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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 4. Burg/Berlin, 1838.

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61 Conversations=Blatt. 62
[Beginn Spaltensatz] ließ ich sie von den zehn Kosacken, die mich begleiteten
umzingeln. Es entspann sich nun ein schrecklicher Kampf:
das Volk ergriff die Flucht, ohne mir thätlichen Beistand
leisten zu wollen, und die beiden Räuber vertheidigten sich
wüthend mit ihren Yataganen. Ein Kosack ward getöd-
tet, drei wurden verwundet; endlich aber gelang es
mir, Kara=Aly's habhaft zu werden, denn er war es;
in Verzweiflung warf er seinen Yatagan von sich und
schrie: "Gott wollt' es so! tödte mich, bewache mich,
thu' was Du willst, ich bin vom Verhängnisse besiegt!"
Nun wandte er sich mit lauter Stimme an seinen Ge-
fährten, der weniger eng bedrängt, noch kämpfte, und
rief ihm zu: "Musrum, rette Dich, ich ernenne Dich
zum Khan der Truppe!" Und als meine Leute mit
einem siegreichen Hurrah antworteten, fügte er bei:
"oder wenn Du unterliegst, so sei Deine Zunge stumm,
wie der Stein!" Glücklicherweise ergab sich jetzt Mus-
rum, und wir konnten beide knebeln. Jm Gefängnisse
beobachteten sie tiefes Schweigen, und alle Mittel wa-
ren unvermögend, sie zu einer Enthüllung zu bringen.
Endlich ließ Musrum unter der Tortur die Worte
fallen: "Suchet auf dem Kyrymal (Berg Kyrym) ,
Jhr werdet die Höhle Mustapha = Jblis (Mustapha der
Teufel) finden." -


Jch nahm sofort 200 Fußsoldaten und die 50 Ko-
sacken und schlug den Weg nach dem genannten Berg
ein. Am Fuße des Pfades, der hinanführt, angelangt,
stellte ich, um jeden Ausweg abzuschneiden, die Kosacken
und hundert Mann Fußvolk rings herum auf, und
setzte mich in Begleitung der übrigen hundert Mann
auf dem schmalen Wege, der zu der Höhle führte, die
Musrum bezeichnet hatte, in Marsch. Kaum hatten
wir einige Schritte gethan, als wir einem Manne die
Flucht abschnitten; bald hörten wir einen Flintenschuß,
auf den fast gleichzeitig ein besser unterhaltenes Abfeuern
folgte. Mehre meiner Soldaten wurden verwundet,
drei sogar plötzlich getödtet; unser Marsch aber ward
dadurch nicht aufgehalten, und in weniger als einer
Stunde hatten wir die Höhle erreicht. Das Feuern
hörte nun plötzlich auf: ein großer schwerer Stein ver-
theidigte den Eingang; wir hoben ihn weg und dran-
gen mit gefälltem Bajonett in die Dunkelheit. Die
Teufelshöhle war gänzlich verlassen; vor dem Feuer be-
fanden sich ganz zubereitete Nahrungsmittel, doch kein
lebendiges Wesen war in dieser unterirdischen Behausung
zu finden. Horchend, hörten wir den dumpfen Wider-
hall von Pferdegetrapp und Rufe, die unter der Erde
hervorzukommmen schienen. Jn der Unwissenheit ihres
Aberglaubens fingen unsere Soldaten an bedenklich zu
werden, indem sie glaubten, wir führten wider hölli-
sche Geister Krieg; glücklicherweise entdeckten wir einen
Ausgang, der auf die entgegengesetzte Seite führte.
Dieser Ausgang, der abhängig war, erweiterte sich all-
mählich; bald drang Tageshelle herein, und wir er-
kannten die Fußstapfen der Pferde. Endlich traten wir
in den Niedergrund heraus. Hier sahen wir unsere Ko-
sacken, Herr von vier leicht verwundeten Räubern und
einer Frau, die, wie jene, zu Pferde die Flucht ver-
sucht hatte. Wir durchsuchten die Höhle, konnten aber
[Spaltenumbruch] nur Waffen, verschiedene Trachten, Mundvorräthe und
reiche Stoffe entdecken. Geld fand sich keines, und die
über den Ort, wo der Schatz niedergelegt sein sollte,
befragten Räuber, antworteten einstimmig: "Der Khan
und Gott allein wissen, wo das Geld ist." (Den Ti-
tel Khan gaben sie Kara = Aly) . Die Gefangenen wur-
den fofort nach Zaraisk geführt. Man unterrichtete
Kara=Aly von dem Resultat der Expedition und von der
Gefangennehmung seiner Mitschuldigen, worauf er sich
als letzte Gunst erbat, man möge ihm seine liebe Fazry
zeigen. "Gestehe," antwortete ich ihm, "wo Dein
Geld verborgen ist, und ich werde Fazry vor Dir er-
scheinen lassen." Statt aller Antwort aber schüttelte er
den Kopf und ließ seufzend die Worte fallen: "Gottes
Wille geschehe!" Von nun an konnte man keine wei-
tere Andeutung hierüber von ihm mehr erlangen.

    Geschehen am 3. November 1837 in der
    Stadt Zaraisk.
    (Unterz.:)     Tiedor Traz of,
    Bezirks=Assessor von Zaraisk.
    (Fortsetzung folgt.)



Chinesisches Militär.

Jm Frieden sind die Soldaten mit Peitschen be-
waffnet und stehen mit diesen auch schildwach. Sieht
ein Obermandarin eine Undienstlichkeit, über die er sich
erzürnen will, so nimmt die ausübende Justiz einen ei-
genen Gang. Es ist nämlich unter der Würde eines Ober-
mandarinen, einen gemeinen Mann zu strafen; er wendet
sich daher an einen Untermandarinen, und verabreicht
diesen eine gewisse Anzahl Hiebe. Dieser giebt diese ge-
wissenhaft an den ihm zunächst folgenden Unterbeamten,
und so geht es weiter durch verschiedene Chargen, bis
die Strafe auf den untersten Mann, der Schildwache
sitzen bleibt. Diesen steht es indessen frei, sich dadurch
zu entschuldigen, daß er irgend einen Vorübergehenden
des Volks auf seinen Posten erwischt, um auf ihm die
erhaltene Ladung und Schuld und Schande von sich zu
wälzen. Jn den Regiementern sind von Alters her ste-
riotipe Namen der Leute. Die Rekruten treten in denen
der abgegangenen Veteranen ein. Diese Namen sind
gewöhnlich Benennungen von Thieren. So giebt es
in den Reihen der Krieger: Löwen, Tieger, Hyänen, aber
auch Ochsen, Esel und Hasen. Einerlei, hier ist's im
Namen, anderwärts oft in der That.

    Freimund Ohnesorgen.



Miscellen.

Der rühmlichst bekannte Bendavid hörte bei Käst-
ner Vorlesungen über Mathematik und begehrte endlich
ein Zeugniß, welches Kästner wie folgt niederschrieb:

Jch bezeuge hiemit, daß H. Bendavid, Candidat
der Mathematik, auf jede mathematische Lehrstelle
Anspruch machen darf, nur auf - meine nicht.



[Ende Spaltensatz]
*) Die Gefangennehmung Kara=Aly's und seiner Bande findet
sich officiel angekündigt im Journal des Ministeriums des
Justiz vom 28. Januar 1838.

61 Conversations=Blatt. 62
[Beginn Spaltensatz] ließ ich sie von den zehn Kosacken, die mich begleiteten
umzingeln. Es entspann sich nun ein schrecklicher Kampf:
das Volk ergriff die Flucht, ohne mir thätlichen Beistand
leisten zu wollen, und die beiden Räuber vertheidigten sich
wüthend mit ihren Yataganen. Ein Kosack ward getöd-
tet, drei wurden verwundet; endlich aber gelang es
mir, Kara=Aly's habhaft zu werden, denn er war es;
in Verzweiflung warf er seinen Yatagan von sich und
schrie: „Gott wollt' es so! tödte mich, bewache mich,
thu' was Du willst, ich bin vom Verhängnisse besiegt!“
Nun wandte er sich mit lauter Stimme an seinen Ge-
fährten, der weniger eng bedrängt, noch kämpfte, und
rief ihm zu: „Musrum, rette Dich, ich ernenne Dich
zum Khan der Truppe!“ Und als meine Leute mit
einem siegreichen Hurrah antworteten, fügte er bei:
„oder wenn Du unterliegst, so sei Deine Zunge stumm,
wie der Stein!“ Glücklicherweise ergab sich jetzt Mus-
rum, und wir konnten beide knebeln. Jm Gefängnisse
beobachteten sie tiefes Schweigen, und alle Mittel wa-
ren unvermögend, sie zu einer Enthüllung zu bringen.
Endlich ließ Musrum unter der Tortur die Worte
fallen: „Suchet auf dem Kyrymal (Berg Kyrym) ,
Jhr werdet die Höhle Mustapha = Jblis (Mustapha der
Teufel) finden.“ –


Jch nahm sofort 200 Fußsoldaten und die 50 Ko-
sacken und schlug den Weg nach dem genannten Berg
ein. Am Fuße des Pfades, der hinanführt, angelangt,
stellte ich, um jeden Ausweg abzuschneiden, die Kosacken
und hundert Mann Fußvolk rings herum auf, und
setzte mich in Begleitung der übrigen hundert Mann
auf dem schmalen Wege, der zu der Höhle führte, die
Musrum bezeichnet hatte, in Marsch. Kaum hatten
wir einige Schritte gethan, als wir einem Manne die
Flucht abschnitten; bald hörten wir einen Flintenschuß,
auf den fast gleichzeitig ein besser unterhaltenes Abfeuern
folgte. Mehre meiner Soldaten wurden verwundet,
drei sogar plötzlich getödtet; unser Marsch aber ward
dadurch nicht aufgehalten, und in weniger als einer
Stunde hatten wir die Höhle erreicht. Das Feuern
hörte nun plötzlich auf: ein großer schwerer Stein ver-
theidigte den Eingang; wir hoben ihn weg und dran-
gen mit gefälltem Bajonett in die Dunkelheit. Die
Teufelshöhle war gänzlich verlassen; vor dem Feuer be-
fanden sich ganz zubereitete Nahrungsmittel, doch kein
lebendiges Wesen war in dieser unterirdischen Behausung
zu finden. Horchend, hörten wir den dumpfen Wider-
hall von Pferdegetrapp und Rufe, die unter der Erde
hervorzukommmen schienen. Jn der Unwissenheit ihres
Aberglaubens fingen unsere Soldaten an bedenklich zu
werden, indem sie glaubten, wir führten wider hölli-
sche Geister Krieg; glücklicherweise entdeckten wir einen
Ausgang, der auf die entgegengesetzte Seite führte.
Dieser Ausgang, der abhängig war, erweiterte sich all-
mählich; bald drang Tageshelle herein, und wir er-
kannten die Fußstapfen der Pferde. Endlich traten wir
in den Niedergrund heraus. Hier sahen wir unsere Ko-
sacken, Herr von vier leicht verwundeten Räubern und
einer Frau, die, wie jene, zu Pferde die Flucht ver-
sucht hatte. Wir durchsuchten die Höhle, konnten aber
[Spaltenumbruch] nur Waffen, verschiedene Trachten, Mundvorräthe und
reiche Stoffe entdecken. Geld fand sich keines, und die
über den Ort, wo der Schatz niedergelegt sein sollte,
befragten Räuber, antworteten einstimmig: „Der Khan
und Gott allein wissen, wo das Geld ist.“ (Den Ti-
tel Khan gaben sie Kara = Aly) . Die Gefangenen wur-
den fofort nach Zaraïsk geführt. Man unterrichtete
Kara=Aly von dem Resultat der Expedition und von der
Gefangennehmung seiner Mitschuldigen, worauf er sich
als letzte Gunst erbat, man möge ihm seine liebe Fazry
zeigen. „Gestehe,“ antwortete ich ihm, „wo Dein
Geld verborgen ist, und ich werde Fazry vor Dir er-
scheinen lassen.“ Statt aller Antwort aber schüttelte er
den Kopf und ließ seufzend die Worte fallen: „Gottes
Wille geschehe!“ Von nun an konnte man keine wei-
tere Andeutung hierüber von ihm mehr erlangen.

    Geschehen am 3. November 1837 in der
    Stadt Zaraïsk.
    (Unterz.:)     Tiédor Traz of,
    Bezirks=Assessor von Zaraïsk.
    (Fortsetzung folgt.)



Chinesisches Militär.

Jm Frieden sind die Soldaten mit Peitschen be-
waffnet und stehen mit diesen auch schildwach. Sieht
ein Obermandarin eine Undienstlichkeit, über die er sich
erzürnen will, so nimmt die ausübende Justiz einen ei-
genen Gang. Es ist nämlich unter der Würde eines Ober-
mandarinen, einen gemeinen Mann zu strafen; er wendet
sich daher an einen Untermandarinen, und verabreicht
diesen eine gewisse Anzahl Hiebe. Dieser giebt diese ge-
wissenhaft an den ihm zunächst folgenden Unterbeamten,
und so geht es weiter durch verschiedene Chargen, bis
die Strafe auf den untersten Mann, der Schildwache
sitzen bleibt. Diesen steht es indessen frei, sich dadurch
zu entschuldigen, daß er irgend einen Vorübergehenden
des Volks auf seinen Posten erwischt, um auf ihm die
erhaltene Ladung und Schuld und Schande von sich zu
wälzen. Jn den Regiementern sind von Alters her ste-
riotipe Namen der Leute. Die Rekruten treten in denen
der abgegangenen Veteranen ein. Diese Namen sind
gewöhnlich Benennungen von Thieren. So giebt es
in den Reihen der Krieger: Löwen, Tieger, Hyänen, aber
auch Ochsen, Esel und Hasen. Einerlei, hier ist's im
Namen, anderwärts oft in der That.

    Freimund Ohnesorgen.



Miscellen.

Der rühmlichst bekannte Bendavid hörte bei Käst-
ner Vorlesungen über Mathematik und begehrte endlich
ein Zeugniß, welches Kästner wie folgt niederschrieb:

Jch bezeuge hiemit, daß H. Bendavid, Candidat
der Mathematik, auf jede mathematische Lehrstelle
Anspruch machen darf, nur auf – meine nicht.



[Ende Spaltensatz]
*) Die Gefangennehmung Kara=Aly's und seiner Bande findet
sich officiel angekündigt im Journal des Ministeriums des
Justiz vom 28. Januar 1838.
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Es ist nämlich unter der Würde eines Ober- mandarinen, einen gemeinen Mann zu strafen; er wendet sich daher an einen Untermandarinen, und verabreicht diesen eine gewisse Anzahl Hiebe. Dieser giebt diese ge- wissenhaft an den ihm zunächst folgenden Unterbeamten, und so geht es weiter durch verschiedene Chargen, bis die Strafe auf den untersten Mann, der Schildwache sitzen bleibt. Diesen steht es indessen frei, sich dadurch zu entschuldigen, daß er irgend einen Vorübergehenden des Volks auf seinen Posten erwischt, um auf ihm die erhaltene Ladung und Schuld und Schande von sich zu wälzen. Jn den Regiementern sind von Alters her ste- riotipe Namen der Leute. Die Rekruten treten in denen der abgegangenen Veteranen ein. Diese Namen sind gewöhnlich Benennungen von Thieren. So giebt es in den Reihen der Krieger: Löwen, Tieger, Hyänen, aber auch Ochsen, Esel und Hasen. Einerlei, hier ist's im Namen, anderwärts oft in der That. Freimund Ohnesorgen. Miscellen. Der rühmlichst bekannte Bendavid hörte bei Käst- ner Vorlesungen über Mathematik und begehrte endlich ein Zeugniß, welches Kästner wie folgt niederschrieb: Jch bezeuge hiemit, daß H. Bendavid, Candidat der Mathematik, auf jede mathematische Lehrstelle Anspruch machen darf, nur auf – meine nicht. *) Die Gefangennehmung Kara=Aly's und seiner Bande findet sich officiel angekündigt im Journal des Ministeriums des Justiz vom 28. Januar 1838.

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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 4. Burg/Berlin, 1838, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt04_1838/7>, abgerufen am 24.11.2024.