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Herders Conversations-Lexikon. Bd. 3. Freiburg im Breisgau, 1855.

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Gleichberechtigung mit den Christen erlangt, machte die französ. Revolution 1791 die J. zu Vollbürgern, Napoleon J. schien das große Sanhedrin von Paris (1807) zum Mittelpunct der J.schaft der ganzen Erde machen zu wollen. Nach dem Muster der ersten französ. Republik erhob 1796 die batavische die J. zu Vollbürgern, laut dem Willen Napoleons J. gab Hieronymus Napoleon 1808 den J. des Königreichs Westfalen volles Bürgerrecht und errichtete in Kassel ein jüdisches Consistorium. Auch Preußen emancipirte sie 1812; in Dänemark wurden sie 1814 so ziemlich naturalisiert, in Bayern hob man 1813, in kleinern deutschen Staaten vorher und nachher, frühere Beschränkungen der J.schaft auf. In Spanien dürfen die J. seit 1837 wieder leben; ob die Adresse von 1855, die aus Deutschland an die spanischen Cortes erging, hinsichtlich der J.emancipation guten Erfolg haben werde, ist noch nicht entschieden. Das Jahr 1848 brachte in Frankreich J. Ministerportefeuilles, anderseits brachen, namentlich im Elsaß, wo von den 60000 J. Frankreichs viele leben, Unruhen gegen die J. aus, weil dieselben trotz aller Emancipation nicht Gewerbe und Ackerbau, sondern Wucher und Schacher zum Hauptgeschäfte machen, gegen die Christen fest zusammenhalten, die Uebertragung von Gemeindeämtern an sie zum Volksaussaugen mißbrauchen sollen u. dgl. In Deutschland waren 1848 die politischen Theoretiker fast allenthalben für volle Emancipation der J., doch wurde vielfache Unzufriedenheit im Volk dagegen laut. mancherorts (z. B. im badischen Oberland), mußten J.verfolgungen unterdrückt und Zugeständnisse aus jener Zeit seit 1850 wieder mehr oder minder zurückgenommen werden, während an vielen Orten selbst das Jahr 1848 den J. das Niederlassungsrecht nicht oder nur scheinbar gab. Von 3600000 J., welche Zahl auf Erden leben soll, finden sich mindestens 350000 in Deutschland, 250000 in Ungarn und Siebenbürgen. Hinsichtlich der J. emancipation ist zu bemerken, daß dieselbe unmöglich gute Früchte haben kann, so lange die J. J. bleiben (s. Col-Nidre) oder - wie das s. g. Jungisrael gethan - jede positive Religion abwerfen und verfolgen, endlich daß sich der Katholik schon aus Gründen seiner kirchlichen Gesetzgebung nicht für die Emancipation erklären kann. - Vgl. Josts allgem. Gesch. des jüdischen Volks, Berlin 1831-32, 2 B.; den Artikel J. in der Encyklopädie von Ersch u. Gruber. II. Sect. 27. B.; Klübers deutsches Bundesrecht.


Judenburg, österreichische Stadt in Steyermark, Hauptort einer Bezirks-Hauptmannschaft an der Mur, mit 2900 E., einem Kalvarienberge mit schöner Aussicht.


Judendeutsch, das von den Juden in Deutschland, Polen, Ungarn, der Schweiz, Dänemark, Schweden und an der untern Donau gesprochene verdorbene Deutsch, mit vielen hebr. Wörtern versetzt, eigenthümlichem Accent und Satzbau, von den gebildeten Juden gegenwärtig mit der jedesmaligen Landessprache vertauscht.


Judenkirsche, oder Schlutte (Physalis Alkekengi), krautartige bis 2' hohe Pflanze, wild gewöhnlich in Weinbergen wachsend, mit 5spaltigem, bauchigem Kelch, weißer Blume, rother Beere, welche von dem jedenfalls rothen Kelche umschlossen ist; sie schmeckt säuerlich und wirkt harntreibend, desgleichen die der andern Arten im südlichen Europa, Mexiko und Peru.


Judenpech, s. Asphalt.


Judenschaft, die Gesammtheit der Juden eines Landes, eines Ortes. - Judenthum, das Hebräerthum, wie dasselbe sich seit dem babylonischen Exil durch die Juden gestaltete, im engern Sinn die mosaische Religion in ihrer heutigen Gestalt. Die Bildungszustände der Völker, unter denen die Juden lebten, orientalische, griechische, die christlich-scholastische Wissenschaft, blieben einerseits nicht ohne Einfluß auf die Juden, wie sie z. B. erst durch die Berührung mit dem Islam zu einer systematischen Dogmatik kamen oder wie die jüdischen Schriften des Mittelalters den Einfluß der Scholastik zeigen, anderseits wurde im Gegensatz zum herrschenden

Gleichberechtigung mit den Christen erlangt, machte die französ. Revolution 1791 die J. zu Vollbürgern, Napoleon J. schien das große Sanhedrin von Paris (1807) zum Mittelpunct der J.schaft der ganzen Erde machen zu wollen. Nach dem Muster der ersten französ. Republik erhob 1796 die batavische die J. zu Vollbürgern, laut dem Willen Napoleons J. gab Hieronymus Napoleon 1808 den J. des Königreichs Westfalen volles Bürgerrecht und errichtete in Kassel ein jüdisches Consistorium. Auch Preußen emancipirte sie 1812; in Dänemark wurden sie 1814 so ziemlich naturalisiert, in Bayern hob man 1813, in kleinern deutschen Staaten vorher und nachher, frühere Beschränkungen der J.schaft auf. In Spanien dürfen die J. seit 1837 wieder leben; ob die Adresse von 1855, die aus Deutschland an die spanischen Cortes erging, hinsichtlich der J.emancipation guten Erfolg haben werde, ist noch nicht entschieden. Das Jahr 1848 brachte in Frankreich J. Ministerportefeuilles, anderseits brachen, namentlich im Elsaß, wo von den 60000 J. Frankreichs viele leben, Unruhen gegen die J. aus, weil dieselben trotz aller Emancipation nicht Gewerbe und Ackerbau, sondern Wucher und Schacher zum Hauptgeschäfte machen, gegen die Christen fest zusammenhalten, die Uebertragung von Gemeindeämtern an sie zum Volksaussaugen mißbrauchen sollen u. dgl. In Deutschland waren 1848 die politischen Theoretiker fast allenthalben für volle Emancipation der J., doch wurde vielfache Unzufriedenheit im Volk dagegen laut. mancherorts (z. B. im badischen Oberland), mußten J.verfolgungen unterdrückt und Zugeständnisse aus jener Zeit seit 1850 wieder mehr oder minder zurückgenommen werden, während an vielen Orten selbst das Jahr 1848 den J. das Niederlassungsrecht nicht oder nur scheinbar gab. Von 3600000 J., welche Zahl auf Erden leben soll, finden sich mindestens 350000 in Deutschland, 250000 in Ungarn und Siebenbürgen. Hinsichtlich der J. emancipation ist zu bemerken, daß dieselbe unmöglich gute Früchte haben kann, so lange die J. J. bleiben (s. Col-Nidre) oder – wie das s. g. Jungisrael gethan – jede positive Religion abwerfen und verfolgen, endlich daß sich der Katholik schon aus Gründen seiner kirchlichen Gesetzgebung nicht für die Emancipation erklären kann. – Vgl. Josts allgem. Gesch. des jüdischen Volks, Berlin 1831–32, 2 B.; den Artikel J. in der Encyklopädie von Ersch u. Gruber. II. Sect. 27. B.; Klübers deutsches Bundesrecht.


Judenburg, österreichische Stadt in Steyermark, Hauptort einer Bezirks-Hauptmannschaft an der Mur, mit 2900 E., einem Kalvarienberge mit schöner Aussicht.


Judendeutsch, das von den Juden in Deutschland, Polen, Ungarn, der Schweiz, Dänemark, Schweden und an der untern Donau gesprochene verdorbene Deutsch, mit vielen hebr. Wörtern versetzt, eigenthümlichem Accent und Satzbau, von den gebildeten Juden gegenwärtig mit der jedesmaligen Landessprache vertauscht.


Judenkirsche, oder Schlutte (Physalis Alkekengi), krautartige bis 2' hohe Pflanze, wild gewöhnlich in Weinbergen wachsend, mit 5spaltigem, bauchigem Kelch, weißer Blume, rother Beere, welche von dem jedenfalls rothen Kelche umschlossen ist; sie schmeckt säuerlich und wirkt harntreibend, desgleichen die der andern Arten im südlichen Europa, Mexiko und Peru.


Judenpech, s. Asphalt.


Judenschaft, die Gesammtheit der Juden eines Landes, eines Ortes. – Judenthum, das Hebräerthum, wie dasselbe sich seit dem babylonischen Exil durch die Juden gestaltete, im engern Sinn die mosaische Religion in ihrer heutigen Gestalt. Die Bildungszustände der Völker, unter denen die Juden lebten, orientalische, griechische, die christlich-scholastische Wissenschaft, blieben einerseits nicht ohne Einfluß auf die Juden, wie sie z. B. erst durch die Berührung mit dem Islam zu einer systematischen Dogmatik kamen oder wie die jüdischen Schriften des Mittelalters den Einfluß der Scholastik zeigen, anderseits wurde im Gegensatz zum herrschenden

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[508/0509] Gleichberechtigung mit den Christen erlangt, machte die französ. Revolution 1791 die J. zu Vollbürgern, Napoleon J. schien das große Sanhedrin von Paris (1807) zum Mittelpunct der J.schaft der ganzen Erde machen zu wollen. Nach dem Muster der ersten französ. Republik erhob 1796 die batavische die J. zu Vollbürgern, laut dem Willen Napoleons J. gab Hieronymus Napoleon 1808 den J. des Königreichs Westfalen volles Bürgerrecht und errichtete in Kassel ein jüdisches Consistorium. Auch Preußen emancipirte sie 1812; in Dänemark wurden sie 1814 so ziemlich naturalisiert, in Bayern hob man 1813, in kleinern deutschen Staaten vorher und nachher, frühere Beschränkungen der J.schaft auf. In Spanien dürfen die J. seit 1837 wieder leben; ob die Adresse von 1855, die aus Deutschland an die spanischen Cortes erging, hinsichtlich der J.emancipation guten Erfolg haben werde, ist noch nicht entschieden. Das Jahr 1848 brachte in Frankreich J. Ministerportefeuilles, anderseits brachen, namentlich im Elsaß, wo von den 60000 J. Frankreichs viele leben, Unruhen gegen die J. aus, weil dieselben trotz aller Emancipation nicht Gewerbe und Ackerbau, sondern Wucher und Schacher zum Hauptgeschäfte machen, gegen die Christen fest zusammenhalten, die Uebertragung von Gemeindeämtern an sie zum Volksaussaugen mißbrauchen sollen u. dgl. In Deutschland waren 1848 die politischen Theoretiker fast allenthalben für volle Emancipation der J., doch wurde vielfache Unzufriedenheit im Volk dagegen laut. mancherorts (z. B. im badischen Oberland), mußten J.verfolgungen unterdrückt und Zugeständnisse aus jener Zeit seit 1850 wieder mehr oder minder zurückgenommen werden, während an vielen Orten selbst das Jahr 1848 den J. das Niederlassungsrecht nicht oder nur scheinbar gab. Von 3600000 J., welche Zahl auf Erden leben soll, finden sich mindestens 350000 in Deutschland, 250000 in Ungarn und Siebenbürgen. Hinsichtlich der J. emancipation ist zu bemerken, daß dieselbe unmöglich gute Früchte haben kann, so lange die J. J. bleiben (s. Col-Nidre) oder – wie das s. g. Jungisrael gethan – jede positive Religion abwerfen und verfolgen, endlich daß sich der Katholik schon aus Gründen seiner kirchlichen Gesetzgebung nicht für die Emancipation erklären kann. – Vgl. Josts allgem. Gesch. des jüdischen Volks, Berlin 1831–32, 2 B.; den Artikel J. in der Encyklopädie von Ersch u. Gruber. II. Sect. 27. B.; Klübers deutsches Bundesrecht. Judenburg, österreichische Stadt in Steyermark, Hauptort einer Bezirks-Hauptmannschaft an der Mur, mit 2900 E., einem Kalvarienberge mit schöner Aussicht. Judendeutsch, das von den Juden in Deutschland, Polen, Ungarn, der Schweiz, Dänemark, Schweden und an der untern Donau gesprochene verdorbene Deutsch, mit vielen hebr. Wörtern versetzt, eigenthümlichem Accent und Satzbau, von den gebildeten Juden gegenwärtig mit der jedesmaligen Landessprache vertauscht. Judenkirsche, oder Schlutte (Physalis Alkekengi), krautartige bis 2' hohe Pflanze, wild gewöhnlich in Weinbergen wachsend, mit 5spaltigem, bauchigem Kelch, weißer Blume, rother Beere, welche von dem jedenfalls rothen Kelche umschlossen ist; sie schmeckt säuerlich und wirkt harntreibend, desgleichen die der andern Arten im südlichen Europa, Mexiko und Peru. Judenpech, s. Asphalt. Judenschaft, die Gesammtheit der Juden eines Landes, eines Ortes. – Judenthum, das Hebräerthum, wie dasselbe sich seit dem babylonischen Exil durch die Juden gestaltete, im engern Sinn die mosaische Religion in ihrer heutigen Gestalt. Die Bildungszustände der Völker, unter denen die Juden lebten, orientalische, griechische, die christlich-scholastische Wissenschaft, blieben einerseits nicht ohne Einfluß auf die Juden, wie sie z. B. erst durch die Berührung mit dem Islam zu einer systematischen Dogmatik kamen oder wie die jüdischen Schriften des Mittelalters den Einfluß der Scholastik zeigen, anderseits wurde im Gegensatz zum herrschenden

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Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 3. Freiburg im Breisgau, 1855, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon03_1855/509>, abgerufen am 27.11.2024.