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Herders Conversations-Lexikon. Bd. 5. Freiburg im Breisgau, 1857.

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als wahr und sofort mit gleicher Fertigkeit als unwahr nachzuweisen. Verzweiflung an aller Wahrheit war damit eine nothwendige Frucht der S., als schrankenloser Egoismus im praktischen u. öffentlichen Leben sich geltend machend. Die S. verdiente wirklich die schweren Anklagen, welche Platon im Gorgias, Philebus, Phädrus u. s. f. gegen sie erhob. Die namhaftesten Sophisten waren der "Tugendlehrer" Protagoras, der Rhetor u. Politiker Gorgias, der Grammatiker und Synonomiker Prodicus, der Polyhistor Hippias, der Tyrann Kritias, der den Glauben an die Götter frischweg als eine Erfindung schlauer Staatsmänner besang; s. d. betr. Art. Aber die S. hatte auch ihr Gutes; abgesehen davon, daß sie einen Sokrates u. Platon wider sich in die Schranken rief, verbreiteten die Sophisten ähnlich den Freidenkern des 18. Jahrh. eine Masse von Kenntnissen im Volke, erwarben sich große Verdienste um die Sprachstudien, riefen Untersuchungen über die menschliche Erkenntniß u. über die Logik ins Leben, förderten die Beredsamkeit und legten den Grund zur methodischen Behandlung vieler Zweige des Wissens. Vgl. Sokrates.


Sophokles, der größte unter den 3 großen hellenischen Trauerspieldichtern, minder erhaben als Aeschyl aber kunstmäßiger, dabei nicht so rhetorisch und weit glücklicher in der Charakterzeichnung als Euripides, wurde 497 v. Chr. im attischen Demos Kolonos aus einer ziemlich wohlhabenden Familie geb. u. sorgfältig erzogen, zumal er mit großer Körperschönheit die glücklichsten Anlagen verband u. namentlich eine frühe Vorliebe für Musik und Orchestrik zeigte. Schon 480 nach der Schlacht bei Salamis hatte er die Ehre, bei der Aufführung des Siegespäans als Chorführer um die Siegestrophäen tanzen zu dürfen; bereits 471 wurde ihm als tragischem Dichter der Preis vor Aeschyl zuerkannt u. fortan blieb er der Liebling seines Volkes, weil er besser als der alternde Schöpfer des Trauerspiels einsah, das feingebildete u. freie Zeitalter des Perikles wolle auf der Bühne nicht mehr schreckenüberfüllte Auftritte und viel Politik, sondern möglichst wahre und treue Charaktere u. Rührung. Namentlich deßhalb, um S. für die Aufführung seiner "Antigone", vielleicht des vollendetsten Meisterwerkes der dramatischen Kunst aller Zeiten, zu belohnen, wurde er 441 mit Perikles zum Feldherrn gegen Samos ernannt, soll übrigens in dieser Stellung wenig Lorbeern eingeärntet haben. Als S. in seinen alten Tagen von seinem ungerathenen Sohne Iophon angeklagt wurde, er sei wahnwitzig u. könne deßhalb sein Vermögen nicht mehr verwalten, las der Dichter seinen Richtern einige Scenen aus dem "Oedipus auf Kolonos" vor und wurde sofort freigesprochen. Trotz den ehrenvollsten Einladungen auswärtiger Herrscher blieb er stets in seiner Heimath und st. 406 v. Chr. S. soll 130 Stücke gedichtet haben u. die Antigone das 32. sein, aber schon die Alten selber witterten Unterschiebungen, nachweisbar stammten viele aus der sophokleischen Schule und von allen sind nur 7 vollständig erhalten, nämlich 1) der geißeltragende Ajax, 2) Elektra, 3) Oedipus der Herrscher, 4) die Antigone, 5) Oedipus auf Kolonos (nach S. Tod von seinem Sohne Iophon aufgeführt), 6) die Trachinierinen (nach Schlegels Ansicht von der sophokleischen Schule mindestens modificirt) und 7) der Philoktet. Von andern Dichtungen sind nur Bruchstücke (die der "Klytemnestra" anerkannt unächt) und meist nur Titel übrig, gegen das Satirdrama hegte S. einen großen Widerwillen. S. vervollständigte das ganze Theaterwesen und trat manchmal selbst als Schauspieler auf; in formeller Beziehung erweiterte er namentlich die eigentlich dramatische Handlung, indem er 3 und auch 4 redende Personen auf die Bühne brachte, dagegen den bei Aeschyl sehr vorherrschenden Chor beschränkte und zur dramatischen Handlung in das rechte Verhältniß setzte. Hinsichtlich der Sprache verstand es die "attische Biene" classisch einfach u. ächt poetisch zugleich zu sein, das größte Verdienst des S. aber liegt erstens in seiner sittlichen Haltung und Auffassung des antiken Fatums, wodurch er neben Sokrates und Platon über dem

als wahr und sofort mit gleicher Fertigkeit als unwahr nachzuweisen. Verzweiflung an aller Wahrheit war damit eine nothwendige Frucht der S., als schrankenloser Egoismus im praktischen u. öffentlichen Leben sich geltend machend. Die S. verdiente wirklich die schweren Anklagen, welche Platon im Gorgias, Philebus, Phädrus u. s. f. gegen sie erhob. Die namhaftesten Sophisten waren der „Tugendlehrer“ Protagoras, der Rhetor u. Politiker Gorgias, der Grammatiker und Synonomiker Prodicus, der Polyhistor Hippias, der Tyrann Kritias, der den Glauben an die Götter frischweg als eine Erfindung schlauer Staatsmänner besang; s. d. betr. Art. Aber die S. hatte auch ihr Gutes; abgesehen davon, daß sie einen Sokrates u. Platon wider sich in die Schranken rief, verbreiteten die Sophisten ähnlich den Freidenkern des 18. Jahrh. eine Masse von Kenntnissen im Volke, erwarben sich große Verdienste um die Sprachstudien, riefen Untersuchungen über die menschliche Erkenntniß u. über die Logik ins Leben, förderten die Beredsamkeit und legten den Grund zur methodischen Behandlung vieler Zweige des Wissens. Vgl. Sokrates.


Sophokles, der größte unter den 3 großen hellenischen Trauerspieldichtern, minder erhaben als Aeschyl aber kunstmäßiger, dabei nicht so rhetorisch und weit glücklicher in der Charakterzeichnung als Euripides, wurde 497 v. Chr. im attischen Demos Kolonos aus einer ziemlich wohlhabenden Familie geb. u. sorgfältig erzogen, zumal er mit großer Körperschönheit die glücklichsten Anlagen verband u. namentlich eine frühe Vorliebe für Musik und Orchestrik zeigte. Schon 480 nach der Schlacht bei Salamis hatte er die Ehre, bei der Aufführung des Siegespäans als Chorführer um die Siegestrophäen tanzen zu dürfen; bereits 471 wurde ihm als tragischem Dichter der Preis vor Aeschyl zuerkannt u. fortan blieb er der Liebling seines Volkes, weil er besser als der alternde Schöpfer des Trauerspiels einsah, das feingebildete u. freie Zeitalter des Perikles wolle auf der Bühne nicht mehr schreckenüberfüllte Auftritte und viel Politik, sondern möglichst wahre und treue Charaktere u. Rührung. Namentlich deßhalb, um S. für die Aufführung seiner „Antigone“, vielleicht des vollendetsten Meisterwerkes der dramatischen Kunst aller Zeiten, zu belohnen, wurde er 441 mit Perikles zum Feldherrn gegen Samos ernannt, soll übrigens in dieser Stellung wenig Lorbeern eingeärntet haben. Als S. in seinen alten Tagen von seinem ungerathenen Sohne Iophon angeklagt wurde, er sei wahnwitzig u. könne deßhalb sein Vermögen nicht mehr verwalten, las der Dichter seinen Richtern einige Scenen aus dem „Oedipus auf Kolonos“ vor und wurde sofort freigesprochen. Trotz den ehrenvollsten Einladungen auswärtiger Herrscher blieb er stets in seiner Heimath und st. 406 v. Chr. S. soll 130 Stücke gedichtet haben u. die Antigone das 32. sein, aber schon die Alten selber witterten Unterschiebungen, nachweisbar stammten viele aus der sophokleischen Schule und von allen sind nur 7 vollständig erhalten, nämlich 1) der geißeltragende Ajax, 2) Elektra, 3) Oedipus der Herrscher, 4) die Antigone, 5) Oedipus auf Kolonos (nach S. Tod von seinem Sohne Iophon aufgeführt), 6) die Trachinierinen (nach Schlegels Ansicht von der sophokleischen Schule mindestens modificirt) und 7) der Philoktet. Von andern Dichtungen sind nur Bruchstücke (die der „Klytemnestra“ anerkannt unächt) und meist nur Titel übrig, gegen das Satirdrama hegte S. einen großen Widerwillen. S. vervollständigte das ganze Theaterwesen und trat manchmal selbst als Schauspieler auf; in formeller Beziehung erweiterte er namentlich die eigentlich dramatische Handlung, indem er 3 und auch 4 redende Personen auf die Bühne brachte, dagegen den bei Aeschyl sehr vorherrschenden Chor beschränkte und zur dramatischen Handlung in das rechte Verhältniß setzte. Hinsichtlich der Sprache verstand es die „attische Biene“ classisch einfach u. ächt poetisch zugleich zu sein, das größte Verdienst des S. aber liegt erstens in seiner sittlichen Haltung und Auffassung des antiken Fatums, wodurch er neben Sokrates und Platon über dem

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[254/0255] als wahr und sofort mit gleicher Fertigkeit als unwahr nachzuweisen. Verzweiflung an aller Wahrheit war damit eine nothwendige Frucht der S., als schrankenloser Egoismus im praktischen u. öffentlichen Leben sich geltend machend. Die S. verdiente wirklich die schweren Anklagen, welche Platon im Gorgias, Philebus, Phädrus u. s. f. gegen sie erhob. Die namhaftesten Sophisten waren der „Tugendlehrer“ Protagoras, der Rhetor u. Politiker Gorgias, der Grammatiker und Synonomiker Prodicus, der Polyhistor Hippias, der Tyrann Kritias, der den Glauben an die Götter frischweg als eine Erfindung schlauer Staatsmänner besang; s. d. betr. Art. Aber die S. hatte auch ihr Gutes; abgesehen davon, daß sie einen Sokrates u. Platon wider sich in die Schranken rief, verbreiteten die Sophisten ähnlich den Freidenkern des 18. Jahrh. eine Masse von Kenntnissen im Volke, erwarben sich große Verdienste um die Sprachstudien, riefen Untersuchungen über die menschliche Erkenntniß u. über die Logik ins Leben, förderten die Beredsamkeit und legten den Grund zur methodischen Behandlung vieler Zweige des Wissens. Vgl. Sokrates. Sophokles, der größte unter den 3 großen hellenischen Trauerspieldichtern, minder erhaben als Aeschyl aber kunstmäßiger, dabei nicht so rhetorisch und weit glücklicher in der Charakterzeichnung als Euripides, wurde 497 v. Chr. im attischen Demos Kolonos aus einer ziemlich wohlhabenden Familie geb. u. sorgfältig erzogen, zumal er mit großer Körperschönheit die glücklichsten Anlagen verband u. namentlich eine frühe Vorliebe für Musik und Orchestrik zeigte. Schon 480 nach der Schlacht bei Salamis hatte er die Ehre, bei der Aufführung des Siegespäans als Chorführer um die Siegestrophäen tanzen zu dürfen; bereits 471 wurde ihm als tragischem Dichter der Preis vor Aeschyl zuerkannt u. fortan blieb er der Liebling seines Volkes, weil er besser als der alternde Schöpfer des Trauerspiels einsah, das feingebildete u. freie Zeitalter des Perikles wolle auf der Bühne nicht mehr schreckenüberfüllte Auftritte und viel Politik, sondern möglichst wahre und treue Charaktere u. Rührung. Namentlich deßhalb, um S. für die Aufführung seiner „Antigone“, vielleicht des vollendetsten Meisterwerkes der dramatischen Kunst aller Zeiten, zu belohnen, wurde er 441 mit Perikles zum Feldherrn gegen Samos ernannt, soll übrigens in dieser Stellung wenig Lorbeern eingeärntet haben. Als S. in seinen alten Tagen von seinem ungerathenen Sohne Iophon angeklagt wurde, er sei wahnwitzig u. könne deßhalb sein Vermögen nicht mehr verwalten, las der Dichter seinen Richtern einige Scenen aus dem „Oedipus auf Kolonos“ vor und wurde sofort freigesprochen. Trotz den ehrenvollsten Einladungen auswärtiger Herrscher blieb er stets in seiner Heimath und st. 406 v. Chr. S. soll 130 Stücke gedichtet haben u. die Antigone das 32. sein, aber schon die Alten selber witterten Unterschiebungen, nachweisbar stammten viele aus der sophokleischen Schule und von allen sind nur 7 vollständig erhalten, nämlich 1) der geißeltragende Ajax, 2) Elektra, 3) Oedipus der Herrscher, 4) die Antigone, 5) Oedipus auf Kolonos (nach S. Tod von seinem Sohne Iophon aufgeführt), 6) die Trachinierinen (nach Schlegels Ansicht von der sophokleischen Schule mindestens modificirt) und 7) der Philoktet. Von andern Dichtungen sind nur Bruchstücke (die der „Klytemnestra“ anerkannt unächt) und meist nur Titel übrig, gegen das Satirdrama hegte S. einen großen Widerwillen. S. vervollständigte das ganze Theaterwesen und trat manchmal selbst als Schauspieler auf; in formeller Beziehung erweiterte er namentlich die eigentlich dramatische Handlung, indem er 3 und auch 4 redende Personen auf die Bühne brachte, dagegen den bei Aeschyl sehr vorherrschenden Chor beschränkte und zur dramatischen Handlung in das rechte Verhältniß setzte. Hinsichtlich der Sprache verstand es die „attische Biene“ classisch einfach u. ächt poetisch zugleich zu sein, das größte Verdienst des S. aber liegt erstens in seiner sittlichen Haltung und Auffassung des antiken Fatums, wodurch er neben Sokrates und Platon über dem

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Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 5. Freiburg im Breisgau, 1857, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon05_1857/255>, abgerufen am 23.11.2024.