[Braunschweig-Wolfenbüttel, Herzog Julius von]: Corpus Doctrinae, Das ist/ Die Summa/ Form und Fürbilde der reinen Christlichen Lehre/ aus der heiligen Göttlichen Schrifft der Propheten und Aposteln zusammen gezogen. Helmstedt, 1603.Vnd dieselbigen Gaben nennen wir Gottes Furcht / Gottes Erkentniß vnd vertrawen gegen Gott / damit daß man es verstehen möge. Auß diesem allen erscheinet gnugsam / daß die Alten / da sie sagen / Was die Erbsünde sey / gleich mit vns stimmen / vnd auch jhre meinung ist / Daß wir durch die Erbsünde in den jammer kommen / geboren / daß wir kein gut Hertz / welchs Gott recht liebet / gegen Gott haben / nicht allein kein rein gutes Werck zuthun / oder volbringen vermögen. Gleich dasselbige meinet auch Augustinus, Da er auch wil sagen / Was die Erbsünde sey / vnd pflegt die Erbsünde eine böse Lust zu nennen / denn er wil anzeigen / Daß nach Adams Falle an stat der Gerechtigkeit böse Lust vns angeboren wird / Denn von dem Fall an / dieweil wir als von art / Sündlich geborn / Gott nicht fürchten / lieben / noch jhm vertrawen / so thun wir nichts anders / denn daß wir vns auff vns selbs verlassen / vnd verachten Gott / oder erschrecken / vnd fliehen von Gott. Vnd also ist in Augustinus worten / auch die meinung gefasset / vnd begriffen / der jenigen / die da sagen / Die Erbsünde sey ein Mangel der ersten Gerechtigkeit / das ist / Die böse Lust / welche an stat derselbigen Gerechtigkeit vns anhenget / Vnd ist die böse lust nicht allein ein verderbung oder verrückung der ersten reinen Leibes Gesundheit Adams im Paradis / sondern auch eine böse Lust vnd Neigung / da wir nach den allerbesten / höchsten / Krefften / vnd Liecht der Vernunfft / dennoch fleischlich wieder Gott geneigt / vnd gesinnet sind / Vnd die jenigen wissen nicht / was sie sagen / die da lehren / der Mensch vermüge auß seinen krefften Gott vber alles zu lieben / vnd müssen doch zu gleich bekennen / es bleibe so lang diß Leben wehret / noch böse Lust / so fern sie vom heiligen Geist nicht gentzlich getödtet ist. Derhalben wir so eigentlich / beydes erwehnet vnd außgedruckt / da wir haben lehren wöllen / was die Erbsünde sey / beyde die böse Lust vnd auch den Mangel der ersten Gerechtigkeit im Paradis / vnd sagen / derselb Mangel sey / daß wir Adams Kinder / Gott von hertzen nicht vertrawen / jhn nicht fürchten / noch lieben. Die böse lust sey / daß natürlich wieder Gottes wort / alle vnser sinn / hertz vnd muth stehet / da wir nicht allein suchen allerley wollust des Leibs / sondern auch auff vnser Weißheit vnd Gerechtigkeit vertrawen / vnd dagegen Gottes vergessen / vnd wenig / ja gar nichts achten. Vnd nicht allein die alten Väter / als Augustinus vnd dergleichen / sondern auch die newlichsten Lehrer / vnd Scholastici, die etwas verstand Vnd dieselbigen Gaben nennen wir Gottes Furcht / Gottes Erkentniß vnd vertrawen gegen Gott / damit daß man es verstehen möge. Auß diesem allen erscheinet gnugsam / daß die Alten / da sie sagen / Was die Erbsünde sey / gleich mit vns stimmen / vnd auch jhre meinung ist / Daß wir durch die Erbsünde in den jammer kommen / geboren / daß wir kein gut Hertz / welchs Gott recht liebet / gegen Gott haben / nicht allein kein rein gutes Werck zuthun / oder volbringen vermögen. Gleich dasselbige meinet auch Augustinus, Da er auch wil sagen / Was die Erbsünde sey / vnd pflegt die Erbsünde eine böse Lust zu nennen / denn er wil anzeigen / Daß nach Adams Falle an stat der Gerechtigkeit böse Lust vns angeboren wird / Denn von dem Fall an / dieweil wir als von art / Sündlich geborn / Gott nicht fürchten / lieben / noch jhm vertrawen / so thun wir nichts anders / denn daß wir vns auff vns selbs verlassen / vnd verachten Gott / oder erschrecken / vnd fliehen von Gott. Vnd also ist in Augustinus worten / auch die meinung gefasset / vnd begriffen / der jenigen / die da sagen / Die Erbsünde sey ein Mangel der ersten Gerechtigkeit / das ist / Die böse Lust / welche an stat derselbigen Gerechtigkeit vns anhenget / Vnd ist die böse lust nicht allein ein verderbung oder verrückung der ersten reinen Leibes Gesundheit Adams im Paradis / sondern auch eine böse Lust vnd Neigung / da wir nach den allerbesten / höchsten / Krefften / vnd Liecht der Vernunfft / dennoch fleischlich wieder Gott geneigt / vnd gesinnet sind / Vnd die jenigen wissen nicht / was sie sagen / die da lehren / der Mensch vermüge auß seinen krefften Gott vber alles zu lieben / vnd müssen doch zu gleich bekennen / es bleibe so lang diß Leben wehret / noch böse Lust / so fern sie vom heiligen Geist nicht gentzlich getödtet ist. Derhalben wir so eigentlich / beydes erwehnet vnd außgedruckt / da wir haben lehren wöllen / was die Erbsünde sey / beyde die böse Lust vnd auch den Mangel der ersten Gerechtigkeit im Paradis / vnd sagen / derselb Mangel sey / daß wir Adams Kinder / Gott von hertzen nicht vertrawen / jhn nicht fürchten / noch lieben. Die böse lust sey / daß natürlich wieder Gottes wort / alle vnser sinn / hertz vnd muth stehet / da wir nicht allein suchen allerley wollust des Leibs / sondern auch auff vnser Weißheit vnd Gerechtigkeit vertrawen / vnd dagegen Gottes vergessen / vnd wenig / ja gar nichts achten. Vnd nicht allein die alten Väter / als Augustinus vnd dergleichen / sondern auch die newlichsten Lehrer / vnd Scholastici, die etwas verstand <TEI> <text> <body> <div> <pb facs="#f0373" n="174"/> <p>Vnd dieselbigen Gaben nennen wir Gottes Furcht / Gottes Erkentniß vnd vertrawen gegen Gott / damit daß man es verstehen möge. 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Die böse lust sey / daß natürlich wieder Gottes wort / alle vnser sinn / hertz vnd muth stehet / da wir nicht allein suchen allerley wollust des Leibs / sondern auch auff vnser Weißheit vnd Gerechtigkeit vertrawen / vnd dagegen Gottes vergessen / vnd wenig / ja gar nichts achten. Vnd nicht allein die alten Väter / als <hi rendition="#i">Augustinus</hi> vnd dergleichen / sondern auch die newlichsten Lehrer / vnd <hi rendition="#i">Scholastici,</hi> die etwas verstand </p> </div> </body> </text> </TEI> [174/0373]
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Gleich dasselbige meinet auch Augustinus, Da er auch wil sagen / Was die Erbsünde sey / vnd pflegt die Erbsünde eine böse Lust zu nennen / denn er wil anzeigen / Daß nach Adams Falle an stat der Gerechtigkeit böse Lust vns angeboren wird / Denn von dem Fall an / dieweil wir als von art / Sündlich geborn / Gott nicht fürchten / lieben / noch jhm vertrawen / so thun wir nichts anders / denn daß wir vns auff vns selbs verlassen / vnd verachten Gott / oder erschrecken / vnd fliehen von Gott.
Vnd also ist in Augustinus worten / auch die meinung gefasset / vnd begriffen / der jenigen / die da sagen / Die Erbsünde sey ein Mangel der ersten Gerechtigkeit / das ist / Die böse Lust / welche an stat derselbigen Gerechtigkeit vns anhenget / Vnd ist die böse lust nicht allein ein verderbung oder verrückung der ersten reinen Leibes Gesundheit Adams im Paradis / sondern auch eine böse Lust vnd Neigung / da wir nach den allerbesten / höchsten / Krefften / vnd Liecht der Vernunfft / dennoch fleischlich wieder Gott geneigt / vnd gesinnet sind / Vnd die jenigen wissen nicht / was sie sagen / die da lehren / der Mensch vermüge auß seinen krefften Gott vber alles zu lieben / vnd müssen doch zu gleich bekennen / es bleibe so lang diß Leben wehret / noch böse Lust / so fern sie vom heiligen Geist nicht gentzlich getödtet ist.
Derhalben wir so eigentlich / beydes erwehnet vnd außgedruckt / da wir haben lehren wöllen / was die Erbsünde sey / beyde die böse Lust vnd auch den Mangel der ersten Gerechtigkeit im Paradis / vnd sagen / derselb Mangel sey / daß wir Adams Kinder / Gott von hertzen nicht vertrawen / jhn nicht fürchten / noch lieben. Die böse lust sey / daß natürlich wieder Gottes wort / alle vnser sinn / hertz vnd muth stehet / da wir nicht allein suchen allerley wollust des Leibs / sondern auch auff vnser Weißheit vnd Gerechtigkeit vertrawen / vnd dagegen Gottes vergessen / vnd wenig / ja gar nichts achten. Vnd nicht allein die alten Väter / als Augustinus vnd dergleichen / sondern auch die newlichsten Lehrer / vnd Scholastici, die etwas verstand
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Zitationshilfe: | [Braunschweig-Wolfenbüttel, Herzog Julius von]: Corpus Doctrinae, Das ist/ Die Summa/ Form und Fürbilde der reinen Christlichen Lehre/ aus der heiligen Göttlichen Schrifft der Propheten und Aposteln zusammen gezogen. Helmstedt, 1603, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_corpus_1603/373>, abgerufen am 16.07.2024. |