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Badener Zeitung. Nr. 88, Baden (Niederösterreich), 02.11.1904.

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Mittwoch Badener Zeitung 2. November 1904. Nr. 88.

[Spaltenumbruch]

einbezogen werden und von diesem Herrn, der
leider auch Reichsratsabgeordneter ist, Injurien
hinnehmen.

Wir nahmen nun Rücksprache mit unserem Steno-
graphen, ferner mit mehreren Herren Gemeindeausschüssen,
welche uns sämtlich erklären, daß der von uns ver-
öffentlichte Bericht vollkommen richtig ist. Um
nun ganz sicher zu sein, nahmen wir Einsicht in das
amtliche Protokoll über diese Sitzung, wozu uns
nach § 47 der Gemeindeordnung das Recht zusteht,
und siehe da, wir fanden alles, was wir geschrieben,
vollkommen bestätigt, bis auf einen kleinen, ganz
unwesentlichen Umstand, der aus den Zusammenhang
gerissen, allerdings ein kleines Mißverständnis wäre.

Wir setzen diese Stellen aus dem amtlichen
Protokoll hieher und unsere Leser mögen dieselbe
gefälligst mit der in der obigen "Berichtigung" ent-
haltenen vergleichen:

ad. I. "Ich verspreche mir von dem An-
trage gar keine Wirkung, schon deswegen,
weil derselbe meiner Ansicht nach an eine
ganz falsche Adresse gerichtet ist".

Bezüglich des zweiten Teiles ist unserem Steno[-]
graphen allerdings ein Lapsus passiert, indem ihm
statt des Wortes "Christlichsozialer" das Wort
"Antisemit" in die Feder gekommen ist. Wenn
man bedenkt, daß selbst den Reichsratsstenographen,
welche doch gewiß geübte Leute sind und in ihrer
saueren Arbeit in kurzen Intervallen abgelöst werden,
derartige Fehler unterlaufen, dann wird man auch
dieses Vergehen unseres Stenographen entschuldbar
finden. Mißzuverstehen wären diese Worte ganz
gewiß nicht, da ja im vorhergehenden Satze der
angeführten Stelle von den Christlichsozialen die
Rede ist, jeder Leser also wohl gewußt haben wird,
daß hier nur Dr. Lueger gemeint sein kann. Eine
deratige Wortklauberei leistet sich also Herr Herzog.

ad. II. sagt das amtliche Protokoll: "Es wird
der Resolutions-Antrag des Herrn Dr.
Trenner mit allen gegen 1 Stimme (Herr
Kollmann) angenommen".

So sieht also die Wahrheitsliebe des
Herrn
GA. Herzog aus! Unter dem Schutze
der Immunität schleudert er die schwersten
Beschuldigungen gegen Wehrlose hinaus
und unter dem Schutze des § 19 des Preß-
Gesetzes will er uns zwingen, auf billige
Weiseseine Reden, welche wir wegen Raum-
mangel gleich denen anderer Redner nur
auszugsweise wiedergeben und welche er
in seinem eigenen Blatte auch nur ver-
stümmelt wiedergibt, vollinhaltlich auf-
zunehmen!

Was dieses Individuum da will, ist klipp und
klar bewiesen. Um uns dagegen zu schützen und dem
Herrn die Gelegenheit zu benehmen, uns mit "Be-
richtigungen" zu belästigen, sehen wir uns gezwungen,
[Spaltenumbruch] in Hinkunft von der Veröffentlichung der Reden
Herzogs Abstand zu nehmen, wie wir dies bereits
in unserer letzten Nummer getan. Wir erklären hier
ausdrücklich, daß wir nur ungern von diesem Mittel
Gebrauch machen, doch zwingen uns die Umstände hiezu.

Es ist eine unsäglich traurige Tatsache in
unserem öffentlichen Leben, daß immer jene Elemente,
welche sich nach außen hin bei jeder Gelegenheit für
Deutschtum und Freiheit den Mund voll nehmen,
sobald sie nur einem Gegner wittern, der ihnen
einigermaßen auf ihre Hühneraugen tritt, nach Staats-
anwalt und Polizei schreien, selbst aber die rück-
sichtslosesten Mittel anwenden, um zu ihrem Ziele
zu gelangen. Ist es da zu verwundern, wenn sich
die besten, edelsten Kräfte, angeekelt von diesem
Treiben, aus unserem öffentlichen Leben zurückziehen?

Nur die Immunität des Abgeordneten
Herzog
hindert uns, ihn heute so zu behandeln,
wie er es verdiente, und da uns die Gelegenheit,
dies demnächst vor dem Schwurgerichte tun zu können,
nun auch benommen wurde, müssen wir uns in Ge-
duld ergeben und die Beschimpfungen, die wir ohne
Zweifel jetzt in erhöhtem Maße zu verkosten bekommen
werden, hinnehmen.

Wohl wird GA. Herzog dabei zu erwägen haben,
daß allem Ziel und Maß gegeben sein muß. Wenn
nicht, dann möge er nicht vergessen, daß uns noch ein
Mittel bleibt, das der Selbsthilfe. Wir haben uns
bisher aus gewissen Gründen mit der Person
des Herrn Herzog noch wenig befaßt. In Zukunft
werden wir dies angelegentlicher tun müssen.




Lokal-Nachrichten.
-- Johann Schiestl +.

Am 29. v. M.
verschied nach nahezu fünfmonatlichem schweren Leiden
der hiesige Realitätenbesitzer Herr Johann Schiestl,
welcher ob seiner seltenen Charaktereigenschaften, als
eine wahre Zierde der Badener Bürgerschaft, sich bei
der ganzen Bevölkerung der größten Hochachtung und
Wertschätzung erfreute und zu den beliebtesten Per-
sönlichkeiten Badens gehörte. Johann Schiestl
entstammte einer uralten Tiroler Färberfamilie, die
sich durch einen Vertreter dieses Geschlechtes, namens
Leopold Schiestl (geb. 1680 zu Sterzing in Tirol),
gegen Ende des XVII. Jahrhunderts in Baden seßhaft
machte und das Färberhandwerk bis über die zweite
Hälfte des vorigen Jahrhunderts hier fortführte.
Ein Mitglied dieses in der Geschichte Badens sich
sehr bemerkbarmachenden Stammes, Anton Schieftl,
fürsterzbischöfl.-geistl. Rat und Kurat-Benefiziat zu
St. Peter in Wien, bekannt durch seine schätzenswerte
Sammlung von Gemälden und musikalischen Instru-
menten, stiftete auch in der hiesigen Stadtpfarrkirche
einige wertvolle Kirchenfenster. Von diesem hat der
nun verstorbene, am 27. Februar 1838 zu Fischamend
[Spaltenumbruch] geborene Johann Schiestl, der später nach seiner
Verheiratung mit Marie Rucker das aufgegebene
Färbereigeschäft in eine, nun auch nicht mehr be-
stehende Muster-Vordruckerei umwandelte, wohl auch
den Sinn für das lokale Sammelwesen geerbt, denn
nach dem Tode desselben (1889) in gute Vermögens-
verhältnisse kommend, richtete er seine ganze Lebens-
tätigkeit auf das Aufsammeln aller jener lokalge-
schichtlich wichtigen Gegenstände, die der Unverstand
früherer Zeiten in alle Winde zerstreut hatte. So
entstand seine in ihrer Art und Vollständigkeit wohl
einzig dastehende, von allen Lokalforschern hochgeschätzte
"Badensia-Sammlung", mit welcher sich der Ver-
storbene um die Geschichte Badens unvergleichliche
Verdienste erworben. Im Jahre 1881 von der k. k.
n.-ö. Statthalterei zum Patronats-Kommissär der
Stadtpfarre Baden ernannt, später zum Verwalter
der Badener Kleinkinderbewahranstalt bestellt und zum
Obmann der Armen-Kommission Baden gewählt,
wirkte Johann Schiestl auch in diesen kommu-
nalen Stellungen mit größter Gewissenhaftigkeit für
die ihm anvertrauten Funktionen. Der im 67. Lebens-
jahre seinem schönen Wirkungskreise Entrissene war
auch Mitglied vieler Badener Vereine und hinter-
läßt außer seiner Witwe noch einen Sohn, den
Badener Kaufmann Anton Schiestl und zwei Töchter,
von denen eine an den bekannten Architekten Karl
Rainer verheiratet ist.

-- Todesfälle.

Samstag früh starb hier
Frau Betty Nagl, die ehemalige Eigentümerin
des jetzigen Hotel Brusatti, nach einem längerem
Leiden im 67. Lebensjahre. -- Montag früh ver-
schied Frau Julianna Rauch, geb. Aigner, die Gattin
des bekannten Hausbesitzers und Gastwirtes Herrn
Friedr. Rauch, nach kurzem Leiden im 54. Lebens-
jahre. -- Ferner ist hier noch der russische Gesandte
und bevollmächtigte Minister Herr Eugen Butzow,
der hier zur Kur weilte, Sonntags gestorben.

-- Ein gemeinsamer Amtstag im No-
vember.

Monntag, den 7. November, halb 9 Uhr
vormittags, findet eine Vollversammlung der Herreu
Bürgermeister der Gerichtsbezirke von Baden und
Pottenstein im Sitzungssaale der Bezirkshauptmann-
schaft statt.

-- Die Landesbierumlage in Nieder-
österreich.

Der Finanzausschuß des Landtages hat
Donnerstag, den 20. v. M., die Vorlage betreffend
die Landesbierumlage genehmigt. Gegen dieselbe
machte sich begreiflicherweise ein Bewegung bemerkbar,
nicht nur wegen der Umlage selbst, sondern auch
wegen der mancherlei unklaren Bestimmungen in dem
neuen Gesetze, welche eine vielfache Auslegung er-
möglichen. Trotzdem wurde dieselbe in der Sitzung
vom 29. vor. M. zum Beschlusse erhoben. Zur Ein-
führung derselben wird ein eigenes Landesbier-
inspektorat errichtet, wodurch der Status der Landes-
beamten um mehr als hundert neue Stellen vermehrt
werden soll.




[Spaltenumbruch]

der Hofbäuerin. Die Aeußerung der letzteren an
jenem Assentierungstage "Mir ziemt, Leitnerin, hiazt
war's Zeit, daß ös hoamgeahts, dö zwoa jungen
Leut kemmant scho neammer herfür", nannte sie
jedesmal eine "boshaftige Stichlerei" und konnte sie
nicht oft genug zum Besten geben. Die Antwort,
die sie ihr damals darauf gegeben hatte, schien ihr
so gelungen, daß sie noch heute über ihren guten
Einfall lachen mußte.

Wie es ihrer Tochter aber auf dieser Heimfahrt
zumute war, das wußte die Leitenbäuerin wohl nicht.
Kathl fühlte sich mit rauher Hand wieder zurück-
versetzt in die Wirklichkeit und dachte mit Schaudern
an die nächste Zukunft. Mißgestimmt im höchsten
Grade sagte das Mädchen, schon ungeduldig über
das Thema der Alten: "Aber Muatter, laßt's do
scho amol d'Hofbäuerin in Ruah! Sie is ja eh die
guate Stund selber".

Schrill lachte die Alte auf. "Aha, probier's nar
amol mit dera guat'n Stund z'haus'n, oft wirst
erscht d'raufkemma, daß d' dahoam an Eng'l hast
vo [d]aner Muatter. Dö und d'Schwarzböckin, das
sand scho so a paar guate Stund'n, mit dö's koa
Teufl net aushalt'n ka und net amol i". Auf das
"i" legte sie einen besonderen Nachdruck, dann fuhr
sie fort: "I han mi allerweil mit'n ganz'n Dorf
ganz guat vertrag'n -- na mit dö zwoa net!"

"Weil d'andern alle weiter weg sand", sagte
darauf der Bauer -- doch zu seinem Nutzen und
Frommen hatte sie es nicht gehört, weil sie weiter
raisonierte.

"Dera Schwarzböckin wir i oft nachher scho a
mein Herrn zoag'n, d'reichsten Bauern in Saukt Peter
sand oft nachher mir!"


[Spaltenumbruch]

Die Leitnerin addierte schon das Hofbauerngut
mit dem ihrigen, als wäre dasselbe schon ihr unbe-
strittenes Eigentum.

Kathl sprach am ganzen Weg schon kein Wort
mehr und als sie zuhause ankamen, suchte sie so
schnell wie möglich ihre Kammer auf, die sie mit
ihren vier kleinen Geschwistern teilte und blieb für
ihre Mutter unsichtbar.

Am anderen Tage sah man den Sepp sehr
viel in der Nachbarschaft herumschleichen und jeder,
der ihm in den Weg kam, wurde gestellt und mußte
Auskunft geben über den Kirchtag, so weit er es
nur imstande war und die gesammelten Neuigkeiten
trug er dann der Therese zu.

Daß die Kathl das schönste Deandl auf der
Kirmeß war, das trug die Leitnerin selbst gleich nach
ihrer Rückkehr im Dorfe herum, ja sie erzählte auch,
daß der Brünnlbauer für seinen Sohn um die Kathl
bei ihr angehalten habe und daß er sie ohne ihre
Zusage gar nicht weglassen wollte von St. Wolfgang.
Jeder aber, der die Verhältnisse des Bauern kannte,
wunderte sich begreiflicherweise sehr über den Korb,
den ihm die Leitnerin gegeben haben sollte, sie aber
lächelte dabei sehr geheimnisvoll, indem sie andeutete,
daß sie für ihre Tochter viel bessere Aussichten habe.




Zwei Tage waren verstrichen nach dem Kirch-
weihfest. Es war Nachmittags, da sandte der Kapellen-
bauer seine Tochter mit einem Auftrag zur Mühle
hinunter und alsbald war Therese auf ihrem Gang
begriffen und schritt die Dorfgasse hinauf. Sie ging
sehr langsam, sie konnte sich ja Zeit lassen, bis zum
Abend war sie ja doch zehn Mal schon zurück.


[Spaltenumbruch]

Sie hatte noch nicht die letzten Häuser des
Dorfes hinter sich, bekam sie auch schon einen Be-
gleiter, der Hofbauern-Franzl hatte sie eingeholt,
anscheinend ging er auch einen Teil desselben Weges.

"No, Threserl, wo geahst denn du hin?" rief
sie der Bursche an, nachdem nur mehr eine kleine
Entfernung zwischen ihnen lag.

Das Mädchen wandte sich um. "I? Der Vater
schickt mi obi af d'Mühl, mir hiat'n no a weng a
Korn zan mahl'n", antwortete es und setzte gleich darauf
die Frage hinzu: "Und du? Wo geahst du hin?"

I muaß ins Wirtshaus einischau', der Schuaster
vo Wulfgang sull d'rinn sei, er muaß zan uns af
d'Stöhr kemm, sand alle Schuach z'riss'n -- koa
Wunder -- oa Kirchta um an ander'n".

"Wia war's denn af'n Sunnta ob'n? Du warst
ja a dabei", sagte Therese. Man sah es ihr an, sie
war sehr gespannt, aus dem Munde des Burschen
näheres zu erfahren. Er blieb ihr aber vorderhand
jede Auskunft schuldig, sondern antwortete nur mit
der Gegenfrage:

"Warum bist denn du net dabei g'west?"

"Du woaßt ja ganz guat warum. Weil's uns
fert'n 'u Hansl ob'n so zuag'richt' hamt, daß er hat
müaß'n 's Leb'n einbüaß'n".

"Ja, ja, der hat aber an schean Tod g'habt",
erwiderte der Bursche mit einem Auflug von Mitgefühl.

"So? Das is ba dir a scheaner Tod, wann
[d]as afr an Kirchta derschlag'n wird?"

"Halt ja! Wann mir das afr an Kirchta passiert,
da mach' i mer scho nix d'raus! Wer sie net z'raf'n
traut, der is ba mir koa Mannsbild net, und den
ka a der Kaiser net brauch'n. Afn Sunnta is aber
zuagang' ob'n, denen hamt mer's hoamzahlt, was


Mittwoch Badener Zeitung 2. November 1904. Nr. 88.

[Spaltenumbruch]

einbezogen werden und von dieſem Herrn, der
leider auch Reichsratsabgeordneter iſt, Injurien
hinnehmen.

Wir nahmen nun Rückſprache mit unſerem Steno-
graphen, ferner mit mehreren Herren Gemeindeausſchüſſen,
welche uns ſämtlich erklären, daß der von uns ver-
öffentlichte Bericht vollkommen richtig iſt. Um
nun ganz ſicher zu ſein, nahmen wir Einſicht in das
amtliche Protokoll über dieſe Sitzung, wozu uns
nach § 47 der Gemeindeordnung das Recht zuſteht,
und ſiehe da, wir fanden alles, was wir geſchrieben,
vollkommen beſtätigt, bis auf einen kleinen, ganz
unweſentlichen Umſtand, der aus den Zuſammenhang
geriſſen, allerdings ein kleines Mißverſtändnis wäre.

Wir ſetzen dieſe Stellen aus dem amtlichen
Protokoll hieher und unſere Leſer mögen dieſelbe
gefälligſt mit der in der obigen „Berichtigung“ ent-
haltenen vergleichen:

ad. I. „Ich verſpreche mir von dem An-
trage gar keine Wirkung, ſchon deswegen,
weil derſelbe meiner Anſicht nach an eine
ganz falſche Adreſſe gerichtet iſt“.

Bezüglich des zweiten Teiles iſt unſerem Steno[-]
graphen allerdings ein Lapſus paſſiert, indem ihm
ſtatt des Wortes „Chriſtlichſozialer“ das Wort
„Antiſemit“ in die Feder gekommen iſt. Wenn
man bedenkt, daß ſelbſt den Reichsratsſtenographen,
welche doch gewiß geübte Leute ſind und in ihrer
ſaueren Arbeit in kurzen Intervallen abgelöſt werden,
derartige Fehler unterlaufen, dann wird man auch
dieſes Vergehen unſeres Stenographen entſchuldbar
finden. Mißzuverſtehen wären dieſe Worte ganz
gewiß nicht, da ja im vorhergehenden Satze der
angeführten Stelle von den Chriſtlichſozialen die
Rede iſt, jeder Leſer alſo wohl gewußt haben wird,
daß hier nur Dr. Lueger gemeint ſein kann. Eine
deratige Wortklauberei leiſtet ſich alſo Herr Herzog.

ad. II. ſagt das amtliche Protokoll: „Es wird
der Reſolutions-Antrag des Herrn Dr.
Trenner mit allen gegen 1 Stimme (Herr
Kollmann) angenommen“.

So ſieht alſo die Wahrheitsliebe des
Herrn
GA. Herzog aus! Unter dem Schutze
der Immunität ſchleudert er die ſchwerſten
Beſchuldigungen gegen Wehrloſe hinaus
und unter dem Schutze des § 19 des Preß-
Geſetzes will er uns zwingen, auf billige
Weiſeſeine Reden, welche wir wegen Raum-
mangel gleich denen anderer Redner nur
auszugsweiſe wiedergeben und welche er
in ſeinem eigenen Blatte auch nur ver-
ſtümmelt wiedergibt, vollinhaltlich auf-
zunehmen!

Was dieſes Individuum da will, iſt klipp und
klar bewieſen. Um uns dagegen zu ſchützen und dem
Herrn die Gelegenheit zu benehmen, uns mit „Be-
richtigungen“ zu beläſtigen, ſehen wir uns gezwungen,
[Spaltenumbruch] in Hinkunft von der Veröffentlichung der Reden
Herzogs Abſtand zu nehmen, wie wir dies bereits
in unſerer letzten Nummer getan. Wir erklären hier
ausdrücklich, daß wir nur ungern von dieſem Mittel
Gebrauch machen, doch zwingen uns die Umſtände hiezu.

Es iſt eine unſäglich traurige Tatſache in
unſerem öffentlichen Leben, daß immer jene Elemente,
welche ſich nach außen hin bei jeder Gelegenheit für
Deutſchtum und Freiheit den Mund voll nehmen,
ſobald ſie nur einem Gegner wittern, der ihnen
einigermaßen auf ihre Hühneraugen tritt, nach Staats-
anwalt und Polizei ſchreien, ſelbſt aber die rück-
ſichtsloſeſten Mittel anwenden, um zu ihrem Ziele
zu gelangen. Iſt es da zu verwundern, wenn ſich
die beſten, edelſten Kräfte, angeekelt von dieſem
Treiben, aus unſerem öffentlichen Leben zurückziehen?

Nur die Immunität des Abgeordneten
Herzog
hindert uns, ihn heute ſo zu behandeln,
wie er es verdiente, und da uns die Gelegenheit,
dies demnächſt vor dem Schwurgerichte tun zu können,
nun auch benommen wurde, müſſen wir uns in Ge-
duld ergeben und die Beſchimpfungen, die wir ohne
Zweifel jetzt in erhöhtem Maße zu verkoſten bekommen
werden, hinnehmen.

Wohl wird GA. Herzog dabei zu erwägen haben,
daß allem Ziel und Maß gegeben ſein muß. Wenn
nicht, dann möge er nicht vergeſſen, daß uns noch ein
Mittel bleibt, das der Selbſthilfe. Wir haben uns
bisher aus gewiſſen Gründen mit der Perſon
des Herrn Herzog noch wenig befaßt. In Zukunft
werden wir dies angelegentlicher tun müſſen.




Lokal-Nachrichten.
Johann Schieſtl †.

Am 29. v. M.
verſchied nach nahezu fünfmonatlichem ſchweren Leiden
der hieſige Realitätenbeſitzer Herr Johann Schieſtl,
welcher ob ſeiner ſeltenen Charaktereigenſchaften, als
eine wahre Zierde der Badener Bürgerſchaft, ſich bei
der ganzen Bevölkerung der größten Hochachtung und
Wertſchätzung erfreute und zu den beliebteſten Per-
ſönlichkeiten Badens gehörte. Johann Schieſtl
entſtammte einer uralten Tiroler Färberfamilie, die
ſich durch einen Vertreter dieſes Geſchlechtes, namens
Leopold Schieſtl (geb. 1680 zu Sterzing in Tirol),
gegen Ende des XVII. Jahrhunderts in Baden ſeßhaft
machte und das Färberhandwerk bis über die zweite
Hälfte des vorigen Jahrhunderts hier fortführte.
Ein Mitglied dieſes in der Geſchichte Badens ſich
ſehr bemerkbarmachenden Stammes, Anton Schieftl,
fürſterzbiſchöfl.-geiſtl. Rat und Kurat-Benefiziat zu
St. Peter in Wien, bekannt durch ſeine ſchätzenswerte
Sammlung von Gemälden und muſikaliſchen Inſtru-
menten, ſtiftete auch in der hieſigen Stadtpfarrkirche
einige wertvolle Kirchenfenſter. Von dieſem hat der
nun verſtorbene, am 27. Februar 1838 zu Fiſchamend
[Spaltenumbruch] geborene Johann Schieſtl, der ſpäter nach ſeiner
Verheiratung mit Marie Rucker das aufgegebene
Färbereigeſchäft in eine, nun auch nicht mehr be-
ſtehende Muſter-Vordruckerei umwandelte, wohl auch
den Sinn für das lokale Sammelweſen geerbt, denn
nach dem Tode desſelben (1889) in gute Vermögens-
verhältniſſe kommend, richtete er ſeine ganze Lebens-
tätigkeit auf das Aufſammeln aller jener lokalge-
ſchichtlich wichtigen Gegenſtände, die der Unverſtand
früherer Zeiten in alle Winde zerſtreut hatte. So
entſtand ſeine in ihrer Art und Vollſtändigkeit wohl
einzig daſtehende, von allen Lokalforſchern hochgeſchätzte
„Badenſia-Sammlung“, mit welcher ſich der Ver-
ſtorbene um die Geſchichte Badens unvergleichliche
Verdienſte erworben. Im Jahre 1881 von der k. k.
n.-ö. Statthalterei zum Patronats-Kommiſſär der
Stadtpfarre Baden ernannt, ſpäter zum Verwalter
der Badener Kleinkinderbewahranſtalt beſtellt und zum
Obmann der Armen-Kommiſſion Baden gewählt,
wirkte Johann Schieſtl auch in dieſen kommu-
nalen Stellungen mit größter Gewiſſenhaftigkeit für
die ihm anvertrauten Funktionen. Der im 67. Lebens-
jahre ſeinem ſchönen Wirkungskreiſe Entriſſene war
auch Mitglied vieler Badener Vereine und hinter-
läßt außer ſeiner Witwe noch einen Sohn, den
Badener Kaufmann Anton Schieſtl und zwei Töchter,
von denen eine an den bekannten Architekten Karl
Rainer verheiratet iſt.

Todesfälle.

Samstag früh ſtarb hier
Frau Betty Nagl, die ehemalige Eigentümerin
des jetzigen Hotel Bruſatti, nach einem längerem
Leiden im 67. Lebensjahre. — Montag früh ver-
ſchied Frau Julianna Rauch, geb. Aigner, die Gattin
des bekannten Hausbeſitzers und Gaſtwirtes Herrn
Friedr. Rauch, nach kurzem Leiden im 54. Lebens-
jahre. — Ferner iſt hier noch der ruſſiſche Geſandte
und bevollmächtigte Miniſter Herr Eugen Butzow,
der hier zur Kur weilte, Sonntags geſtorben.

Ein gemeinſamer Amtstag im No-
vember.

Monntag, den 7. November, halb 9 Uhr
vormittags, findet eine Vollverſammlung der Herreu
Bürgermeiſter der Gerichtsbezirke von Baden und
Pottenſtein im Sitzungsſaale der Bezirkshauptmann-
ſchaft ſtatt.

Die Landesbierumlage in Nieder-
öſterreich.

Der Finanzausſchuß des Landtages hat
Donnerstag, den 20. v. M., die Vorlage betreffend
die Landesbierumlage genehmigt. Gegen dieſelbe
machte ſich begreiflicherweiſe ein Bewegung bemerkbar,
nicht nur wegen der Umlage ſelbſt, ſondern auch
wegen der mancherlei unklaren Beſtimmungen in dem
neuen Geſetze, welche eine vielfache Auslegung er-
möglichen. Trotzdem wurde dieſelbe in der Sitzung
vom 29. vor. M. zum Beſchluſſe erhoben. Zur Ein-
führung derſelben wird ein eigenes Landesbier-
inſpektorat errichtet, wodurch der Status der Landes-
beamten um mehr als hundert neue Stellen vermehrt
werden ſoll.




[Spaltenumbruch]

der Hofbäuerin. Die Aeußerung der letzteren an
jenem Aſſentierungstage „Mir ziemt, Leitnerin, hiazt
war’s Zeit, daß ös hoamgeahts, dö zwoa jungen
Leut kemmant ſcho neammer herfür“, nannte ſie
jedesmal eine „boshaftige Stichlerei“ und konnte ſie
nicht oft genug zum Beſten geben. Die Antwort,
die ſie ihr damals darauf gegeben hatte, ſchien ihr
ſo gelungen, daß ſie noch heute über ihren guten
Einfall lachen mußte.

Wie es ihrer Tochter aber auf dieſer Heimfahrt
zumute war, das wußte die Leitenbäuerin wohl nicht.
Kathl fühlte ſich mit rauher Hand wieder zurück-
verſetzt in die Wirklichkeit und dachte mit Schaudern
an die nächſte Zukunft. Mißgeſtimmt im höchſten
Grade ſagte das Mädchen, ſchon ungeduldig über
das Thema der Alten: „Aber Muatter, laßt’s do
ſcho amol d’Hofbäuerin in Ruah! Sie is ja eh die
guate Stund ſelber“.

Schrill lachte die Alte auf. „Aha, probier’s nar
amol mit dera guat’n Stund z’hauſ’n, oft wirſt
erſcht d’raufkemma, daß d’ dahoam an Eng’l haſt
vo [d]aner Muatter. Dö und d’Schwarzböckin, das
ſand ſcho ſo a paar guate Stund’n, mit dö’s koa
Teufl net aushalt’n ka und net amol i“. Auf das
„i“ legte ſie einen beſonderen Nachdruck, dann fuhr
ſie fort: „I han mi allerweil mit’n ganz’n Dorf
ganz guat vertrag’n — na mit dö zwoa net!“

„Weil d’andern alle weiter weg ſand“, ſagte
darauf der Bauer — doch zu ſeinem Nutzen und
Frommen hatte ſie es nicht gehört, weil ſie weiter
raiſonierte.

„Dera Schwarzböckin wir i oft nachher ſcho a
mein Herrn zoag’n, d’reichſten Bauern in Saukt Peter
ſand oft nachher mir!“


[Spaltenumbruch]

Die Leitnerin addierte ſchon das Hofbauerngut
mit dem ihrigen, als wäre dasſelbe ſchon ihr unbe-
ſtrittenes Eigentum.

Kathl ſprach am ganzen Weg ſchon kein Wort
mehr und als ſie zuhauſe ankamen, ſuchte ſie ſo
ſchnell wie möglich ihre Kammer auf, die ſie mit
ihren vier kleinen Geſchwiſtern teilte und blieb für
ihre Mutter unſichtbar.

Am anderen Tage ſah man den Sepp ſehr
viel in der Nachbarſchaft herumſchleichen und jeder,
der ihm in den Weg kam, wurde geſtellt und mußte
Auskunft geben über den Kirchtag, ſo weit er es
nur imſtande war und die geſammelten Neuigkeiten
trug er dann der Thereſe zu.

Daß die Kathl das ſchönſte Deandl auf der
Kirmeß war, das trug die Leitnerin ſelbſt gleich nach
ihrer Rückkehr im Dorfe herum, ja ſie erzählte auch,
daß der Brünnlbauer für ſeinen Sohn um die Kathl
bei ihr angehalten habe und daß er ſie ohne ihre
Zuſage gar nicht weglaſſen wollte von St. Wolfgang.
Jeder aber, der die Verhältniſſe des Bauern kannte,
wunderte ſich begreiflicherweiſe ſehr über den Korb,
den ihm die Leitnerin gegeben haben ſollte, ſie aber
lächelte dabei ſehr geheimnisvoll, indem ſie andeutete,
daß ſie für ihre Tochter viel beſſere Ausſichten habe.




Zwei Tage waren verſtrichen nach dem Kirch-
weihfeſt. Es war Nachmittags, da ſandte der Kapellen-
bauer ſeine Tochter mit einem Auftrag zur Mühle
hinunter und alsbald war Thereſe auf ihrem Gang
begriffen und ſchritt die Dorfgaſſe hinauf. Sie ging
ſehr langſam, ſie konnte ſich ja Zeit laſſen, bis zum
Abend war ſie ja doch zehn Mal ſchon zurück.


[Spaltenumbruch]

Sie hatte noch nicht die letzten Häuſer des
Dorfes hinter ſich, bekam ſie auch ſchon einen Be-
gleiter, der Hofbauern-Franzl hatte ſie eingeholt,
anſcheinend ging er auch einen Teil desſelben Weges.

„No, Threſerl, wo geahſt denn du hin?“ rief
ſie der Burſche an, nachdem nur mehr eine kleine
Entfernung zwiſchen ihnen lag.

Das Mädchen wandte ſich um. „I? Der Vater
ſchickt mi obi af d’Mühl, mir hiat’n no a weng a
Korn zan mahl’n“, antwortete es und ſetzte gleich darauf
die Frage hinzu: „Und du? Wo geahſt du hin?“

I muaß ins Wirtshaus einiſchau’, der Schuaſter
vo Wulfgang ſull d’rinn ſei, er muaß zan uns af
d’Stöhr kemm, ſand alle Schuach z’riſſ’n — koa
Wunder — oa Kirchta um an ander’n“.

„Wia war’s denn af’n Sunnta ob’n? Du warſt
ja a dabei“, ſagte Thereſe. Man ſah es ihr an, ſie
war ſehr geſpannt, aus dem Munde des Burſchen
näheres zu erfahren. Er blieb ihr aber vorderhand
jede Auskunft ſchuldig, ſondern antwortete nur mit
der Gegenfrage:

„Warum biſt denn du net dabei g’weſt?“

„Du woaßt ja ganz guat warum. Weil’s uns
fert’n ’u Hansl ob’n ſo zuag’richt’ hamt, daß er hat
müaß’n ’s Leb’n einbüaß’n“.

„Ja, ja, der hat aber an ſchean Tod g’habt“,
erwiderte der Burſche mit einem Auflug von Mitgefühl.

„So? Das is ba dir a ſcheaner Tod, wann
[d]as afr an Kirchta derſchlag’n wird?“

„Halt ja! Wann mir das afr an Kirchta paſſiert,
da mach’ i mer ſcho nix d’raus! Wer ſie net z’raf’n
traut, der is ba mir koa Mannsbild net, und den
ka a der Kaiſer net brauch’n. Afn Sunnta is aber
zuagang’ ob’n, denen hamt mer’s hoamzahlt, was


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[4/0004] Mittwoch Badener Zeitung 2. November 1904. Nr. 88. einbezogen werden und von dieſem Herrn, der leider auch Reichsratsabgeordneter iſt, Injurien hinnehmen. Wir nahmen nun Rückſprache mit unſerem Steno- graphen, ferner mit mehreren Herren Gemeindeausſchüſſen, welche uns ſämtlich erklären, daß der von uns ver- öffentlichte Bericht vollkommen richtig iſt. Um nun ganz ſicher zu ſein, nahmen wir Einſicht in das amtliche Protokoll über dieſe Sitzung, wozu uns nach § 47 der Gemeindeordnung das Recht zuſteht, und ſiehe da, wir fanden alles, was wir geſchrieben, vollkommen beſtätigt, bis auf einen kleinen, ganz unweſentlichen Umſtand, der aus den Zuſammenhang geriſſen, allerdings ein kleines Mißverſtändnis wäre. Wir ſetzen dieſe Stellen aus dem amtlichen Protokoll hieher und unſere Leſer mögen dieſelbe gefälligſt mit der in der obigen „Berichtigung“ ent- haltenen vergleichen: ad. I. „Ich verſpreche mir von dem An- trage gar keine Wirkung, ſchon deswegen, weil derſelbe meiner Anſicht nach an eine ganz falſche Adreſſe gerichtet iſt“. Bezüglich des zweiten Teiles iſt unſerem Steno- graphen allerdings ein Lapſus paſſiert, indem ihm ſtatt des Wortes „Chriſtlichſozialer“ das Wort „Antiſemit“ in die Feder gekommen iſt. Wenn man bedenkt, daß ſelbſt den Reichsratsſtenographen, welche doch gewiß geübte Leute ſind und in ihrer ſaueren Arbeit in kurzen Intervallen abgelöſt werden, derartige Fehler unterlaufen, dann wird man auch dieſes Vergehen unſeres Stenographen entſchuldbar finden. Mißzuverſtehen wären dieſe Worte ganz gewiß nicht, da ja im vorhergehenden Satze der angeführten Stelle von den Chriſtlichſozialen die Rede iſt, jeder Leſer alſo wohl gewußt haben wird, daß hier nur Dr. Lueger gemeint ſein kann. Eine deratige Wortklauberei leiſtet ſich alſo Herr Herzog. ad. II. ſagt das amtliche Protokoll: „Es wird der Reſolutions-Antrag des Herrn Dr. Trenner mit allen gegen 1 Stimme (Herr Kollmann) angenommen“. So ſieht alſo die Wahrheitsliebe des Herrn GA. Herzog aus! Unter dem Schutze der Immunität ſchleudert er die ſchwerſten Beſchuldigungen gegen Wehrloſe hinaus und unter dem Schutze des § 19 des Preß- Geſetzes will er uns zwingen, auf billige Weiſeſeine Reden, welche wir wegen Raum- mangel gleich denen anderer Redner nur auszugsweiſe wiedergeben und welche er in ſeinem eigenen Blatte auch nur ver- ſtümmelt wiedergibt, vollinhaltlich auf- zunehmen! Was dieſes Individuum da will, iſt klipp und klar bewieſen. Um uns dagegen zu ſchützen und dem Herrn die Gelegenheit zu benehmen, uns mit „Be- richtigungen“ zu beläſtigen, ſehen wir uns gezwungen, in Hinkunft von der Veröffentlichung der Reden Herzogs Abſtand zu nehmen, wie wir dies bereits in unſerer letzten Nummer getan. Wir erklären hier ausdrücklich, daß wir nur ungern von dieſem Mittel Gebrauch machen, doch zwingen uns die Umſtände hiezu. Es iſt eine unſäglich traurige Tatſache in unſerem öffentlichen Leben, daß immer jene Elemente, welche ſich nach außen hin bei jeder Gelegenheit für Deutſchtum und Freiheit den Mund voll nehmen, ſobald ſie nur einem Gegner wittern, der ihnen einigermaßen auf ihre Hühneraugen tritt, nach Staats- anwalt und Polizei ſchreien, ſelbſt aber die rück- ſichtsloſeſten Mittel anwenden, um zu ihrem Ziele zu gelangen. Iſt es da zu verwundern, wenn ſich die beſten, edelſten Kräfte, angeekelt von dieſem Treiben, aus unſerem öffentlichen Leben zurückziehen? Nur die Immunität des Abgeordneten Herzog hindert uns, ihn heute ſo zu behandeln, wie er es verdiente, und da uns die Gelegenheit, dies demnächſt vor dem Schwurgerichte tun zu können, nun auch benommen wurde, müſſen wir uns in Ge- duld ergeben und die Beſchimpfungen, die wir ohne Zweifel jetzt in erhöhtem Maße zu verkoſten bekommen werden, hinnehmen. Wohl wird GA. Herzog dabei zu erwägen haben, daß allem Ziel und Maß gegeben ſein muß. Wenn nicht, dann möge er nicht vergeſſen, daß uns noch ein Mittel bleibt, das der Selbſthilfe. Wir haben uns bisher aus gewiſſen Gründen mit der Perſon des Herrn Herzog noch wenig befaßt. In Zukunft werden wir dies angelegentlicher tun müſſen. Die Schriftleitung. Lokal-Nachrichten. — Johann Schieſtl †. Am 29. v. M. verſchied nach nahezu fünfmonatlichem ſchweren Leiden der hieſige Realitätenbeſitzer Herr Johann Schieſtl, welcher ob ſeiner ſeltenen Charaktereigenſchaften, als eine wahre Zierde der Badener Bürgerſchaft, ſich bei der ganzen Bevölkerung der größten Hochachtung und Wertſchätzung erfreute und zu den beliebteſten Per- ſönlichkeiten Badens gehörte. Johann Schieſtl entſtammte einer uralten Tiroler Färberfamilie, die ſich durch einen Vertreter dieſes Geſchlechtes, namens Leopold Schieſtl (geb. 1680 zu Sterzing in Tirol), gegen Ende des XVII. Jahrhunderts in Baden ſeßhaft machte und das Färberhandwerk bis über die zweite Hälfte des vorigen Jahrhunderts hier fortführte. Ein Mitglied dieſes in der Geſchichte Badens ſich ſehr bemerkbarmachenden Stammes, Anton Schieftl, fürſterzbiſchöfl.-geiſtl. Rat und Kurat-Benefiziat zu St. Peter in Wien, bekannt durch ſeine ſchätzenswerte Sammlung von Gemälden und muſikaliſchen Inſtru- menten, ſtiftete auch in der hieſigen Stadtpfarrkirche einige wertvolle Kirchenfenſter. Von dieſem hat der nun verſtorbene, am 27. Februar 1838 zu Fiſchamend geborene Johann Schieſtl, der ſpäter nach ſeiner Verheiratung mit Marie Rucker das aufgegebene Färbereigeſchäft in eine, nun auch nicht mehr be- ſtehende Muſter-Vordruckerei umwandelte, wohl auch den Sinn für das lokale Sammelweſen geerbt, denn nach dem Tode desſelben (1889) in gute Vermögens- verhältniſſe kommend, richtete er ſeine ganze Lebens- tätigkeit auf das Aufſammeln aller jener lokalge- ſchichtlich wichtigen Gegenſtände, die der Unverſtand früherer Zeiten in alle Winde zerſtreut hatte. So entſtand ſeine in ihrer Art und Vollſtändigkeit wohl einzig daſtehende, von allen Lokalforſchern hochgeſchätzte „Badenſia-Sammlung“, mit welcher ſich der Ver- ſtorbene um die Geſchichte Badens unvergleichliche Verdienſte erworben. Im Jahre 1881 von der k. k. n.-ö. Statthalterei zum Patronats-Kommiſſär der Stadtpfarre Baden ernannt, ſpäter zum Verwalter der Badener Kleinkinderbewahranſtalt beſtellt und zum Obmann der Armen-Kommiſſion Baden gewählt, wirkte Johann Schieſtl auch in dieſen kommu- nalen Stellungen mit größter Gewiſſenhaftigkeit für die ihm anvertrauten Funktionen. Der im 67. Lebens- jahre ſeinem ſchönen Wirkungskreiſe Entriſſene war auch Mitglied vieler Badener Vereine und hinter- läßt außer ſeiner Witwe noch einen Sohn, den Badener Kaufmann Anton Schieſtl und zwei Töchter, von denen eine an den bekannten Architekten Karl Rainer verheiratet iſt. — Todesfälle. Samstag früh ſtarb hier Frau Betty Nagl, die ehemalige Eigentümerin des jetzigen Hotel Bruſatti, nach einem längerem Leiden im 67. Lebensjahre. — Montag früh ver- ſchied Frau Julianna Rauch, geb. Aigner, die Gattin des bekannten Hausbeſitzers und Gaſtwirtes Herrn Friedr. Rauch, nach kurzem Leiden im 54. Lebens- jahre. — Ferner iſt hier noch der ruſſiſche Geſandte und bevollmächtigte Miniſter Herr Eugen Butzow, der hier zur Kur weilte, Sonntags geſtorben. — Ein gemeinſamer Amtstag im No- vember. Monntag, den 7. November, halb 9 Uhr vormittags, findet eine Vollverſammlung der Herreu Bürgermeiſter der Gerichtsbezirke von Baden und Pottenſtein im Sitzungsſaale der Bezirkshauptmann- ſchaft ſtatt. — Die Landesbierumlage in Nieder- öſterreich. Der Finanzausſchuß des Landtages hat Donnerstag, den 20. v. M., die Vorlage betreffend die Landesbierumlage genehmigt. Gegen dieſelbe machte ſich begreiflicherweiſe ein Bewegung bemerkbar, nicht nur wegen der Umlage ſelbſt, ſondern auch wegen der mancherlei unklaren Beſtimmungen in dem neuen Geſetze, welche eine vielfache Auslegung er- möglichen. Trotzdem wurde dieſelbe in der Sitzung vom 29. vor. M. zum Beſchluſſe erhoben. Zur Ein- führung derſelben wird ein eigenes Landesbier- inſpektorat errichtet, wodurch der Status der Landes- beamten um mehr als hundert neue Stellen vermehrt werden ſoll. der Hofbäuerin. Die Aeußerung der letzteren an jenem Aſſentierungstage „Mir ziemt, Leitnerin, hiazt war’s Zeit, daß ös hoamgeahts, dö zwoa jungen Leut kemmant ſcho neammer herfür“, nannte ſie jedesmal eine „boshaftige Stichlerei“ und konnte ſie nicht oft genug zum Beſten geben. Die Antwort, die ſie ihr damals darauf gegeben hatte, ſchien ihr ſo gelungen, daß ſie noch heute über ihren guten Einfall lachen mußte. Wie es ihrer Tochter aber auf dieſer Heimfahrt zumute war, das wußte die Leitenbäuerin wohl nicht. Kathl fühlte ſich mit rauher Hand wieder zurück- verſetzt in die Wirklichkeit und dachte mit Schaudern an die nächſte Zukunft. Mißgeſtimmt im höchſten Grade ſagte das Mädchen, ſchon ungeduldig über das Thema der Alten: „Aber Muatter, laßt’s do ſcho amol d’Hofbäuerin in Ruah! Sie is ja eh die guate Stund ſelber“. Schrill lachte die Alte auf. „Aha, probier’s nar amol mit dera guat’n Stund z’hauſ’n, oft wirſt erſcht d’raufkemma, daß d’ dahoam an Eng’l haſt vo daner Muatter. Dö und d’Schwarzböckin, das ſand ſcho ſo a paar guate Stund’n, mit dö’s koa Teufl net aushalt’n ka und net amol i“. Auf das „i“ legte ſie einen beſonderen Nachdruck, dann fuhr ſie fort: „I han mi allerweil mit’n ganz’n Dorf ganz guat vertrag’n — na mit dö zwoa net!“ „Weil d’andern alle weiter weg ſand“, ſagte darauf der Bauer — doch zu ſeinem Nutzen und Frommen hatte ſie es nicht gehört, weil ſie weiter raiſonierte. „Dera Schwarzböckin wir i oft nachher ſcho a mein Herrn zoag’n, d’reichſten Bauern in Saukt Peter ſand oft nachher mir!“ Die Leitnerin addierte ſchon das Hofbauerngut mit dem ihrigen, als wäre dasſelbe ſchon ihr unbe- ſtrittenes Eigentum. Kathl ſprach am ganzen Weg ſchon kein Wort mehr und als ſie zuhauſe ankamen, ſuchte ſie ſo ſchnell wie möglich ihre Kammer auf, die ſie mit ihren vier kleinen Geſchwiſtern teilte und blieb für ihre Mutter unſichtbar. Am anderen Tage ſah man den Sepp ſehr viel in der Nachbarſchaft herumſchleichen und jeder, der ihm in den Weg kam, wurde geſtellt und mußte Auskunft geben über den Kirchtag, ſo weit er es nur imſtande war und die geſammelten Neuigkeiten trug er dann der Thereſe zu. Daß die Kathl das ſchönſte Deandl auf der Kirmeß war, das trug die Leitnerin ſelbſt gleich nach ihrer Rückkehr im Dorfe herum, ja ſie erzählte auch, daß der Brünnlbauer für ſeinen Sohn um die Kathl bei ihr angehalten habe und daß er ſie ohne ihre Zuſage gar nicht weglaſſen wollte von St. Wolfgang. Jeder aber, der die Verhältniſſe des Bauern kannte, wunderte ſich begreiflicherweiſe ſehr über den Korb, den ihm die Leitnerin gegeben haben ſollte, ſie aber lächelte dabei ſehr geheimnisvoll, indem ſie andeutete, daß ſie für ihre Tochter viel beſſere Ausſichten habe. Zwei Tage waren verſtrichen nach dem Kirch- weihfeſt. Es war Nachmittags, da ſandte der Kapellen- bauer ſeine Tochter mit einem Auftrag zur Mühle hinunter und alsbald war Thereſe auf ihrem Gang begriffen und ſchritt die Dorfgaſſe hinauf. Sie ging ſehr langſam, ſie konnte ſich ja Zeit laſſen, bis zum Abend war ſie ja doch zehn Mal ſchon zurück. Sie hatte noch nicht die letzten Häuſer des Dorfes hinter ſich, bekam ſie auch ſchon einen Be- gleiter, der Hofbauern-Franzl hatte ſie eingeholt, anſcheinend ging er auch einen Teil desſelben Weges. „No, Threſerl, wo geahſt denn du hin?“ rief ſie der Burſche an, nachdem nur mehr eine kleine Entfernung zwiſchen ihnen lag. Das Mädchen wandte ſich um. „I? Der Vater ſchickt mi obi af d’Mühl, mir hiat’n no a weng a Korn zan mahl’n“, antwortete es und ſetzte gleich darauf die Frage hinzu: „Und du? Wo geahſt du hin?“ I muaß ins Wirtshaus einiſchau’, der Schuaſter vo Wulfgang ſull d’rinn ſei, er muaß zan uns af d’Stöhr kemm, ſand alle Schuach z’riſſ’n — koa Wunder — oa Kirchta um an ander’n“. „Wia war’s denn af’n Sunnta ob’n? Du warſt ja a dabei“, ſagte Thereſe. Man ſah es ihr an, ſie war ſehr geſpannt, aus dem Munde des Burſchen näheres zu erfahren. Er blieb ihr aber vorderhand jede Auskunft ſchuldig, ſondern antwortete nur mit der Gegenfrage: „Warum biſt denn du net dabei g’weſt?“ „Du woaßt ja ganz guat warum. Weil’s uns fert’n ’u Hansl ob’n ſo zuag’richt’ hamt, daß er hat müaß’n ’s Leb’n einbüaß’n“. „Ja, ja, der hat aber an ſchean Tod g’habt“, erwiderte der Burſche mit einem Auflug von Mitgefühl. „So? Das is ba dir a ſcheaner Tod, wann das afr an Kirchta derſchlag’n wird?“ „Halt ja! Wann mir das afr an Kirchta paſſiert, da mach’ i mer ſcho nix d’raus! Wer ſie net z’raf’n traut, der is ba mir koa Mannsbild net, und den ka a der Kaiſer net brauch’n. Afn Sunnta is aber zuagang’ ob’n, denen hamt mer’s hoamzahlt, was

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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 88, Baden (Niederösterreich), 02.11.1904, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener088_1904/4>, abgerufen am 23.11.2024.