[Braunschweig-Wolfenbüttel, Herzog Julius von]: Corpus Doctrinae, Das ist/ Die Summa/ Form und Fürbilde der reinen Christlichen Lehre/ aus der heiligen Göttlichen Schrifft der Propheten und Aposteln zusammen gezogen. Helmstedt, 1603.daß / wer es solt am Halse haben / würde nicht weit lauffen. Weil nu solchs jederman von Natur anhanget / vnd in gemeinem brauch ist / daß keiner vom andern leiden wil / So wil Gott die Wurtzel vnd vrsprung wegreumen / durch welche das Hertz wider den Nehesten erbittert wird / vnd vns gewehnen / daß wir allezeit diß Gebot für Augen haben / vnd vns darin spiegeln / Gottes willen ansehen / vnd jhm das vnrechte / so wir leiden / befehlen / mit Hertzlichem vertrawen / vnd anruffen seines Namens / vnd also jene feindlich scharren vnd zürnen lassen / daß sie thun / was sie kündten. Also / daß ein Mensch lerne den Zorn stillen / vnd ein gedüldiges sanfftes Hertz tragen / sonderlich gegen denen / die jhm vrsach zu zürnen geben / das ist / gegen die Feinde. DArumb ist die gantze Summa dauon (den einfeltigen auffsdeutlichste einzubilden / was da heisse / Nicht tödten) Zum ersten / daß man niemand leid thue / Erstlich mit der Hand oder that / darnach die Zunge nicht brauchen lasse / dazu zu reden oder rathen / vber das / keinerley mittel oder weise brauche noch bewillige / dadurch jemand möchte beleidiget werden / vnd endlich / daß das Hertze niemand feind sey / noch auß Zorn vnd Haß / bösesgönne. Also / daß Leib vnd Seele vnschüldig sey an jederman / eigentlich aber an dem / der dir böses wüntschet oder zufüget / denn dem / der dir guts günnet vnd thut / böses thun / ist nicht Menschlich / sondern Teuffelisch. Zum Andern / ist auch dieses Gebots schüldig / nicht allein der da böses thut / sondern auch wer dem Nehesten guts thun / zuuor komen / wehren / schützen vnd retten kan / daß jm kein leid noch schaden am Leibe wiederfare / vnd thut es nicht. Wenn du nu einen nacketen lessest gehen / vnd kündtest jhn kleiden / so hastu jhn erfrieren lassen / Sihestu jemand hunger leiden / vnd speisest jhn nicht / so lestu jhn hungers sterben. Also / sihestu jemand zum Tod verurteilet / oder in gleicher noth / vnd nicht rettest / so du mittel vnd wege dazu wüstest / so hastu jhn getödtet. Tiebe vnd wolthat entziehen / heisset auch getödtet.Vnd wird nicht helffen / daß du fürwendest / du habst keine hülffe / rath noch that dazu gegeben / denn du hast jhm die Liebe entzogen / vnd der wolthat beraubt / dadurch er bey dem Leben blieben were. Darumb heisset auch Gott billich die alle Mörder / so in nöthen vnd fahr Leibs vnd Lebens / nicht rathen noch helffen / vnd wird gar Vrtheil Gottes vber die vnbarmhertzigen.schrecklich Vrtheil vber sie gehen lassen am Jüngsten tage / wie Christus selbs verkündiget / vnd sprechen / Ich bin hungerig vnd dürstig gewesen / vnd jhr habt mich nicht gespeiset noch getrencket / Ich bin ein Matth. 25.Gast gewesen / vnd jhr habt mich nicht beherberget / Ich bin nacket gewesen / vnd jhr habt mich nicht bekleidet / Ich bin kranck vnd gefangen daß / wer es solt am Halse haben / würde nicht weit lauffen. Weil nu solchs jederman von Natur anhanget / vnd in gemeinem brauch ist / daß keiner vom andern leiden wil / So wil Gott die Wurtzel vnd vrsprung wegreumen / durch welche das Hertz wider den Nehesten erbittert wird / vnd vns gewehnen / daß wir allezeit diß Gebot für Augen haben / vnd vns darin spiegeln / Gottes willen ansehen / vnd jhm das vnrechte / so wir leiden / befehlen / mit Hertzlichem vertrawen / vnd anruffen seines Namens / vnd also jene feindlich scharren vnd zürnen lassen / daß sie thun / was sie kündten. Also / daß ein Mensch lerne den Zorn stillen / vnd ein gedüldiges sanfftes Hertz tragen / sonderlich gegen denen / die jhm vrsach zu zürnen geben / das ist / gegen die Feinde. DArumb ist die gantze Summa dauon (den einfeltigen auffsdeutlichste einzubildẽ / was da heisse / Nicht tödten) Zum ersten / daß man niemand leid thue / Erstlich mit der Hand oder that / darnach die Zunge nicht brauchen lasse / dazu zu reden oder rathen / vber das / keinerley mittel oder weise brauche noch bewillige / dadurch jemand möchte beleidiget werden / vnd endlich / daß das Hertze niemand feind sey / noch auß Zorn vnd Haß / bösesgönne. Also / daß Leib vnd Seele vnschüldig sey an jederman / eigentlich aber an dem / der dir böses wüntschet oder zufüget / denn dem / der dir guts günnet vnd thut / böses thun / ist nicht Menschlich / sondern Teuffelisch. Zum Andern / ist auch dieses Gebots schüldig / nicht allein der da böses thut / sondern auch wer dem Nehesten guts thun / zuuor komen / wehren / schützen vnd retten kan / daß jm kein leid noch schaden am Leibe wiederfare / vnd thut es nicht. Wenn du nu einen nacketen lessest gehen / vnd kündtest jhn kleiden / so hastu jhn erfrieren lassen / Sihestu jemand hunger leiden / vnd speisest jhn nicht / so lestu jhn hungers sterben. Also / sihestu jemand zum Tod verurteilet / oder in gleicher noth / vnd nicht rettest / so du mittel vnd wege dazu wüstest / so hastu jhn getödtet. Tiebe vnd wolthat entziehen / heisset auch getödtet.Vñ wird nicht helffen / daß du fürwendest / du habst keine hülffe / rath noch that dazu gegeben / denn du hast jhm die Liebe entzogen / vnd der wolthat beraubt / dadurch er bey dem Leben blieben were. Darumb heisset auch Gott billich die alle Mörder / so in nöthen vnd fahr Leibs vnd Lebens / nicht rathen noch helffen / vnd wird gar Vrtheil Gottes vber die vnbarmhertzigen.schrecklich Vrtheil vber sie gehen lassen am Jüngsten tage / wie Christus selbs verkündiget / vnd sprechen / Ich bin hungerig vnd dürstig gewesen / vnd jhr habt mich nicht gespeiset noch getrencket / Ich bin ein Matth. 25.Gast gewesen / vnd jhr habt mich nicht beherberget / Ich bin nacket gewesen / vnd jhr habt mich nicht bekleidet / Ich bin kranck vnd gefangen <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0218"/> daß / wer es solt am Halse haben / würde nicht weit lauffen. Weil nu solchs jederman von Natur anhanget / vnd in gemeinem brauch ist / daß keiner vom andern leiden wil / So wil Gott die Wurtzel vnd vrsprung wegreumen / durch welche das Hertz wider den Nehesten erbittert wird / vnd vns gewehnen / daß wir allezeit diß Gebot für Augen haben / vnd vns darin spiegeln / Gottes willen ansehen / vnd jhm das vnrechte / so wir leiden / befehlen / mit Hertzlichem vertrawen / vnd anruffen seines Namens / vnd also jene feindlich scharren vnd zürnen lassen / daß sie thun / was sie kündten. Also / daß ein Mensch lerne den Zorn stillen / vnd ein gedüldiges sanfftes Hertz tragen / sonderlich gegen denen / die jhm vrsach zu zürnen geben / das ist / gegen die Feinde.</p> <note place="left">Gantzt Sum ma diß Gebots.</note> <p>DArumb ist die gantze Summa dauon (den einfeltigen auffsdeutlichste einzubildẽ / was da heisse / Nicht tödten) Zum ersten / daß man niemand leid thue / Erstlich mit der Hand oder that / darnach die Zunge nicht brauchen lasse / dazu zu reden oder rathen / vber das / keinerley mittel oder weise brauche noch bewillige / dadurch jemand möchte beleidiget werden / vnd endlich / daß das Hertze niemand feind sey / noch auß Zorn vnd Haß / bösesgönne. Also / daß Leib vnd Seele vnschüldig sey an jederman / eigentlich aber an dem / der dir böses wüntschet oder zufüget / denn dem / der dir guts günnet vnd thut / böses thun / ist nicht Menschlich / sondern Teuffelisch.</p> <p>Zum Andern / ist auch dieses Gebots schüldig / nicht allein der da böses thut / sondern auch wer dem Nehesten guts thun / zuuor komen / wehren / schützen vnd retten kan / daß jm kein leid noch schaden am Leibe wiederfare / vnd thut es nicht. Wenn du nu einen nacketen lessest gehen / vnd kündtest jhn kleiden / so hastu jhn erfrieren lassen / Sihestu jemand hunger leiden / vnd speisest jhn nicht / so lestu jhn hungers sterben. Also / sihestu jemand zum Tod verurteilet / oder in gleicher noth / vnd nicht rettest / so du mittel vnd wege dazu wüstest / so hastu jhn getödtet. <note place="left">Tiebe vnd wolthat entziehen / heisset auch getödtet.</note>Vñ wird nicht helffen / daß du fürwendest / du habst keine hülffe / rath noch that dazu gegeben / denn du hast jhm die Liebe entzogen / vnd der wolthat beraubt / dadurch er bey dem Leben blieben were.</p> <p>Darumb heisset auch Gott billich die alle Mörder / so in nöthen vnd fahr Leibs vnd Lebens / nicht rathen noch helffen / vnd wird gar <note place="left">Vrtheil Gottes vber die vnbarmhertzigen.</note>schrecklich Vrtheil vber sie gehen lassen am Jüngsten tage / wie Christus selbs verkündiget / vnd sprechen / Ich bin hungerig vnd dürstig gewesen / vnd jhr habt mich nicht gespeiset noch getrencket / Ich bin ein <note place="left">Matth. 25.</note>Gast gewesen / vnd jhr habt mich nicht beherberget / Ich bin nacket gewesen / vnd jhr habt mich nicht bekleidet / Ich bin kranck vnd gefangen </p> </div> </body> </text> </TEI> [0218]
daß / wer es solt am Halse haben / würde nicht weit lauffen. Weil nu solchs jederman von Natur anhanget / vnd in gemeinem brauch ist / daß keiner vom andern leiden wil / So wil Gott die Wurtzel vnd vrsprung wegreumen / durch welche das Hertz wider den Nehesten erbittert wird / vnd vns gewehnen / daß wir allezeit diß Gebot für Augen haben / vnd vns darin spiegeln / Gottes willen ansehen / vnd jhm das vnrechte / so wir leiden / befehlen / mit Hertzlichem vertrawen / vnd anruffen seines Namens / vnd also jene feindlich scharren vnd zürnen lassen / daß sie thun / was sie kündten. Also / daß ein Mensch lerne den Zorn stillen / vnd ein gedüldiges sanfftes Hertz tragen / sonderlich gegen denen / die jhm vrsach zu zürnen geben / das ist / gegen die Feinde.
DArumb ist die gantze Summa dauon (den einfeltigen auffsdeutlichste einzubildẽ / was da heisse / Nicht tödten) Zum ersten / daß man niemand leid thue / Erstlich mit der Hand oder that / darnach die Zunge nicht brauchen lasse / dazu zu reden oder rathen / vber das / keinerley mittel oder weise brauche noch bewillige / dadurch jemand möchte beleidiget werden / vnd endlich / daß das Hertze niemand feind sey / noch auß Zorn vnd Haß / bösesgönne. Also / daß Leib vnd Seele vnschüldig sey an jederman / eigentlich aber an dem / der dir böses wüntschet oder zufüget / denn dem / der dir guts günnet vnd thut / böses thun / ist nicht Menschlich / sondern Teuffelisch.
Zum Andern / ist auch dieses Gebots schüldig / nicht allein der da böses thut / sondern auch wer dem Nehesten guts thun / zuuor komen / wehren / schützen vnd retten kan / daß jm kein leid noch schaden am Leibe wiederfare / vnd thut es nicht. Wenn du nu einen nacketen lessest gehen / vnd kündtest jhn kleiden / so hastu jhn erfrieren lassen / Sihestu jemand hunger leiden / vnd speisest jhn nicht / so lestu jhn hungers sterben. Also / sihestu jemand zum Tod verurteilet / oder in gleicher noth / vnd nicht rettest / so du mittel vnd wege dazu wüstest / so hastu jhn getödtet. Vñ wird nicht helffen / daß du fürwendest / du habst keine hülffe / rath noch that dazu gegeben / denn du hast jhm die Liebe entzogen / vnd der wolthat beraubt / dadurch er bey dem Leben blieben were.
Tiebe vnd wolthat entziehen / heisset auch getödtet. Darumb heisset auch Gott billich die alle Mörder / so in nöthen vnd fahr Leibs vnd Lebens / nicht rathen noch helffen / vnd wird gar schrecklich Vrtheil vber sie gehen lassen am Jüngsten tage / wie Christus selbs verkündiget / vnd sprechen / Ich bin hungerig vnd dürstig gewesen / vnd jhr habt mich nicht gespeiset noch getrencket / Ich bin ein Gast gewesen / vnd jhr habt mich nicht beherberget / Ich bin nacket gewesen / vnd jhr habt mich nicht bekleidet / Ich bin kranck vnd gefangen
Vrtheil Gottes vber die vnbarmhertzigen.
Matth. 25.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/nn_corpus_1603 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/nn_corpus_1603/218 |
Zitationshilfe: | [Braunschweig-Wolfenbüttel, Herzog Julius von]: Corpus Doctrinae, Das ist/ Die Summa/ Form und Fürbilde der reinen Christlichen Lehre/ aus der heiligen Göttlichen Schrifft der Propheten und Aposteln zusammen gezogen. Helmstedt, 1603, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_corpus_1603/218>, abgerufen am 19.07.2024. |