mercken kan, wenn sie sich öffters um- wenden, und uns ihre Beschwerlichkeit zu verstehen geben. Zumal wenn man kommt, und fragt: Ob sie schon auf den Geiß-Marckt wollen? Ob sie ihr Te- stament schon gemacht, und uns darin- nen wol bedacht haben? Denn dadurch stellen sie sich ihre Kranckheit noch gefähr- licher für, und ihr Gemüthe fällt in einen unbeschreiblichen Kummer, welcher ih- nen bald die Thür des finstern Grabes düsterlich vor Augen stellet.
So bald sichs mit dem Patienten zur Besserung anläst, muß man dißfalls seine Gratulation abstatten: Da hinge- gen, nach dessen erfolgtem Absterben, das darüber bezeigte Christliche Mitlei- den, bey denen nächsten Anverwandten, abgelegt werden muß: Wobey man sich aber in behörigen Schrancken halten, und die Qualitäten des Verstorbenen nicht gar zu hoch heraus streichen und preisen soll; Angesehen dem Verbliche- nen nichts dadurch gedienet, und die Betrübnüs der Hinterlassenen nur desto mehr vergrössert wird. Doch soll man
seine
mercken kan, wenn ſie ſich oͤffters um- wenden, und uns ihre Beſchwerlichkeit zu verſtehen geben. Zumal wenn man kommt, und fragt: Ob ſie ſchon auf den Geiß-Marckt wollen? Ob ſie ihr Te- ſtament ſchon gemacht, und uns darin- nen wol bedacht haben? Denn dadurch ſtellen ſie ſich ihre Kranckheit noch gefaͤhr- licher fuͤr, und ihr Gemuͤthe faͤllt in einen unbeſchreiblichen Kummer, welcher ih- nen bald die Thuͤr des finſtern Grabes duͤſterlich vor Augen ſtellet.
So bald ſichs mit dem Patienten zur Beſſerung anlaͤſt, muß man dißfalls ſeine Gratulation abſtatten: Da hinge- gen, nach deſſen erfolgtem Abſterben, das daruͤber bezeigte Chriſtliche Mitlei- den, bey denen naͤchſten Anverwandten, abgelegt werden muß: Wobey man ſich aber in behoͤrigen Schrancken halten, und die Qualitaͤten des Verſtorbenen nicht gar zu hoch heraus ſtreichen und preiſen ſoll; Angeſehen dem Verbliche- nen nichts dadurch gedienet, und die Betruͤbnuͤs der Hinterlaſſenen nur deſto mehr vergroͤſſert wird. Doch ſoll man
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mercken kan, wenn ſie ſich oͤffters um-
wenden, und uns ihre Beſchwerlichkeit
zu verſtehen geben. Zumal wenn man
kommt, und fragt: Ob ſie ſchon auf den
Geiß-Marckt wollen? Ob ſie ihr Te-
ſtament ſchon gemacht, und uns darin-
nen wol bedacht haben? Denn dadurch
ſtellen ſie ſich ihre Kranckheit noch gefaͤhr-
licher fuͤr, und ihr Gemuͤthe faͤllt in einen
unbeſchreiblichen Kummer, welcher ih-
nen bald die Thuͤr des finſtern Grabes
duͤſterlich vor Augen ſtellet.
So bald ſichs mit dem Patienten zur
Beſſerung anlaͤſt, muß man dißfalls
ſeine Gratulation abſtatten: Da hinge-
gen, nach deſſen erfolgtem Abſterben,
das daruͤber bezeigte Chriſtliche Mitlei-
den, bey denen naͤchſten Anverwandten,
abgelegt werden muß: Wobey man ſich
aber in behoͤrigen Schrancken halten,
und die Qualitaͤten des Verſtorbenen
nicht gar zu hoch heraus ſtreichen und
preiſen ſoll; Angeſehen dem Verbliche-
nen nichts dadurch gedienet, und die
Betruͤbnuͤs der Hinterlaſſenen nur deſto
mehr vergroͤſſert wird. Doch ſoll man
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[N. N.]: Kürzliche Anweisung zu Complimenten und höflicher Condvite, für Personen Bürgerlichen Standes. Frankfurt [u. a.], 1736, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_complimente_1736/178>, abgerufen am 22.07.2024.
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