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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 28. Burg/Berlin, 1837.

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431 Conversations=Blatt. 432
[Beginn Spaltensatz]

Nach dem schmalen Gang öffnet sich eine Espla-
nade, welche die herrlichste Aussicht beherrscht. Es ist die
Plaza de los Algives oder der Cisternenplatz, die ehe-
maligen Wasserbehälter für die Truppen der Festung im
Falle der Belagerung oder eines Aufruhrs in der Stadt,
wenn man nicht zum Fluß hinabsteigen konnte, der am
Fuße des Berges vorüberfließt. Von der Brustwehr sieht
man das Darro=Thal, den Hügel Albaizin und die be-
rühmte Vega, wo die Gefechte der Spanier und der mau-
rischen Ritter vorfielen.

Die lebhafteste Einbildungskraft kann sich keine Jdee
von dem lachenden und malerischen Bilde entwerfen, das
sich hier vor den Blicken entrollt. Ein Gebirge, sitzend
wie Könige auf ihrem Throne, mit der Krone von ewi-
gem Schnee auf dem Haupte; sanft schwellende Hügel,
wie Sammtdivane; ein Fluß, der sich in dem tiefen Bette
fortwühlt, das sich zu Euern Füßen öffnet, und der
rings um das Gebirge läuft, auf welches man den Al-
hambra gebaut, und sich mit seinem Goldsande in die
Urne des poetischen Xemil stürzt *); die Ufer mit Gär-
ten bedeckt, die sich amphitheatralisch bis zum Doppel-
gipfel des Hügels erheben; ein Grund, der einem reich nü-
anzirten, ungeheuern Teppich zu vergleichen ist, in dem
man alle Abstufungen der Tinten bewundert; der Wald,
welcher die Vega wie ein dunkelgrünes Band durchschnei-
det; der Fluß, der, wie die Diamanten dieses Landes,
in den Zwischenräumen hindurchblitzt, liebliche Häuser, in
fernen Gebüschen versteckt, von denen man hie und da
eine weiße Ecke hervorschimmern sieht, gleich wie den
Flügel der Taube aus dem Laube einer Ulme; Alles die-
ses bildet ein herrliches Ganzes, welches den melancho-
lischen Effekt der braunen Mauern des Schlosses neutra-
lisirt und jener kleinen, ganz durchlöcherten und zerspal-
tenen Pforte, welche die Ueberbleibsel des Wohnsitzes der
alten maurischen Könige verschließt. -

Wenn Jhr hinaufsteigt, um den Alhambra zu sehen,
und Euern Namen jenen berühmten hinzuzufügen, die vor
Euch dort gewesen sind, so lasset das prächtige Gebäude
zur Seite liegen, dessen ovale Kuppel eben so einfach als
vollendet ist; später sollt Jhr bewundern die Treppe von
blauem Jaspis, die herrliche Gallerie, die Rotunde, von
zwei und dreißig Säulen aus Jaspis=Marmor getra-
gen, die Basreliefs, Medaillons und Gesimse. Hier
webt eine andere Civilisation, es ist das Grab der ara-
bischen; lest nur auf dem Friese:

IMPERATORI. CES. KAROL. V. HISP. REG.

Geht vorüber! Hier ist eine Nation, die das La-
tein des Mittelalters spricht, und die Sprache ihres Kö-
nigs Alfons vergißt und des Dichters Juan de Mena.

Tretet durch die kleine einfache Thür, die sich zur
Linken öffnet; es ist die Thür des Meßnar oder des Ra-
thes. Der erste Hof ist ein längliches Viereck mit einem
tiefen, engen Bassin, dessen Steinplatten zerbrochen sind,
und zu dem man auf zwei Marmortreppen gelangt. Die
Araber nannten diesen Hof das Bad; die Spanier ga-
[Spaltenumbruch] ben ihm den Namen Mirthenhof oder patio de los ar-
rayanes
, wegen der Mirthengesträuche, die, mit Rosen
vermischt, eine Blättermauer als mysteriöse Einfassung
um denselben bilden. An beiden Seiten sind Blumen-
Beete und Orangen=Alleen, und an beiden Enden befin-
det sich eine Gallerie von schlanken Säulen getragen.
Man geht rings um den patio durch Säulengänge, die
mit Marmor gepflastert sind. Die Bogen ruhen auf
leichten Pfeilern und Gewölben, die Mauern sind mit
Stuc bedeckt, das mit bewunderungswürdigem Geschmack
gearbeitet ist. Vier Jahrhunderte sind vorübergeschwun-
den, ohne daß das Gold und die Farben an Frische ver-
loren hätten. Der niedrigste Theil der Mauern wird
von einer Art Sockel in Mosaik geziert; man sieht hier
verschlungene Guirlanden, welche Buchstaben bilden, aus
denen verschiedene Jnschriften bestehen.

Wenn zur Stunde des Azala *) der König von
Granada seine edlen Ritter in dem Hofe des Bades ver-
sammelte, um sich zur Sambre **) zu begeben, so ließ
er die Jnschriften, die ihn umgaben, von den Mauern
ablesen, und dies war für Alle ein nützliches Vergnügen
und eine köstliche Belehrung. Bald ist darin von Gott
die Rede, von seiner Erbarmniß, von seiner Gerechtig-
keit, von seiner Macht; bald von der Milde der Könige,
von der Größe der Nationen, von der Hoffnung der
Kinder des Propheten, und immer ist ein Reimspruch.
So liest man z. B. auf einem Schilde:

"Gott ist das höchste Gut, das allgemeine Glück;
er ist die Sonne des Mitleids für duldende Herzen."

Weiter liest man:

"Gott allein ist Sieger."

und daneben:

"Ehre sei unserm Herrn Abd=Allah!"

Gegenüber der Pforte des Meßnars, die man her-
einkam, befindet sich eine andere, die nach dem Löwen-
hofe
führt, patio de los leones. Dieser Hof hat hun-
dert Fuß in der Länge, und funfzig in der Breite, und
ist mit einer Kolonade umgeben, die an jeder Seite sie-
ben Fuß in der Breite hat, und zehn Fuß am Ende
der Gallerie. An den beiden Enden befinden sich zwei
Pavillons, deren jeder dreizehn bis vierzehn Quadratfuß
enthält. Man kann sich nichts Zierlicheres und Fantasti-
scheres denken. Es sind zwei Kuppeln in Mosaik von
Gold und Azur, mehr schwebend als sich stützend auf
Säulen, die feiner ausgeführt sind, als Alles, was man
an sogenannten gothischen Bauwerken in dieser Art be-
wundert. Die Ziegel, die den Sockel bilden, sind gelb
und blau, wie die Felder eines Schachbretts. Zwischen
den zwei Einfassungen sind kleine Schilder mit Gold und
blau emaillirt angebracht und rings herum liest man die
Devise:

"Es giebt keinen andern Sieger als Gott."

    (Fortsetzung folgt.)



[Ende Spaltensatz]
*) Das Gold des Darro ist eine Fabel. Granada schenkte 1526
Carl dem Fünften eine Krone, deren Gold aus dem Sande
dieses Flusses gewonnen war.
*) Das Gold des Darro ist eine Fabel. Granada schenkte 1526
Carl dem Fünften eine Krone, deren Gold aus dem Sande
dieses Flusses gewonnen war.
*) Abendgebet.
**) Das Fest des Abends, wobei Musik, Tanz und Spiele des
Geistes die Hauptvergnügungen ausmachten.
431 Conversations=Blatt. 432
[Beginn Spaltensatz]

Nach dem schmalen Gang öffnet sich eine Espla-
nade, welche die herrlichste Aussicht beherrscht. Es ist die
Plaza de los Algives oder der Cisternenplatz, die ehe-
maligen Wasserbehälter für die Truppen der Festung im
Falle der Belagerung oder eines Aufruhrs in der Stadt,
wenn man nicht zum Fluß hinabsteigen konnte, der am
Fuße des Berges vorüberfließt. Von der Brustwehr sieht
man das Darro=Thal, den Hügel Albaizin und die be-
rühmte Vega, wo die Gefechte der Spanier und der mau-
rischen Ritter vorfielen.

Die lebhafteste Einbildungskraft kann sich keine Jdee
von dem lachenden und malerischen Bilde entwerfen, das
sich hier vor den Blicken entrollt. Ein Gebirge, sitzend
wie Könige auf ihrem Throne, mit der Krone von ewi-
gem Schnee auf dem Haupte; sanft schwellende Hügel,
wie Sammtdivane; ein Fluß, der sich in dem tiefen Bette
fortwühlt, das sich zu Euern Füßen öffnet, und der
rings um das Gebirge läuft, auf welches man den Al-
hambra gebaut, und sich mit seinem Goldsande in die
Urne des poetischen Xemil stürzt *); die Ufer mit Gär-
ten bedeckt, die sich amphitheatralisch bis zum Doppel-
gipfel des Hügels erheben; ein Grund, der einem reich nü-
anzirten, ungeheuern Teppich zu vergleichen ist, in dem
man alle Abstufungen der Tinten bewundert; der Wald,
welcher die Vega wie ein dunkelgrünes Band durchschnei-
det; der Fluß, der, wie die Diamanten dieses Landes,
in den Zwischenräumen hindurchblitzt, liebliche Häuser, in
fernen Gebüschen versteckt, von denen man hie und da
eine weiße Ecke hervorschimmern sieht, gleich wie den
Flügel der Taube aus dem Laube einer Ulme; Alles die-
ses bildet ein herrliches Ganzes, welches den melancho-
lischen Effekt der braunen Mauern des Schlosses neutra-
lisirt und jener kleinen, ganz durchlöcherten und zerspal-
tenen Pforte, welche die Ueberbleibsel des Wohnsitzes der
alten maurischen Könige verschließt. –

Wenn Jhr hinaufsteigt, um den Alhambra zu sehen,
und Euern Namen jenen berühmten hinzuzufügen, die vor
Euch dort gewesen sind, so lasset das prächtige Gebäude
zur Seite liegen, dessen ovale Kuppel eben so einfach als
vollendet ist; später sollt Jhr bewundern die Treppe von
blauem Jaspis, die herrliche Gallerie, die Rotunde, von
zwei und dreißig Säulen aus Jaspis=Marmor getra-
gen, die Basreliefs, Medaillons und Gesimse. Hier
webt eine andere Civilisation, es ist das Grab der ara-
bischen; lest nur auf dem Friese:

IMPERATORI. CES. KAROL. V. HISP. REG.

Geht vorüber! Hier ist eine Nation, die das La-
tein des Mittelalters spricht, und die Sprache ihres Kö-
nigs Alfons vergißt und des Dichters Juan de Mena.

Tretet durch die kleine einfache Thür, die sich zur
Linken öffnet; es ist die Thür des Meßnar oder des Ra-
thes. Der erste Hof ist ein längliches Viereck mit einem
tiefen, engen Bassin, dessen Steinplatten zerbrochen sind,
und zu dem man auf zwei Marmortreppen gelangt. Die
Araber nannten diesen Hof das Bad; die Spanier ga-
[Spaltenumbruch] ben ihm den Namen Mirthenhof oder patio de los ar-
rayanes
, wegen der Mirthengesträuche, die, mit Rosen
vermischt, eine Blättermauer als mysteriöse Einfassung
um denselben bilden. An beiden Seiten sind Blumen-
Beete und Orangen=Alleen, und an beiden Enden befin-
det sich eine Gallerie von schlanken Säulen getragen.
Man geht rings um den patio durch Säulengänge, die
mit Marmor gepflastert sind. Die Bogen ruhen auf
leichten Pfeilern und Gewölben, die Mauern sind mit
Stuc bedeckt, das mit bewunderungswürdigem Geschmack
gearbeitet ist. Vier Jahrhunderte sind vorübergeschwun-
den, ohne daß das Gold und die Farben an Frische ver-
loren hätten. Der niedrigste Theil der Mauern wird
von einer Art Sockel in Mosaik geziert; man sieht hier
verschlungene Guirlanden, welche Buchstaben bilden, aus
denen verschiedene Jnschriften bestehen.

Wenn zur Stunde des Azala *) der König von
Granada seine edlen Ritter in dem Hofe des Bades ver-
sammelte, um sich zur Sambre **) zu begeben, so ließ
er die Jnschriften, die ihn umgaben, von den Mauern
ablesen, und dies war für Alle ein nützliches Vergnügen
und eine köstliche Belehrung. Bald ist darin von Gott
die Rede, von seiner Erbarmniß, von seiner Gerechtig-
keit, von seiner Macht; bald von der Milde der Könige,
von der Größe der Nationen, von der Hoffnung der
Kinder des Propheten, und immer ist ein Reimspruch.
So liest man z. B. auf einem Schilde:

„Gott ist das höchste Gut, das allgemeine Glück;
er ist die Sonne des Mitleids für duldende Herzen.“

Weiter liest man:

„Gott allein ist Sieger.“

und daneben:

„Ehre sei unserm Herrn Abd=Allah!“

Gegenüber der Pforte des Meßnars, die man her-
einkam, befindet sich eine andere, die nach dem Löwen-
hofe
führt, patio de los leones. Dieser Hof hat hun-
dert Fuß in der Länge, und funfzig in der Breite, und
ist mit einer Kolonade umgeben, die an jeder Seite sie-
ben Fuß in der Breite hat, und zehn Fuß am Ende
der Gallerie. An den beiden Enden befinden sich zwei
Pavillons, deren jeder dreizehn bis vierzehn Quadratfuß
enthält. Man kann sich nichts Zierlicheres und Fantasti-
scheres denken. Es sind zwei Kuppeln in Mosaik von
Gold und Azur, mehr schwebend als sich stützend auf
Säulen, die feiner ausgeführt sind, als Alles, was man
an sogenannten gothischen Bauwerken in dieser Art be-
wundert. Die Ziegel, die den Sockel bilden, sind gelb
und blau, wie die Felder eines Schachbretts. Zwischen
den zwei Einfassungen sind kleine Schilder mit Gold und
blau emaillirt angebracht und rings herum liest man die
Devise:

„Es giebt keinen andern Sieger als Gott.“

    (Fortsetzung folgt.)



[Ende Spaltensatz]
*) Das Gold des Darro ist eine Fabel. Granada schenkte 1526
Carl dem Fünften eine Krone, deren Gold aus dem Sande
dieses Flusses gewonnen war.
*) Das Gold des Darro ist eine Fabel. Granada schenkte 1526
Carl dem Fünften eine Krone, deren Gold aus dem Sande
dieses Flusses gewonnen war.
*) Abendgebet.
**) Das Fest des Abends, wobei Musik, Tanz und Spiele des
Geistes die Hauptvergnügungen ausmachten.
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Bald ist darin von Gott die Rede, von seiner Erbarmniß, von seiner Gerechtig- keit, von seiner Macht; bald von der Milde der Könige, von der Größe der Nationen, von der Hoffnung der Kinder des Propheten, und immer ist ein Reimspruch. So liest man z. B. auf einem Schilde: „Gott ist das höchste Gut, das allgemeine Glück; er ist die Sonne des Mitleids für duldende Herzen.“ Weiter liest man: „Gott allein ist Sieger.“ und daneben: „Ehre sei unserm Herrn Abd=Allah!“ Gegenüber der Pforte des Meßnars, die man her- einkam, befindet sich eine andere, die nach dem Löwen- hofe führt, patio de los leones. Dieser Hof hat hun- dert Fuß in der Länge, und funfzig in der Breite, und ist mit einer Kolonade umgeben, die an jeder Seite sie- ben Fuß in der Breite hat, und zehn Fuß am Ende der Gallerie. An den beiden Enden befinden sich zwei Pavillons, deren jeder dreizehn bis vierzehn Quadratfuß enthält. Man kann sich nichts Zierlicheres und Fantasti- scheres denken. Es sind zwei Kuppeln in Mosaik von Gold und Azur, mehr schwebend als sich stützend auf Säulen, die feiner ausgeführt sind, als Alles, was man an sogenannten gothischen Bauwerken in dieser Art be- wundert. Die Ziegel, die den Sockel bilden, sind gelb und blau, wie die Felder eines Schachbretts. Zwischen den zwei Einfassungen sind kleine Schilder mit Gold und blau emaillirt angebracht und rings herum liest man die Devise: „Es giebt keinen andern Sieger als Gott.“ (Fortsetzung folgt.) *) Das Gold des Darro ist eine Fabel. Granada schenkte 1526 Carl dem Fünften eine Krone, deren Gold aus dem Sande dieses Flusses gewonnen war. *) Das Gold des Darro ist eine Fabel. Granada schenkte 1526 Carl dem Fünften eine Krone, deren Gold aus dem Sande dieses Flusses gewonnen war. *) Abendgebet. **) Das Fest des Abends, wobei Musik, Tanz und Spiele des Geistes die Hauptvergnügungen ausmachten.

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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 28. Burg/Berlin, 1837, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt28_1837/2>, abgerufen am 24.11.2024.