Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 8. Burg/Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite
119 Conversations=Blatt. 120

[Abbildung] [Beginn Spaltensatz]

Schweig, Narr! Singe, mein Sohn! Und ich er-
mannte mich, spielte und sang:

Wohl kömmt der Mai
mit mancherlei
der Blümlein zart,
nach ihrer Art,
erquicket das
verdorben was
je durch Winters Gewalt,
Das erfreut sich mannichfalt.
Alles was lebt,
jetzt sich erhebt,
der Vöglein Gesang,
welcher vor lang
geschwiegen was,
auch Laub und Gras,
ja, es grünet wohl schon;
derhalben ich nicht trauern kann.
Ganz sonderlich
erfreu ich mich
heimlichen des,
ich weiß wohl weß,
davon nicht viel
ich sagen will,
ja auch nicht soll,
will Gott mir wohl, so geht's mir wohl!
[Spaltenumbruch]

Ja, wem Gott wohl will, dem geht's immer
wohl! sagte der Bischof gar fromm, und der Herzog
sprach: Narr, wie hat der Sänger gesungen? Da
sprach der Narr: Besser, als mein Esel. Das ver-
droß mich schier, daß ich ganz roth wurde. Der Her-
zog aber lachte und sprach: Wolf hat's gut gemacht;
er soll uns noch ein Liedlein singen. Mir war's gar
nicht recht, ich mußte aber doch singen.

Ohn' allen Falsch will ich stets sein
bis an meines Lebens Ende,
gegen die Allerliebste mein,
von der ich mich nicht wende.
Mit Seufzen klag'
ich Nacht und Tag;
mein Herz sich nach ihr kränket,
doch wohl ich hoff,
sie werd' mich noch
in ihr Herz lieblich senken.

Der Narr schrie: Potz hinkende Gans! der Bub'
ist verliebt wie ein Spatz. Alle lachten laut auf. Jch
aber sprach: Es ist nur so ein Lied, das ich gelernt
habe. Da fragte der eine Ritter: Du bist also nicht
verliebt? Wohl dir! Die Herzogin drohte ihm mit
dem Finger und sprach kein Wort dazu.

    (Fortsetzung folgt.)



[Ende Spaltensatz]
119 Conversations=Blatt. 120

[Abbildung] [Beginn Spaltensatz]

Schweig, Narr! Singe, mein Sohn! Und ich er-
mannte mich, spielte und sang:

Wohl kömmt der Mai
mit mancherlei
der Blümlein zart,
nach ihrer Art,
erquicket das
verdorben was
je durch Winters Gewalt,
Das erfreut sich mannichfalt.
Alles was lebt,
jetzt sich erhebt,
der Vöglein Gesang,
welcher vor lang
geschwiegen was,
auch Laub und Gras,
ja, es grünet wohl schon;
derhalben ich nicht trauern kann.
Ganz sonderlich
erfreu ich mich
heimlichen des,
ich weiß wohl weß,
davon nicht viel
ich sagen will,
ja auch nicht soll,
will Gott mir wohl, so geht's mir wohl!
[Spaltenumbruch]

Ja, wem Gott wohl will, dem geht's immer
wohl! sagte der Bischof gar fromm, und der Herzog
sprach: Narr, wie hat der Sänger gesungen? Da
sprach der Narr: Besser, als mein Esel. Das ver-
droß mich schier, daß ich ganz roth wurde. Der Her-
zog aber lachte und sprach: Wolf hat's gut gemacht;
er soll uns noch ein Liedlein singen. Mir war's gar
nicht recht, ich mußte aber doch singen.

Ohn' allen Falsch will ich stets sein
bis an meines Lebens Ende,
gegen die Allerliebste mein,
von der ich mich nicht wende.
Mit Seufzen klag'
ich Nacht und Tag;
mein Herz sich nach ihr kränket,
doch wohl ich hoff,
sie werd' mich noch
in ihr Herz lieblich senken.

Der Narr schrie: Potz hinkende Gans! der Bub'
ist verliebt wie ein Spatz. Alle lachten laut auf. Jch
aber sprach: Es ist nur so ein Lied, das ich gelernt
habe. Da fragte der eine Ritter: Du bist also nicht
verliebt? Wohl dir! Die Herzogin drohte ihm mit
dem Finger und sprach kein Wort dazu.

    (Fortsetzung folgt.)



[Ende Spaltensatz]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div xml:id="Wolf1" type="jArticle" n="1">
        <pb facs="#f0004"/>
        <fw type="header" place="top">119 <hi rendition="#c">Conversations=Blatt.</hi> <hi rendition="#right">120</hi></fw><lb/>
        <figure/>
        <cb type="start" n="119"/>
        <p>Schweig, Narr! Singe, mein Sohn! Und ich er-<lb/>
mannte mich, spielte und sang:</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <lg n="1">
            <l>Wohl kömmt der Mai</l><lb/>
            <l>mit mancherlei</l><lb/>
            <l>der Blümlein zart,</l><lb/>
            <l>nach ihrer Art,</l><lb/>
            <l>erquicket das</l><lb/>
            <l>verdorben was</l><lb/>
            <l>je durch Winters Gewalt,</l><lb/>
            <l>Das erfreut sich mannichfalt.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Alles was lebt,</l><lb/>
            <l>jetzt sich erhebt,</l><lb/>
            <l>der Vöglein Gesang,</l><lb/>
            <l>welcher vor lang</l><lb/>
            <l>geschwiegen was,</l><lb/>
            <l>auch Laub und Gras,</l><lb/>
            <l>ja, es grünet wohl schon;</l><lb/>
            <l>derhalben ich nicht trauern kann.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="3">
            <l>Ganz sonderlich</l><lb/>
            <l>erfreu ich mich</l><lb/>
            <l>heimlichen des,</l><lb/>
            <l>ich weiß wohl weß,</l><lb/>
            <l>davon nicht viel</l><lb/>
            <l>ich sagen will,</l><lb/>
            <l>ja auch nicht soll,</l><lb/>
            <l>will Gott mir wohl, so geht's mir wohl!</l>
          </lg>
        </lg><lb/>
        <cb n="120"/>
        <p>Ja, wem Gott wohl will, dem geht's immer<lb/>
wohl! sagte der Bischof gar fromm, und der Herzog<lb/>
sprach: Narr, wie hat der Sänger gesungen? Da<lb/>
sprach der Narr: Besser, als mein Esel. Das ver-<lb/>
droß mich schier, daß ich ganz roth wurde. Der Her-<lb/>
zog aber lachte und sprach: <hi rendition="#g">Wolf</hi> hat's gut gemacht;<lb/>
er soll uns noch ein Liedlein singen. Mir war's gar<lb/>
nicht recht, ich mußte aber doch singen.</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>Ohn' allen Falsch will ich stets sein</l><lb/>
          <l>bis an meines Lebens Ende,</l><lb/>
          <l>gegen die Allerliebste mein,</l><lb/>
          <l>von der ich mich nicht wende.</l><lb/>
          <l>Mit Seufzen klag'</l><lb/>
          <l>ich Nacht und Tag;</l><lb/>
          <l>mein Herz sich nach ihr kränket,</l><lb/>
          <l>doch wohl ich hoff,</l><lb/>
          <l>sie werd' mich noch</l><lb/>
          <l>in ihr Herz lieblich senken.</l>
        </lg><lb/>
        <p>Der Narr schrie: Potz hinkende Gans! der Bub'<lb/>
ist verliebt wie ein Spatz. Alle lachten laut auf. Jch<lb/>
aber sprach: Es ist nur so ein Lied, das ich gelernt<lb/>
habe. Da fragte der eine Ritter: Du bist also nicht<lb/>
verliebt? Wohl dir! Die Herzogin drohte ihm mit<lb/>
dem Finger und sprach kein Wort dazu.</p><lb/>
        <p><space dim="horizontal"/>   (Fortsetzung folgt.) <note type="editorial">Ausgabe 9, die vermutlich die unmittelbar folgende Fortsetzung enthält, fehlt. <ref target="nn_conversationsblatt10_1836#Wolf2">Ausgabe 10, die einen weiteren Fortsetzungsteil enthält, ist vorhanden.</ref></note></p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <cb type="end"/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0004] 119 Conversations=Blatt. 120 [Abbildung] Schweig, Narr! Singe, mein Sohn! Und ich er- mannte mich, spielte und sang: Wohl kömmt der Mai mit mancherlei der Blümlein zart, nach ihrer Art, erquicket das verdorben was je durch Winters Gewalt, Das erfreut sich mannichfalt. Alles was lebt, jetzt sich erhebt, der Vöglein Gesang, welcher vor lang geschwiegen was, auch Laub und Gras, ja, es grünet wohl schon; derhalben ich nicht trauern kann. Ganz sonderlich erfreu ich mich heimlichen des, ich weiß wohl weß, davon nicht viel ich sagen will, ja auch nicht soll, will Gott mir wohl, so geht's mir wohl! Ja, wem Gott wohl will, dem geht's immer wohl! sagte der Bischof gar fromm, und der Herzog sprach: Narr, wie hat der Sänger gesungen? Da sprach der Narr: Besser, als mein Esel. Das ver- droß mich schier, daß ich ganz roth wurde. Der Her- zog aber lachte und sprach: Wolf hat's gut gemacht; er soll uns noch ein Liedlein singen. Mir war's gar nicht recht, ich mußte aber doch singen. Ohn' allen Falsch will ich stets sein bis an meines Lebens Ende, gegen die Allerliebste mein, von der ich mich nicht wende. Mit Seufzen klag' ich Nacht und Tag; mein Herz sich nach ihr kränket, doch wohl ich hoff, sie werd' mich noch in ihr Herz lieblich senken. Der Narr schrie: Potz hinkende Gans! der Bub' ist verliebt wie ein Spatz. Alle lachten laut auf. Jch aber sprach: Es ist nur so ein Lied, das ich gelernt habe. Da fragte der eine Ritter: Du bist also nicht verliebt? Wohl dir! Die Herzogin drohte ihm mit dem Finger und sprach kein Wort dazu. (Fortsetzung folgt.)

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Peter Fankhauser: Automatische Transformation von TUSTEP nach TEI P5 (DTA-Basisformat).
Deutsches Textarchiv: Metadatenerfassung
Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und Volltext-Transkription
Susanne Haaf, Rahel Hartz, Nicole Postelt: Nachkorrektur und Vervollständigung der TEI/DTABf-Annotation
Rahel Hartz: Artikelstrukturierung

Weitere Informationen:

Dieser Text wurde aus dem TUSTEP-Format nach TEI-P5 konvertiert und anschließend in das DTA-Basisformat überführt.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt08_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt08_1836/4
Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 8. Burg/Berlin, 1836, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt08_1836/4>, abgerufen am 21.11.2024.