[Braunschweig-Wolfenbüttel, Herzog Julius von]: Corpus Doctrinae, Das ist/ Die Summa/ Form und Fürbilde der reinen Christlichen Lehre/ aus der heiligen Göttlichen Schrifft der Propheten und Aposteln zusammen gezogen. Helmstedt, 1603.musten ein Weltlich vnd vnuolkommen Wesen seyn / Aber die Traditiones musten den prechtigen Namen haben / daß sie allein heilige volkommene Werck hiessen / derhalben war kein maß noch ende soche traditiones zu machen. Zum Dritten / solche traditiones sind zu hoher Beschwerung der Gewissen geraten / denn es ist nicht müglig alle traditiones zu halten / vnd waren doch die Leute in der meinung / als were solchs ein nötiger Gottesdienst / Vnd schreibet Gerson / daß viel hiemit in Verzweiffelung gefallen / etliche haben sich auch selbs vmbbracht / derhalben / daß sie kein Trost gehört haben / daß wir vmb Christus willen gerecht sind / Denn man siehet bey den Summisten vnd Theologen / wie die Gewissen verwirret / welche sich vnterstanden haben / die traditiones zusammen zu ziehen / vnd aequitet gesucht / daß sie den Gewissen hülffen / haben so viel damit zu thun gehabt / daß dieweil alle heilsame Christliche Lehre / von nötigen sachen / als vom Glauben / von Trost in hohen anfechtungen / vnd dergleichen / darnieder gelegen ist. Darüber haben auch viel frommer gelehrter Leute / vor dieser zeit sehr geklaget / daß solche traditiones, viel Zancks in der Kirchen anrichten / Vnd daß fromme Leute damit verhindert / zu rechtem Erkentniß Christi nicht kommen möchten. Gerson vnd etliche mehr haben hefftig darüber geklaget / Ja es hat auch Augustino mißfallen / daß man die Gewissen mit so viel traditionibus beschweret / Derhalben er dabey vnterricht gibt / daß mans nicht für nöthige dinge halten sol. Darumb haben die vnsern nicht aus Freuel / oder Verachtung Geistlichs Gewalts / von diesen sachen gelehret / Sondern es hat die hohe Noth gefoddert / vnterricht zu thun / von obangezeigten Irrthümen / welche aus Mißuerstand der Tradition gewachsen sind / denn das Euangelium zwinget / daß man die Lehre vom Glauben / sol vnd müsse in Kirchen treiben / welche doch nicht mag verstanden werden / so man vermeint durch eigene erwehlte Werck Vergebung der Sünden zu verdienen / vnd ist dauon also gelehret / Daß man durch haltung gedachter Menschlicher Tradition / nicht kan Gott versünen / oder für Sünde genug thun / oder Vergebung der Sünde verdienen / vnd sol derhalben kein nötiger Gottesdienst daraus gemacht werden / gleich als möge niemand ohn solche Tradition für Gott gerecht seyn. Dazu wird Vrsach aus der Schrifft angezogen / Christus Matth. 15. entschüldiget die Apostel / daß sie die gewönliche traditiones nicht gehalten haben / vnd spricht dabey: Sie ehren mich ver- musten ein Weltlich vnd vnuolkommen Wesen seyn / Aber die Traditiones musten den prechtigen Namen haben / daß sie allein heilige volkommene Werck hiessen / derhalben war kein maß noch ende soche traditiones zu machen. Zum Dritten / solche traditiones sind zu hoher Beschwerung der Gewissen geraten / denn es ist nicht müglig alle traditiones zu halten / vnd waren doch die Leute in der meinung / als were solchs ein nötiger Gottesdienst / Vnd schreibet Gerson / daß viel hiemit in Verzweiffelung gefallen / etliche haben sich auch selbs vmbbracht / derhalben / daß sie kein Trost gehört haben / daß wir vmb Christus willen gerecht sind / Denn man siehet bey den Summisten vnd Theologen / wie die Gewissen verwirret / welche sich vnterstanden haben / die traditiones zusammen zu ziehen / vnd aequitet gesucht / daß sie den Gewissen hülffen / haben so viel damit zu thun gehabt / daß dieweil alle heilsame Christliche Lehre / von nötigen sachen / als vom Glauben / von Trost in hohen anfechtungen / vnd dergleichen / darnieder gelegen ist. Darüber haben auch viel frommer gelehrter Leute / vor dieser zeit sehr geklaget / daß solche traditiones, viel Zancks in der Kirchen anrichten / Vnd daß fromme Leute damit verhindert / zu rechtem Erkentniß Christi nicht kommen möchten. Gerson vnd etliche mehr haben hefftig darüber geklaget / Ja es hat auch Augustino mißfallen / daß man die Gewissen mit so viel traditionibus beschweret / Derhalben er dabey vnterricht gibt / daß mans nicht für nöthige dinge halten sol. Darumb haben die vnsern nicht aus Freuel / oder Verachtung Geistlichs Gewalts / von diesen sachen gelehret / Sondern es hat die hohe Noth gefoddert / vnterricht zu thun / von obangezeigten Irrthümen / welche aus Mißuerstand der Tradition gewachsen sind / denn das Euangelium zwinget / daß man die Lehre vom Glauben / sol vnd müsse in Kirchen treiben / welche doch nicht mag verstanden werden / so man vermeint durch eigene erwehlte Werck Vergebung der Sünden zu verdienen / vnd ist dauon also gelehret / Daß man durch haltung gedachter Menschlicher Tradition / nicht kan Gott versünen / oder für Sünde genug thun / oder Vergebung der Sünde verdienen / vnd sol derhalben kein nötiger Gottesdienst daraus gemacht werden / gleich als möge niemand ohn solche Tradition für Gott gerecht seyn. 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Zum Dritten / solche traditiones sind zu hoher Beschwerung der Gewissen geraten / denn es ist nicht müglig alle traditiones zu halten / vnd waren doch die Leute in der meinung / als were solchs ein nötiger Gottesdienst / Vnd schreibet Gerson / daß viel hiemit in Verzweiffelung gefallen / etliche haben sich auch selbs vmbbracht / derhalben / daß sie kein Trost gehört haben / daß wir vmb Christus willen gerecht sind / Denn man siehet bey den Summisten vnd Theologen / wie die Gewissen verwirret / welche sich vnterstanden haben / die traditiones zusammen zu ziehen / vnd aequitet gesucht / daß sie den Gewissen hülffen / haben so viel damit zu thun gehabt / daß dieweil alle heilsame Christliche Lehre / von nötigen sachen / als vom Glauben / von Trost in hohen anfechtungen / vnd dergleichen / darnieder gelegen ist. Darüber haben auch viel frommer gelehrter Leute / vor dieser zeit sehr geklaget / daß solche traditiones, viel Zancks in der Kirchen anrichten / Vnd daß fromme Leute damit verhindert / zu rechtem Erkentniß Christi nicht kommen möchten. Gerson vnd etliche mehr haben hefftig darüber geklaget / Ja es hat auch Augustino mißfallen / daß man die Gewissen mit so viel traditionibus beschweret / Derhalben er dabey vnterricht gibt / daß mans nicht für nöthige dinge halten sol.
Darumb haben die vnsern nicht aus Freuel / oder Verachtung Geistlichs Gewalts / von diesen sachen gelehret / Sondern es hat die hohe Noth gefoddert / vnterricht zu thun / von obangezeigten Irrthümen / welche aus Mißuerstand der Tradition gewachsen sind / denn das Euangelium zwinget / daß man die Lehre vom Glauben / sol vnd müsse in Kirchen treiben / welche doch nicht mag verstanden werden / so man vermeint durch eigene erwehlte Werck Vergebung der Sünden zu verdienen / vnd ist dauon also gelehret / Daß man durch haltung gedachter Menschlicher Tradition / nicht kan Gott versünen / oder für Sünde genug thun / oder Vergebung der Sünde verdienen / vnd sol derhalben kein nötiger Gottesdienst daraus gemacht werden / gleich als möge niemand ohn solche Tradition für Gott gerecht seyn.
Dazu wird Vrsach aus der Schrifft angezogen / Christus Matth. 15. entschüldiget die Apostel / daß sie die gewönliche traditiones nicht gehalten haben / vnd spricht dabey: Sie ehren mich ver-
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Zitationshilfe: | [Braunschweig-Wolfenbüttel, Herzog Julius von]: Corpus Doctrinae, Das ist/ Die Summa/ Form und Fürbilde der reinen Christlichen Lehre/ aus der heiligen Göttlichen Schrifft der Propheten und Aposteln zusammen gezogen. Helmstedt, 1603, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_corpus_1603/342>, abgerufen am 16.02.2025. |