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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 30. Burg/Berlin, 1837.

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463 Conversations=Blatt. 464
[Beginn Spaltensatz] tung des Rumelioten edel und sein Gang stolz. Weder
durch die Gluth der Sonne, noch durch Entbehrungen,
noch durch die größten körperlichen Anstrengungen zu er-
müden, übersteigt er mit wunderbarer Leichtigkeit seine
nackten Felsen. Niemals um eine Lagerstätte verlegen,
übernachtet er heute in einer Höhle, morgen unter freiem
Himmel. Hungert ihn, so schnallt er seinen Gürtel en-
ger. Geborne Krüppel und Geisteskranke sind unter
Griechen wunderseltene Erscheinungen; eben so Trun-
kenbolde.

Jn demselben Grade, in welchem die körperlichen
Vorzüge der Griechen augenscheinlich sind, sind auch ihre
herrlichen Geistesanlagen unbestreitbar. Der Grieche be-
sitzt einen sehr hohen Grad von Kapacität; sein Kopf
ist hell, und er faßt ungemein leicht und richtig. Sein
Gedächtniß ist vortrefflich. Aber dabei ist er auch sehr
schlau und zurückhaltend, und er weiß da, wo es sein
Vortheil erheischt, seine Gemüthsbewegungen meisterhaft
zu unterdrücken, so wie er an Andern die Schwächen
leicht herausfindet, die er vortrefflich zu brauchen versteht.

2.
Die Pallikaren.

Der vornehmere oder reichere Pallikare (d. i. der
freie, kriegerische Bergbewohner, auch Klephte genannt)
trägt auf seinem Kopfe eine rothe Mütze, mit dem tür-
kischen Worte: Fes, mit einer schuhlangen blauseidenen
Quaste, die ihm um die Schulter spielt. Oft ist die-
ses Fes reich mit Gold gestickt, und später wurde vorn
ein goldenes O angebracht. Manche tragen bunte sei-
dene Tücher in Form eines Turbans um den Kopf ge-
schlungen. Das Kopfhaar ist vorn am Scheitel meistens
abrasirt, während es hinten bis über den Nacken hinab
hängt. Mehre tragen jedoch die Haare auch a la
Titus. Hals und Brust sind frei. Bei vielen bemerkte
ich ein reinliches Hemde mit stehendem Kragen; darüber
tragen sie eine reich mit Gold gestickte kurze Weste ohne
Aermel, und über dieser eine ähnliche reiche, die mit
Aermeln versehen und am Vorderarme weit und offen
ist. Die Farbe ist in der Regel roth, selten grün oder
dunkel. Den Unterleib bedecken sie mit der Fustanella,
die mit einem Weiberrocke die größte Aehnlichkeit hat.
Sie reicht bis über die Knie herab, besteht aus weißem
Baumwollenzeuge, und ist in unzähligen Falten um die
Hüften befestigt. Ueberdies schnallen sie um die Hüf-
ten einen sehr breiten, ganz mit Gold gestickten Gürtel,
worin sie ihre kostbaren Waffen, nämlich Pistolen, Yan-
tagan (eine Art Messer) und Dolch, tragen. Alle diese
Waffen sind schwer von Silber, und viele, besonders
die Pistolen, mit großer Kunst gearbeitet. Auch dient
dieser Gürtel noch zum Aufbewahren ihrer Börse und
ihres Taschentuches. An der Stelle des Gürtels binden
manche um die Hüften ein, mehre Ellen langes farbi-
ges Tuch von Seide oder Wolle. Den Unterschenkel
schnüren sie in rothe Kamaschen, welche, aus schmalen
seidenen, schön geflochtenen Schnüren bestehend, die schön
geformte Wade dicht umschließen. Gern legen sie an
[Spaltenumbruch] den Seiten der Waden und unterm Knie rothseidene
Büschel an die Kamaschen, um die Stärke der Waden
noch mehr hervortreten zu lassen. Der Fuß ist meisten-
theils nur mit einem rothen Schuhe von Korduan, mit
aufwärts stehendem Schnabel, bekleidet; weiße Strümpfe
tragen sie seltener. Der gekrümmte breite Säbel hängt
an einer fingerdicken rothseidenen Schnur von der rech-
ten Schulter zur linken Hüfte. Dieser Säbel ist dieje-
nige Waffe, woran ihr ganzes Herz hängt. So schön
die meisten sind, so ist doch ihre Güte noch weit vor-
züglicher. Jch sah in Navplion den Säbel eines, im
Freiheitskampfe gefallenen Helden, dessen Werth 150,000
Franken betrug. War er gleich mit guten Steinen be-
setzt, so hatte doch die Klinge bei weitem den größten
Werth. Dieser Säbel war die Beute von einem tür-
kischen Pascha, den der griechische Held erschlug, und
ward später, bei großem Geldmangel, von eben diesem
Griechen (Markos Botsaris) auf dem Altar des Vater-
landes niedergelegt.

Als Schutz gegen schlechte Witterung bedienen sie
sich eines braunen oder weißen Kapots, der aus Ziegen-
haaren oder Schaafwolle ist, und den sie selten ablegen.
Oft reicht derselbe nur bis an die Hüften. Am Hin-
tertheile ist eine Kaputze oder ein viereckiges Stück vom
Zeuge des Kapots angebracht, welches über den Kopf
geschlagen und zusammengeknöpft wird.

Die Macht der gemeinern Pallikaren ist gering;
aber ihre Waffen sind nicht minder reich. Jedem Ka-
pitanos folgen stets mehre dieser gemeinen Pallikaren,
wovon einer die lange Pfeife nachträgt. Je vorneh-
mer oder reicher jener, desto größer ist das Gefolge und
desto länger das Pfeifenrohr mit Bernsteinspitze.

    (Fortsetzung folgt.)



Geheime Versammlung der Mar-
ron = Neger und der Vergifter.

(Beschluß.)

Während diesen Vorbereitungen hatte Bala seinen
Ehrenplatz wieder eingenommen. Adonis berichtete über
seine Expedition, und Bala frug, ob die Weißen wüß-
ten, wo er seine Ajoupa erbaut habe. - "Die Weißen
ruhig schlafen!" erwiederte Adonis. Bei diesen Worten
lächelte Bala bitter, warf sein Gewehr in die Luft, daß
es sich mehrmals umdrehte, und fing es dann im Fal-
len wieder auf.

"Euer Gewehr zu stark schreien," sagte ironisch
einer der Vergifter, und hob dabei nach einander den
Daumen und alle fünf Finger der Hand auf; er wollte
damit in seiner figürlichen Sprache sagen, daß für Ei-
nen Weißen, den er mit seiner Waffe tödte, er fünf an-
dere aufwecke. "Die Vergifter," fuhr er fort, "sind
geschickter und die Weißen wissen nie, wenn sie kom-
men." Bala wandte sich zornig gegen den Widerspre-
chenden, und frug, ob ein anderer Neger besser wie er,
die Weißen überfallen, eine Pflanzung in Brand stecken
und ein auf ihn gerichtetes Gewehr furchtloser anblicken
könne. Ein mißbilligendes Gemurmel ließ sich bei die-
sen Worten vernehmen, wild blickte Bala die Unzufrie-
[Ende Spaltensatz]

463 Conversations=Blatt. 464
[Beginn Spaltensatz] tung des Rumelioten edel und sein Gang stolz. Weder
durch die Gluth der Sonne, noch durch Entbehrungen,
noch durch die größten körperlichen Anstrengungen zu er-
müden, übersteigt er mit wunderbarer Leichtigkeit seine
nackten Felsen. Niemals um eine Lagerstätte verlegen,
übernachtet er heute in einer Höhle, morgen unter freiem
Himmel. Hungert ihn, so schnallt er seinen Gürtel en-
ger. Geborne Krüppel und Geisteskranke sind unter
Griechen wunderseltene Erscheinungen; eben so Trun-
kenbolde.

Jn demselben Grade, in welchem die körperlichen
Vorzüge der Griechen augenscheinlich sind, sind auch ihre
herrlichen Geistesanlagen unbestreitbar. Der Grieche be-
sitzt einen sehr hohen Grad von Kapacität; sein Kopf
ist hell, und er faßt ungemein leicht und richtig. Sein
Gedächtniß ist vortrefflich. Aber dabei ist er auch sehr
schlau und zurückhaltend, und er weiß da, wo es sein
Vortheil erheischt, seine Gemüthsbewegungen meisterhaft
zu unterdrücken, so wie er an Andern die Schwächen
leicht herausfindet, die er vortrefflich zu brauchen versteht.

2.
Die Pallikaren.

Der vornehmere oder reichere Pallikare (d. i. der
freie, kriegerische Bergbewohner, auch Klephte genannt)
trägt auf seinem Kopfe eine rothe Mütze, mit dem tür-
kischen Worte: Fes, mit einer schuhlangen blauseidenen
Quaste, die ihm um die Schulter spielt. Oft ist die-
ses Fes reich mit Gold gestickt, und später wurde vorn
ein goldenes O angebracht. Manche tragen bunte sei-
dene Tücher in Form eines Turbans um den Kopf ge-
schlungen. Das Kopfhaar ist vorn am Scheitel meistens
abrasirt, während es hinten bis über den Nacken hinab
hängt. Mehre tragen jedoch die Haare auch à la
Titus. Hals und Brust sind frei. Bei vielen bemerkte
ich ein reinliches Hemde mit stehendem Kragen; darüber
tragen sie eine reich mit Gold gestickte kurze Weste ohne
Aermel, und über dieser eine ähnliche reiche, die mit
Aermeln versehen und am Vorderarme weit und offen
ist. Die Farbe ist in der Regel roth, selten grün oder
dunkel. Den Unterleib bedecken sie mit der Fustanella,
die mit einem Weiberrocke die größte Aehnlichkeit hat.
Sie reicht bis über die Knie herab, besteht aus weißem
Baumwollenzeuge, und ist in unzähligen Falten um die
Hüften befestigt. Ueberdies schnallen sie um die Hüf-
ten einen sehr breiten, ganz mit Gold gestickten Gürtel,
worin sie ihre kostbaren Waffen, nämlich Pistolen, Yan-
tagan (eine Art Messer) und Dolch, tragen. Alle diese
Waffen sind schwer von Silber, und viele, besonders
die Pistolen, mit großer Kunst gearbeitet. Auch dient
dieser Gürtel noch zum Aufbewahren ihrer Börse und
ihres Taschentuches. An der Stelle des Gürtels binden
manche um die Hüften ein, mehre Ellen langes farbi-
ges Tuch von Seide oder Wolle. Den Unterschenkel
schnüren sie in rothe Kamaschen, welche, aus schmalen
seidenen, schön geflochtenen Schnüren bestehend, die schön
geformte Wade dicht umschließen. Gern legen sie an
[Spaltenumbruch] den Seiten der Waden und unterm Knie rothseidene
Büschel an die Kamaschen, um die Stärke der Waden
noch mehr hervortreten zu lassen. Der Fuß ist meisten-
theils nur mit einem rothen Schuhe von Korduan, mit
aufwärts stehendem Schnabel, bekleidet; weiße Strümpfe
tragen sie seltener. Der gekrümmte breite Säbel hängt
an einer fingerdicken rothseidenen Schnur von der rech-
ten Schulter zur linken Hüfte. Dieser Säbel ist dieje-
nige Waffe, woran ihr ganzes Herz hängt. So schön
die meisten sind, so ist doch ihre Güte noch weit vor-
züglicher. Jch sah in Navplion den Säbel eines, im
Freiheitskampfe gefallenen Helden, dessen Werth 150,000
Franken betrug. War er gleich mit guten Steinen be-
setzt, so hatte doch die Klinge bei weitem den größten
Werth. Dieser Säbel war die Beute von einem tür-
kischen Pascha, den der griechische Held erschlug, und
ward später, bei großem Geldmangel, von eben diesem
Griechen (Markos Botsaris) auf dem Altar des Vater-
landes niedergelegt.

Als Schutz gegen schlechte Witterung bedienen sie
sich eines braunen oder weißen Kapots, der aus Ziegen-
haaren oder Schaafwolle ist, und den sie selten ablegen.
Oft reicht derselbe nur bis an die Hüften. Am Hin-
tertheile ist eine Kaputze oder ein viereckiges Stück vom
Zeuge des Kapots angebracht, welches über den Kopf
geschlagen und zusammengeknöpft wird.

Die Macht der gemeinern Pallikaren ist gering;
aber ihre Waffen sind nicht minder reich. Jedem Ka-
pitanos folgen stets mehre dieser gemeinen Pallikaren,
wovon einer die lange Pfeife nachträgt. Je vorneh-
mer oder reicher jener, desto größer ist das Gefolge und
desto länger das Pfeifenrohr mit Bernsteinspitze.

    (Fortsetzung folgt.)



Geheime Versammlung der Mar-
ron = Neger und der Vergifter.

(Beschluß.)

Während diesen Vorbereitungen hatte Bala seinen
Ehrenplatz wieder eingenommen. Adonis berichtete über
seine Expedition, und Bala frug, ob die Weißen wüß-
ten, wo er seine Ajoupa erbaut habe. – „Die Weißen
ruhig schlafen!“ erwiederte Adonis. Bei diesen Worten
lächelte Bala bitter, warf sein Gewehr in die Luft, daß
es sich mehrmals umdrehte, und fing es dann im Fal-
len wieder auf.

„Euer Gewehr zu stark schreien,“ sagte ironisch
einer der Vergifter, und hob dabei nach einander den
Daumen und alle fünf Finger der Hand auf; er wollte
damit in seiner figürlichen Sprache sagen, daß für Ei-
nen Weißen, den er mit seiner Waffe tödte, er fünf an-
dere aufwecke. „Die Vergifter,“ fuhr er fort, „sind
geschickter und die Weißen wissen nie, wenn sie kom-
men.“ Bala wandte sich zornig gegen den Widerspre-
chenden, und frug, ob ein anderer Neger besser wie er,
die Weißen überfallen, eine Pflanzung in Brand stecken
und ein auf ihn gerichtetes Gewehr furchtloser anblicken
könne. Ein mißbilligendes Gemurmel ließ sich bei die-
sen Worten vernehmen, wild blickte Bala die Unzufrie-
[Ende Spaltensatz]

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Aber dabei ist er auch sehr schlau und zurückhaltend, und er weiß da, wo es sein Vortheil erheischt, seine Gemüthsbewegungen meisterhaft zu unterdrücken, so wie er an Andern die Schwächen leicht herausfindet, die er vortrefflich zu brauchen versteht. 2. Die Pallikaren. Der vornehmere oder reichere Pallikare (d. i. der freie, kriegerische Bergbewohner, auch Klephte genannt) trägt auf seinem Kopfe eine rothe Mütze, mit dem tür- kischen Worte: Fes, mit einer schuhlangen blauseidenen Quaste, die ihm um die Schulter spielt. Oft ist die- ses Fes reich mit Gold gestickt, und später wurde vorn ein goldenes O angebracht. Manche tragen bunte sei- dene Tücher in Form eines Turbans um den Kopf ge- schlungen. Das Kopfhaar ist vorn am Scheitel meistens abrasirt, während es hinten bis über den Nacken hinab hängt. Mehre tragen jedoch die Haare auch à la Titus. Hals und Brust sind frei. Bei vielen bemerkte ich ein reinliches Hemde mit stehendem Kragen; darüber tragen sie eine reich mit Gold gestickte kurze Weste ohne Aermel, und über dieser eine ähnliche reiche, die mit Aermeln versehen und am Vorderarme weit und offen ist. Die Farbe ist in der Regel roth, selten grün oder dunkel. Den Unterleib bedecken sie mit der Fustanella, die mit einem Weiberrocke die größte Aehnlichkeit hat. Sie reicht bis über die Knie herab, besteht aus weißem Baumwollenzeuge, und ist in unzähligen Falten um die Hüften befestigt. Ueberdies schnallen sie um die Hüf- ten einen sehr breiten, ganz mit Gold gestickten Gürtel, worin sie ihre kostbaren Waffen, nämlich Pistolen, Yan- tagan (eine Art Messer) und Dolch, tragen. Alle diese Waffen sind schwer von Silber, und viele, besonders die Pistolen, mit großer Kunst gearbeitet. Auch dient dieser Gürtel noch zum Aufbewahren ihrer Börse und ihres Taschentuches. 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(Fortsetzung folgt.) Geheime Versammlung der Mar- ron = Neger und der Vergifter. (Beschluß.) Während diesen Vorbereitungen hatte Bala seinen Ehrenplatz wieder eingenommen. Adonis berichtete über seine Expedition, und Bala frug, ob die Weißen wüß- ten, wo er seine Ajoupa erbaut habe. – „Die Weißen ruhig schlafen!“ erwiederte Adonis. Bei diesen Worten lächelte Bala bitter, warf sein Gewehr in die Luft, daß es sich mehrmals umdrehte, und fing es dann im Fal- len wieder auf. „Euer Gewehr zu stark schreien,“ sagte ironisch einer der Vergifter, und hob dabei nach einander den Daumen und alle fünf Finger der Hand auf; er wollte damit in seiner figürlichen Sprache sagen, daß für Ei- nen Weißen, den er mit seiner Waffe tödte, er fünf an- dere aufwecke. „Die Vergifter,“ fuhr er fort, „sind geschickter und die Weißen wissen nie, wenn sie kom- men.“ Bala wandte sich zornig gegen den Widerspre- chenden, und frug, ob ein anderer Neger besser wie er, die Weißen überfallen, eine Pflanzung in Brand stecken und ein auf ihn gerichtetes Gewehr furchtloser anblicken könne. Ein mißbilligendes Gemurmel ließ sich bei die- sen Worten vernehmen, wild blickte Bala die Unzufrie-

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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 30. Burg/Berlin, 1837, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt30_1837/2>, abgerufen am 27.11.2024.