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Herders Conversations-Lexikon. Bd. 1. Freiburg im Breisgau, 1857.

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die Bundesgenossenschaft der kleineren Staaten in eine förmliche Herrschaft verwandelt, mit ihrem Tribute die Befestigung A.s vollendet, die Stadt mit den Meisterwerken der Baukunst, der Bildhauerei, Malerei, Erzgießerei ausgeschmückt, öffentliche Plätze angelegt und jedem Talente lohnende Arbeit gegeben. In dieser Periode der Macht, des Reichthums und des Ruhmes entfaltete sich zu A. oder wenigstens durch die Einwirkung A.s die vollste Blüthe des griech. Genius: Beredtsamkeit, Geschichtschreibung, Poesie, Philosophie, alle schönen Künste; perikleisches Zeitalter. Diese Blüthe brach der peloponnesische Krieg (431-404); Perikles rieth zu ihm, denn er war nothwendig, wenn A. seine Macht nicht verlieren wollte. Aber in diesem Kriege zeigte sich die Schattenseite der Demokratie in ganzer Stärke. In A. war die Zahl der Bürger durch die Aufnahme der niedergelassenen Fremden bedeutend gestiegen; Matrosen, Handelsleute und anderes Volk fand sich an dem großen Stapelorte in Masse ein; durch die ausschließliche Beschäftigung des gemeinen Bürgers mit Sachen der Politik, des Gerichts und der Verwaltung war der gemeine Bürger allerdings zu einer merkwürdigen geistigen Gewandtheit und Schnelligkeit des Urtheils herangebildet worden, aber da ihm ein geistiges Gegengewicht fehlte, die Kälte der Ueberlegung, welche nur als Frucht der Arbeit reist, die Liebe zum Besitze, deren Tochter Bedachtsamkeit und Vorsicht ist, so beging das demokratische A. Fehler, welche ihm den von Perikles zugesicherten Sieg entrissen und die Stadt von der Höhe der Macht für immer herunterstürzten. Diese Fehler waren: Verwegenheit und beim Unglück Verzagtheit, Mißtrauen gegen vornehme Bürger, welche nicht an die Weisheit des souveränen Volkes ohne Einschränkung glaubten, Hingabe an solche, welche ihm zu schmeicheln und seine Leidenschaften zu erregen verstanden; daraus entstanden schlechte Wahlen, einzelne Handlungen der Untreue und Grausamkeit, und dieses alles verhinderte die feste, unentwegte Durchführung des perikleischen Kriegsplans und gab den endlichen Sieg in die Hand der Feinde. Immerhin aber bleibt A. der Ruhm, unter allen demokratischen Staaten, selbst das mittelalterliche Florenz nicht ausgenommen, nach jeder Seite das Höchste geleistet zu haben, sodaß es einen der ersten Ehrenplätze unter den Staaten einnimmt. Nach dem peloponnesischen Kriege rafft sich A. noch manchmal empor; es schüttelt die Oligarchie der sogenannten 30 Tyrannen ab, 403 v. Chr., 392 stellte sein Bürger Konon mit persischem Gelde die von den Spartanern gebrochenen Mauern des Hafens wieder her, es nahm Antheil an dem Kriege der Bundesgenossen gegen Sparta, mußte sich jedoch 387 v. Chr. den von Persien diktirten Frieden des Antalcidas gefallen lassen, der ihm nur die Inseln Lemnos, Imbros und Scyros ließ. Später unterstützte es das gedemüthigte Sparta gegen Theben, wurde abermals das Haupt eines mächtigen Bundes, und mußte gegen dessen Auflehnung von 357-355 den sogenannten Bundesgenossenkrieg führen, welchen das Diktat des Perserkönigs endigte. Nun erhob Philipp von Macedonien die Macht seines Volkes; er nahm die Küstenstädte in Macedonien und Thracien ein, eroberte Thessalien und der sogenannte heilige Krieg gegen die tempelräuberischen Phokeer führte ihn bis an den korinthischen Meerbusen (346 v. Chr.). In A. durchschaute der große Redner Demosthenes die Plane des maced. Monarchen; allein die athenische Demokratie konnte sich nicht mehr zu einer großen Anstrengung erheben, sie war dafür zu leichtsinnig, zu träge und schlug den Gegner zu geringe an; erst als dieser seine Plane enthüllte zogen A.s Bürger in Masse auf das Feld von Chäronea (338 v. Chr.) und unterlagen wenigstens nicht unrühmlich. Vergeblich erhob es sich noch einmal gegen die maced. Oberherrschaft nach Alexanders d. Gr. Tod; nach glücklichem Anfange ging durch der Bundesgenossen Abzug die Schlacht von Kranon (322 v. Chr.) verloren; der maced. Reichsverweser Antipater tödtete die Sprecher für die Freiheit. Demosthenes selbst entging der Hinrichtung

die Bundesgenossenschaft der kleineren Staaten in eine förmliche Herrschaft verwandelt, mit ihrem Tribute die Befestigung A.s vollendet, die Stadt mit den Meisterwerken der Baukunst, der Bildhauerei, Malerei, Erzgießerei ausgeschmückt, öffentliche Plätze angelegt und jedem Talente lohnende Arbeit gegeben. In dieser Periode der Macht, des Reichthums und des Ruhmes entfaltete sich zu A. oder wenigstens durch die Einwirkung A.s die vollste Blüthe des griech. Genius: Beredtsamkeit, Geschichtschreibung, Poesie, Philosophie, alle schönen Künste; perikleisches Zeitalter. Diese Blüthe brach der peloponnesische Krieg (431–404); Perikles rieth zu ihm, denn er war nothwendig, wenn A. seine Macht nicht verlieren wollte. Aber in diesem Kriege zeigte sich die Schattenseite der Demokratie in ganzer Stärke. In A. war die Zahl der Bürger durch die Aufnahme der niedergelassenen Fremden bedeutend gestiegen; Matrosen, Handelsleute und anderes Volk fand sich an dem großen Stapelorte in Masse ein; durch die ausschließliche Beschäftigung des gemeinen Bürgers mit Sachen der Politik, des Gerichts und der Verwaltung war der gemeine Bürger allerdings zu einer merkwürdigen geistigen Gewandtheit und Schnelligkeit des Urtheils herangebildet worden, aber da ihm ein geistiges Gegengewicht fehlte, die Kälte der Ueberlegung, welche nur als Frucht der Arbeit reist, die Liebe zum Besitze, deren Tochter Bedachtsamkeit und Vorsicht ist, so beging das demokratische A. Fehler, welche ihm den von Perikles zugesicherten Sieg entrissen und die Stadt von der Höhe der Macht für immer herunterstürzten. Diese Fehler waren: Verwegenheit und beim Unglück Verzagtheit, Mißtrauen gegen vornehme Bürger, welche nicht an die Weisheit des souveränen Volkes ohne Einschränkung glaubten, Hingabe an solche, welche ihm zu schmeicheln und seine Leidenschaften zu erregen verstanden; daraus entstanden schlechte Wahlen, einzelne Handlungen der Untreue und Grausamkeit, und dieses alles verhinderte die feste, unentwegte Durchführung des perikleischen Kriegsplans und gab den endlichen Sieg in die Hand der Feinde. Immerhin aber bleibt A. der Ruhm, unter allen demokratischen Staaten, selbst das mittelalterliche Florenz nicht ausgenommen, nach jeder Seite das Höchste geleistet zu haben, sodaß es einen der ersten Ehrenplätze unter den Staaten einnimmt. Nach dem peloponnesischen Kriege rafft sich A. noch manchmal empor; es schüttelt die Oligarchie der sogenannten 30 Tyrannen ab, 403 v. Chr., 392 stellte sein Bürger Konon mit persischem Gelde die von den Spartanern gebrochenen Mauern des Hafens wieder her, es nahm Antheil an dem Kriege der Bundesgenossen gegen Sparta, mußte sich jedoch 387 v. Chr. den von Persien diktirten Frieden des Antalcidas gefallen lassen, der ihm nur die Inseln Lemnos, Imbros und Scyros ließ. Später unterstützte es das gedemüthigte Sparta gegen Theben, wurde abermals das Haupt eines mächtigen Bundes, und mußte gegen dessen Auflehnung von 357–355 den sogenannten Bundesgenossenkrieg führen, welchen das Diktat des Perserkönigs endigte. Nun erhob Philipp von Macedonien die Macht seines Volkes; er nahm die Küstenstädte in Macedonien und Thracien ein, eroberte Thessalien und der sogenannte heilige Krieg gegen die tempelräuberischen Phokeer führte ihn bis an den korinthischen Meerbusen (346 v. Chr.). In A. durchschaute der große Redner Demosthenes die Plane des maced. Monarchen; allein die athenische Demokratie konnte sich nicht mehr zu einer großen Anstrengung erheben, sie war dafür zu leichtsinnig, zu träge und schlug den Gegner zu geringe an; erst als dieser seine Plane enthüllte zogen A.s Bürger in Masse auf das Feld von Chäronea (338 v. Chr.) und unterlagen wenigstens nicht unrühmlich. Vergeblich erhob es sich noch einmal gegen die maced. Oberherrschaft nach Alexanders d. Gr. Tod; nach glücklichem Anfange ging durch der Bundesgenossen Abzug die Schlacht von Kranon (322 v. Chr.) verloren; der maced. Reichsverweser Antipater tödtete die Sprecher für die Freiheit. Demosthenes selbst entging der Hinrichtung

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[308/0309] die Bundesgenossenschaft der kleineren Staaten in eine förmliche Herrschaft verwandelt, mit ihrem Tribute die Befestigung A.s vollendet, die Stadt mit den Meisterwerken der Baukunst, der Bildhauerei, Malerei, Erzgießerei ausgeschmückt, öffentliche Plätze angelegt und jedem Talente lohnende Arbeit gegeben. In dieser Periode der Macht, des Reichthums und des Ruhmes entfaltete sich zu A. oder wenigstens durch die Einwirkung A.s die vollste Blüthe des griech. Genius: Beredtsamkeit, Geschichtschreibung, Poesie, Philosophie, alle schönen Künste; perikleisches Zeitalter. Diese Blüthe brach der peloponnesische Krieg (431–404); Perikles rieth zu ihm, denn er war nothwendig, wenn A. seine Macht nicht verlieren wollte. Aber in diesem Kriege zeigte sich die Schattenseite der Demokratie in ganzer Stärke. In A. war die Zahl der Bürger durch die Aufnahme der niedergelassenen Fremden bedeutend gestiegen; Matrosen, Handelsleute und anderes Volk fand sich an dem großen Stapelorte in Masse ein; durch die ausschließliche Beschäftigung des gemeinen Bürgers mit Sachen der Politik, des Gerichts und der Verwaltung war der gemeine Bürger allerdings zu einer merkwürdigen geistigen Gewandtheit und Schnelligkeit des Urtheils herangebildet worden, aber da ihm ein geistiges Gegengewicht fehlte, die Kälte der Ueberlegung, welche nur als Frucht der Arbeit reist, die Liebe zum Besitze, deren Tochter Bedachtsamkeit und Vorsicht ist, so beging das demokratische A. Fehler, welche ihm den von Perikles zugesicherten Sieg entrissen und die Stadt von der Höhe der Macht für immer herunterstürzten. Diese Fehler waren: Verwegenheit und beim Unglück Verzagtheit, Mißtrauen gegen vornehme Bürger, welche nicht an die Weisheit des souveränen Volkes ohne Einschränkung glaubten, Hingabe an solche, welche ihm zu schmeicheln und seine Leidenschaften zu erregen verstanden; daraus entstanden schlechte Wahlen, einzelne Handlungen der Untreue und Grausamkeit, und dieses alles verhinderte die feste, unentwegte Durchführung des perikleischen Kriegsplans und gab den endlichen Sieg in die Hand der Feinde. Immerhin aber bleibt A. der Ruhm, unter allen demokratischen Staaten, selbst das mittelalterliche Florenz nicht ausgenommen, nach jeder Seite das Höchste geleistet zu haben, sodaß es einen der ersten Ehrenplätze unter den Staaten einnimmt. Nach dem peloponnesischen Kriege rafft sich A. noch manchmal empor; es schüttelt die Oligarchie der sogenannten 30 Tyrannen ab, 403 v. Chr., 392 stellte sein Bürger Konon mit persischem Gelde die von den Spartanern gebrochenen Mauern des Hafens wieder her, es nahm Antheil an dem Kriege der Bundesgenossen gegen Sparta, mußte sich jedoch 387 v. Chr. den von Persien diktirten Frieden des Antalcidas gefallen lassen, der ihm nur die Inseln Lemnos, Imbros und Scyros ließ. Später unterstützte es das gedemüthigte Sparta gegen Theben, wurde abermals das Haupt eines mächtigen Bundes, und mußte gegen dessen Auflehnung von 357–355 den sogenannten Bundesgenossenkrieg führen, welchen das Diktat des Perserkönigs endigte. Nun erhob Philipp von Macedonien die Macht seines Volkes; er nahm die Küstenstädte in Macedonien und Thracien ein, eroberte Thessalien und der sogenannte heilige Krieg gegen die tempelräuberischen Phokeer führte ihn bis an den korinthischen Meerbusen (346 v. Chr.). In A. durchschaute der große Redner Demosthenes die Plane des maced. Monarchen; allein die athenische Demokratie konnte sich nicht mehr zu einer großen Anstrengung erheben, sie war dafür zu leichtsinnig, zu träge und schlug den Gegner zu geringe an; erst als dieser seine Plane enthüllte zogen A.s Bürger in Masse auf das Feld von Chäronea (338 v. Chr.) und unterlagen wenigstens nicht unrühmlich. Vergeblich erhob es sich noch einmal gegen die maced. Oberherrschaft nach Alexanders d. Gr. Tod; nach glücklichem Anfange ging durch der Bundesgenossen Abzug die Schlacht von Kranon (322 v. Chr.) verloren; der maced. Reichsverweser Antipater tödtete die Sprecher für die Freiheit. Demosthenes selbst entging der Hinrichtung

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Zitationshilfe: Herders Conversations-Lexikon. Bd. 1. Freiburg im Breisgau, 1857, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationslexikon01_1857/309>, abgerufen am 23.11.2024.