Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 13. Burg/Berlin, 1836.1836. Erscheint jeden Sonnabend. Nro 13. Conversations=Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Redaction, Druck und Verlag der Otto'schen Buchhandlung in Burg.
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[Beginn Spaltensatz] Der Tod der Taube. Jn holde Träumerei versunken, saß [Spaltenumbruch]
Ein Mädchen sinnend in dem Blumengarten. Von zarter Hand geliebkost und gestreichelt, Ruht ihr ein weißes Täubchen in dem Schooß. Doch bald erfaßt die Sehnsucht nach der Freiheit Das zarte Thier; es sträubt sich, flattert auf. Willst du schon fort, du Ungetreue? ruft Das Mädchen zürnend; sehnst dich von mir weg? So flattre fort, doch kehre bald zurück! Sie drückt noch einmal sie an ihre Brust, Und giebt ihr dann die goldne Freiheit wieder. Da fliegt sie hin mit fessellosen Schwingen, Die Sehnsucht trieb sie fort aus sicherm Schooß, Nicht ahnend, daß hoch über ihr ein Geier Jn abgemess'nen Kreisen langsam zieht. Jetzt schießt er nieder, packt die Sträubende, Und an des Gartens Hag drückt er sie nieder. Das Mädchen sieht die drohende Gefahr, Eilt hin zur Rettung ihres kleinen Lieblings, Und jagt dem Räuber seine Beute ab, Die blutend nun zu ihren Füßen liegt. Sie hebt sie auf, drückt sie an ihre Brust, Und blickt den Räuber furchtsam zornig an, Versucht die Sterbende durch Küsse zu Beleben. Ach, vergebens ist ihr Mühn! Die Taube sieht mit einem matten Blick Voll Dankbarkeit das Mädchen an, und stirbt. - Was einmal in des Geiers Klauen blutet, Jst dem Verderben, ist dem Tod geweiht. Es lockt die Welt, doch ist sie voll Gefahren, Die nie sich nahen der Verborgenheit. 1836. Erscheint jeden Sonnabend. Nro 13. Conversations=Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Redaction, Druck und Verlag der Otto'schen Buchhandlung in Burg.
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[Beginn Spaltensatz] Der Tod der Taube. Jn holde Träumerei versunken, saß [Spaltenumbruch]
Ein Mädchen sinnend in dem Blumengarten. Von zarter Hand geliebkost und gestreichelt, Ruht ihr ein weißes Täubchen in dem Schooß. Doch bald erfaßt die Sehnsucht nach der Freiheit Das zarte Thier; es sträubt sich, flattert auf. Willst du schon fort, du Ungetreue? ruft Das Mädchen zürnend; sehnst dich von mir weg? So flattre fort, doch kehre bald zurück! Sie drückt noch einmal sie an ihre Brust, Und giebt ihr dann die goldne Freiheit wieder. Da fliegt sie hin mit fessellosen Schwingen, Die Sehnsucht trieb sie fort aus sicherm Schooß, Nicht ahnend, daß hoch über ihr ein Geier Jn abgemess'nen Kreisen langsam zieht. Jetzt schießt er nieder, packt die Sträubende, Und an des Gartens Hag drückt er sie nieder. Das Mädchen sieht die drohende Gefahr, Eilt hin zur Rettung ihres kleinen Lieblings, Und jagt dem Räuber seine Beute ab, Die blutend nun zu ihren Füßen liegt. Sie hebt sie auf, drückt sie an ihre Brust, Und blickt den Räuber furchtsam zornig an, Versucht die Sterbende durch Küsse zu Beleben. Ach, vergebens ist ihr Mühn! Die Taube sieht mit einem matten Blick Voll Dankbarkeit das Mädchen an, und stirbt. – Was einmal in des Geiers Klauen blutet, Jst dem Verderben, ist dem Tod geweiht. Es lockt die Welt, doch ist sie voll Gefahren, Die nie sich nahen der Verborgenheit. <TEI> <text> <front> <pb facs="#f0001"/> <titlePage xml:id="tp1a" type="heading" next="#tp1b"> <docImprint> <docDate>1836.</docDate> </docImprint> </titlePage> <div type="jExpedition"> <p> <hi rendition="#c">Erscheint jeden Sonnabend.</hi> </p> </div> <titlePage xml:id="tp1b" prev="#tp1a" type="heading"> <titlePart type="sub"> <hi rendition="#right">N<hi rendition="#sup">ro</hi> 13.</hi> </titlePart><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <titlePart type="main"> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#fr">Conversations=Blatt<lb/> zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände.</hi> </hi> </titlePart><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <docImprint> <publisher> <hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Redaction, Druck und Verlag der Otto'schen Buchhandlung in Burg</hi>.</hi> </publisher> </docImprint> </titlePage><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </front> <body> <figure/><lb/> <cb type="start" n="[193]"/> <div type="poem" n="1"> <lg type="poem"> <head> <hi rendition="#fr">Der Tod der Taube.</hi> </head><lb/> <lg n="1"> <l>Jn holde Träumerei versunken, saß</l><lb/> <l>Ein Mädchen sinnend in dem Blumengarten.</l><lb/> <l>Von zarter Hand geliebkost und gestreichelt,</l><lb/> <l>Ruht ihr ein weißes Täubchen in dem Schooß.</l><lb/> <l>Doch bald erfaßt die Sehnsucht nach der Freiheit</l><lb/> <l>Das zarte Thier; es sträubt sich, flattert auf.</l><lb/> <l>Willst du schon fort, du Ungetreue? ruft</l><lb/> <l>Das Mädchen zürnend; sehnst dich von mir weg?</l><lb/> <l>So flattre fort, doch kehre bald zurück!</l><lb/> <l>Sie drückt noch einmal sie an ihre Brust,</l><lb/> <l>Und giebt ihr dann die goldne Freiheit wieder.</l><lb/> <l>Da fliegt sie hin mit fessellosen Schwingen,</l><lb/> <l>Die Sehnsucht trieb sie fort aus sicherm Schooß,</l><lb/> <l>Nicht ahnend, daß hoch über ihr ein Geier</l><lb/> <l>Jn abgemess'nen Kreisen langsam zieht.</l> </lg><lb/> <cb n="[194]"/> <lg n="2"> <l>Jetzt schießt er nieder, packt die Sträubende,</l><lb/> <l>Und an des Gartens Hag drückt er sie nieder.</l><lb/> <l>Das Mädchen sieht die drohende Gefahr,</l><lb/> <l>Eilt hin zur Rettung ihres kleinen Lieblings,</l><lb/> <l>Und jagt dem Räuber seine Beute ab,</l><lb/> <l>Die blutend nun zu ihren Füßen liegt.</l><lb/> <l>Sie hebt sie auf, drückt sie an ihre Brust,</l><lb/> <l>Und blickt den Räuber furchtsam zornig an,</l><lb/> <l>Versucht die Sterbende durch Küsse zu</l><lb/> <l>Beleben. Ach, vergebens ist ihr Mühn!</l><lb/> <l>Die Taube sieht mit einem matten Blick</l><lb/> <l>Voll Dankbarkeit das Mädchen an, und stirbt. –</l> </lg><lb/> <lg n="3"> <l>Was einmal in des Geiers Klauen blutet,</l><lb/> <l>Jst dem Verderben, ist dem Tod geweiht.</l><lb/> <l>Es lockt die Welt, doch ist sie voll Gefahren,</l><lb/> <l>Die nie sich nahen der Verborgenheit.</l> </lg> </lg><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div><lb/> <cb type="end"/> </body> </text> </TEI> [0001]
1836. Erscheint jeden Sonnabend.
Nro 13.
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zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände.
Redaction, Druck und Verlag der Otto'schen Buchhandlung in Burg.
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Der Tod der Taube.
Jn holde Träumerei versunken, saß
Ein Mädchen sinnend in dem Blumengarten.
Von zarter Hand geliebkost und gestreichelt,
Ruht ihr ein weißes Täubchen in dem Schooß.
Doch bald erfaßt die Sehnsucht nach der Freiheit
Das zarte Thier; es sträubt sich, flattert auf.
Willst du schon fort, du Ungetreue? ruft
Das Mädchen zürnend; sehnst dich von mir weg?
So flattre fort, doch kehre bald zurück!
Sie drückt noch einmal sie an ihre Brust,
Und giebt ihr dann die goldne Freiheit wieder.
Da fliegt sie hin mit fessellosen Schwingen,
Die Sehnsucht trieb sie fort aus sicherm Schooß,
Nicht ahnend, daß hoch über ihr ein Geier
Jn abgemess'nen Kreisen langsam zieht.
Jetzt schießt er nieder, packt die Sträubende,
Und an des Gartens Hag drückt er sie nieder.
Das Mädchen sieht die drohende Gefahr,
Eilt hin zur Rettung ihres kleinen Lieblings,
Und jagt dem Räuber seine Beute ab,
Die blutend nun zu ihren Füßen liegt.
Sie hebt sie auf, drückt sie an ihre Brust,
Und blickt den Räuber furchtsam zornig an,
Versucht die Sterbende durch Küsse zu
Beleben. Ach, vergebens ist ihr Mühn!
Die Taube sieht mit einem matten Blick
Voll Dankbarkeit das Mädchen an, und stirbt. –
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