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Herders Conversations-Lexikon. Bd. 3. Freiburg im Breisgau, 1855.

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sich im Ganzen fest in den Wahn eingerannt hatte, daß die Theologie in der Philosophie aufgehen müsse; er selbst hielt die Vernunft für die oberste Richterin in Glaubenssachen, wollte im Unterschied von allen frühern Zeiten durch das Erkennen zum Glauben gelangen, wußte die Philosopheme von Kant und Fichte nicht mit dem kathol. Dogma zu vereinbaren und quälte sich sein Lebenlang damit ab, ein zeitgemäßes u. dennoch kathol. "System" zu ergründen. Demgemäß untersuchte er in seiner Hauptschrift: "Philos. Einleitung in die christkathol. Theologie", Münster 1819, 2. Aufl. 1831, ob a) der Mensch überhaupt einer sichern Entschiedenheit über Wahrheit u. Wirklichkeit fähig, ob ferner b) ein Gott sei und welche Eigenschaften derselbe habe; endlich ob c) eine Offenbarung möglich und unter welchen allgem. Bedingungen dieselbe wirklich sei. Nach solchen der kathol. Weltanschauung offenbar widersprechenden Untersuchungen läßt H. erst die sog. theoretische Theologie beginnen u. findet, daß dieselbe mit der praktischen, der Moraltheologie, keineswegs nothwendig zusammenhänge, ein Ergebniß, welches in letzter Instanz Offenbarung und Kirche überhaupt als unnütz erscheinen läßt. Schon bei seinen Lebzeiten hatte H. einzelne Gegner gefunden, doch erst nach seinem Tode entbrannte der Kampf und der Papst sah sich veranlaßt, durch Breven vom 26. Septbr. 1835 und 7. Jan. 1836 den H.ianismus zu verwerfen. Die H.ianer fanden die verworfenen Lehren in der That verwerflich, behaupteten jedoch, es seien nicht die ihres Hauptes, diese seien durch Verdammung der Lehren des Abbe Bautain u. Lammenais mittelbar schon gutgeheißen u. s. w. Obwohl die Anhänger des H.ianismus seit 1837 immer mehr zusammenschmolzen, mußten doch noch 1845 Braun und Achterfeldt von ihren Lehrstühlen entfernt werden, Papst Pius IX. hatte sich 1847 dagegen zu verwahren, daß er selbst ein H.ianer sei, weil er in der Encyclika vom 9. Nov. 1846 das Studium der Wissenschaften empfohlen u. bis heute noch gibt es einige Schüler des H., welche die Lehren ihres Meisters für unverfänglich und Roms Urtheil darüber für irrig halten. Vgl. Elvenichs Acta Hermesiana, Gött. 1836; die hermesischen Lehren in Bezug auf die päpstl. Verurtheilung urkundlich dargestellt, Mainz 1837; Meletemata theologica, Leipzig 1838.


Hermes, Joh. Timotheus, Romanschreiber, geb. 1738 zu Petznick bei Stargard, 1772 Prediger zu Breslau, wo er 1821 als Propst st., schrieb "Sophiens Reise von Memel nach Sachsen" (1770), einen Roman von 6 Bdn. in Briefen, ein theilweise an Richardson angelehntes, breites, weiches u. zugleich dürres Zeitgemälde aus dem bürgerl. Leben, dessen einstiger Ruhm für die gute sittl. Haltung der mittlern Stände des 18. Jahrh. sowie für die erstaunliche ästhetische Verdauungskraft derselben Zeugniß ablegt. Die Frauenromane des H. sind längst vergessen.


Hermes, Joh. Aug., prot. Theolog, geb. 1736 zu Magdeburg, 1800 erster geistl. Rath des Stiftsconsistoriums zu Quedlinburg, gest. 1822, huldigte anfangs der Richtung Speners, fiel später von den Pietisten und Orthodoxen ab und lieferte durch die Verfolgungen, die er wegen seiner Gesinnungsänderung im Mecklenburgischen durchmachte, dem Nicolai Stoff für seinen "Sebaldus Nothanker". H.s "Handbuch der Religion" (1779) ward mehrmals aufgelegt und von der Gemahlin Friedrichs II. von Preußen, Elisabeth, auch ins Französische übersetzt.


Hermes, Karl Heinr., Literat, geb. 1800 zu Kalisch, trat zu München als Privatdocent der Geschichte u. Statistik auf, redigierte nacheinander mehre Zeitungen, zuletzt die Preußische Staatszeitung, lebt in Bremen. Sein Hauptwerk ist eine "Geschichte der letzten 25 Jahre", Braunschweig 1842, welche Rottecks Weltgeschichte von 1815 an ergänzen sollte und deren 6. Aufl., nunmehr zur "Geschichte der neuesten Zeit" von 1815-52 erweitert, zu Braunschweig 1853 ff. herauskam.


Hermesianax aus Kolophon, ein Zeitgenosse Alexanders d. Gr. oder des Epikur, dichtete 3 Bücher Elegien und verewigte seine Geliebte, Leontion, indem

sich im Ganzen fest in den Wahn eingerannt hatte, daß die Theologie in der Philosophie aufgehen müsse; er selbst hielt die Vernunft für die oberste Richterin in Glaubenssachen, wollte im Unterschied von allen frühern Zeiten durch das Erkennen zum Glauben gelangen, wußte die Philosopheme von Kant und Fichte nicht mit dem kathol. Dogma zu vereinbaren und quälte sich sein Lebenlang damit ab, ein zeitgemäßes u. dennoch kathol. „System“ zu ergründen. Demgemäß untersuchte er in seiner Hauptschrift: „Philos. Einleitung in die christkathol. Theologie“, Münster 1819, 2. Aufl. 1831, ob a) der Mensch überhaupt einer sichern Entschiedenheit über Wahrheit u. Wirklichkeit fähig, ob ferner b) ein Gott sei und welche Eigenschaften derselbe habe; endlich ob c) eine Offenbarung möglich und unter welchen allgem. Bedingungen dieselbe wirklich sei. Nach solchen der kathol. Weltanschauung offenbar widersprechenden Untersuchungen läßt H. erst die sog. theoretische Theologie beginnen u. findet, daß dieselbe mit der praktischen, der Moraltheologie, keineswegs nothwendig zusammenhänge, ein Ergebniß, welches in letzter Instanz Offenbarung und Kirche überhaupt als unnütz erscheinen läßt. Schon bei seinen Lebzeiten hatte H. einzelne Gegner gefunden, doch erst nach seinem Tode entbrannte der Kampf und der Papst sah sich veranlaßt, durch Breven vom 26. Septbr. 1835 und 7. Jan. 1836 den H.ianismus zu verwerfen. Die H.ianer fanden die verworfenen Lehren in der That verwerflich, behaupteten jedoch, es seien nicht die ihres Hauptes, diese seien durch Verdammung der Lehren des Abbé Bautain u. Lammenais mittelbar schon gutgeheißen u. s. w. Obwohl die Anhänger des H.ianismus seit 1837 immer mehr zusammenschmolzen, mußten doch noch 1845 Braun und Achterfeldt von ihren Lehrstühlen entfernt werden, Papst Pius IX. hatte sich 1847 dagegen zu verwahren, daß er selbst ein H.ianer sei, weil er in der Encyclika vom 9. Nov. 1846 das Studium der Wissenschaften empfohlen u. bis heute noch gibt es einige Schüler des H., welche die Lehren ihres Meisters für unverfänglich und Roms Urtheil darüber für irrig halten. Vgl. Elvenichs Acta Hermesiana, Gött. 1836; die hermesischen Lehren in Bezug auf die päpstl. Verurtheilung urkundlich dargestellt, Mainz 1837; Meletemata theologica, Leipzig 1838.


Hermes, Joh. Timotheus, Romanschreiber, geb. 1738 zu Petznick bei Stargard, 1772 Prediger zu Breslau, wo er 1821 als Propst st., schrieb „Sophiens Reise von Memel nach Sachsen“ (1770), einen Roman von 6 Bdn. in Briefen, ein theilweise an Richardson angelehntes, breites, weiches u. zugleich dürres Zeitgemälde aus dem bürgerl. Leben, dessen einstiger Ruhm für die gute sittl. Haltung der mittlern Stände des 18. Jahrh. sowie für die erstaunliche ästhetische Verdauungskraft derselben Zeugniß ablegt. Die Frauenromane des H. sind längst vergessen.


Hermes, Joh. Aug., prot. Theolog, geb. 1736 zu Magdeburg, 1800 erster geistl. Rath des Stiftsconsistoriums zu Quedlinburg, gest. 1822, huldigte anfangs der Richtung Speners, fiel später von den Pietisten und Orthodoxen ab und lieferte durch die Verfolgungen, die er wegen seiner Gesinnungsänderung im Mecklenburgischen durchmachte, dem Nicolai Stoff für seinen „Sebaldus Nothanker“. H.s „Handbuch der Religion“ (1779) ward mehrmals aufgelegt und von der Gemahlin Friedrichs II. von Preußen, Elisabeth, auch ins Französische übersetzt.


Hermes, Karl Heinr., Literat, geb. 1800 zu Kalisch, trat zu München als Privatdocent der Geschichte u. Statistik auf, redigierte nacheinander mehre Zeitungen, zuletzt die Preußische Staatszeitung, lebt in Bremen. Sein Hauptwerk ist eine „Geschichte der letzten 25 Jahre“, Braunschweig 1842, welche Rottecks Weltgeschichte von 1815 an ergänzen sollte und deren 6. Aufl., nunmehr zur „Geschichte der neuesten Zeit“ von 1815–52 erweitert, zu Braunschweig 1853 ff. herauskam.


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[286/0287] sich im Ganzen fest in den Wahn eingerannt hatte, daß die Theologie in der Philosophie aufgehen müsse; er selbst hielt die Vernunft für die oberste Richterin in Glaubenssachen, wollte im Unterschied von allen frühern Zeiten durch das Erkennen zum Glauben gelangen, wußte die Philosopheme von Kant und Fichte nicht mit dem kathol. Dogma zu vereinbaren und quälte sich sein Lebenlang damit ab, ein zeitgemäßes u. dennoch kathol. „System“ zu ergründen. Demgemäß untersuchte er in seiner Hauptschrift: „Philos. Einleitung in die christkathol. Theologie“, Münster 1819, 2. Aufl. 1831, ob a) der Mensch überhaupt einer sichern Entschiedenheit über Wahrheit u. Wirklichkeit fähig, ob ferner b) ein Gott sei und welche Eigenschaften derselbe habe; endlich ob c) eine Offenbarung möglich und unter welchen allgem. Bedingungen dieselbe wirklich sei. Nach solchen der kathol. Weltanschauung offenbar widersprechenden Untersuchungen läßt H. erst die sog. theoretische Theologie beginnen u. findet, daß dieselbe mit der praktischen, der Moraltheologie, keineswegs nothwendig zusammenhänge, ein Ergebniß, welches in letzter Instanz Offenbarung und Kirche überhaupt als unnütz erscheinen läßt. Schon bei seinen Lebzeiten hatte H. einzelne Gegner gefunden, doch erst nach seinem Tode entbrannte der Kampf und der Papst sah sich veranlaßt, durch Breven vom 26. Septbr. 1835 und 7. Jan. 1836 den H.ianismus zu verwerfen. Die H.ianer fanden die verworfenen Lehren in der That verwerflich, behaupteten jedoch, es seien nicht die ihres Hauptes, diese seien durch Verdammung der Lehren des Abbé Bautain u. Lammenais mittelbar schon gutgeheißen u. s. w. Obwohl die Anhänger des H.ianismus seit 1837 immer mehr zusammenschmolzen, mußten doch noch 1845 Braun und Achterfeldt von ihren Lehrstühlen entfernt werden, Papst Pius IX. hatte sich 1847 dagegen zu verwahren, daß er selbst ein H.ianer sei, weil er in der Encyclika vom 9. Nov. 1846 das Studium der Wissenschaften empfohlen u. bis heute noch gibt es einige Schüler des H., welche die Lehren ihres Meisters für unverfänglich und Roms Urtheil darüber für irrig halten. Vgl. Elvenichs Acta Hermesiana, Gött. 1836; die hermesischen Lehren in Bezug auf die päpstl. Verurtheilung urkundlich dargestellt, Mainz 1837; Meletemata theologica, Leipzig 1838. Hermes, Joh. Timotheus, Romanschreiber, geb. 1738 zu Petznick bei Stargard, 1772 Prediger zu Breslau, wo er 1821 als Propst st., schrieb „Sophiens Reise von Memel nach Sachsen“ (1770), einen Roman von 6 Bdn. in Briefen, ein theilweise an Richardson angelehntes, breites, weiches u. zugleich dürres Zeitgemälde aus dem bürgerl. Leben, dessen einstiger Ruhm für die gute sittl. Haltung der mittlern Stände des 18. Jahrh. sowie für die erstaunliche ästhetische Verdauungskraft derselben Zeugniß ablegt. Die Frauenromane des H. sind längst vergessen. Hermes, Joh. Aug., prot. Theolog, geb. 1736 zu Magdeburg, 1800 erster geistl. Rath des Stiftsconsistoriums zu Quedlinburg, gest. 1822, huldigte anfangs der Richtung Speners, fiel später von den Pietisten und Orthodoxen ab und lieferte durch die Verfolgungen, die er wegen seiner Gesinnungsänderung im Mecklenburgischen durchmachte, dem Nicolai Stoff für seinen „Sebaldus Nothanker“. H.s „Handbuch der Religion“ (1779) ward mehrmals aufgelegt und von der Gemahlin Friedrichs II. von Preußen, Elisabeth, auch ins Französische übersetzt. Hermes, Karl Heinr., Literat, geb. 1800 zu Kalisch, trat zu München als Privatdocent der Geschichte u. Statistik auf, redigierte nacheinander mehre Zeitungen, zuletzt die Preußische Staatszeitung, lebt in Bremen. Sein Hauptwerk ist eine „Geschichte der letzten 25 Jahre“, Braunschweig 1842, welche Rottecks Weltgeschichte von 1815 an ergänzen sollte und deren 6. Aufl., nunmehr zur „Geschichte der neuesten Zeit“ von 1815–52 erweitert, zu Braunschweig 1853 ff. herauskam. Hermesianax aus Kolophon, ein Zeitgenosse Alexanders d. Gr. oder des Epikur, dichtete 3 Bücher Elegien und verewigte seine Geliebte, Leontion, indem

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Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 3. Freiburg im Breisgau, 1855, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon03_1855/287>, abgerufen am 23.11.2024.