnd ist vber den Irrthumb noch der Jammer dabey / daß / wenn die Leute in dem Wahn seyn / daß solche Satzungen nöthig seyn zur Seligkeit / die Gewissen ohn vnterlas in Vnruhe vnd Quaal seyn / daß sie jhr Orden / jhr Möncherey / jhr auffgelegte Wercke / nicht so strenge gehalten haben. Denn wer könt die Satzungen alle erzelen? Es sind vnzehliche viel Bücher / in welchen nicht ein Titel / nicht ein Syllaba von Christo / vom Glauben geschrieben / oder von den rechten guten Wercken / die GOtt gebeut / welche jeder nach seinem Beruff zu thun schüldig ist / Sondern allein von solchen Satzungen schreiben sie / als von den Viertzig Tagen zu fasten / von Messe hören / von Vier Gezeiten beten / etc. Da ist des deutens vnd dispensirens kein ende. Wie jemmerlich martert sich / wie ringet vnd windet sich vber den dingen der gute fromme Man Gerson, da er gern den Gewissen mit dem rechten Trost helffen wolt / da er Gradus vnd Latitudines suchet Praeceptorum, wie fern dieselben Gebot binden / vnd kan doch nicht finden einen gewissen Grad / da er darff dem Hertzen Sicherheit vnd Friede gewiß zusagen. Darumb klaget er auch gantz hefftig / wie in grosser Fahr die Gewissen vnd Conscientz dadurch stehen / daß man solche Satzung also bey einer Todsünde foddert / vnd wil gehalten haben. Wir aber sollen vns wieder solche Heuchlische / gleissende Satzungen / dadurch viel verführt / vnd jemmerlich die Gewissen / ohn vrsach geplaget werden / rüsten vnd stercken mit GOttes Wort / vnd sollen erstlich das gewiß halten / daß Vergebung der Sünde nicht durch solche Satzung verdienet wird. Wir haben den Apostel droben angezogen / zu den Colossern: Lasst euch niemands Gewissen machen vber Speis / Tranck / Newmonden / Sabbatern. Vnd der Apostel wil das gantz Gesetz Mosi / vnd solche Tradition / zu gleich begriffen haben / damit die Wiedersacher hie nicht entschlieffen / wie sie pflegen / als rede Paulus allein vom Gesetz Mosi. Er zeiget aber klar gnug an / daß er von Menschlichen Satzungen auch rede / wiewol die Wiedersacher selbs nicht wissen / was sie sagen. Denn so das Euangelium vnd Paulus klar melden / daß auch die Ceremonien vnd Wercke Item / da ein Magd / ein Knecht seinem Herrn trewlich zu dienen pflichtig ist. Dieselbigen Wercke heltet man nicht für Göttlich / sondern für Weltlich Wesen / Also / daß viel Leute darüber jhnen ein schweer Gewissen gemacht. Deñ man weis je / daß etliche jhren Fürsten Stand verlassen / etliche den Ehestand / vnd sind in Klöster gangen / heilig vnd Geistlich zu werden. Vnd ist vber den Irrthumb noch der Jam̃er dabey / daß / wenn die Leute in dem Wahn seyn / daß solche Satzungen nöthig seyn zur Seligkeit / die Gewissen ohn vnterlas in Vnruhe vnd Quaal seyn / daß sie jhr Orden / jhr Möncherey / jhr auffgelegte Wercke / nicht so strenge gehalten haben. Denn wer könt die Satzungen alle erzelen? Es sind vnzehliche viel Bücher / in welchen nicht ein Titel / nicht ein Syllaba von Christo / vom Glauben geschrieben / oder von den rechten guten Wercken / die GOtt gebeut / welche jeder nach seinem Beruff zu thun schüldig ist / Sondern allein von solchen Satzungen schreiben sie / als von den Viertzig Tagen zu fasten / von Messe hören / von Vier Gezeiten beten / etc. Da ist des deutens vnd dispensirens kein ende. Wie jemmerlich martert sich / wie ringet vnd windet sich vber den dingen der gute fromme Man Gerson, da er gern den Gewissen mit dem rechten Trost helffen wolt / da er Gradus vnd Latitudines suchet Praeceptorum, wie fern dieselben Gebot binden / vnd kan doch nicht finden einen gewissen Grad / da er darff dem Hertzen Sicherheit vnd Friede gewiß zusagen. Darumb klaget er auch gantz hefftig / wie in grosser Fahr die Gewissen vnd Conscientz dadurch stehen / daß man solche Satzung also bey einer Todsünde foddert / vnd wil gehalten haben. Wir aber sollen vns wieder solche Heuchlische / gleissende Satzungen / dadurch viel verführt / vnd jemmerlich die Gewissen / ohn vrsach geplaget werden / rüsten vnd stercken mit GOttes Wort / vnd sollen erstlich das gewiß halten / daß Vergebung der Sünde nicht durch solche Satzung verdienet wird. Wir haben den Apostel droben angezogen / zu den Colossern: Lasst euch niemands Gewissen machen vber Speis / Tranck / Newmonden / Sabbatern. Vnd der Apostel wil das gantz Gesetz Mosi / vnd solche Tradition / zu gleich begriffen haben / damit die Wiedersacher hie nicht entschlieffen / wie sie pflegen / als rede Paulus allein vom Gesetz Mosi. Er zeiget aber klar gnug an / daß er von Menschlichen Satzungen auch rede / wiewol die Wiedersacher selbs nicht wissen / was sie sagen. Denn so das Euangelium vnd Paulus klar melden / daß auch die Ceremonien vnd Wercke <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0514"/> Item / da ein Magd / ein Knecht seinem Herrn trewlich zu dienen pflichtig ist. 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Item / da ein Magd / ein Knecht seinem Herrn trewlich zu dienen pflichtig ist. Dieselbigen Wercke heltet man nicht für Göttlich / sondern für Weltlich Wesen / Also / daß viel Leute darüber jhnen ein schweer Gewissen gemacht. Deñ man weis je / daß etliche jhren Fürsten Stand verlassen / etliche den Ehestand / vnd sind in Klöster gangen / heilig vnd Geistlich zu werden.
Vnd ist vber den Irrthumb noch der Jam̃er dabey / daß / wenn die Leute in dem Wahn seyn / daß solche Satzungen nöthig seyn zur Seligkeit / die Gewissen ohn vnterlas in Vnruhe vnd Quaal seyn / daß sie jhr Orden / jhr Möncherey / jhr auffgelegte Wercke / nicht so strenge gehalten haben. Denn wer könt die Satzungen alle erzelen? Es sind vnzehliche viel Bücher / in welchen nicht ein Titel / nicht ein Syllaba von Christo / vom Glauben geschrieben / oder von den rechten guten Wercken / die GOtt gebeut / welche jeder nach seinem Beruff zu thun schüldig ist / Sondern allein von solchen Satzungen schreiben sie / als von den Viertzig Tagen zu fasten / von Messe hören / von Vier Gezeiten beten / etc. Da ist des deutens vnd dispensirens kein ende.
Wie jemmerlich martert sich / wie ringet vnd windet sich vber den dingen der gute fromme Man Gerson, da er gern den Gewissen mit dem rechten Trost helffen wolt / da er Gradus vnd Latitudines suchet Praeceptorum, wie fern dieselben Gebot binden / vnd kan doch nicht finden einen gewissen Grad / da er darff dem Hertzen Sicherheit vnd Friede gewiß zusagen. Darumb klaget er auch gantz hefftig / wie in grosser Fahr die Gewissen vnd Conscientz dadurch stehen / daß man solche Satzung also bey einer Todsünde foddert / vnd wil gehalten haben.
Wir aber sollen vns wieder solche Heuchlische / gleissende Satzungen / dadurch viel verführt / vnd jemmerlich die Gewissen / ohn vrsach geplaget werden / rüsten vnd stercken mit GOttes Wort / vnd sollen erstlich das gewiß halten / daß Vergebung der Sünde nicht durch solche Satzung verdienet wird. Wir haben den Apostel droben angezogen / zu den Colossern: Lasst euch niemands Gewissen machen vber Speis / Tranck / Newmonden / Sabbatern. Vnd der Apostel wil das gantz Gesetz Mosi / vnd solche Tradition / zu gleich begriffen haben / damit die Wiedersacher hie nicht entschlieffen / wie sie pflegen / als rede Paulus allein vom Gesetz Mosi. Er zeiget aber klar gnug an / daß er von Menschlichen Satzungen auch rede / wiewol die Wiedersacher selbs nicht wissen / was sie sagen. Denn so das Euangelium vnd Paulus klar melden / daß auch die Ceremonien vnd Wercke
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Zitationshilfe: | [Braunschweig-Wolfenbüttel, Herzog Julius von]: Corpus Doctrinae, Das ist/ Die Summa/ Form und Fürbilde der reinen Christlichen Lehre/ aus der heiligen Göttlichen Schrifft der Propheten und Aposteln zusammen gezogen. Helmstedt, 1603, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_corpus_1603/514>, abgerufen am 16.07.2024. |