ges, entweder an denen Brunnen Was- ser ziehen, oder das Kehricht gar auf den Mist tragen.
Ein höflicher Mensch richtet sein Com- pliment nach möglichster Kürze, darneben aber auch so ein, daß es natürlich, und nicht affectirt noch gezwungen heraus kommt: Wer sich der an die Hand ge- gebenen Complimenten in den Romainen gebrauchen will, der wird, wenn er seinen eingefaßten Pack und Sack mit Noth und Jammer ausgeleeret, bald darnach zu erkennen geben, woher er diese gelehrte Capriolen erlernet; sintemal sie hernach so stockern, daß es scheinet, ihre Reden flies- sen ihnen vom Mund und ihren Lippen, wie Pech; und wenn sie sich darinn genug verrathen haben, so nehmen sie entweder bald Abschied, oder werden unvermuthet gar unsichtbar. Uberdiß wird die Weit- läufigkeit und die Aussch weifungen der Complimenten aufrichtigen Personen so eckelhafft und verdrießlich, daß sie manchmalen gar davon gehen, und solche Prolixisten alleine stehen lassen, ihre Com- plimenten in den Wind zu reden.
Die
ges, entweder an denen Brunnen Waſ- ſer ziehen, oder das Kehricht gar auf den Miſt tragen.
Ein hoͤflicher Menſch richtet ſein Com- pliment nach moͤglichſter Kuͤrze, darneben aber auch ſo ein, daß es natuͤrlich, und nicht affectirt noch gezwungen heraus kommt: Wer ſich der an die Hand ge- gebenen Complimenten in den Romainen gebrauchen will, der wird, wenn er ſeinen eingefaßten Pack und Sack mit Noth und Jammer ausgeleeret, bald darnach zu erkennen geben, woher er dieſe gelehrte Capriolen erlernet; ſintemal ſie hernach ſo ſtockern, daß es ſcheinet, ihre Reden flieſ- ſen ihnen vom Mund und ihren Lippen, wie Pech; und wenn ſie ſich darinn genug verrathen haben, ſo nehmen ſie entweder bald Abſchied, oder werden unvermuthet gar unſichtbar. Uberdiß wird die Weit- laͤufigkeit und die Ausſch weifungen der Complimenten aufrichtigen Perſonen ſo eckelhafft und verdrießlich, daß ſie manchmalen gar davon gehen, und ſolche Prolixiſten alleine ſtehen laſſen, ihre Com- plimenten in den Wind zu reden.
Die
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ges, entweder an denen Brunnen Waſ-
ſer ziehen, oder das Kehricht gar auf den
Miſt tragen.
Ein hoͤflicher Menſch richtet ſein Com-
pliment nach moͤglichſter Kuͤrze, darneben
aber auch ſo ein, daß es natuͤrlich, und
nicht affectirt noch gezwungen heraus
kommt: Wer ſich der an die Hand ge-
gebenen Complimenten in den Romainen
gebrauchen will, der wird, wenn er ſeinen
eingefaßten Pack und Sack mit Noth
und Jammer ausgeleeret, bald darnach
zu erkennen geben, woher er dieſe gelehrte
Capriolen erlernet; ſintemal ſie hernach
ſo ſtockern, daß es ſcheinet, ihre Reden flieſ-
ſen ihnen vom Mund und ihren Lippen,
wie Pech; und wenn ſie ſich darinn genug
verrathen haben, ſo nehmen ſie entweder
bald Abſchied, oder werden unvermuthet
gar unſichtbar. Uberdiß wird die Weit-
laͤufigkeit und die Ausſch weifungen der
Complimenten aufrichtigen Perſonen
ſo eckelhafft und verdrießlich, daß ſie
manchmalen gar davon gehen, und ſolche
Prolixiſten alleine ſtehen laſſen, ihre Com-
plimenten in den Wind zu reden.
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[N. N.]: Kürzliche Anweisung zu Complimenten und höflicher Condvite, für Personen Bürgerlichen Standes. Frankfurt [u. a.], 1736, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_complimente_1736/36>, abgerufen am 22.07.2024.
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