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Herders Conversations-Lexikon. Bd. 3. Freiburg im Breisgau, 1855.

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(Court of chancery) unter dem Großkanzler, dem Vicekanzler und 12 vortragenden Räthen, welche in Processen der Krone, Vormundschaftssachen, Concursen etc. sprechen und nach Billigkeitsgründen (daher court of equity) die Urtheile ändern, wenn keine bestimmten Gesetze oder Gewohnheitsrechte verletzt werden. Der Gerichtshof der Doctors commons (d. h. des röm. und canon. Rechts) entscheidet über Ehesachen, mitunter, z. B. im Krieg, über völkerrechtliche Fragen, da das Völkerrecht in seinen Bereich gehört. Die Nachtheile der Centralisation der Gerichte in London werden dadurch etwas gemildert, daß die Richter alle Vierteljahre in die verschiedenen Theile Englands reisen und kleinere, manchmal auch größere Processe schlichten (Quarter sessions); ihre Hauptthätigkeit bei diesen Reisen besteht jedoch in der Abhaltung der Schwurgerichte in Criminalsachen. Bevor der Richter anlangt, entscheidet die große Jury (grand jury, aus 24 Geschwornen bestehend), ob der verhaftete Angeklagte vor die kleine Jury (petty jury), das eigentliche Geschwornengericht, zu stellen ist. Dies besteht aus 12 Mitgliedern, die nach ihrer Ueberzeugung "schuldig" oder "unschuldig" sprechen; Einstimmigkeit der Geschwornen ist zum Ausspruche nöthig u. beim "schuldig" spricht der Richter das Urtheil nach dem Gesetz. Die Jury entscheidet auch in Preßprocessen, Ehebruchsprocessen, Injurienklagen etc. - Wie schon bemerkt, besteht in G. vollständige Religionsfreiheit; dessenungeachtet gibt es Staatskirchen; für England u. Irland (für letzteres dem Namen nach), ist es die sog. anglican. od. Hochkirche, für Schottland die presbyterianische. Zur Staatskirche bekennen sich die höheren Stände in England und der größere Theil des Landvolks, nicht aber der Städtebevölkerung, welche meistens den Dissenters, d. h. von der Hochkirche abweichenden Bekenntnissen, angehört; die Zahl der Katholiken wird auf 91/2 Mill. berechnet, von denen über 6 Mill. auf Irland kommen. Sie haben erst durch die Emancipationsacte die vollen bürgerl. Rechte erhalten, und erst 1850 hat Pius IX. den Katholiken in England Erzbischöfe u. Bischöfe gegeben, welche aber von der Regierung noch nicht anerkannt werden (selbst die irischen werden wohl thatsächlich aber nicht ausdrücklich anerkannt, weil die anglican. Kirche noch immer als die in Irland herrschende gilt; s. Irland). Die anglican. od. Hochkirche nähert sich in ihrer Dogmatik der reformirten, ihre Einrichtung ist aber hierarchisch. Die Stelle des Papstes nimmt der König ein; Primas von G. ist der Erzbischof von Canterbury, von England der von York; Irland hat einen Erzbischof von Dublin und einen von Armagh; neben diesen 4 Erzbischöfen gibt es 27 Bischöfe, von denen 24 dem eigentl. England angehören. Unter den Bischöfen stehen Decane und Pfarrer, erstere von der Regierung, letztere in der Regel von den Grundherren ernannt. Die Hochkirche ist der aristokrat. Regierung angepaßt und durch König Heinrich VIII. und Königin Elisabeth sowie durch das Parlament eingerichtet worden. Die Bischofssitze, Decanate und einzelne Pfarreien sind sehr reich dotirt; auch werden mehre kleinere Stellen oft in einer Hand vereinigt; denn die Hochkirche ist neben der Flotte u. dem Heere eine Versorgungsanstalt für die jüngeren Söhne des Adels. Die kleineren Stellen, welche mit Geistlichen aus dem Mittelstande besetzt werden, sind höchst ärmlich dotirt; eine eigene Steuer wird zur Unterhaltung der Kirchen umgelegt. Die Hochkirche ist ihrem Wesen entsprechend immer auf torystischer Seite; die Whigs haben es bisher nie gewagt, einen ernstlichen Angriff auf die in ihr herrschenden Mißverhältnisse zu unternehmen, wohl aber wird sie von den Presbyterianern, Wesleyanern, Baptisten etc. heftig befehdet, während der aus ihrer Mitte hervorgegangene Puseyismus (s. d.) sie innerlich aufzulösen droht. Mit der Hochkirche hängen die beiden Universitäten Oxford und Cambridge zusammen (s. Universitäten). Für den höheren Unterricht ist durch Universitäten, Grammar schools, Colleges u. Privatinstitute gut gesorgt, auch an Schulen für Techniker ist kein Mangel, dagegen ist das Volksschulwesen

(Court of chancery) unter dem Großkanzler, dem Vicekanzler und 12 vortragenden Räthen, welche in Processen der Krone, Vormundschaftssachen, Concursen etc. sprechen und nach Billigkeitsgründen (daher court of equity) die Urtheile ändern, wenn keine bestimmten Gesetze oder Gewohnheitsrechte verletzt werden. Der Gerichtshof der Doctors commons (d. h. des röm. und canon. Rechts) entscheidet über Ehesachen, mitunter, z. B. im Krieg, über völkerrechtliche Fragen, da das Völkerrecht in seinen Bereich gehört. Die Nachtheile der Centralisation der Gerichte in London werden dadurch etwas gemildert, daß die Richter alle Vierteljahre in die verschiedenen Theile Englands reisen und kleinere, manchmal auch größere Processe schlichten (Quarter sessions); ihre Hauptthätigkeit bei diesen Reisen besteht jedoch in der Abhaltung der Schwurgerichte in Criminalsachen. Bevor der Richter anlangt, entscheidet die große Jury (grand jury, aus 24 Geschwornen bestehend), ob der verhaftete Angeklagte vor die kleine Jury (petty jury), das eigentliche Geschwornengericht, zu stellen ist. Dies besteht aus 12 Mitgliedern, die nach ihrer Ueberzeugung „schuldig“ oder „unschuldig“ sprechen; Einstimmigkeit der Geschwornen ist zum Ausspruche nöthig u. beim „schuldig“ spricht der Richter das Urtheil nach dem Gesetz. Die Jury entscheidet auch in Preßprocessen, Ehebruchsprocessen, Injurienklagen etc. – Wie schon bemerkt, besteht in G. vollständige Religionsfreiheit; dessenungeachtet gibt es Staatskirchen; für England u. Irland (für letzteres dem Namen nach), ist es die sog. anglican. od. Hochkirche, für Schottland die presbyterianische. Zur Staatskirche bekennen sich die höheren Stände in England und der größere Theil des Landvolks, nicht aber der Städtebevölkerung, welche meistens den Dissenters, d. h. von der Hochkirche abweichenden Bekenntnissen, angehört; die Zahl der Katholiken wird auf 91/2 Mill. berechnet, von denen über 6 Mill. auf Irland kommen. Sie haben erst durch die Emancipationsacte die vollen bürgerl. Rechte erhalten, und erst 1850 hat Pius IX. den Katholiken in England Erzbischöfe u. Bischöfe gegeben, welche aber von der Regierung noch nicht anerkannt werden (selbst die irischen werden wohl thatsächlich aber nicht ausdrücklich anerkannt, weil die anglican. Kirche noch immer als die in Irland herrschende gilt; s. Irland). Die anglican. od. Hochkirche nähert sich in ihrer Dogmatik der reformirten, ihre Einrichtung ist aber hierarchisch. Die Stelle des Papstes nimmt der König ein; Primas von G. ist der Erzbischof von Canterbury, von England der von York; Irland hat einen Erzbischof von Dublin und einen von Armagh; neben diesen 4 Erzbischöfen gibt es 27 Bischöfe, von denen 24 dem eigentl. England angehören. Unter den Bischöfen stehen Decane und Pfarrer, erstere von der Regierung, letztere in der Regel von den Grundherren ernannt. Die Hochkirche ist der aristokrat. Regierung angepaßt und durch König Heinrich VIII. und Königin Elisabeth sowie durch das Parlament eingerichtet worden. Die Bischofssitze, Decanate und einzelne Pfarreien sind sehr reich dotirt; auch werden mehre kleinere Stellen oft in einer Hand vereinigt; denn die Hochkirche ist neben der Flotte u. dem Heere eine Versorgungsanstalt für die jüngeren Söhne des Adels. Die kleineren Stellen, welche mit Geistlichen aus dem Mittelstande besetzt werden, sind höchst ärmlich dotirt; eine eigene Steuer wird zur Unterhaltung der Kirchen umgelegt. Die Hochkirche ist ihrem Wesen entsprechend immer auf torystischer Seite; die Whigs haben es bisher nie gewagt, einen ernstlichen Angriff auf die in ihr herrschenden Mißverhältnisse zu unternehmen, wohl aber wird sie von den Presbyterianern, Wesleyanern, Baptisten etc. heftig befehdet, während der aus ihrer Mitte hervorgegangene Puseyismus (s. d.) sie innerlich aufzulösen droht. Mit der Hochkirche hängen die beiden Universitäten Oxford und Cambridge zusammen (s. Universitäten). Für den höheren Unterricht ist durch Universitäten, Grammar schools, Colleges u. Privatinstitute gut gesorgt, auch an Schulen für Techniker ist kein Mangel, dagegen ist das Volksschulwesen

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[163/0164] (Court of chancery) unter dem Großkanzler, dem Vicekanzler und 12 vortragenden Räthen, welche in Processen der Krone, Vormundschaftssachen, Concursen etc. sprechen und nach Billigkeitsgründen (daher court of equity) die Urtheile ändern, wenn keine bestimmten Gesetze oder Gewohnheitsrechte verletzt werden. Der Gerichtshof der Doctors commons (d. h. des röm. und canon. Rechts) entscheidet über Ehesachen, mitunter, z. B. im Krieg, über völkerrechtliche Fragen, da das Völkerrecht in seinen Bereich gehört. Die Nachtheile der Centralisation der Gerichte in London werden dadurch etwas gemildert, daß die Richter alle Vierteljahre in die verschiedenen Theile Englands reisen und kleinere, manchmal auch größere Processe schlichten (Quarter sessions); ihre Hauptthätigkeit bei diesen Reisen besteht jedoch in der Abhaltung der Schwurgerichte in Criminalsachen. Bevor der Richter anlangt, entscheidet die große Jury (grand jury, aus 24 Geschwornen bestehend), ob der verhaftete Angeklagte vor die kleine Jury (petty jury), das eigentliche Geschwornengericht, zu stellen ist. Dies besteht aus 12 Mitgliedern, die nach ihrer Ueberzeugung „schuldig“ oder „unschuldig“ sprechen; Einstimmigkeit der Geschwornen ist zum Ausspruche nöthig u. beim „schuldig“ spricht der Richter das Urtheil nach dem Gesetz. Die Jury entscheidet auch in Preßprocessen, Ehebruchsprocessen, Injurienklagen etc. – Wie schon bemerkt, besteht in G. vollständige Religionsfreiheit; dessenungeachtet gibt es Staatskirchen; für England u. Irland (für letzteres dem Namen nach), ist es die sog. anglican. od. Hochkirche, für Schottland die presbyterianische. Zur Staatskirche bekennen sich die höheren Stände in England und der größere Theil des Landvolks, nicht aber der Städtebevölkerung, welche meistens den Dissenters, d. h. von der Hochkirche abweichenden Bekenntnissen, angehört; die Zahl der Katholiken wird auf 91/2 Mill. berechnet, von denen über 6 Mill. auf Irland kommen. Sie haben erst durch die Emancipationsacte die vollen bürgerl. Rechte erhalten, und erst 1850 hat Pius IX. den Katholiken in England Erzbischöfe u. Bischöfe gegeben, welche aber von der Regierung noch nicht anerkannt werden (selbst die irischen werden wohl thatsächlich aber nicht ausdrücklich anerkannt, weil die anglican. Kirche noch immer als die in Irland herrschende gilt; s. Irland). Die anglican. od. Hochkirche nähert sich in ihrer Dogmatik der reformirten, ihre Einrichtung ist aber hierarchisch. Die Stelle des Papstes nimmt der König ein; Primas von G. ist der Erzbischof von Canterbury, von England der von York; Irland hat einen Erzbischof von Dublin und einen von Armagh; neben diesen 4 Erzbischöfen gibt es 27 Bischöfe, von denen 24 dem eigentl. England angehören. Unter den Bischöfen stehen Decane und Pfarrer, erstere von der Regierung, letztere in der Regel von den Grundherren ernannt. Die Hochkirche ist der aristokrat. Regierung angepaßt und durch König Heinrich VIII. und Königin Elisabeth sowie durch das Parlament eingerichtet worden. Die Bischofssitze, Decanate und einzelne Pfarreien sind sehr reich dotirt; auch werden mehre kleinere Stellen oft in einer Hand vereinigt; denn die Hochkirche ist neben der Flotte u. dem Heere eine Versorgungsanstalt für die jüngeren Söhne des Adels. Die kleineren Stellen, welche mit Geistlichen aus dem Mittelstande besetzt werden, sind höchst ärmlich dotirt; eine eigene Steuer wird zur Unterhaltung der Kirchen umgelegt. Die Hochkirche ist ihrem Wesen entsprechend immer auf torystischer Seite; die Whigs haben es bisher nie gewagt, einen ernstlichen Angriff auf die in ihr herrschenden Mißverhältnisse zu unternehmen, wohl aber wird sie von den Presbyterianern, Wesleyanern, Baptisten etc. heftig befehdet, während der aus ihrer Mitte hervorgegangene Puseyismus (s. d.) sie innerlich aufzulösen droht. Mit der Hochkirche hängen die beiden Universitäten Oxford und Cambridge zusammen (s. Universitäten). Für den höheren Unterricht ist durch Universitäten, Grammar schools, Colleges u. Privatinstitute gut gesorgt, auch an Schulen für Techniker ist kein Mangel, dagegen ist das Volksschulwesen

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Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 3. Freiburg im Breisgau, 1855, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon03_1855/164>, abgerufen am 23.11.2024.