Herders Conversations-Lexikon. Bd. 5. Freiburg im Breisgau, 1857.worauf die Einrichtung ihres aus 4 Abtheilungen bestehenden Magens berechnet ist. Die erste u. größte Abtheilung heißt Pansen u. nimmt zuerst die grobgekauten Kräuter auf, die von da in die 2., sehr kleine Abtheilung, die Haube, gelangen, deren Wände zellig sind; daselbst erweicht und zu Ballen geformt werden die Speisen in kleinern Portionen wieder durch die Speiseröhre in das Maul geschafft, hier zum zweitenmal gekaut und gelangen sodann von da nochmals durch die Speiseröhre direct in den 3. Magen, das Buch oder Psalter, und von da endlich in den 4. oder eigentlichen Magen, den Labmagen, wo sie verdaut werden. Der Darmkanal bei allen W.n ist sehr lang. Hörner finden sich nur bei ihnen. Hieher gehören: Kamel, Lama, Bisamthier, Hirsche, Giraffe, Antilopen, Ziege, Schaf, Ochse. Wiedertäufer, griech.-deutsch Anabaptisten, nannte man die Mitglieder von Secten, welche die Kindertaufe verwarfen, weil das Kind noch keine Glaubensüberzeugung habe, und solche, die als Kinder bereits getauft worden waren, nochmals getauft wissen wollten. Dergleichen W. gab es schon im Mittelalter, am meisten aber machten sie im 16. Jahrh. als die Ultras oder "Schwarmgeister" der reformatorischen Partei von sich sprechen. So zog 1522 ein Nikolaus Storch mit 12 Aposteln und 70 Jüngern nach Wittenberg, Melanchthon wußte diese sog. Zwickauerpropheten mit ihren Einwendungen wider die Kindertaufe nicht zu widerlegen u. zweifelte längere Zeit, ob dieselben nicht etwa richtig seien. Storch und die Seinigen predigten chiliastisch (s. Chiliasmus), verbanden sich mit Karlstadt, dem Mönch Didymus (s. d. betr. Art.) und mit Gesindel aller Art und trieben ihr Unwesen so arg, daß Luther selber aus seinem Wartburgasyl herbeikam und sie mit Predigten u. Hilfe des weltlichen Armes fortdonnerte, worauf sie sich mit Thomas Münzer (s. d.) verbrüderten und im Bauernkrieg umkamen od. zersprengt wurden. In der Schweiz bekam Zwingli 1525 mit W. u zu disputiren, welche die Kindertaufe lediglich für eine unbiblische päpstliche Erfindung ausgaben; die weltliche Obrigkeit erklärte sie für widerlegt und verbot die Wiederholung der Kindertaufe bei Todesstrafe, doch die W. gaben keine Ruhe, bis man einen gewissen Felix Manz ertränkte, dessen Gefährten Blaurock öffentlich auspeitschte u. andere dergleichen Exempel statuirte. Auch Bayern hatte seine W. (um 1527 Hutter, Kürsner, Sallim u. a. m.), noch mehr die Niederlande (ein gewisser David Joris suchte hier die 4 damaligen Parteien der W. unter einen Hut zu bringen), in Norddeutschland predigte Melchior Hoffmann (gebürtig aus Schwaben, seines Handwerks ein Kürschner, gest. 1532 zu Straßburg im Kerker) und dessen Schüler Ubbo Philippis (gest. 1568), am tollsten aber wirthschafteten die W. zu Münster in Westfalen. Hier, wo der Kaplan Bernh. Rottmann, ein entschiedener Fanatiker, die Grundsätze der Reformation seit 1532 auf offener Straße predigte u. im Einverständnisse mit dem Magistrate sowie mit Beihilfe des Landgrafen Philipp von Hessen 1533 für die Anhänger der neuen Lehre 6 Kirchen errang, sammelten sich 1534 viele W. und Leute, die alles zu gewinnen und nichts zu verlieren hatten. Es kamen Johann von Leyden u. Mathiesen, ein Bäcker aus Harlem, sie steckten mit ihren chiliastischen Planen den Rottmann an u. bald wurde durch Gewalt der Fäuste Münster zur Burg Zion, der Schneider Johann zum König, Mathiesen sein Prophet, Krechting sein Kanzler, Knipperdolling sein Scharfrichter, alles communistisch eingerichtet: Gemeinschaft der Weiber und Güter, gemeinsame Küchen, Kleidermagazine u. s. w., durch schonungslosen blutigen Terrorismus aber das neue Reich aufrecht gehalten u. ins Wahnsinnige gesteigert. Als der Bischof von Münster mit Heeresmacht herbeizog, vertheidigten sich die Belagerten mit fanatischer Tapferkeit und Ausdauer u. erst am 25. Juni 1535 wurde die Stadt wieder eingenommen; vgl. Johann von Leyden, Knipperdolling, Münster, dazu K. A. Kornelius Sammlung von Berichten von Augenzeugen über das Münster'sche W. reich im 2. Band der bei K. worauf die Einrichtung ihres aus 4 Abtheilungen bestehenden Magens berechnet ist. Die erste u. größte Abtheilung heißt Pansen u. nimmt zuerst die grobgekauten Kräuter auf, die von da in die 2., sehr kleine Abtheilung, die Haube, gelangen, deren Wände zellig sind; daselbst erweicht und zu Ballen geformt werden die Speisen in kleinern Portionen wieder durch die Speiseröhre in das Maul geschafft, hier zum zweitenmal gekaut und gelangen sodann von da nochmals durch die Speiseröhre direct in den 3. Magen, das Buch oder Psalter, und von da endlich in den 4. oder eigentlichen Magen, den Labmagen, wo sie verdaut werden. Der Darmkanal bei allen W.n ist sehr lang. Hörner finden sich nur bei ihnen. Hieher gehören: Kamel, Lama, Bisamthier, Hirsche, Giraffe, Antilopen, Ziege, Schaf, Ochse. Wiedertäufer, griech.-deutsch Anabaptisten, nannte man die Mitglieder von Secten, welche die Kindertaufe verwarfen, weil das Kind noch keine Glaubensüberzeugung habe, und solche, die als Kinder bereits getauft worden waren, nochmals getauft wissen wollten. Dergleichen W. gab es schon im Mittelalter, am meisten aber machten sie im 16. Jahrh. als die Ultras oder „Schwarmgeister“ der reformatorischen Partei von sich sprechen. So zog 1522 ein Nikolaus Storch mit 12 Aposteln und 70 Jüngern nach Wittenberg, Melanchthon wußte diese sog. Zwickauerpropheten mit ihren Einwendungen wider die Kindertaufe nicht zu widerlegen u. zweifelte längere Zeit, ob dieselben nicht etwa richtig seien. Storch und die Seinigen predigten chiliastisch (s. Chiliasmus), verbanden sich mit Karlstadt, dem Mönch Didymus (s. d. betr. Art.) und mit Gesindel aller Art und trieben ihr Unwesen so arg, daß Luther selber aus seinem Wartburgasyl herbeikam und sie mit Predigten u. Hilfe des weltlichen Armes fortdonnerte, worauf sie sich mit Thomas Münzer (s. d.) verbrüderten und im Bauernkrieg umkamen od. zersprengt wurden. In der Schweiz bekam Zwingli 1525 mit W. u zu disputiren, welche die Kindertaufe lediglich für eine unbiblische päpstliche Erfindung ausgaben; die weltliche Obrigkeit erklärte sie für widerlegt und verbot die Wiederholung der Kindertaufe bei Todesstrafe, doch die W. gaben keine Ruhe, bis man einen gewissen Felix Manz ertränkte, dessen Gefährten Blaurock öffentlich auspeitschte u. andere dergleichen Exempel statuirte. Auch Bayern hatte seine W. (um 1527 Hutter, Kürsner, Sallim u. a. m.), noch mehr die Niederlande (ein gewisser David Joris suchte hier die 4 damaligen Parteien der W. unter einen Hut zu bringen), in Norddeutschland predigte Melchior Hoffmann (gebürtig aus Schwaben, seines Handwerks ein Kürschner, gest. 1532 zu Straßburg im Kerker) und dessen Schüler Ubbo Philippis (gest. 1568), am tollsten aber wirthschafteten die W. zu Münster in Westfalen. Hier, wo der Kaplan Bernh. Rottmann, ein entschiedener Fanatiker, die Grundsätze der Reformation seit 1532 auf offener Straße predigte u. im Einverständnisse mit dem Magistrate sowie mit Beihilfe des Landgrafen Philipp von Hessen 1533 für die Anhänger der neuen Lehre 6 Kirchen errang, sammelten sich 1534 viele W. und Leute, die alles zu gewinnen und nichts zu verlieren hatten. Es kamen Johann von Leyden u. Mathiesen, ein Bäcker aus Harlem, sie steckten mit ihren chiliastischen Planen den Rottmann an u. bald wurde durch Gewalt der Fäuste Münster zur Burg Zion, der Schneider Johann zum König, Mathiesen sein Prophet, Krechting sein Kanzler, Knipperdolling sein Scharfrichter, alles communistisch eingerichtet: Gemeinschaft der Weiber und Güter, gemeinsame Küchen, Kleidermagazine u. s. w., durch schonungslosen blutigen Terrorismus aber das neue Reich aufrecht gehalten u. ins Wahnsinnige gesteigert. Als der Bischof von Münster mit Heeresmacht herbeizog, vertheidigten sich die Belagerten mit fanatischer Tapferkeit und Ausdauer u. erst am 25. Juni 1535 wurde die Stadt wieder eingenommen; vgl. Johann von Leyden, Knipperdolling, Münster, dazu K. A. Kornelius Sammlung von Berichten von Augenzeugen über das Münster'sche W. reich im 2. Band der bei K. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div type="lexiconEntry" n="2"> <p><pb facs="#f0713" n="712"/> worauf die Einrichtung ihres aus 4 Abtheilungen bestehenden Magens berechnet ist. Die erste u. größte Abtheilung heißt <hi rendition="#g">Pansen</hi> u. nimmt zuerst die grobgekauten Kräuter auf, die von da in die 2., sehr kleine Abtheilung, die <hi rendition="#g">Haube</hi>, gelangen, deren Wände zellig sind; daselbst erweicht und zu Ballen geformt werden die Speisen in kleinern Portionen wieder durch die Speiseröhre in das Maul geschafft, hier zum zweitenmal gekaut und gelangen sodann von da nochmals durch die Speiseröhre direct in den 3. 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In der Schweiz bekam Zwingli 1525 mit W. u zu disputiren, welche die Kindertaufe lediglich für eine unbiblische päpstliche Erfindung ausgaben; die weltliche Obrigkeit erklärte sie für widerlegt und verbot die Wiederholung der Kindertaufe bei Todesstrafe, doch die W. gaben keine Ruhe, bis man einen gewissen Felix Manz ertränkte, dessen Gefährten Blaurock öffentlich auspeitschte u. andere dergleichen Exempel statuirte. Auch Bayern hatte seine W. (um 1527 Hutter, Kürsner, Sallim u. a. m.), noch mehr die Niederlande (ein gewisser <hi rendition="#g">David Joris</hi> suchte hier die 4 damaligen Parteien der W. unter einen Hut zu bringen), in Norddeutschland predigte Melchior Hoffmann (gebürtig aus Schwaben, seines Handwerks ein Kürschner, gest. 1532 zu Straßburg im Kerker) und dessen Schüler Ubbo Philippis (gest. 1568), am tollsten aber wirthschafteten die W. zu <hi rendition="#g">Münster</hi> in Westfalen. Hier, wo der Kaplan Bernh. Rottmann, ein entschiedener Fanatiker, die Grundsätze der Reformation seit 1532 auf offener Straße predigte u. im Einverständnisse mit dem Magistrate sowie mit Beihilfe des Landgrafen Philipp von Hessen 1533 für die Anhänger der neuen Lehre 6 Kirchen errang, sammelten sich 1534 viele W. und Leute, die alles zu gewinnen und nichts zu verlieren hatten. Es kamen Johann von Leyden u. Mathiesen, ein Bäcker aus Harlem, sie steckten mit ihren chiliastischen Planen den Rottmann an u. bald wurde durch Gewalt der Fäuste Münster zur Burg Zion, der Schneider Johann zum König, Mathiesen sein Prophet, Krechting sein Kanzler, Knipperdolling sein Scharfrichter, alles communistisch eingerichtet: Gemeinschaft der Weiber und Güter, gemeinsame Küchen, Kleidermagazine u. s. w., durch schonungslosen blutigen Terrorismus aber das neue Reich aufrecht gehalten u. ins Wahnsinnige gesteigert. Als der Bischof von Münster mit Heeresmacht herbeizog, vertheidigten sich die Belagerten mit fanatischer Tapferkeit und Ausdauer u. erst am 25. Juni 1535 wurde die Stadt wieder eingenommen; vgl. Johann von Leyden, Knipperdolling, Münster, dazu K. A. Kornelius Sammlung von Berichten von Augenzeugen über das Münster'sche W. reich im 2. Band der bei K. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [712/0713]
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Wiedertäufer, griech.-deutsch Anabaptisten, nannte man die Mitglieder von Secten, welche die Kindertaufe verwarfen, weil das Kind noch keine Glaubensüberzeugung habe, und solche, die als Kinder bereits getauft worden waren, nochmals getauft wissen wollten. Dergleichen W. gab es schon im Mittelalter, am meisten aber machten sie im 16. Jahrh. als die Ultras oder „Schwarmgeister“ der reformatorischen Partei von sich sprechen. So zog 1522 ein Nikolaus Storch mit 12 Aposteln und 70 Jüngern nach Wittenberg, Melanchthon wußte diese sog. Zwickauerpropheten mit ihren Einwendungen wider die Kindertaufe nicht zu widerlegen u. zweifelte längere Zeit, ob dieselben nicht etwa richtig seien. Storch und die Seinigen predigten chiliastisch (s. Chiliasmus), verbanden sich mit Karlstadt, dem Mönch Didymus (s. d. betr. Art.) und mit Gesindel aller Art und trieben ihr Unwesen so arg, daß Luther selber aus seinem Wartburgasyl herbeikam und sie mit Predigten u. Hilfe des weltlichen Armes fortdonnerte, worauf sie sich mit Thomas Münzer (s. d.) verbrüderten und im Bauernkrieg umkamen od. zersprengt wurden. In der Schweiz bekam Zwingli 1525 mit W. u zu disputiren, welche die Kindertaufe lediglich für eine unbiblische päpstliche Erfindung ausgaben; die weltliche Obrigkeit erklärte sie für widerlegt und verbot die Wiederholung der Kindertaufe bei Todesstrafe, doch die W. gaben keine Ruhe, bis man einen gewissen Felix Manz ertränkte, dessen Gefährten Blaurock öffentlich auspeitschte u. andere dergleichen Exempel statuirte. Auch Bayern hatte seine W. (um 1527 Hutter, Kürsner, Sallim u. a. m.), noch mehr die Niederlande (ein gewisser David Joris suchte hier die 4 damaligen Parteien der W. unter einen Hut zu bringen), in Norddeutschland predigte Melchior Hoffmann (gebürtig aus Schwaben, seines Handwerks ein Kürschner, gest. 1532 zu Straßburg im Kerker) und dessen Schüler Ubbo Philippis (gest. 1568), am tollsten aber wirthschafteten die W. zu Münster in Westfalen. Hier, wo der Kaplan Bernh. Rottmann, ein entschiedener Fanatiker, die Grundsätze der Reformation seit 1532 auf offener Straße predigte u. im Einverständnisse mit dem Magistrate sowie mit Beihilfe des Landgrafen Philipp von Hessen 1533 für die Anhänger der neuen Lehre 6 Kirchen errang, sammelten sich 1534 viele W. und Leute, die alles zu gewinnen und nichts zu verlieren hatten. Es kamen Johann von Leyden u. Mathiesen, ein Bäcker aus Harlem, sie steckten mit ihren chiliastischen Planen den Rottmann an u. bald wurde durch Gewalt der Fäuste Münster zur Burg Zion, der Schneider Johann zum König, Mathiesen sein Prophet, Krechting sein Kanzler, Knipperdolling sein Scharfrichter, alles communistisch eingerichtet: Gemeinschaft der Weiber und Güter, gemeinsame Küchen, Kleidermagazine u. s. w., durch schonungslosen blutigen Terrorismus aber das neue Reich aufrecht gehalten u. ins Wahnsinnige gesteigert. Als der Bischof von Münster mit Heeresmacht herbeizog, vertheidigten sich die Belagerten mit fanatischer Tapferkeit und Ausdauer u. erst am 25. Juni 1535 wurde die Stadt wieder eingenommen; vgl. Johann von Leyden, Knipperdolling, Münster, dazu K. A. Kornelius Sammlung von Berichten von Augenzeugen über das Münster'sche W. reich im 2. Band der bei K.
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