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Die Bayerische Presse. Nr. 130. Würzburg, 31. Mai 1850.

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[Spaltenumbruch] reich veranlaßt, die geeigneten Maßregeln zu neh-
men, daß fortan Engländern die Aufenthaltsbe-
fugniß nur unter der Bedingung zugestanden wird,
wenn sie auf den ganz besondern von Lord Pal-
merston eigens formirten Schutz von Seiten ihrer
Regierung verzichten. Wie wir vernehmen, beab-
sichtigt nun auch Oesterreich zu erwirken, daß die
sämmtlichen deutschen Staaten, wenigstens inner-
halb des deutschen Bundesgebiets, eine gleiche
Maßregel verwirklichen. Jeder Vaterlandsfreund,
jeder wahrhafte Patriot kann hierzu nur seine
volle Zustimmung geben und einen solchen Akt
mit Freuden begrüßen, da er sowohl im Jnteresse,
als in der Ehre des Vaterlands und seiner Be-
wohner liegen würde. Man hat gesehen, in welch
perfider und gewaltsamer Weise die jetzige Regie-
rung des mächtigen Großbrittaniens keinen An-
stand nahm, das kaum gewordene und darum
noch schwache Griechenland zu zwingen, übertrie-
bene nicht gehörig erwiesene Ansprüche einzelner
selbstsüchtiger Engländer zu befriedigen. Ebenso
wird dem Großherzogthum Toskana von Lord
Palmerston Namens des englischen Ministeriums
die Zumuthung gestellt, ähnliche willkürliche Ent-
schädigungsansprüche zu leisten. Auch steht Ad-
miral Parker auf dem Punkte, einen Parlamen-
tär nach Neapel zu schicken, um Satisfaktion für
die britischen Unterthanen, welche während der
dortigen Revolutionen Schaden gelitten, zu ver-
langen. Jm Nichtgewährungsfalle hat Palmer-
ston den Admiral angewiesen, mit seiner ganzen
Flotte vor Neapel zu erscheinen, die bedeutendsten
Häfen des Landes zu blokiren und so diesem Kö-
nigreich der Lebensnerv zu unterbinden.

   

* Von der württembergischen Grenze, 28.
Mai. Es ist ein großer Jammer, wenn man
sieht, wie zur Zeit wo die politischen Nachtheile
des allgemeinen Stimmrechtes in Frank-
reich von allen Parteien mit Ausnahme der rothen
im strengen Sinne des Wortes gefühlt und aner-
kannt werden, im Lande Württemberg die Majo-
ritat der Landesversammlung auf's Hartnäckigste
an diesem gefährlichen Ding festhält, und -- als
wäre es der Güter höchstes -- alles Uebrige,
Ruhe, Friede und Ordnung dafür in die Schanze
zu schlagen bereit erscheint. „Das ist auch eitel“,
wenn ein Mitglied jener „Linken“ seine politische
Weisheit dadurch an den Tag legen will, daß es
ausruft ( oder gar mit Ueberlegung und Ruhe
ausspricht ) , „die Zweckmäßigkeit stehe nur in zwei-
ter Linie, von der Ueberzeugung dürfe man aber
unter keinen Umständen abgehen.“ Das ist die
Rede eines „hoffnungsvollen Jünglings“, der für
eine schöne, aber unpraktische Phantasie mit dem
Kopf durch die Wand rennen möchte, und den
man für diesen Muth loben muß, weil für einen
Jüngling der gerade offene Sinn, das reine Stre-
ben nach Wahrheit mehr werth ist, als alle Su-
perklugheit die der Reinheit und Lauterkeit erman-
gelt. Für den gereiften Mann aber, wofür man
jeden Landtagsabgeordneten zu halten berechtigt
ist, gibt es keine unzweckmäßige Ueberzeugung,
noch wird er einer Sache die er für „zweckmäßig“
erachtet, seine „Ueberzeugung“ versagen. So un-
bedeutend jene Aeußerung an sich auch ist, so ist
sie doch charakteristisch für die Partei; es ist eben
eine linke Aeußerung. Es ist schon 1848 in der
bayerischen wie überhaupt in der deutschen Presse
viel über die verschiedenen Wahlsysteme debattirt
worden. Vom idealistischen Standpunkte aus, d.
h. unter der Voraussetzung, daß alle Menschen
so seien, wie sie sein sollten, oder richtiger, daß
die große Masse des Volkes so sei wie sie sein
sollte, die an Zahl geringern Begüterten und Ge-
bildeten aber nicht so seien, wie sie sollten, --
verdiente freilich das allgemeine Stimmrecht den
Vorzug. Da diese Voraussetzung aber falsch ist,
so fällt auch das Gebäude des allgem. Stimm-
rechtes in sich selbst zusammen -- und das ist
zweckmäßig und hat seine guten Gründe. -- Er-
lauben Sie mir noch eine Bemerkung über eine
Aeußerung des Präsidenten Schoder in der Sitz-
ung vom 23. ds. Es ist in aufgeregten Zeiten
leider nur zu oft der Fall, daß das gegenseitige
[Spaltenumbruch] Mißtrauen der Parteien oft die natürlichen Gren-
zen überschreitet. Wir können es daher nur die-
sem Umstande zuschreiben, daß Schoder, obschon
nirgends ein Beweis vorliegt, kurzweg annimmt
und es öffentlich ausspricht, daß „der Bundestag
restaurirt“ sei. Er motivirte damit eine Art von
Aufstachelung an die Versammlung, sich in keine
Concessionen an die Regierung einzulassen; denn:
die Versammlung wolle die Einführung der Grund-
rechte in die Verfassung, was dem restaurirten
Bundestag nicht annehmbar sein könne. Eine
Veränderung des Wahlgesetzes ( man könnte hier
wohl sagen des Wühlgesetzes! ) wäre zwar am
Ende zuzugeben, aber auch dieß würde nicht be-
friedigen, die größere Staaten würden eine so
vereinbarte Verfassung doch stets für einen „ bo-
denlosen Demokratismus“ halten. Und doch hatte
die Regierung längst schon erklärt und es öfters
wiederholt, daß sie die Grundrechte durchzuführen
gedenke, wenn es ihr auch nicht möglich sein
kann, dieselben en bloc anzunehmen, weil Vieles
in denselben auf Gegenseitigkeit mit den andern
Staaten beruht. Was die Restauration des alten
Bundestags betrifft, so ist es männiglich bekannt,
daß davon -- trotz den Versicherungen eines Cor-
respondenten des „Lloyd“ -- die Rede nicht ist,
sondern daß die Grundlage der Frankfurter Ver-
handlungen -- wie der Minister des Auswärtigen
es auch versicherte -- die Münchener Ueberein-
kunft bildet.

Dresden, 26. Mai. Wie sich voraussehen
ließ, hat Sachsen den mit heute eingetretenen Tag
des Ablaufs des zu Berlin im vorigen Jahre am
gleichen Tage vorläufig auf Jahresdauer abge-
schlossen gewesenen Bündnisses benützt, um seine
Lossagung von jenem Bündnisse, die im Grunde
thatsächlich schon längst bestanden, nun auch förm-
lich zu erklären. Gestern ist der Auftrag dazu au
den sächs. Geschäftsträger zu Berlin abgegangen.

   

Osnabrück, 21. Mai. Vom heil. Vater ist
unser verehrter Weihbischof, Dr. Lüpke, zum Exe-
cutor der päpstlichen Bulle Imp. Rom. Pontif.
bestellt, worüber man sich hier um so mehr freuet,
als man fest glaubt, daß die in diesem Vertrage
enthaltenen rechtlichen Forderungen der Katholiken
des Königreichs Hannover, nämlich für Hildes-
heim die Begründung der Einkünfte des Bischofs
und Domcapitels, die schon 1828 hätte geschehen
müssen, und für Osnabrück die Dotation des Bis-
thums, jetzt ernstlicher von der Regierung bean-
sprucht werden. Zu diesem Behufe ist unser
Weihbischof vor Kurzem mehrere Tage in Hanno-
ver anwesend gewesen, und hat dem Könige ein
hierauf bezügliches Schreiben des Papstes über-
reicht. Obgleich der König am 10. d. den Ueber-
bringer des päpstlichen Briefes zur Tafel geladen
und ihm von der Regierung günstige Zusagen ge-
macht sein sollen: so stellt man hier den redlichen
Willen der Regierung und vielleicht nicht mit Un-
recht, sehr in Frage, wiewohl das begründete
Recht der Katholiken höchsten Orts anerkannt ist.

Wien, 25. Mai. Ein halbofficieller Artikel
der „Oesterr. Reichs=Ztg.“ erörtert die Bemerkung
in dem letzten Finanzvortrag, daß Oesterreich ge-
nöthigt war, sehr bedeutende russische Heeresmas-
sen auf österr. Boden zu erhalten, mit folgenden
Worten: „Laut eines für die Hilfeleistung in Un-
garn zwischen Oesterreich und Rußland im Mai
vorigen Jahrs abgeschlossenen Staatsvertrags er-
bot sich letzteres, Sold und Kriegszulagen seiner
Auxiliartruppen fortwährend und ohne Anspruch
auf eine Vergütung von Seiten Oesterreichs selbst
zu bezahlen, wogegen Oesterreich innerhalb seiner
Grenzen die Naturalverpflegung und die nöthigen
Vorspänne denselben zu leisten übernahm. Da
aber weder in Galizien, noch in Mähren hinrei-
chend dotirte Verpflegungsmagazine vorbereitet wa-
ren, und bei dem überraschend schnell erfolgenden
Einmarsche von 200,000 M. und 90,000 Pfer-
den nicht mehr rechtzeitig errichtet werden konnten,
so stellte die russ. Regierung ihre im Königreich
Polen seit lange angehäuften Victualienvorräthe
bereitwillig gegen dereinstige Vergütung zur Dis-
position, und dieselben wurden, und zwar großen-
[Spaltenumbruch] theils mit gemietheten russ. Privatfuhrwerken, bis
Dukla, Bartfeld, Eperies, Kaschan und Debreczin
vorgeschoben. Die unerwartet schnelle Beendigung
des ungar. Kriegs hatte zur Folge, daß von den
an den erwähnten Orten eingelagerten Vorräthen
selbst -- nach dem Rückmarsche der russ. Trup-
pen -- noch sehr bedeutende Mengen erübrigten,
welche Oesterreich vertragsmäßig entweder gegen
Vergütung der Gestehungs= und Transportkosten
übernehmen, oder auf eigene Gefahr und Rech-
nung in das Königreich Polen zurückführen mußte.
Letztere abermalige Transportspesen hätten aber den
Preis des vorhandenen Materials weit überschrit-
ten, weßhalb dessen Ankauf vorgezogen und aus-
geführt wurde. Jene 3,600,000 Silberrubel, welche
nach der neuesten Abrechnung Oesterreich schließlich
an Rußland zu bezahlen, sind -- wie wir verneh-
men -- die Ausgleichung für Anschaffung und
Transport der von der russ. Armee nach Oester-
reich mitgebrachten, theils verzehrten, theils als
noch vorhanden übernommenen Lebensmittel und
Fouragen.“

Berlin, 26. Mai. Die „Neue Preußische
Zeitung“ enthält in ihren Spalten über den
versuchten Königsmord folgende Reflexio-
nen: Wir haben von vornherein ausgesprochen,
daß wir von der moralischen Mitschuld und Ur-
heberschaft der revolutionären Propaganda an der
fluchwürdigen That überzeugt sind. Ob die Un-
tersuchung irgend eine direkte Betheiligung Sei-
tens der Demokratie darthun wird, darauf legen
wir weniger Gewicht. Aber das Recht der An-
klage der moralischen Urheberschaft glauben wir
vollkommen nach alle den vorliegenden Beweisen
und Thatsachen zu haben und widerholen: Die
Geistesrichtung des Sefeloge ist durch demokra-
tische Einflüsse und Einwirkungen bis zu jenem
schrecklichen Entschlusse fanatisirt worden. -- Denn
eine solche That konnte nicht ausbleiben, nachdem
systematisch seit Jahr und Tag durch die hiesige
demokratische Presse jede Achtung vor der Person
des Monarchen, vor der Würde des Thrones
auf das Perfideste untergraben worden ist, nach-
dem Eid und Gewissen, Glauben und Heiligthum
fortwährend blasphemirt worden sind, nachdem
durch die bekannten Blätter fortwährend Haß und
Bitterkeit gegen den Monarchen und die Regie-
rung gepredigt, ja offen die Nothwendigkeit der
gewaltsamen und blutigen Empörung proklamirt
sind! -- Wer da Augen haben will, um die
Früchte dieser Propaganda und den Geist, den
sie erzeugt hat, zu sehen, der braucht einfach nur
die reichhaltige Sammlung von Motto's zu lesen,
die in der hiesigen Urwählerzeitung und Abend-
post die demokratischen Beiträge für die berüchtigte
Rinow'lche Sammlung begleiten. Mit offenen
klaren Worten ist da das Verbrechen proklamirt.
Motto's, wie: „Auch deine Stunde wird kommen,
Fritze!“ -- „Die rothe Fahne muß durch ganz
Europa wehen!“ kommen zu Dutzenden vor und
sind die geringfügigsten! -- Wer da weiß, wie
systematisch in dem Vereinswesen das Mißtrauen
und die Erbitterung gegen die Regierung organi-
sirt wurde; welche Reden dort an der Tagesord-
nung waren, welche Lectüre verbreitet, welche
Grundsätze und Ansichten dem Volke eingepflanzt
wurden, -- konnte sich über den Ausgang nicht
täuschen. -- Und diesem Allem gegenüber wagt
die Demokratie ihre Mitschuld, ihre Theilnahme
an dem Morde abzuläugnen? Diesem Allem ge-
genüber kann sie in der constitutionellen Juden-
zeitung und in dem zaghaften Manöver eines al-
ten feigen Klatschblattes noch Ritter finden! --
Wahrlich die Zeit ist eine solche, daß eine gründ-
liche Reinigung gründlich Noth thut, und wenn
jetzt unsere Regierung, die den Giftbaum, so hoch
hat emporschießen und solche Früchte treiben las-
sen, nicht statt des Oculirmessers die Art nimmt,
dann werden wir nächstens noch andere Ergebnisse
sehen, als den versuchten Königsmord!

Berlin, 27. Mai. Die polizeilichen Nach-
forschungen, zu welchen das Attentat auf den
König Veranlassung gegeben, in Verbindung mit
von der Schweiz hierher gesandten Documenten,
haben den Beweis geliefert, daß mehrere Hand-

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Zitationshilfe: Die Bayerische Presse. Nr. 130. Würzburg, 31. Mai 1850, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_bayerische130_1850/2>, abgerufen am 23.02.2025.