Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 10. Burg/Berlin, 1836.157 Conversations=Blatt. 158 [Beginn Spaltensatz]
wachsender Stärke die ganze Nacht hindurch und alser sich endlich legte, vermochte Haesloop der beängsti- genden Aufregung, der Sorge für seine Schiffe, nicht Herr zu werden. Drei Tage der beklemmendsten Erwartung gingen Mit bangem Herzen hatte sein liebes Weib ihres Was soll aus uns werden? war ihr erster Aus- (Fortsetzung folgt.) Wolf Wolfrath's Begebenhei- ten und Beschreibung des Tur- niers zu Wien im Jahr 1565. (Fortsetzung.) Da sprach zu mir mein Herr Maxler, der Eh- Nun mußte ich lernen die Bilder und Figuren Nun aber traten wir die Reise an, und fuhr 157 Conversations=Blatt. 158 [Beginn Spaltensatz]
wachsender Stärke die ganze Nacht hindurch und alser sich endlich legte, vermochte Haesloop der beängsti- genden Aufregung, der Sorge für seine Schiffe, nicht Herr zu werden. Drei Tage der beklemmendsten Erwartung gingen Mit bangem Herzen hatte sein liebes Weib ihres Was soll aus uns werden? war ihr erster Aus- (Fortsetzung folgt.) Wolf Wolfrath's Begebenhei- ten und Beschreibung des Tur- niers zu Wien im Jahr 1565. (Fortsetzung.) Da sprach zu mir mein Herr Maxler, der Eh- Nun mußte ich lernen die Bilder und Figuren Nun aber traten wir die Reise an, und fuhr <TEI> <text> <body> <div xml:id="Auswanderer1" type="jArticle" n="1"> <p><pb facs="#f0007"/><fw type="header" place="top">157 Conversations=Blatt. 158</fw><cb type="start" n="157"/> wachsender Stärke die ganze Nacht hindurch und als<lb/> er sich endlich legte, vermochte Haesloop der beängsti-<lb/> genden Aufregung, der Sorge für seine Schiffe, nicht<lb/> Herr zu werden.</p><lb/> <p>Drei Tage der beklemmendsten Erwartung gingen<lb/> vorüber, da kamen endlich die Schiffsberichte aus<lb/> Holland. Alle seine Fahrzeuge waren gescheitert und<lb/> ihre Fracht, von dem Seewasser getränkt und verdor-<lb/> ben, bedeckte den Strand von Scheveningen bis zum<lb/> Texel. Wie viel Haesloop dabei verlor, konnte er nur<lb/> selbst wissen. Er nahm seine Bücher und rechnete die<lb/> ganze Nacht hindurch. Am Abschluß kam er zu der<lb/> Ueberzeugung, daß er Alles verloren, und daß ihm<lb/> nur ein ganz geringes Geld übrig bleibe, keinesweges<lb/> genügend, um, auch unter den bescheidensten Verhält-<lb/> nissen, sich und seine Familie in Bremen zu unter-<lb/> halten.</p><lb/> <p>Mit bangem Herzen hatte sein liebes Weib ihres<lb/> Mannes geharrt. Endlich erschien er und sein unstäter<lb/> Blick sagte ihr schon, daß nichts mehr zu hoffen war.<lb/> Trostworte zu finden, war unmöglich, weinend hing<lb/> sie sich an den Hals ihres Gatten.</p><lb/> <p>Was soll aus uns werden? war ihr erster Aus-<lb/> ruf. – Verzweifle nicht und höre mich an, liebes Weib,<lb/> sagte Haesloop. Hier in Bremen können wir nicht<lb/> bleiben; das, was wir retten, ist nicht hinlänglich,<lb/> damit wir auch nur äußerlich einigen Wohlstand mas-<lb/> kiren. Jch habe einen Plan und wenn du Muth hast,<lb/> mir zu folgen, so kann noch Alles gut werden. – Wo-<lb/> hin sollt' ich dir nicht folgen? sagte das geängstete<lb/> Weib und ihr Mann eröffnete nun seinen Vorsatz, seine<lb/> Geschäfte in aller Ordnung abzuwickeln und dann nach<lb/> Amerika auszuwandern. Hier in Bremen würden wir,<lb/> an unsern frühern Wohlstand fortwährend erinnert,<lb/> keine frohe Stunde mehr haben, dort ist Alles neu;<lb/> das Geld, welches wir noch retten, ist hinlänglich,<lb/> damit wir mit Ehren hier abreisen und uns dort als<lb/> Landwirthe ankaufen. Wenn du willst, so schlage<lb/> ein!</p><lb/> <p><space dim="horizontal"/> (Fortsetzung folgt.) <note type="editorial">Die unmittelbar folgenden Ausgabe, die vermutlich Fortsetzungen des Artikels enthalten, fehlen. <ref target="nn_conversationsblatt13_1836#Auswanderer2">Ausgabe 13, die den Schlussteil enthält, ist vorhanden.</ref></note></p> </div><lb/> <div xml:id="Wolf2" type="jArticle" n="1"> <head><hi rendition="#fr"><hi rendition="#g">Wolf Wolfrath's</hi> Begebenhei-<lb/> ten und Beschreibung des Tur-<lb/> niers zu Wien im Jahr</hi> 1565.</head><lb/> <argument> <p> <hi rendition="#c">(Fortsetzung.)</hi> <note type="editorial">Ausgabe 9, die vermutlich den unmittelbar vorangegangenen Fortsetzungsteil enthält, fehlt. <ref target="nn_conversationsblatt08_1836#Wolf1">Ausgabe 8, die den Beginn des Artikels enthält, ist vorhanden.</ref></note> </p> </argument><lb/> <p>Da sprach zu mir mein Herr <hi rendition="#g">Maxler,</hi> der Eh-<lb/> renhold: <hi rendition="#g">Wolf,</hi> du sollst auch mitziehen nach Wien<lb/> zum Turniere, und will ich dich machen zu meinem<lb/><hi rendition="#g">Persevanten.</hi> Da fragt' ich: Was ist das? Er<lb/> sprach: Du wirst's erfahren.</p><lb/> <p>Nun mußte ich lernen die Bilder und Figuren<lb/> erkennen auf den Wappenschildern, und unterscheiden<lb/> die Tinkturen, Gold, Silber, Veh (Pelzwerk) und<lb/> allerlei Farben, wie sie vorkamen. Auch lernte ich<lb/> den Stab führen, ausrufen, Stillschweigen gebieten<lb/> und thun, was die Persevanten und Lehrlinge der Eh-<lb/> renholde thun müssen. Und ich begriff das Alles sehr<lb/><cb n="158"/> wohl. Da freuete sich mein Lehrer darüber, führte<lb/> mich zum Herzog und machte meine Aufnahme kund.<lb/> Das geschah nach dem Gebrauche an einem Sonntage.<lb/> Da trat der Ehrenhold vor den Herzog und die fürst-<lb/> liche Versammlung in den Saal, angethan mit seinem<lb/> Ehrenkleide, führte mit seiner linken Hand mich an<lb/> meiner rechten, und trug in der Rechten zwei Scha-<lb/> len, gefüllt mit Wasser die eine, mit Wein die an-<lb/> dere. Dann fragte er den Herzog, ob er seine Er-<lb/> laubniß gebe, mich anzunehmen zu seinem Persevanten.<lb/> Da nun der Herzog Ja sprach, begoß der Meister<lb/> meinen Kopf mit Wein und Wasser, und legte mir<lb/> dann mein neues Persevantenkleid an, fast wie das<lb/> seinige, nur nicht so reich gestickt und verbrämt, und<lb/> ließ sich von mir den Eid der Treue schwören. So<lb/> war Alles gut. Es sprach aber der Narr, ich sähe<lb/> aus wie eine Gans, der die Flügel gebunden wären.<lb/> Da war ich muthig und sprach: So sehe ich doch<lb/> besser aus, als ein Narr. Der Narr nahm seine<lb/> Kappe ab und reichte mir seine Kolbe; ich aber<lb/> sprach: Jch mache nicht gern arme Leute. Nähm ich<lb/> dir die Kolbe, so wärst du gar nichts. Alle lachten<lb/> und mein Herr sagte: „Nun, <hi rendition="#g">Kunz,</hi> hast du genug<lb/> Kraut auf der Schüssel? Der Narr sprach: Das<lb/> Fleisch fehlt. Da sagte ich: Stecke dich hinein, da<lb/> giebt's Schweinewildpret drinne. Die Herzogin freuete<lb/> sich darüber und sagte: <hi rendition="#g">Kunz</hi> hat seinen Mann ge-<lb/> funden. Nein, seinen Jungen, sagte der Narr. Jch<lb/> aber sprach: Es ist ein junger Kuckuk, die alte Gras-<lb/> mücke kommt um ihren Kopf. Da sagte der Herzog:<lb/> Höre, <hi rendition="#g">Wolf,</hi> du sollst zuweilen dem Narren etwas<lb/> abgeben, damit er klug wird. Da sprach ich: Gnä-<lb/> diger Herr, laßt ihn lieber einen Narren bleiben, so<lb/> verhungert er nicht. Dich füttern die Kammermägde,<lb/> drum bist du so witzig, sagte der Narr, und schrie<lb/> laut: „Wer kauft? wer kauft? Holla! wer kauft<lb/> meine Kappe? Wir aber gingen davon. Und da mir<lb/> der Fürstin Gürtelmagd begegnete, sagte sie: Lieber,<lb/> komm diesen Abend zu uns, bringe deine Harfe mit,<lb/> und singe uns etwas vor. Und ich versprach's und<lb/> kam und sang. Als ich nun von dannen ging, sah<lb/> es der Narr, lief auf mich zu und fragte: Welche<lb/> Zeit ist es? Jch sprach: Es ist die Zeit, wo man<lb/> dem Narren aus dem Wege geht. Er aber gab mir<lb/> einen Schlag und sagte: Es schlägt Eins auf einmal.<lb/> Jch sprach: Laß das sein! Er sagte: Was machst du<lb/> bei den Mägden? und wollte mich wieder schlagen.<lb/> Jch aber nahm ihm die Kolbe, schlug ihn zu Boden,<lb/> ging davon und sprach: Narren muß man die Kolbe<lb/> lausen. Da ließ er mich nachher gehen und schlug<lb/> mich nicht mehr, wenn er mich auch neckte.</p><lb/> <p>Nun aber traten wir die Reise an, und fuhr<lb/> der Narr auf einem Kärnlein, in einem Gegitter, fast<lb/> wie in einem Vogelkäfig, hinter dem Wagen des Her-<lb/> zogs her. Viele Ritter und Reisige begleiteten den<lb/> Herzog und sein Gemahl, und des Hofgesindes war<lb/> fast gar viel dabei. Wir aber gingen bald zu Wasser<lb/> weiter und fuhren in schönen gemalten Schiffen die<lb/> Donau hinab. Jn dem unsern hatten wir bei uns</p> </div><lb/> <cb type="end"/> </body> </text> </TEI> [0007]
157 Conversations=Blatt. 158
wachsender Stärke die ganze Nacht hindurch und als
er sich endlich legte, vermochte Haesloop der beängsti-
genden Aufregung, der Sorge für seine Schiffe, nicht
Herr zu werden.
Drei Tage der beklemmendsten Erwartung gingen
vorüber, da kamen endlich die Schiffsberichte aus
Holland. Alle seine Fahrzeuge waren gescheitert und
ihre Fracht, von dem Seewasser getränkt und verdor-
ben, bedeckte den Strand von Scheveningen bis zum
Texel. Wie viel Haesloop dabei verlor, konnte er nur
selbst wissen. Er nahm seine Bücher und rechnete die
ganze Nacht hindurch. Am Abschluß kam er zu der
Ueberzeugung, daß er Alles verloren, und daß ihm
nur ein ganz geringes Geld übrig bleibe, keinesweges
genügend, um, auch unter den bescheidensten Verhält-
nissen, sich und seine Familie in Bremen zu unter-
halten.
Mit bangem Herzen hatte sein liebes Weib ihres
Mannes geharrt. Endlich erschien er und sein unstäter
Blick sagte ihr schon, daß nichts mehr zu hoffen war.
Trostworte zu finden, war unmöglich, weinend hing
sie sich an den Hals ihres Gatten.
Was soll aus uns werden? war ihr erster Aus-
ruf. – Verzweifle nicht und höre mich an, liebes Weib,
sagte Haesloop. Hier in Bremen können wir nicht
bleiben; das, was wir retten, ist nicht hinlänglich,
damit wir auch nur äußerlich einigen Wohlstand mas-
kiren. Jch habe einen Plan und wenn du Muth hast,
mir zu folgen, so kann noch Alles gut werden. – Wo-
hin sollt' ich dir nicht folgen? sagte das geängstete
Weib und ihr Mann eröffnete nun seinen Vorsatz, seine
Geschäfte in aller Ordnung abzuwickeln und dann nach
Amerika auszuwandern. Hier in Bremen würden wir,
an unsern frühern Wohlstand fortwährend erinnert,
keine frohe Stunde mehr haben, dort ist Alles neu;
das Geld, welches wir noch retten, ist hinlänglich,
damit wir mit Ehren hier abreisen und uns dort als
Landwirthe ankaufen. Wenn du willst, so schlage
ein!
(Fortsetzung folgt.)
Wolf Wolfrath's Begebenhei-
ten und Beschreibung des Tur-
niers zu Wien im Jahr 1565.
(Fortsetzung.)
Da sprach zu mir mein Herr Maxler, der Eh-
renhold: Wolf, du sollst auch mitziehen nach Wien
zum Turniere, und will ich dich machen zu meinem
Persevanten. Da fragt' ich: Was ist das? Er
sprach: Du wirst's erfahren.
Nun mußte ich lernen die Bilder und Figuren
erkennen auf den Wappenschildern, und unterscheiden
die Tinkturen, Gold, Silber, Veh (Pelzwerk) und
allerlei Farben, wie sie vorkamen. Auch lernte ich
den Stab führen, ausrufen, Stillschweigen gebieten
und thun, was die Persevanten und Lehrlinge der Eh-
renholde thun müssen. Und ich begriff das Alles sehr
wohl. Da freuete sich mein Lehrer darüber, führte
mich zum Herzog und machte meine Aufnahme kund.
Das geschah nach dem Gebrauche an einem Sonntage.
Da trat der Ehrenhold vor den Herzog und die fürst-
liche Versammlung in den Saal, angethan mit seinem
Ehrenkleide, führte mit seiner linken Hand mich an
meiner rechten, und trug in der Rechten zwei Scha-
len, gefüllt mit Wasser die eine, mit Wein die an-
dere. Dann fragte er den Herzog, ob er seine Er-
laubniß gebe, mich anzunehmen zu seinem Persevanten.
Da nun der Herzog Ja sprach, begoß der Meister
meinen Kopf mit Wein und Wasser, und legte mir
dann mein neues Persevantenkleid an, fast wie das
seinige, nur nicht so reich gestickt und verbrämt, und
ließ sich von mir den Eid der Treue schwören. So
war Alles gut. Es sprach aber der Narr, ich sähe
aus wie eine Gans, der die Flügel gebunden wären.
Da war ich muthig und sprach: So sehe ich doch
besser aus, als ein Narr. Der Narr nahm seine
Kappe ab und reichte mir seine Kolbe; ich aber
sprach: Jch mache nicht gern arme Leute. Nähm ich
dir die Kolbe, so wärst du gar nichts. Alle lachten
und mein Herr sagte: „Nun, Kunz, hast du genug
Kraut auf der Schüssel? Der Narr sprach: Das
Fleisch fehlt. Da sagte ich: Stecke dich hinein, da
giebt's Schweinewildpret drinne. Die Herzogin freuete
sich darüber und sagte: Kunz hat seinen Mann ge-
funden. Nein, seinen Jungen, sagte der Narr. Jch
aber sprach: Es ist ein junger Kuckuk, die alte Gras-
mücke kommt um ihren Kopf. Da sagte der Herzog:
Höre, Wolf, du sollst zuweilen dem Narren etwas
abgeben, damit er klug wird. Da sprach ich: Gnä-
diger Herr, laßt ihn lieber einen Narren bleiben, so
verhungert er nicht. Dich füttern die Kammermägde,
drum bist du so witzig, sagte der Narr, und schrie
laut: „Wer kauft? wer kauft? Holla! wer kauft
meine Kappe? Wir aber gingen davon. Und da mir
der Fürstin Gürtelmagd begegnete, sagte sie: Lieber,
komm diesen Abend zu uns, bringe deine Harfe mit,
und singe uns etwas vor. Und ich versprach's und
kam und sang. Als ich nun von dannen ging, sah
es der Narr, lief auf mich zu und fragte: Welche
Zeit ist es? Jch sprach: Es ist die Zeit, wo man
dem Narren aus dem Wege geht. Er aber gab mir
einen Schlag und sagte: Es schlägt Eins auf einmal.
Jch sprach: Laß das sein! Er sagte: Was machst du
bei den Mägden? und wollte mich wieder schlagen.
Jch aber nahm ihm die Kolbe, schlug ihn zu Boden,
ging davon und sprach: Narren muß man die Kolbe
lausen. Da ließ er mich nachher gehen und schlug
mich nicht mehr, wenn er mich auch neckte.
Nun aber traten wir die Reise an, und fuhr
der Narr auf einem Kärnlein, in einem Gegitter, fast
wie in einem Vogelkäfig, hinter dem Wagen des Her-
zogs her. Viele Ritter und Reisige begleiteten den
Herzog und sein Gemahl, und des Hofgesindes war
fast gar viel dabei. Wir aber gingen bald zu Wasser
weiter und fuhren in schönen gemalten Schiffen die
Donau hinab. Jn dem unsern hatten wir bei uns
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