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Herders Conversations-Lexikon. Bd. 2. Freiburg im Breisgau, 1854.

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geschaffen worden und die Sprache hat eine früher kaum geahnte Vollendung erreicht; dies zeigt sich auch besonders in den Uebersetzungen aus fremden Sprachen, alten und neuen (Gries, W. A. Schlegel, Voß, Tieck etc.), denen keine andere Nation etwas Gleiches an die Seite stellen kann. Die andern Wissenschaften nahmen an der geistigen Erhebung der Nation naturgemäß Antheil, jedoch nicht alle in gleichem Maße; die deutsche Philosophie (s. d.) entwickelte sich in einer Allseitigkeit, wie es nach der griech. Philosophie bei keiner Nation mehr der Fall gewesen, sie äußerte auch in ihrer jedesmal vorherrschenden Richtung einen unverkennbaren und nicht immer wohlthätigen Einfluß auf die andern Wissenschaften. Voran auf die protest. Theologie, welche von der kantischen kritischen Schule durchdrungen das rationalistische System erzeugte (Semler, Bretschneider, Paulus etc.), so wie sie später das Schellingsche und Hegelsche System aufnahm. Ebenso bedeutend war ihr Einfluß auf die Naturwissenschaften; die Naturphilosophie indessen, welche von der Schellingschen Schule ausging, mag wohl eine tiefsinnigere Naturanschauung befördert haben, andererseits aber hat sie der wissenschaftlichen Forschung Eintrag gethan und durch ihre Keckheit der philosophischen Behandlung der Naturwissenschaften viel geschadet. Wir haben auf dem Gebiete der Naturwissenschaften zwar Namen wie Haller, Sömmering, Blumenbach, Euler, Bernoulli, Olbers etc., müssen aber den Franzosen und Engländern für diesen Zeitraum den Vorrang unbestritten lassen, während wir ihnen heute wenigstens gleichstehen. Ein Ausläufer der deutschen Philosophie war die Pädagogik, denn Rousseau, der durch seinen Emil den Anstoß gab, ist seinem Charakter nach mehr Deutscher als Franzose und seine Weltanschauung stimmt ganz mit der Kantischen überein. Diese Pädagogik vergaß, daß die Entwicklung des einzelnen Menschen bedingt ist durch die angebornen Anlagen, die Familienverhältnisse, die Einwirkung der Kirche und der bürgerlichen Gesellschaft; sie nahm den Menschen als ein isolirtes Wesen an, aus dem der Pädagog, wenn er ungestört walten darf, einen idealen Menschen erzieht. Basedow bezeichnet das Extrem in dieser Richtung, aber auch Campe, Salzmann u. Pestalozzi konnten sich nicht über die rationalistische Ansicht vom Wesen der Erziehung erheben, daher die Leistungen der neuen Pädagogik trotz alles Aufhebens keine bedeutenden sind, was jeder anerkennt, der sie mit denen anderer Institute, Zeiten und Länder vergleicht. - Die Geschichtschreibung arbeitete sich langsam empor und überschritt erst mit dem trefflichen Justus Möser die Stufe, die sie vor dem 30jähr. Kriege in Aeg. Tschudi bereits erstiegen hatte; einen mächtigen Einfluß übte Johannes v. Müller durch seine eidsgenössische Geschichte, schadete jedoch hinwieder durch seinen Hang zur Phraseologie und die ritterliche Manier, wie er über schwierige Stellen hinwegsetzt, deßwegen ist das Verdienst des besonnenen Heeren ein ungetrübteres. Die Blüte der deutschen Geschichtschreibung fällt jedoch erst in die folgende Periode. Dasselbe ist der Fall mit der Länder- und Völkerkunde; Büsching schrieb die erste Geographie, die nicht bloß Namen und Zahlen, sondern ein deutliches und allseitiges Bild von einem Lande geben will, G. Forster dagegen und Alexander v. Humboldt erscheinen bereits als Meister in der Darstellung der großen Naturverhältnisse und des dadurch so vielfach bedingten Völkerlebens. Dagegen ist von den Staatswissenschaften kaum ein Anfang vorhanden, wenn man von den philosophischen Construktionen, welche nirgends den Erdboden berühren, wie billig absieht; von Nationalökonomie z. B. findet man mit Mühe einige Spuren. In der Philologie gewannen die Deutschen den Vorrang vor allen andern Nationen; die von deutschen Gelehrten entworfenen grammatischen Systeme sind so vollständig und genau ausgearbeitet, daß die deutschen Handbücher auch im Auslande allgemein im Gebrauche sind, nicht minder die von Deutschen besorgten Ausgaben der alten Klassiker; eben so hat die grammatische Schule die rhytmische Form der antiken Poesie in

geschaffen worden und die Sprache hat eine früher kaum geahnte Vollendung erreicht; dies zeigt sich auch besonders in den Uebersetzungen aus fremden Sprachen, alten und neuen (Gries, W. A. Schlegel, Voß, Tieck etc.), denen keine andere Nation etwas Gleiches an die Seite stellen kann. Die andern Wissenschaften nahmen an der geistigen Erhebung der Nation naturgemäß Antheil, jedoch nicht alle in gleichem Maße; die deutsche Philosophie (s. d.) entwickelte sich in einer Allseitigkeit, wie es nach der griech. Philosophie bei keiner Nation mehr der Fall gewesen, sie äußerte auch in ihrer jedesmal vorherrschenden Richtung einen unverkennbaren und nicht immer wohlthätigen Einfluß auf die andern Wissenschaften. Voran auf die protest. Theologie, welche von der kantischen kritischen Schule durchdrungen das rationalistische System erzeugte (Semler, Bretschneider, Paulus etc.), so wie sie später das Schellingsche und Hegelsche System aufnahm. Ebenso bedeutend war ihr Einfluß auf die Naturwissenschaften; die Naturphilosophie indessen, welche von der Schellingschen Schule ausging, mag wohl eine tiefsinnigere Naturanschauung befördert haben, andererseits aber hat sie der wissenschaftlichen Forschung Eintrag gethan und durch ihre Keckheit der philosophischen Behandlung der Naturwissenschaften viel geschadet. Wir haben auf dem Gebiete der Naturwissenschaften zwar Namen wie Haller, Sömmering, Blumenbach, Euler, Bernoulli, Olbers etc., müssen aber den Franzosen und Engländern für diesen Zeitraum den Vorrang unbestritten lassen, während wir ihnen heute wenigstens gleichstehen. Ein Ausläufer der deutschen Philosophie war die Pädagogik, denn Rousseau, der durch seinen Emil den Anstoß gab, ist seinem Charakter nach mehr Deutscher als Franzose und seine Weltanschauung stimmt ganz mit der Kantischen überein. Diese Pädagogik vergaß, daß die Entwicklung des einzelnen Menschen bedingt ist durch die angebornen Anlagen, die Familienverhältnisse, die Einwirkung der Kirche und der bürgerlichen Gesellschaft; sie nahm den Menschen als ein isolirtes Wesen an, aus dem der Pädagog, wenn er ungestört walten darf, einen idealen Menschen erzieht. Basedow bezeichnet das Extrem in dieser Richtung, aber auch Campe, Salzmann u. Pestalozzi konnten sich nicht über die rationalistische Ansicht vom Wesen der Erziehung erheben, daher die Leistungen der neuen Pädagogik trotz alles Aufhebens keine bedeutenden sind, was jeder anerkennt, der sie mit denen anderer Institute, Zeiten und Länder vergleicht. – Die Geschichtschreibung arbeitete sich langsam empor und überschritt erst mit dem trefflichen Justus Möser die Stufe, die sie vor dem 30jähr. Kriege in Aeg. Tschudi bereits erstiegen hatte; einen mächtigen Einfluß übte Johannes v. Müller durch seine eidsgenössische Geschichte, schadete jedoch hinwieder durch seinen Hang zur Phraseologie und die ritterliche Manier, wie er über schwierige Stellen hinwegsetzt, deßwegen ist das Verdienst des besonnenen Heeren ein ungetrübteres. Die Blüte der deutschen Geschichtschreibung fällt jedoch erst in die folgende Periode. Dasselbe ist der Fall mit der Länder- und Völkerkunde; Büsching schrieb die erste Geographie, die nicht bloß Namen und Zahlen, sondern ein deutliches und allseitiges Bild von einem Lande geben will, G. Forster dagegen und Alexander v. Humboldt erscheinen bereits als Meister in der Darstellung der großen Naturverhältnisse und des dadurch so vielfach bedingten Völkerlebens. Dagegen ist von den Staatswissenschaften kaum ein Anfang vorhanden, wenn man von den philosophischen Construktionen, welche nirgends den Erdboden berühren, wie billig absieht; von Nationalökonomie z. B. findet man mit Mühe einige Spuren. In der Philologie gewannen die Deutschen den Vorrang vor allen andern Nationen; die von deutschen Gelehrten entworfenen grammatischen Systeme sind so vollständig und genau ausgearbeitet, daß die deutschen Handbücher auch im Auslande allgemein im Gebrauche sind, nicht minder die von Deutschen besorgten Ausgaben der alten Klassiker; eben so hat die grammatische Schule die rhytmische Form der antiken Poesie in

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Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 2. Freiburg im Breisgau, 1854, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon02_1854/347>, abgerufen am 22.11.2024.