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Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen. Nr. 22. Berlin, 18. August 1740.

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[Beginn Spaltensatz] Superintendenten an der Seite sässe. Dieses muß ist
nunmehro genug. Sein Sohn, dem es an Redlichkeit, an
guter Erziehung, an Fähigkeit und am Fleisse fehlet, stu-
dirt Theologie, und GOtt weis es, ob er nicht doch
noch einmahl General= Superintendent wird. Was
hat aber dieser Mann nicht sodann für eine Einbildung
von sich. Er schreiht seinen Verdiensten zu, was er
dem Zorne GOttes schuldig ist, der ihn den Menschen
zur Strafe gegeben. Er glaubt, daß ein Bischof stolz,
eigensinnig, unverträglich und träge seyn muß, und da
er nur immer auf seine Vorzüge sieht, so verfolgt er alle-
diejenigen, welche ihn nicht anbeten wollen.

Auf solche Weise, wievorher gemeldet worden, fährt
der Herr Probst fort, kann es nicht fehlen, daß nicht
untaugliche Schüler, schlechte Studenten, und noch
schlechtere Prediger gezogen werden sollten. Doch die-
sem Ubel stehet nicht so leicht abzuhelfen, indem es sehr
schwer halten dürfte, solche Regeln zu setzen, nach welchen
man unterscheiden könnte, ob die Knaben zum Studiren
genugsame Fähigkeit besässen, oder nicht. Was aber die
Einrichtung der Schulen anbetrift, so kan der Hr. Probst
nicht umhin eines und das andere dabey zu erinnern.

Die meisten Schulen sind so beschaffen, daß die aller-
wenigsten Menschen sich derselben mit Nutzen bedienen
können. Wer sich nicht auf die Wissenschaften allein le-
gen, sondern eine Kunst oder sonst ein gutes Handwerk
oder auch die Kaufmannschaft lernen will, findet bey den
Schulen, so wie sie fast durchgängig eingerichtet sind, gar
schlecht seine Rechnung. Es wird in denselben auf die
Reinigkeit und Rechtschreibung der Muttersprache wenig
gesehen, die Rechenkunst kommt sehr sparsam vor, zur Hi-
storie und Geographie werden entweder gar keine, oder
die Woche über nur aufs höchste ein paar Stunden, und
zwar dieses noch wohl dazu bey einem besondern Unter-
richt, zu welchem nicht alle gelassen werden, ausgesetzt.
Die Weltweisheit, und insonderheit die Vernunftlehre,
wie auch die Meßkunst, sind auf den allermeisten Schulen
unbekante Sachen. Gleichwohl sind dieses alles solche
Dinge, welche allen Schülern, wenn sie auch gleich nicht
beym Studiren bleiben wolten, höchst nöthig wären.
Selbst auch diejenigen, welche sich hauptsächlich auf die
Wissenschaften zu legen gewillet sind, bekommen hier
bey ihrem Lernen eine Lücke, die sie hernach nicht so leicht
ergänzen können. Uberdem sind die meisten Schulen so
eingerichtet, daß wer sich nicht vornemlich auf die GOt-
tesgelartheit legen will, in denselben viele Stunden ver-
geblich zubringen muß. Ein solcher kan fast nichts an-
[Spaltenumbruch] ders, als ein Bischen Latein, und dieses noch wohl
schlecht genug, daraus mit wegbringen. Aber auch die
andern, welche sich der Gottesgelahrtheit gewidmet ha-
ben, finden gar selten in den Schulen die gehörige An-
weisung. Latein ist ihr vornehmstes Werck, und gleich-
wohl sollen diese Menschen ihren Gemeinden dermaleinst
nicht latein, sondern dentsch predigen, daher geschiehtes
auch, daß sie hernach undeutlich werden. Auf den hohen
Schulen wird der Mangel, den man von den niedern
Schulen dahin gebracht gar selten ersetzt. Die meisten,
welche Prediger werden wollen, legen sich sogleich auf das
Predigen, ohne den gehörigen Stoff dazu zu haben. Zur
Noth hören sie ein paarmahl ein Collegium über die
Theses, bekümmern sich, doch mit grosser Bequemlich-
keit, etwas um die hebräische Sprache, besuchen Stück-
weise, bald bey diesem, bald bey jenem, die Lehrstunden,
hören etwa, wenn sie können, ein Collegium homileticum,
und sodann sind sie fertig. Das Griechische sehen sie nicht
wieder an, die Philosophie halten sie für unnütz, die Logick
und Metaphysick sind ihnen lächerlich, die Physick über-
lassen sie den Arzeneybeflissenen, oder den Neugierigen,
mit der Mathematick wissen sie gar nichts anzufangen,
und die ersten Grundsätze der natürlichen Religion wer-
den von ihnen verachtet. Nun kann man sich leicht vor-
stellen, was dergleichen Leute, wann sie hernach in das
Predigtammt kommen, für schlechte Heldenthaten aus-
richten können.

Hierauf komen die beyden andern Ursachen der Verach-
tung, nemlich das üble Leben u. die unanständige Auffüh-
rung. Die vom weltlichen Stande, sagt der Hr. Probst,
beklagen sich fast am meisten über die Prediger, und gleich-
wohl sind sie eben diejenigen, welche am wenigsten darauf
sehen, daß sie rechtschaffene Hirten den Gemeinen vorse-
tzen mögten. Bey der unanständigen Aufführung erin-
nert er, daß die üble Erziehung beständig anhänget. Die
Geistlichen, welche auf diese Art versäumet worden, scheu-
en sich entweder für dem Umgange mit Vornehmern,
als sie selber sind, sie beobachten keine Anständigkeit in
ihren Geberden, sie sind grob und unhöflich; oder sie ge-
ben sich eine solche gezwungene Mine, welche sie lächer-
lich macht, oder auch sehr nach einem unvernünftigen
Prediger Stolze schmeckt. Endlich schließt der Herr
Probst, daß es gut wäre, wenn manche Prediger sich
mehr zu einer höflichen Anständigkeit gewöhnten, und
dieselbe nicht sogleich als eine sündliche Gleichstellung der
Welt ansähen.

Nächsten Sonabend werden wir den Eachard selbst hören.

[Ende Spaltensatz]

[Beginn Spaltensatz] Superintendenten an der Seite sässe. Dieses muß ist
nunmehro genug. Sein Sohn, dem es an Redlichkeit, an
guter Erziehung, an Fähigkeit und am Fleisse fehlet, stu-
dirt Theologie, und GOtt weis es, ob er nicht doch
noch einmahl General= Superintendent wird. Was
hat aber dieser Mann nicht sodann für eine Einbildung
von sich. Er schreiht seinen Verdiensten zu, was er
dem Zorne GOttes schuldig ist, der ihn den Menschen
zur Strafe gegeben. Er glaubt, daß ein Bischof stolz,
eigensinnig, unverträglich und träge seyn muß, und da
er nur immer auf seine Vorzüge sieht, so verfolgt er alle-
diejenigen, welche ihn nicht anbeten wollen.

Auf solche Weise, wievorher gemeldet worden, fährt
der Herr Probst fort, kann es nicht fehlen, daß nicht
untaugliche Schüler, schlechte Studenten, und noch
schlechtere Prediger gezogen werden sollten. Doch die-
sem Ubel stehet nicht so leicht abzuhelfen, indem es sehr
schwer halten dürfte, solche Regeln zu setzen, nach welchen
man unterscheiden könnte, ob die Knaben zum Studiren
genugsame Fähigkeit besässen, oder nicht. Was aber die
Einrichtung der Schulen anbetrift, so kan der Hr. Probst
nicht umhin eines und das andere dabey zu erinnern.

Die meisten Schulen sind so beschaffen, daß die aller-
wenigsten Menschen sich derselben mit Nutzen bedienen
können. Wer sich nicht auf die Wissenschaften allein le-
gen, sondern eine Kunst oder sonst ein gutes Handwerk
oder auch die Kaufmannschaft lernen will, findet bey den
Schulen, so wie sie fast durchgängig eingerichtet sind, gar
schlecht seine Rechnung. Es wird in denselben auf die
Reinigkeit und Rechtschreibung der Muttersprache wenig
gesehen, die Rechenkunst kommt sehr sparsam vor, zur Hi-
storie und Geographie werden entweder gar keine, oder
die Woche über nur aufs höchste ein paar Stunden, und
zwar dieses noch wohl dazu bey einem besondern Unter-
richt, zu welchem nicht alle gelassen werden, ausgesetzt.
Die Weltweisheit, und insonderheit die Vernunftlehre,
wie auch die Meßkunst, sind auf den allermeisten Schulen
unbekante Sachen. Gleichwohl sind dieses alles solche
Dinge, welche allen Schülern, wenn sie auch gleich nicht
beym Studiren bleiben wolten, höchst nöthig wären.
Selbst auch diejenigen, welche sich hauptsächlich auf die
Wissenschaften zu legen gewillet sind, bekommen hier
bey ihrem Lernen eine Lücke, die sie hernach nicht so leicht
ergänzen können. Uberdem sind die meisten Schulen so
eingerichtet, daß wer sich nicht vornemlich auf die GOt-
tesgelartheit legen will, in denselben viele Stunden ver-
geblich zubringen muß. Ein solcher kan fast nichts an-
[Spaltenumbruch] ders, als ein Bischen Latein, und dieses noch wohl
schlecht genug, daraus mit wegbringen. Aber auch die
andern, welche sich der Gottesgelahrtheit gewidmet ha-
ben, finden gar selten in den Schulen die gehörige An-
weisung. Latein ist ihr vornehmstes Werck, und gleich-
wohl sollen diese Menschen ihren Gemeinden dermaleinst
nicht latein, sondern dentsch predigen, daher geschiehtes
auch, daß sie hernach undeutlich werden. Auf den hohen
Schulen wird der Mangel, den man von den niedern
Schulen dahin gebracht gar selten ersetzt. Die meisten,
welche Prediger werden wollen, legen sich sogleich auf das
Predigen, ohne den gehörigen Stoff dazu zu haben. Zur
Noth hören sie ein paarmahl ein Collegium über die
Theses, bekümmern sich, doch mit grosser Bequemlich-
keit, etwas um die hebräische Sprache, besuchen Stück-
weise, bald bey diesem, bald bey jenem, die Lehrstunden,
hören etwa, wenn sie können, ein Collegium homileticum,
und sodann sind sie fertig. Das Griechische sehen sie nicht
wieder an, die Philosophie halten sie für unnütz, die Logick
und Metaphysick sind ihnen lächerlich, die Physick über-
lassen sie den Arzeneybeflissenen, oder den Neugierigen,
mit der Mathematick wissen sie gar nichts anzufangen,
und die ersten Grundsätze der natürlichen Religion wer-
den von ihnen verachtet. Nun kann man sich leicht vor-
stellen, was dergleichen Leute, wann sie hernach in das
Predigtammt kommen, für schlechte Heldenthaten aus-
richten können.

Hierauf kom̅en die beyden andern Ursachen der Verach-
tung, nemlich das üble Leben u. die unanständige Auffüh-
rung. Die vom weltlichen Stande, sagt der Hr. Probst,
beklagen sich fast am meisten über die Prediger, und gleich-
wohl sind sie eben diejenigen, welche am wenigsten darauf
sehen, daß sie rechtschaffene Hirten den Gemeinen vorse-
tzen mögten. Bey der unanständigen Aufführung erin-
nert er, daß die üble Erziehung beständig anhänget. Die
Geistlichen, welche auf diese Art versäumet worden, scheu-
en sich entweder für dem Umgange mit Vornehmern,
als sie selber sind, sie beobachten keine Anständigkeit in
ihren Geberden, sie sind grob und unhöflich; oder sie ge-
ben sich eine solche gezwungene Mine, welche sie lächer-
lich macht, oder auch sehr nach einem unvernünftigen
Prediger Stolze schmeckt. Endlich schließt der Herr
Probst, daß es gut wäre, wenn manche Prediger sich
mehr zu einer höflichen Anständigkeit gewöhnten, und
dieselbe nicht sogleich als eine sündliche Gleichstellung der
Welt ansähen.

Nächsten Sonabend werden wir den Eachard selbst hören.

[Ende Spaltensatz]
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Doch die- sem Ubel stehet nicht so leicht abzuhelfen, indem es sehr schwer halten dürfte, solche Regeln zu setzen, nach welchen man unterscheiden könnte, ob die Knaben zum Studiren genugsame Fähigkeit besässen, oder nicht. Was aber die Einrichtung der Schulen anbetrift, so kan der Hr. Probst nicht umhin eines und das andere dabey zu erinnern. Die meisten Schulen sind so beschaffen, daß die aller- wenigsten Menschen sich derselben mit Nutzen bedienen können. Wer sich nicht auf die Wissenschaften allein le- gen, sondern eine Kunst oder sonst ein gutes Handwerk oder auch die Kaufmannschaft lernen will, findet bey den Schulen, so wie sie fast durchgängig eingerichtet sind, gar schlecht seine Rechnung. Es wird in denselben auf die Reinigkeit und Rechtschreibung der Muttersprache wenig gesehen, die Rechenkunst kommt sehr sparsam vor, zur Hi- storie und Geographie werden entweder gar keine, oder die Woche über nur aufs höchste ein paar Stunden, und zwar dieses noch wohl dazu bey einem besondern Unter- richt, zu welchem nicht alle gelassen werden, ausgesetzt. Die Weltweisheit, und insonderheit die Vernunftlehre, wie auch die Meßkunst, sind auf den allermeisten Schulen unbekante Sachen. Gleichwohl sind dieses alles solche Dinge, welche allen Schülern, wenn sie auch gleich nicht beym Studiren bleiben wolten, höchst nöthig wären. Selbst auch diejenigen, welche sich hauptsächlich auf die Wissenschaften zu legen gewillet sind, bekommen hier bey ihrem Lernen eine Lücke, die sie hernach nicht so leicht ergänzen können. Uberdem sind die meisten Schulen so eingerichtet, daß wer sich nicht vornemlich auf die GOt- tesgelartheit legen will, in denselben viele Stunden ver- geblich zubringen muß. Ein solcher kan fast nichts an- ders, als ein Bischen Latein, und dieses noch wohl schlecht genug, daraus mit wegbringen. Aber auch die andern, welche sich der Gottesgelahrtheit gewidmet ha- ben, finden gar selten in den Schulen die gehörige An- weisung. Latein ist ihr vornehmstes Werck, und gleich- wohl sollen diese Menschen ihren Gemeinden dermaleinst nicht latein, sondern dentsch predigen, daher geschiehtes auch, daß sie hernach undeutlich werden. Auf den hohen Schulen wird der Mangel, den man von den niedern Schulen dahin gebracht gar selten ersetzt. Die meisten, welche Prediger werden wollen, legen sich sogleich auf das Predigen, ohne den gehörigen Stoff dazu zu haben. Zur Noth hören sie ein paarmahl ein Collegium über die Theses, bekümmern sich, doch mit grosser Bequemlich- keit, etwas um die hebräische Sprache, besuchen Stück- weise, bald bey diesem, bald bey jenem, die Lehrstunden, hören etwa, wenn sie können, ein Collegium homileticum, und sodann sind sie fertig. Das Griechische sehen sie nicht wieder an, die Philosophie halten sie für unnütz, die Logick und Metaphysick sind ihnen lächerlich, die Physick über- lassen sie den Arzeneybeflissenen, oder den Neugierigen, mit der Mathematick wissen sie gar nichts anzufangen, und die ersten Grundsätze der natürlichen Religion wer- den von ihnen verachtet. Nun kann man sich leicht vor- stellen, was dergleichen Leute, wann sie hernach in das Predigtammt kommen, für schlechte Heldenthaten aus- richten können. Hierauf kom̅en die beyden andern Ursachen der Verach- tung, nemlich das üble Leben u. die unanständige Auffüh- rung. Die vom weltlichen Stande, sagt der Hr. Probst, beklagen sich fast am meisten über die Prediger, und gleich- wohl sind sie eben diejenigen, welche am wenigsten darauf sehen, daß sie rechtschaffene Hirten den Gemeinen vorse- tzen mögten. Bey der unanständigen Aufführung erin- nert er, daß die üble Erziehung beständig anhänget. Die Geistlichen, welche auf diese Art versäumet worden, scheu- en sich entweder für dem Umgange mit Vornehmern, als sie selber sind, sie beobachten keine Anständigkeit in ihren Geberden, sie sind grob und unhöflich; oder sie ge- ben sich eine solche gezwungene Mine, welche sie lächer- lich macht, oder auch sehr nach einem unvernünftigen Prediger Stolze schmeckt. Endlich schließt der Herr Probst, daß es gut wäre, wenn manche Prediger sich mehr zu einer höflichen Anständigkeit gewöhnten, und dieselbe nicht sogleich als eine sündliche Gleichstellung der Welt ansähen. Nächsten Sonabend werden wir den Eachard selbst hören.

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Zitationshilfe: Berlinische Nachrichten von Staats- und gelehrten Sachen. Nr. 22. Berlin, 18. August 1740, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_berlin022_1740/4>, abgerufen am 21.11.2024.