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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 46. Burg/Berlin, 1837.

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[Beginn Spaltensatz] ich diese Nacht auch nicht einen Schritt im Finstern
thun, aus Furcht, meine Füße mit königlichem Blute
zu netzen."

Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als star-
kes Wagengerassel im Hofraum sich vernehmen ließ.
Da lief Alles stracks auf seinen Posten; die Gespräche
verstummten, und man hörte nur noch den Ruf: "Der
König! der König!"

Wirklich erschien auch Heinrich VII., blos von
zwei Kammerherren begleitet, vor ihnen schritt, zwi-
schen zwei Wächtern, welche Fackeln trugen, der neue
Constabel des Towers, mit blassem Antlitz und verstör-
tem Blicke, mühsam und schleichend einher; der Mann
stand tief im Herbste seiner Tage; seinen spärlich be-
haarten Schädel durchfurchten die Narben zweier tiefen
Wunden, und des Gesichtes edle Züge verkündeten den
derben Biedersinn seines Charakters; doch trugen sie
auch die Spuren eines vielbewegten Lebens, und deute-
ten unverkennbar auf einen nicht erloschenen Kummer,
auf einen unbarmherzig nagenden Vorwurf.

Zerstreut und von einem düstern Gedanken ver-
folgt, schien auch der königliche Herrscher. Mit bedeut-
samer Hast durchschritt er die vier Thore des Gebäu-
des, und ließ rasch an den Eingang des Flügels sich
geleiten, den man seitdem den "blutigen Thurm" (the
Blody-Tower
) zu nennen pflegt. Jn der Vorhalle
eines im obern Stockwerke gelegenen[unleserliches Material] Saales angelangt,
stieß der Constabel mit dem Fuße an eine aus ihren
Fugen gehobene Steinplatte. Wankend erbleichte er,
hielt sich an der Mauer fest, um nicht zu fallen, warf
mit den weitgeöffneten Augen scheue Blicke um sich her,
und horchte angstvoll, wie ein Deliquent, wenn er des
nahenden Henkers Tritt vernimmt.

Da hörte man den nächtlichen Wächter auf der
Straße die zehnte Stunde ausrufen.

"Was ist Euch, Sire?" sprach der König, sicht-
lich ergriffen.

"Vergebung, mein königlicher Gebieter," versetzte
der Constabel, "Ew. Majestät vermag nicht zu begrei-
fen...."

"Wer weiß, Sir James! - - Nun, so geht
doch vorwärts, und öffnet mir die Thüre dieses Saales."

Drei Schritte machte nur der Constabel; allein
der arme Greis zitterte wie ein Kind, und seine Hand
vermochte den Schlüssel nicht umzudrehen.

"Jch werde selbst Euch helfen," rief Heinrich mit
Ungeduld, und sprach, als er kaltblütig die Thüre ge-
öffnet, zu seinen beiden Begleitern:

"Meine Herren, ich will bloß in Gesellschaft des
Constabels diesen Saal betreten. Man bringe uns Lich-
ter und begebe sich weg. Jhr aber, Sir James, schrei-
tet vor mir her."

Mit steigender Beklommenheit gehorchte der Con-
stabel; und die zwei hocherstaunten Edelleute vollzogen
alsbald den Befehl ihres Gebieters, die Pforte des Saa-
les hinter ihm schließend.

Und als sie noch verwundert sich anschauten, nä-
herte sich ihnen einer der Wächter.

"Jch hab' ihn gar wohl erkannt, edle Herren,"
[Spaltenumbruch] hob er an, "und errathe leicht, weßhalb dieser Mann
so zittert; er ist derselbe, der schon einmal, und auch
nur für eine Nacht, die Stelle des Sir Robert Bra-
kembury im Towervertrat; und auch in jener Nacht war
der Herzog von Glocester König von England....
Was man mit den beiden Leichnamen anfing, ist mir
unbekannt, und keiner von uns hat es jemals erfahren.
Auf die Fragen, die der Lord = Major seit einiger Zeit
auf Befehl des Königs an uns richtet, wußten wir
keine genügenden Aufschlüsse zu geben. Dieser Mann und
noch drei Andere sind allein mit dem Geheimnisse dieses
abschenlichen Mordes vertraut."

Heinrich VII., der mit dem Constabel allein ge-
blieben, nahm unterdessen eine Kerze, und wendete seine
Schritte einem Bette zu, das in einer Thüre der ent-
gegengesetzten Ecke des Saales stand. Und als der
Constabel unbeweglich an des Saales Eingang stehen
blieb, rief er diesem zu:

"Vorwärts, Sir James Tyrrhel! Seht Jhr nicht,
daß ich Euch leuchte? - Soll ich auch noch die Vor-
hänge dieses Bettes Euch öffnen, damit Eure Gespen-
sterfurcht schwinde?"

"Ach, mein königlicher Herr," versetzte Tyrrhel,
sich auf die Knie werfend, im Namen des Allmächti-
gen, im Namen Eures erlauchten Vaters, für den ich
mit Wunden mich bedecken ließ, bohret Euren Degen
durch meine Brust, und ich werde mit dem letzten Athem-
zuge Euch segnen - aber lasset mein Herz nicht also
zerfleischen von den Klauen des Vorwurfs, und höret
mich gnädig an, damit ich Euch mittheilen könne, auf
welche Weise ich zu diesem Verbrechen verleitet ward."

"Das ist es zwar nicht, was ich von Euch wis-
sen wollte, Sir James; doch bin ich geneigt, Euch an-
zuhören, und hier vor diesem Bette, versteht Jhr mich?
nicht nur die Vorbereitungen, sondern auch die geri g-
sten Einzelnheiten dieses ewig scheußlichen Mordes aus
Eurem Munde zu vernehmen."

Bei diesen Worten schob der König mit eigener
Hand einen Sessel für Tyrrhel zurecht, der jetzt wieder
beklommen vor ihm Platz nahm und, nachdem er einen
Augenblick sich gesammelt, also sprach:

"Wohl begreife ich, hoher Herr, daß ihr durch
den Sieg über Richard III., und das ehrenvolle Be-
gräbniß, das ein entehrter König Euch verdankt noch
nicht genugsame Rache genommen habt für den Mord
zweier königlichen Schlachtopfer. Nicht genügte es an
dem Haupte, das jenes Verbrechen ausgedacht und voll-
führen hieß; ihr wollet auch die Köpfe derer, die es
verübt; und wohl dachtet ihr vielleicht, ich selbst würde,
meine Unschuld an dem vergossenen Blute betheuernd,
Euern Händen sie überliefern. - Mit nichten, Sire! An
einem alten Diener Dreier Könige, an einem Edelman-
ne und tüchtigem Krieger möget Jhr wohl die Erben
des Königs Eduard einigermaßen würdig rächen, aber
an einem rohen Soldaten und an ein Paar Schiffern,
die man von der Straße aufgreift!... Glaubt mir,
Herr, das sind unwürdige Opfer für eines Königs Ra-
che, und ich werde sie Euch nicht nennen."

" Digthon, Slater und Forest schleppen ein Dasein
[Ende Spaltensatz]

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[Beginn Spaltensatz] ich diese Nacht auch nicht einen Schritt im Finstern
thun, aus Furcht, meine Füße mit königlichem Blute
zu netzen.“

Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als star-
kes Wagengerassel im Hofraum sich vernehmen ließ.
Da lief Alles stracks auf seinen Posten; die Gespräche
verstummten, und man hörte nur noch den Ruf: „Der
König! der König!“

Wirklich erschien auch Heinrich VII., blos von
zwei Kammerherren begleitet, vor ihnen schritt, zwi-
schen zwei Wächtern, welche Fackeln trugen, der neue
Constabel des Towers, mit blassem Antlitz und verstör-
tem Blicke, mühsam und schleichend einher; der Mann
stand tief im Herbste seiner Tage; seinen spärlich be-
haarten Schädel durchfurchten die Narben zweier tiefen
Wunden, und des Gesichtes edle Züge verkündeten den
derben Biedersinn seines Charakters; doch trugen sie
auch die Spuren eines vielbewegten Lebens, und deute-
ten unverkennbar auf einen nicht erloschenen Kummer,
auf einen unbarmherzig nagenden Vorwurf.

Zerstreut und von einem düstern Gedanken ver-
folgt, schien auch der königliche Herrscher. Mit bedeut-
samer Hast durchschritt er die vier Thore des Gebäu-
des, und ließ rasch an den Eingang des Flügels sich
geleiten, den man seitdem den „blutigen Thurm“ (the
Blody-Tower
) zu nennen pflegt. Jn der Vorhalle
eines im obern Stockwerke gelegenen[unleserliches Material] Saales angelangt,
stieß der Constabel mit dem Fuße an eine aus ihren
Fugen gehobene Steinplatte. Wankend erbleichte er,
hielt sich an der Mauer fest, um nicht zu fallen, warf
mit den weitgeöffneten Augen scheue Blicke um sich her,
und horchte angstvoll, wie ein Deliquent, wenn er des
nahenden Henkers Tritt vernimmt.

Da hörte man den nächtlichen Wächter auf der
Straße die zehnte Stunde ausrufen.

„Was ist Euch, Sire?“ sprach der König, sicht-
lich ergriffen.

„Vergebung, mein königlicher Gebieter,“ versetzte
der Constabel, „Ew. Majestät vermag nicht zu begrei-
fen....“

„Wer weiß, Sir James! – – Nun, so geht
doch vorwärts, und öffnet mir die Thüre dieses Saales.“

Drei Schritte machte nur der Constabel; allein
der arme Greis zitterte wie ein Kind, und seine Hand
vermochte den Schlüssel nicht umzudrehen.

„Jch werde selbst Euch helfen,“ rief Heinrich mit
Ungeduld, und sprach, als er kaltblütig die Thüre ge-
öffnet, zu seinen beiden Begleitern:

„Meine Herren, ich will bloß in Gesellschaft des
Constabels diesen Saal betreten. Man bringe uns Lich-
ter und begebe sich weg. Jhr aber, Sir James, schrei-
tet vor mir her.“

Mit steigender Beklommenheit gehorchte der Con-
stabel; und die zwei hocherstaunten Edelleute vollzogen
alsbald den Befehl ihres Gebieters, die Pforte des Saa-
les hinter ihm schließend.

Und als sie noch verwundert sich anschauten, nä-
herte sich ihnen einer der Wächter.

„Jch hab' ihn gar wohl erkannt, edle Herren,“
[Spaltenumbruch] hob er an, „und errathe leicht, weßhalb dieser Mann
so zittert; er ist derselbe, der schon einmal, und auch
nur für eine Nacht, die Stelle des Sir Robert Bra-
kembury im Towervertrat; und auch in jener Nacht war
der Herzog von Glocester König von England....
Was man mit den beiden Leichnamen anfing, ist mir
unbekannt, und keiner von uns hat es jemals erfahren.
Auf die Fragen, die der Lord = Major seit einiger Zeit
auf Befehl des Königs an uns richtet, wußten wir
keine genügenden Aufschlüsse zu geben. Dieser Mann und
noch drei Andere sind allein mit dem Geheimnisse dieses
abschenlichen Mordes vertraut.“

Heinrich VII., der mit dem Constabel allein ge-
blieben, nahm unterdessen eine Kerze, und wendete seine
Schritte einem Bette zu, das in einer Thüre der ent-
gegengesetzten Ecke des Saales stand. Und als der
Constabel unbeweglich an des Saales Eingang stehen
blieb, rief er diesem zu:

„Vorwärts, Sir James Tyrrhel! Seht Jhr nicht,
daß ich Euch leuchte? – Soll ich auch noch die Vor-
hänge dieses Bettes Euch öffnen, damit Eure Gespen-
sterfurcht schwinde?“

„Ach, mein königlicher Herr,“ versetzte Tyrrhel,
sich auf die Knie werfend, im Namen des Allmächti-
gen, im Namen Eures erlauchten Vaters, für den ich
mit Wunden mich bedecken ließ, bohret Euren Degen
durch meine Brust, und ich werde mit dem letzten Athem-
zuge Euch segnen – aber lasset mein Herz nicht also
zerfleischen von den Klauen des Vorwurfs, und höret
mich gnädig an, damit ich Euch mittheilen könne, auf
welche Weise ich zu diesem Verbrechen verleitet ward.“

„Das ist es zwar nicht, was ich von Euch wis-
sen wollte, Sir James; doch bin ich geneigt, Euch an-
zuhören, und hier vor diesem Bette, versteht Jhr mich?
nicht nur die Vorbereitungen, sondern auch die geri g-
sten Einzelnheiten dieses ewig scheußlichen Mordes aus
Eurem Munde zu vernehmen.“

Bei diesen Worten schob der König mit eigener
Hand einen Sessel für Tyrrhel zurecht, der jetzt wieder
beklommen vor ihm Platz nahm und, nachdem er einen
Augenblick sich gesammelt, also sprach:

„Wohl begreife ich, hoher Herr, daß ihr durch
den Sieg über Richard III., und das ehrenvolle Be-
gräbniß, das ein entehrter König Euch verdankt noch
nicht genugsame Rache genommen habt für den Mord
zweier königlichen Schlachtopfer. Nicht genügte es an
dem Haupte, das jenes Verbrechen ausgedacht und voll-
führen hieß; ihr wollet auch die Köpfe derer, die es
verübt; und wohl dachtet ihr vielleicht, ich selbst würde,
meine Unschuld an dem vergossenen Blute betheuernd,
Euern Händen sie überliefern. – Mit nichten, Sire! An
einem alten Diener Dreier Könige, an einem Edelman-
ne und tüchtigem Krieger möget Jhr wohl die Erben
des Königs Eduard einigermaßen würdig rächen, aber
an einem rohen Soldaten und an ein Paar Schiffern,
die man von der Straße aufgreift!... Glaubt mir,
Herr, das sind unwürdige Opfer für eines Königs Ra-
che, und ich werde sie Euch nicht nennen.“

Digthon, Slater und Forest schleppen ein Dasein
[Ende Spaltensatz]

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Und als der Constabel unbeweglich an des Saales Eingang stehen blieb, rief er diesem zu: „Vorwärts, Sir James Tyrrhel! 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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 46. Burg/Berlin, 1837, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt46_1837/3>, abgerufen am 21.11.2024.