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Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 1. Burg/Berlin, 1836.

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13 Conversations=Blatt. 14
[Beginn Spaltensatz] Heidenthums das Panier des Kreuzes zu erhöhen,
scheinbar durch die Gewalt der Waffen, in Wahrheit
aber durch die siegende Kraft des Glaubens und der
Liebe. Nach diesem Ziele rang Albrecht der Bär, nach
demselben Ziele rangen seine Nachkommen. Durch ihr
Streben wurden die Marken zur Grundlage eines Staa-
tes herangebildet, der gerade in ihnen den Mittelpunkt
seiner Macht haben sollte, also daß dieselben Lande,
welche in grauer Vorzeit das Nationalheiligthum der
suevischen Völker in sich schlossen, nach Jahrtausenden
dieselbe Bestimmung erhielten als äußerer und innerer
Einigungspunkt der brandenburgisch=preußischen
Staaten.



Das Testament.

Es war ein köstlicher Nachmittag; aus ihrem
Schlummer erwacht, feierte die Natur den ersten hei-
tern Augenblick ihrer Wiedergeburt, die uns ein trö-
stendes Bild sein soll unseres Todes hier und unseres
Erwachens dort. - Der entwölkte Himmel glänzte
in blauer Klarheit. Durch blühende Erlen, Hasel-
gebüsche und Espen zog sich die schönste Kunststraße
hin; längs derselben entfalteten in den anstoßenden
Gärten die Primeln, Hyazinthen und Tulpen ihre er-
sten Blätterspitzen; der Huflattia fing an zu blühen
und das Leberkraut öffnete seine Kelche.

Unter den Tausenden, die aus den Thoren der
dumpfen Residenz in die freie Natur wallten, befand
sich auch der Doktor Fried mit seiner Braut, der
schönen Agnes. Das Liebespaar unterhielt sich, dem
Anscheine nach, recht zärtlich mit einander und schlug
jetzt den Weg nach einem Gesellschafts=Garten ein,
aus dem rauschende Konzert=Musik den Kommenden
entgegenschallte. Der Doktor nahm mit seiner Braut
in einer kleinen, traulichen Laube Platz, die nur für
zwei Personen berechnet war. Hier saßen sie ungestört
und allein und dem Doktor schien die Gelegenheit gün-
stig, etwas zur Sprache zu bringen, wovor ihn schon
lange gegraut hatte.

"Gewiß der Dichter hat Recht," begann er,
"wenn er singt: Raum ist in der kleinsten Hütte für
ein glücklich liebend Paar. Die Laube ist eng, aber
um so traulicher. Jch, für meine Person, würde
mich glücklich fühlen, wenn ich mit dir auch nur eine
Hütte bewohnte, an deiner Seite würde sie mir ja
zum Paradies."

"Schmeichler!" versetzte Agnes. "Jch zweifle,
ob dein Herz in Liebe zu mir entbrannt wäre, ginge
ich, statt in Sammet und Seide, in grobem Zeug
einher. Auf uns Frauen paßt ja aus natürlichen Grün-
den das Sprichwort nicht: sieh nicht aufs Kleid, sieh
auf den Mann, und wie die Hülle dir nicht einerlei
ist, wird dir bestimmt auch der Ort nicht gleichgültig
sein, wo du mit mir lebst. Jch, für meine Person,
mache kein Geheimniß daraus, daß ich mich unendlich
lieber in einem deckenhohen Spiegel besehe, als in einem
schräg hangenden kleinen, daß ich lieber auf schwellen-
den Polstern sitze, als auf einer harten Holzbank. Jch
[Spaltenumbruch] sehe auch gar nicht ein, warum man das Alles nicht
sollte, wenn man es haben kann."

"Wenn man es aber nicht haben kann?" fiel
der Doktor ein, und seine Zähne klapperten am Rande
der Kaffeetasse, welche er, um seiner Braut die Be-
wegung seiner Seele zu verbergen, mit erkünstelter Un-
befangenheit an die Lippen gesetzt hatte.

"Warum sollte man es denn nicht so haben kön-
nen?" meinte Agnes. "Ein Mensch kann Alles, was
er will. Jeder ist seines Glückes Schmidt, und wie
man sich bettet, so liegt man. - Jch sehe aber
gar nicht ein, warum wir uns da streiten. Unser Le-
bensplan ist längst fertig. Gestern bist du mündig ge-
worden und kannst nun frei über deine Hand und dein
Vermögen verfügen."

    (Fortsetzung folgt.)



Friedrich der Große und der brave
General Katzler.

Der General Katzler war einer der größten Kaval-
leristen seiner Zeit, und das ganze Regiment liebte ihn,
wie seinen Vater. Wenn er empfindlich strafen wollte,
sagte er blos: "Jch werde dich abgeben müssen!" und
baten seine Kameraden nicht für ihn, so erfolgte diese
Bestrafung wirklich. Er war so uneigennützig und men-
schenfreundlich, daß er in Kriegszeiten im Sachsenlande
sogar seine Wohnung bezahlte, und so wenig stolz, daß
er im Winter oft stundenlang ritt, um einen kranken
Soldaten zu besuchen. Er lebte still, und freute sich,
wenn seine Offiziere an allen Vergnügungen Theil nahmen.

Mit dem König stand er auf einem ganz besonderen
Fuße. Als er das Regiment empfing, sagte der König:
"mein lieber Katzler, ich gebe ihm das Regiment, weil
ich Jemanden dabei haben will, der nicht so galant ist,
wie die Andern."

Katzler antwortete: "dann haben sie glücklich ge-
wählt; denn ich bin so wenig galant, daß ich einen
Tanzmeister werde annehmen müssen, um mich in Berlin
zeigen zu dürfen."

Nach einiger Zeit fragte ihn der König: "nun,
Katzler, wie ist er mit seinen Offizieren zufrieden?"

Katzler erwiederte: "recht gut, Ew. Majestät!"

Der König fuhr fort: "aber Herr, es sind ja fast
lauter Petitmaitres."

Katzler meinte darauf: "des Nachmittags vielleicht,
Ew. Majestät; beim Exerziren aber und auf dem Pferde
sind es tüchtige Offiziere. Das Uebrige geht uns Beide
nichts an. Sie thun, was ich befehle, und werden,
wenn es einmal Zeit sein wird, gewiß dahin reiten, wo-
hin ich sie führe. Mehr können Sie und ich nicht ver-
langen!"

Dem König fuhr diese Antwort ein wenig in die
Nase, zugleich mit der so eben genommenen Prise
Schnupftaback; er äußerte: "nun, morgen werde ich se-
hen, was sie können; morgen um die Zeit soll das Re-
giment auf dem Platze exerziren."

[Ende Spaltensatz]

13 Conversations=Blatt. 14
[Beginn Spaltensatz] Heidenthums das Panier des Kreuzes zu erhöhen,
scheinbar durch die Gewalt der Waffen, in Wahrheit
aber durch die siegende Kraft des Glaubens und der
Liebe. Nach diesem Ziele rang Albrecht der Bär, nach
demselben Ziele rangen seine Nachkommen. Durch ihr
Streben wurden die Marken zur Grundlage eines Staa-
tes herangebildet, der gerade in ihnen den Mittelpunkt
seiner Macht haben sollte, also daß dieselben Lande,
welche in grauer Vorzeit das Nationalheiligthum der
suevischen Völker in sich schlossen, nach Jahrtausenden
dieselbe Bestimmung erhielten als äußerer und innerer
Einigungspunkt der brandenburgisch=preußischen
Staaten.



Das Testament.

Es war ein köstlicher Nachmittag; aus ihrem
Schlummer erwacht, feierte die Natur den ersten hei-
tern Augenblick ihrer Wiedergeburt, die uns ein trö-
stendes Bild sein soll unseres Todes hier und unseres
Erwachens dort. – Der entwölkte Himmel glänzte
in blauer Klarheit. Durch blühende Erlen, Hasel-
gebüsche und Espen zog sich die schönste Kunststraße
hin; längs derselben entfalteten in den anstoßenden
Gärten die Primeln, Hyazinthen und Tulpen ihre er-
sten Blätterspitzen; der Huflattia fing an zu blühen
und das Leberkraut öffnete seine Kelche.

Unter den Tausenden, die aus den Thoren der
dumpfen Residenz in die freie Natur wallten, befand
sich auch der Doktor Fried mit seiner Braut, der
schönen Agnes. Das Liebespaar unterhielt sich, dem
Anscheine nach, recht zärtlich mit einander und schlug
jetzt den Weg nach einem Gesellschafts=Garten ein,
aus dem rauschende Konzert=Musik den Kommenden
entgegenschallte. Der Doktor nahm mit seiner Braut
in einer kleinen, traulichen Laube Platz, die nur für
zwei Personen berechnet war. Hier saßen sie ungestört
und allein und dem Doktor schien die Gelegenheit gün-
stig, etwas zur Sprache zu bringen, wovor ihn schon
lange gegraut hatte.

„Gewiß der Dichter hat Recht,“ begann er,
„wenn er singt: Raum ist in der kleinsten Hütte für
ein glücklich liebend Paar. Die Laube ist eng, aber
um so traulicher. Jch, für meine Person, würde
mich glücklich fühlen, wenn ich mit dir auch nur eine
Hütte bewohnte, an deiner Seite würde sie mir ja
zum Paradies.“

„Schmeichler!“ versetzte Agnes. „Jch zweifle,
ob dein Herz in Liebe zu mir entbrannt wäre, ginge
ich, statt in Sammet und Seide, in grobem Zeug
einher. Auf uns Frauen paßt ja aus natürlichen Grün-
den das Sprichwort nicht: sieh nicht aufs Kleid, sieh
auf den Mann, und wie die Hülle dir nicht einerlei
ist, wird dir bestimmt auch der Ort nicht gleichgültig
sein, wo du mit mir lebst. Jch, für meine Person,
mache kein Geheimniß daraus, daß ich mich unendlich
lieber in einem deckenhohen Spiegel besehe, als in einem
schräg hangenden kleinen, daß ich lieber auf schwellen-
den Polstern sitze, als auf einer harten Holzbank. Jch
[Spaltenumbruch] sehe auch gar nicht ein, warum man das Alles nicht
sollte, wenn man es haben kann.“

„Wenn man es aber nicht haben kann?“ fiel
der Doktor ein, und seine Zähne klapperten am Rande
der Kaffeetasse, welche er, um seiner Braut die Be-
wegung seiner Seele zu verbergen, mit erkünstelter Un-
befangenheit an die Lippen gesetzt hatte.

„Warum sollte man es denn nicht so haben kön-
nen?“ meinte Agnes. „Ein Mensch kann Alles, was
er will. Jeder ist seines Glückes Schmidt, und wie
man sich bettet, so liegt man. – Jch sehe aber
gar nicht ein, warum wir uns da streiten. Unser Le-
bensplan ist längst fertig. Gestern bist du mündig ge-
worden und kannst nun frei über deine Hand und dein
Vermögen verfügen.“

    (Fortsetzung folgt.)



Friedrich der Große und der brave
General Katzler.

Der General Katzler war einer der größten Kaval-
leristen seiner Zeit, und das ganze Regiment liebte ihn,
wie seinen Vater. Wenn er empfindlich strafen wollte,
sagte er blos: „Jch werde dich abgeben müssen!“ und
baten seine Kameraden nicht für ihn, so erfolgte diese
Bestrafung wirklich. Er war so uneigennützig und men-
schenfreundlich, daß er in Kriegszeiten im Sachsenlande
sogar seine Wohnung bezahlte, und so wenig stolz, daß
er im Winter oft stundenlang ritt, um einen kranken
Soldaten zu besuchen. Er lebte still, und freute sich,
wenn seine Offiziere an allen Vergnügungen Theil nahmen.

Mit dem König stand er auf einem ganz besonderen
Fuße. Als er das Regiment empfing, sagte der König:
„mein lieber Katzler, ich gebe ihm das Regiment, weil
ich Jemanden dabei haben will, der nicht so galant ist,
wie die Andern.“

Katzler antwortete: „dann haben sie glücklich ge-
wählt; denn ich bin so wenig galant, daß ich einen
Tanzmeister werde annehmen müssen, um mich in Berlin
zeigen zu dürfen.“

Nach einiger Zeit fragte ihn der König: „nun,
Katzler, wie ist er mit seinen Offizieren zufrieden?“

Katzler erwiederte: „recht gut, Ew. Majestät!“

Der König fuhr fort: „aber Herr, es sind ja fast
lauter Petitmaitres.“

Katzler meinte darauf: „des Nachmittags vielleicht,
Ew. Majestät; beim Exerziren aber und auf dem Pferde
sind es tüchtige Offiziere. Das Uebrige geht uns Beide
nichts an. Sie thun, was ich befehle, und werden,
wenn es einmal Zeit sein wird, gewiß dahin reiten, wo-
hin ich sie führe. Mehr können Sie und ich nicht ver-
langen!“

Dem König fuhr diese Antwort ein wenig in die
Nase, zugleich mit der so eben genommenen Prise
Schnupftaback; er äußerte: „nun, morgen werde ich se-
hen, was sie können; morgen um die Zeit soll das Re-
giment auf dem Platze exerziren.“

[Ende Spaltensatz]
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Jch, für meine Person, mache kein Geheimniß daraus, daß ich mich unendlich lieber in einem deckenhohen Spiegel besehe, als in einem schräg hangenden kleinen, daß ich lieber auf schwellen- den Polstern sitze, als auf einer harten Holzbank. Jch sehe auch gar nicht ein, warum man das Alles nicht sollte, wenn man es haben kann.“ „Wenn man es aber nicht haben kann?“ fiel der Doktor ein, und seine Zähne klapperten am Rande der Kaffeetasse, welche er, um seiner Braut die Be- wegung seiner Seele zu verbergen, mit erkünstelter Un- befangenheit an die Lippen gesetzt hatte. „Warum sollte man es denn nicht so haben kön- nen?“ meinte Agnes. „Ein Mensch kann Alles, was er will. Jeder ist seines Glückes Schmidt, und wie man sich bettet, so liegt man. – Jch sehe aber gar nicht ein, warum wir uns da streiten. Unser Le- bensplan ist längst fertig. Gestern bist du mündig ge- worden und kannst nun frei über deine Hand und dein Vermögen verfügen.“ (Fortsetzung folgt.) 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Als er das Regiment empfing, sagte der König: „mein lieber Katzler, ich gebe ihm das Regiment, weil ich Jemanden dabei haben will, der nicht so galant ist, wie die Andern.“ Katzler antwortete: „dann haben sie glücklich ge- wählt; denn ich bin so wenig galant, daß ich einen Tanzmeister werde annehmen müssen, um mich in Berlin zeigen zu dürfen.“ Nach einiger Zeit fragte ihn der König: „nun, Katzler, wie ist er mit seinen Offizieren zufrieden?“ Katzler erwiederte: „recht gut, Ew. Majestät!“ Der König fuhr fort: „aber Herr, es sind ja fast lauter Petitmaitres.“ Katzler meinte darauf: „des Nachmittags vielleicht, Ew. Majestät; beim Exerziren aber und auf dem Pferde sind es tüchtige Offiziere. Das Uebrige geht uns Beide nichts an. Sie thun, was ich befehle, und werden, wenn es einmal Zeit sein wird, gewiß dahin reiten, wo- hin ich sie führe. 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Zitationshilfe: Conversations-Blatt zur Unterhaltung und Belehrung für alle Stände. Nr. 1. Burg/Berlin, 1836, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_conversationsblatt01_1836/7>, abgerufen am 27.11.2024.