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Badener Zeitung. Nr. 73, Baden (Niederösterreich), 12.09.1906.

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Mittwoch Badener Zeitung 12. September 1906 Nr. 73.

[Spaltenumbruch]

hielten. Eine solche Erscheinung ist anderswo selten;
auch bei uns lieben die Wähler Abwechslung, um
zu sehen, was der neue Mann kann.

Minister Graf Apponyi wurde in Jaßberenyi
von seinen Freunden begleitet, mit ungeheurem Jubel
aufgenommen. Diese feurigen Ansprachen, die Ban-
derien, das Geleite der Menschen, die Ausschmückung
der Stadt, die Deputationen aus anderen Städten
und Ortschaften beweisen deutlich, daß sich mit ihm
auch die ehemaligen Gegner versöhnt haben und es
würde zu weit führen, wollte man hier alles schildern;
nur einen Spiegel könnte man unseren Wählern
vorhalten, wie von ihnen ein Abgeordneter empfangen
wird. Soll man den Magyaren politische Reife vor-
werfen oder Freude an politischen Kundgebungen oder
eine taktsichere Festigkeit, die auch das Ausland be-
wundert? Die von der Volksschule oder der Puszta
aus eingeprägte überschwängliche Vaterlandsliebe des
Ungars zeitigt dieses gewisse Etwas, was den
Nichtmagyaren imponiert oder -- in den Kerker
führt! -- Gut, daß sich Bileams Esel rechtzeitig in
negativer Reproduktion eingestellt hat! Weiß Gott,
wie sehr ich die Magyaren gelobt hätte -- und ich
hatte das wirklich nicht tun wollen. Man muß unter
ihnen bei wogendem politischen Wagen und Wagen-
triebe gelebt haben, um sich zutode zu ärgern über
das politische Lob, das man ihnen zollt! Das ist
nun klar.

Apponyi wurde hoch gefeiert und am Feiertags-
bankette ließ er seine -- Gott weiß wievielte --
Rede los. Denn der Ungar -- hier eine gram-
matische Bemerkung: "Der Ungar" verträgt in der
Einzahl schon lang nicht mehr die schwache Biegung
"des Ungarn", wie Willomitzer in der letzten
Ausgabe noch lehrt, sondern nur "des Ungars"
(da sieht man den Schnurrbart wackeln!), dem und
den Ungar! Im Plural sind sie die alten Ungarn!
Es ist wirklich merkwürdig, wie dieser Sprach-
gebrauch sich gefestigt hat. -- Also, der Magyar
will seinen geliebten "Deputierten" so oft als nur
möglich hören!

Den telegraphischen Auszug aber können wir
bringen! Wie kurz und -- eigentümlich der
Königsspruch eines Ungars ist!

Zuerst sagt Apponyi in einer knappen Er-
läuterung, daß ein solcher Trinkspruch auf den Mo-
narchen -- nicht wie oft anderwärts eine blasse
Phrase mit dem üblichen "Hoch!" sein dürfe. "Wir
geben unseren Gefühlen für unseren König Ausdruck
("Weil wir ihn lieben" -- ein Zwischenruf!) Diese
Regierung betrachtet es als ihre Aufgabe, daß bei
Schluß dieser Uebergangsperiode die Nation und mit
der Nation zugleich der König stärker seien, als sie
es zur Zeit des Amtsantrittes der jetzigen Regierung
gewesen. Ein jeder wahre Getreue des Königs spricht
auf diese Weise. Wer nicht so spricht und wer nicht
sagt, daß der König im Verein mit der
Nation stark sein soll
-- ist ein schmeich-
lerischer Höfling! -- -- Wir werden den König in
seiner edlen Gesinnung bestärken, daß er seine
Kraft nur mit der Nation suche.
Denn über
[Spaltenumbruch] diese Kraft können nicht einmal die Pforten der
Hölle siegen!"

Ist das nicht kräftig? Ist das nicht nations-
und königstreu? Der König ist nur stark im Vereine
mit dem Volke (der Magyaren!). Darum schmachten
so viele nichtmagyarische Redakteure wegen Belei-
digung der ungarischen Nation im düsteren Kerker,
weil -- ja weil --! Das ist offen und klug gesagt
-- der Unterrichtsminister hat den Kultusminister
übertroffen!

Die Festlichkeiten von Jassberenyi haben auch
die Festigkeit der Magyaren -- im Sprechen und
Behaupten bewiesen. Da ist es not, wenn man das
alte Liedchen wieder anstimmt: "Michel, paß auf" u. s. w.




Manövererfolge.

Jetzt hat man es kennen gelernt: der Radfahrer,
der Radsitzer (Motocyklist) und die Automobile sind
die Retter der Armee im Felde! -- Abends hatten
wir es geleseu und im Traume schauten wir mit ver-
zagtem Herzen einer schrecklichen Schlacht zu. Durch
die Ebene, anders könnte es ja nicht sein, schwärm-
ten Radfahrer einzeln oder in Gruppen, die stärksten
hatten einen Fesselballon im Schlepptau, mit dem sie
auch gut fortkamen. An den Axenseiten waren selbst-
ladende und schießende Gewehre angebracht, welche bei
der Annäherung der feindlichen Radpatroullen ein
mordsmäßiges, übrigens unschädliches Feuer unter-
hielten. Uns kam das komisch vor, aber was will
man? Eine neue Zeit ist über uns gekommen. Die
neun- bis zwölftägigen Eingrabungsschlachten in der
Mandschurei sind schon überwunden! Wie die Welt
damals staunte! Tausende und Hunderttausende
kämpften da in selbstgegrabenen Löchern gegen einander;
ein Schlachten war es, in der Dauer von mehr als
einer Woche, während welcher Zeit eine Unmenge von
Geschoßen in die Luft und auf die Gegner verstreut
wurden! Die Welt staunte damals. Und sie hatte
recht. Solch einen Krieg des Widersinns hat sie, die
Welt, eben noch nicht erlebt!

Jetzt wird es ganz anders werden! Oder es ist
anders geworden. Nachdem die Radschützen sich im
Gelände umgeschaut hatten, kamen die Selbstfahrer
dahergerast -- jeder mit einer Mitrailleuse oder
einem Maschinengewehre ausgerüstet, natürlich vorne
mit einem nötigen Panzer. Das war ein Rennen
auf den Wegen und durch die Aecker! Man konnte
seine Freude damit haben! Aber endlich erschien die
die Armee der gepanzerten Automobile! Die Radfahrer
beider Arten hatten sich in die Flanken verflüchtigt.
Die Scharen der Schlachtschnaufer rückten vor. Das
gab ganz gewaltige Angriffe, die mit Umfahren und
Ausbiegen, dann mit Dreinfahren und Aufspießen
pariert wurden. Je zwei Maschinengewehre hatten
die Automobile am gepanzerten Vorderteil -- hinten
eine Schnellfeuerkanone. Man kann sich eine solche
Kanonade eigentlich nur im Traum vorstellen!

Doch bei den heurigen Manövern sollen sie sich
erprobt haben -- die vom freiwilligen Automobil-
korps! Ein schönes Paradebild mögen sie ja geliefert
[Spaltenumbruch] haben; aber nur nicht schießen! Solche Spielversuche
sind für die Zukunft der Armeetüchtigkeit geradezu
gefahrbringend und verderblich. Selbst kämpft der
Mann -- wenn er schon kämpfen muß oder will!




Politische Uebersicht.

Ein merkwürdiges und seltsames Bild zu den
Anbiederungsversuchen zwischen den Tschechen und
Magyaren bilden die Reibereien der tschechischen So-
kolisten und der Magyaren und Magyaronen von
Fiume und, wenn es wahr sein sollte, was wir uns
kaum vorstellen können, der zwischen magyarischen
und slavischen Truppen, die jetzt in und um Ragusa
konzentriert sind, ausgebrochene ganz ernsthafte Kampf!
Ein Nationalitätenkampf in der Armee. Das wäre
für Österreich-Ungarn doch das Traurigste!

Daß solche Sokolistenausflüge im allgemeinen
als Provokationen angesehen werden können, hat man
schon anderwärts erlebt; aber ob es sein muß, hat
man bei irgend einer anderen, wahrscheinlich noch be-
kannten Gelegenheit in Cilli auch nicht erfahren. Denn
derartige Ausflüge werden noch immer veranstaltet,
sind von Skandalen begleitet und endigen mit dem
Fiasko der nationalen Annäherung. Heißsporne hier,
Heißsporne dort, Heißsporne in jedem Lager. Diese
sollte man also überhaupt nirgends mittun lassen,
sondern sie schon überreden, zu Hause zu bleiben.
Auch die Fiumaner Kroaten haben mit der Koalition
paktiert! Wußten das die Italianissimi von Fiume
nicht, daß sie sich über die gemeinsamen Freunde der
der Magyaren hermachten und einen förmlichen Auf-
ruhr hervorriefen? Aber man ersieht hieraus, daß
der alte gegenseitige Haß, der in der Jugend geweckt
und mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln
großgezogen worden war, noch heute nur Böses wirkt;
"das ist der Fluch der bösen Tat ..." Die Kroaten
sollten eine Brücke für die Tschechen zu den Magyaren
bilden, und wie man aus den Telegrammen ver-
nehmen konnte, wurden große Worte gesprochen,
um in den nächsten Minuten im Hallo! und Hurra!
der damit Nichtzufriedenen unterzugehen! Die Italie-
ner, die in Dalmatien ihre Macht schon längst verlo-
ren haben und jetzt nur noch in Zara herrschen, be-
reiteten den Sokolisten auch keinen lieben Empfang
vor; darum dachte man schon daran, auf ein Landen
zu verzichten! Also Feindseligkeiten überall, zuerst
kindische Proteste, dann Hiebe von kräftigen Fäusten,
Steinregen und Revolverschüsse, so präsentiert sich
die groß gemalte Einigkeit der österreichischen Völker!
Einbrüche in fremdes Gebiet sind verwerflich; sie ru-
fen das Streben nach Repressalien hervor!

Wenn sich aber diese eigens gezüchtete Feind-
seligkeit zwischen Tschechen und Magyaren bei unse-
ren Truppen auf dem Manöferfeld bewahrheiten sollten,
dann ist aber das Verhältnis ein sehr böses!
Die Untersuchung wird es klarlegen, was an dem ist
und was wir davon zu halten haben!




Am Samstag ward es bekannt, daß der Kaiser




[Spaltenumbruch]

ist mir angenehmer, wenn Ihr mich sofort entlohnt.
Weiß Gott, ob Ihr später an den kleinen Dienst
denket!"

"Gauner! Du brauchst mich nicht zu mahnen.
Ich habe dir den Lohn gebracht. Hier hast du deine
zwanzig Dukaten".

Gierig greift Mijat nach dem Golde, zählt die
Münzen und legt sie vor sich hin.

"Das ist zu wenig. Dafür tue ich nichts".

"So gib her, ich werde es selbst machen".

"Nein. Das versteht Ihr nicht. Sobald Euer
Plan geglückt ist, gebt Ihr mir noch zwanzig".

"Zehn, nicht einen mehr. Wie du willst. End-
weder du gehorchst oder gibst das Geld zurück".

Mit diesen Worten greift er nach dem Geld,
das noch auf dem Tische lag.

Mijat legt seine Hand darauf. "Nicht nicht --
lasset doch; ich will alles durchführen!"

"Du weißt, was zu tun ist. Sei vorsichtig".

"Sagt nur das nicht! Gute Nacht!"

Marino entfernte sich.

"Jetzt freue dich, du schöne, treue Braut!" spricht
er bei sich. "Weder ich, noch er! Du feierst deine
Hochzeit auf dem Meeresgrunde!"

In der Stube versorgt Mijat das Geld und
redet bei sich hinter Marino.

"Jetzt habe ich dich in meiner Gewalt! Jetzt
wirst du mir dafür büßen, was du mir vor fünf
Jahren angetan hast, indem du mich wegen Dieb-
stahls verklagtest! Glaubst du, ich habe das ver-
gessen? Und was hatte ich dir genommen? Ein
[Spaltenumbruch] Fäßchen Rum für die Kehle! Dein Geld habe ich,
dafür sollst du meine Rache haben! Die letzten zehn
Dukaten schenke ich dir".

Lachend und grinsend verbirgt er die gefähr-
liche Höllenmaschine unter dem Bette.

"Was hat mir die Familie Vladic getan?"

Jetzt wird er nachdenklich. Eine zufriedene
Fröhlichkeit umfängt ihn, als er ausruft:

"Wird das eine Freude für mich sein!"




Hell und klar brach der Morgen des Feiertages,
des 8. September, an. Für diesen Tag war die
Segelpartie bestimmt.

Hugo erging sich auf den Hügeln. Eine innere
Macht trieb ihn hinaus in die Natur; hier beriet
er sich: "Was suche ich denn noch hier? Eudoxia
kann ich doch von ihrer Ueberzeugung nicht abbringen
und ich selbst führe ein eigentümlich Leben, das mit
der Zeit verächtlich werden könnte!"

Das Blut stieg ihm in die Wangen, als er so
überlegte und er beschloß abzureisen. Doch jetzt fällt
es ihm ein: "Und was wird aus Eudoxia werden?"
Sie ist so sehr an seine Gegenwart gewöhnt, sie
würde ihn vermissen und trauern. Da sah er ein,
daß er bleiben müsse.

Schon vor einigen Tagen hatte dieser innere
Kampf begonnen, ohne daß Hugo etwas entschieben
hätte. Heute will er dem Mädchen die Entscheidung
anheimstellen, ob er bleiben sollte oder nicht.

Als er ins Dorf zurückkam, versammelten sich
[Spaltenumbruch] gerade im Hafen bekränzte und mit Myrtengrün
bedeckte Boote, welche eine fromme Schar in die
Sutorina bringen sollten, wo ein kleines, weißes
Kirchlein zum Gottesdienste einlud. Es war ein
Marienfesttag, an dem von allen Seiten die Katho-
liken bei jener Kirche zusammenzukommen pflegten.
Die übrigen Bewohner, die nicht mitfuhren, stehen
vor ihren Häusern und sehen den Absegelnden nach.

Eudoxia stand auf dem Balkone, dessen Geländer
mit Oleandern und anderen Blumen geschmückt war.
Als Hugo sie bemerkt hatte, grüßte er, fest ent-
schlossen, ihr die Entscheidung vorzulegen.

Er begibt sich ins Haus, wo sie ihn freundlich
wie immer empfängt und an der Hand auf den
Balkon führt.

Wie eine dunkelblaue Fläche breitet sich vor
ihnen das Meer aus, nur leiche Bogenwellen glänzen
in der strahlenden Sonne. Aus allen Richtungen der
weiten Buchtungen erscheinen Segel- und Ruderschiffe.
Gesang und fröhliches Lachen erschallt von denselben
und mächtig gleitet ein Dampfer mitten durch ihre
Schar gegen Cattaro, wie ein Schwan die Reihen
kreischender Enten durchsegelt.

"Dort schwimmt das Schiff, das mich vielleicht
schon morgen von hier entführt", sprach Hugo
leichthin.

Eudoxia schaudert zusammen.

"Was? Sie wollen fort?" fragt sie mit zittern-
der Stimme.

"Gern bliebe ich bei Ihnen mein Leben lang!


Mittwoch Badener Zeitung 12. September 1906 Nr. 73.

[Spaltenumbruch]

hielten. Eine ſolche Erſcheinung iſt anderswo ſelten;
auch bei uns lieben die Wähler Abwechslung, um
zu ſehen, was der neue Mann kann.

Miniſter Graf Apponyi wurde in Jaſzberenyi
von ſeinen Freunden begleitet, mit ungeheurem Jubel
aufgenommen. Dieſe feurigen Anſprachen, die Ban-
derien, das Geleite der Menſchen, die Ausſchmückung
der Stadt, die Deputationen aus anderen Städten
und Ortſchaften beweiſen deutlich, daß ſich mit ihm
auch die ehemaligen Gegner verſöhnt haben und es
würde zu weit führen, wollte man hier alles ſchildern;
nur einen Spiegel könnte man unſeren Wählern
vorhalten, wie von ihnen ein Abgeordneter empfangen
wird. Soll man den Magyaren politiſche Reife vor-
werfen oder Freude an politiſchen Kundgebungen oder
eine taktſichere Feſtigkeit, die auch das Ausland be-
wundert? Die von der Volksſchule oder der Puszta
aus eingeprägte überſchwängliche Vaterlandsliebe des
Ungars zeitigt dieſes gewiſſe Etwas, was den
Nichtmagyaren imponiert oder — in den Kerker
führt! — Gut, daß ſich Bileams Eſel rechtzeitig in
negativer Reproduktion eingeſtellt hat! Weiß Gott,
wie ſehr ich die Magyaren gelobt hätte — und ich
hatte das wirklich nicht tun wollen. Man muß unter
ihnen bei wogendem politiſchen Wagen und Wagen-
triebe gelebt haben, um ſich zutode zu ärgern über
das politiſche Lob, das man ihnen zollt! Das iſt
nun klar.

Apponyi wurde hoch gefeiert und am Feiertags-
bankette ließ er ſeine — Gott weiß wievielte —
Rede los. Denn der Ungar — hier eine gram-
matiſche Bemerkung: „Der Ungar“ verträgt in der
Einzahl ſchon lang nicht mehr die ſchwache Biegung
„des Ungarn“, wie Willomitzer in der letzten
Ausgabe noch lehrt, ſondern nur „des Ungars“
(da ſieht man den Schnurrbart wackeln!), dem und
den Ungar! Im Plural ſind ſie die alten Ungarn!
Es iſt wirklich merkwürdig, wie dieſer Sprach-
gebrauch ſich gefeſtigt hat. — Alſo, der Magyar
will ſeinen geliebten „Deputierten“ ſo oft als nur
möglich hören!

Den telegraphiſchen Auszug aber können wir
bringen! Wie kurz und — eigentümlich der
Königsſpruch eines Ungars iſt!

Zuerſt ſagt Apponyi in einer knappen Er-
läuterung, daß ein ſolcher Trinkſpruch auf den Mo-
narchen — nicht wie oft anderwärts eine blaſſe
Phraſe mit dem üblichen „Hoch!“ ſein dürfe. „Wir
geben unſeren Gefühlen für unſeren König Ausdruck
(„Weil wir ihn lieben“ — ein Zwiſchenruf!) Dieſe
Regierung betrachtet es als ihre Aufgabe, daß bei
Schluß dieſer Uebergangsperiode die Nation und mit
der Nation zugleich der König ſtärker ſeien, als ſie
es zur Zeit des Amtsantrittes der jetzigen Regierung
geweſen. Ein jeder wahre Getreue des Königs ſpricht
auf dieſe Weiſe. Wer nicht ſo ſpricht und wer nicht
ſagt, daß der König im Verein mit der
Nation ſtark ſein ſoll
— iſt ein ſchmeich-
leriſcher Höfling! — — Wir werden den König in
ſeiner edlen Geſinnung beſtärken, daß er ſeine
Kraft nur mit der Nation ſuche.
Denn über
[Spaltenumbruch] dieſe Kraft können nicht einmal die Pforten der
Hölle ſiegen!“

Iſt das nicht kräftig? Iſt das nicht nations-
und königstreu? Der König iſt nur ſtark im Vereine
mit dem Volke (der Magyaren!). Darum ſchmachten
ſo viele nichtmagyariſche Redakteure wegen Belei-
digung der ungariſchen Nation im düſteren Kerker,
weil — ja weil —! Das iſt offen und klug geſagt
— der Unterrichtsminiſter hat den Kultusminiſter
übertroffen!

Die Feſtlichkeiten von Jaſsberenyi haben auch
die Feſtigkeit der Magyaren — im Sprechen und
Behaupten bewieſen. Da iſt es not, wenn man das
alte Liedchen wieder anſtimmt: „Michel, paß auf“ u. ſ. w.




Manövererfolge.

Jetzt hat man es kennen gelernt: der Radfahrer,
der Radſitzer (Motocykliſt) und die Automobile ſind
die Retter der Armee im Felde! — Abends hatten
wir es geleſeu und im Traume ſchauten wir mit ver-
zagtem Herzen einer ſchrecklichen Schlacht zu. Durch
die Ebene, anders könnte es ja nicht ſein, ſchwärm-
ten Radfahrer einzeln oder in Gruppen, die ſtärkſten
hatten einen Feſſelballon im Schlepptau, mit dem ſie
auch gut fortkamen. An den Axenſeiten waren ſelbſt-
ladende und ſchießende Gewehre angebracht, welche bei
der Annäherung der feindlichen Radpatroullen ein
mordsmäßiges, übrigens unſchädliches Feuer unter-
hielten. Uns kam das komiſch vor, aber was will
man? Eine neue Zeit iſt über uns gekommen. Die
neun- bis zwölftägigen Eingrabungsſchlachten in der
Mandſchurei ſind ſchon überwunden! Wie die Welt
damals ſtaunte! Tauſende und Hunderttauſende
kämpften da in ſelbſtgegrabenen Löchern gegen einander;
ein Schlachten war es, in der Dauer von mehr als
einer Woche, während welcher Zeit eine Unmenge von
Geſchoßen in die Luft und auf die Gegner verſtreut
wurden! Die Welt ſtaunte damals. Und ſie hatte
recht. Solch einen Krieg des Widerſinns hat ſie, die
Welt, eben noch nicht erlebt!

Jetzt wird es ganz anders werden! Oder es iſt
anders geworden. Nachdem die Radſchützen ſich im
Gelände umgeſchaut hatten, kamen die Selbſtfahrer
dahergeraſt — jeder mit einer Mitrailleuſe oder
einem Maſchinengewehre ausgerüſtet, natürlich vorne
mit einem nötigen Panzer. Das war ein Rennen
auf den Wegen und durch die Aecker! Man konnte
ſeine Freude damit haben! Aber endlich erſchien die
die Armee der gepanzerten Automobile! Die Radfahrer
beider Arten hatten ſich in die Flanken verflüchtigt.
Die Scharen der Schlachtſchnaufer rückten vor. Das
gab ganz gewaltige Angriffe, die mit Umfahren und
Ausbiegen, dann mit Dreinfahren und Aufſpießen
pariert wurden. Je zwei Maſchinengewehre hatten
die Automobile am gepanzerten Vorderteil — hinten
eine Schnellfeuerkanone. Man kann ſich eine ſolche
Kanonade eigentlich nur im Traum vorſtellen!

Doch bei den heurigen Manövern ſollen ſie ſich
erprobt haben — die vom freiwilligen Automobil-
korps! Ein ſchönes Paradebild mögen ſie ja geliefert
[Spaltenumbruch] haben; aber nur nicht ſchießen! Solche Spielverſuche
ſind für die Zukunft der Armeetüchtigkeit geradezu
gefahrbringend und verderblich. Selbſt kämpft der
Mann — wenn er ſchon kämpfen muß oder will!




Politiſche Ueberſicht.

Ein merkwürdiges und ſeltſames Bild zu den
Anbiederungsverſuchen zwiſchen den Tſchechen und
Magyaren bilden die Reibereien der tſchechiſchen So-
koliſten und der Magyaren und Magyaronen von
Fiume und, wenn es wahr ſein ſollte, was wir uns
kaum vorſtellen können, der zwiſchen magyariſchen
und ſlaviſchen Truppen, die jetzt in und um Raguſa
konzentriert ſind, ausgebrochene ganz ernſthafte Kampf!
Ein Nationalitätenkampf in der Armee. Das wäre
für Öſterreich-Ungarn doch das Traurigſte!

Daß ſolche Sokoliſtenausflüge im allgemeinen
als Provokationen angeſehen werden können, hat man
ſchon anderwärts erlebt; aber ob es ſein muß, hat
man bei irgend einer anderen, wahrſcheinlich noch be-
kannten Gelegenheit in Cilli auch nicht erfahren. Denn
derartige Ausflüge werden noch immer veranſtaltet,
ſind von Skandalen begleitet und endigen mit dem
Fiasko der nationalen Annäherung. Heißſporne hier,
Heißſporne dort, Heißſporne in jedem Lager. Dieſe
ſollte man alſo überhaupt nirgends mittun laſſen,
ſondern ſie ſchon überreden, zu Hauſe zu bleiben.
Auch die Fiumaner Kroaten haben mit der Koalition
paktiert! Wußten das die Italianiſſimi von Fiume
nicht, daß ſie ſich über die gemeinſamen Freunde der
der Magyaren hermachten und einen förmlichen Auf-
ruhr hervorriefen? Aber man erſieht hieraus, daß
der alte gegenſeitige Haß, der in der Jugend geweckt
und mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln
großgezogen worden war, noch heute nur Böſes wirkt;
„das iſt der Fluch der böſen Tat ...“ Die Kroaten
ſollten eine Brücke für die Tſchechen zu den Magyaren
bilden, und wie man aus den Telegrammen ver-
nehmen konnte, wurden große Worte geſprochen,
um in den nächſten Minuten im Hallo! und Hurra!
der damit Nichtzufriedenen unterzugehen! Die Italie-
ner, die in Dalmatien ihre Macht ſchon längſt verlo-
ren haben und jetzt nur noch in Zara herrſchen, be-
reiteten den Sokoliſten auch keinen lieben Empfang
vor; darum dachte man ſchon daran, auf ein Landen
zu verzichten! Alſo Feindſeligkeiten überall, zuerſt
kindiſche Proteſte, dann Hiebe von kräftigen Fäuſten,
Steinregen und Revolverſchüſſe, ſo präſentiert ſich
die groß gemalte Einigkeit der öſterreichiſchen Völker!
Einbrüche in fremdes Gebiet ſind verwerflich; ſie ru-
fen das Streben nach Repreſſalien hervor!

Wenn ſich aber dieſe eigens gezüchtete Feind-
ſeligkeit zwiſchen Tſchechen und Magyaren bei unſe-
ren Truppen auf dem Manöferfeld bewahrheiten ſollten,
dann iſt aber das Verhältnis ein ſehr böſes!
Die Unterſuchung wird es klarlegen, was an dem iſt
und was wir davon zu halten haben!




Am Samstag ward es bekannt, daß der Kaiſer




[Spaltenumbruch]

iſt mir angenehmer, wenn Ihr mich ſofort entlohnt.
Weiß Gott, ob Ihr ſpäter an den kleinen Dienſt
denket!“

„Gauner! Du brauchſt mich nicht zu mahnen.
Ich habe dir den Lohn gebracht. Hier haſt du deine
zwanzig Dukaten“.

Gierig greift Mijat nach dem Golde, zählt die
Münzen und legt ſie vor ſich hin.

„Das iſt zu wenig. Dafür tue ich nichts“.

„So gib her, ich werde es ſelbſt machen“.

„Nein. Das verſteht Ihr nicht. Sobald Euer
Plan geglückt iſt, gebt Ihr mir noch zwanzig“.

„Zehn, nicht einen mehr. Wie du willſt. End-
weder du gehorchſt oder gibſt das Geld zurück“.

Mit dieſen Worten greift er nach dem Geld,
das noch auf dem Tiſche lag.

Mijat legt ſeine Hand darauf. „Nicht nicht —
laſſet doch; ich will alles durchführen!“

„Du weißt, was zu tun iſt. Sei vorſichtig“.

„Sagt nur das nicht! Gute Nacht!“

Marino entfernte ſich.

„Jetzt freue dich, du ſchöne, treue Braut!“ ſpricht
er bei ſich. „Weder ich, noch er! Du feierſt deine
Hochzeit auf dem Meeresgrunde!“

In der Stube verſorgt Mijat das Geld und
redet bei ſich hinter Marino.

„Jetzt habe ich dich in meiner Gewalt! Jetzt
wirſt du mir dafür büßen, was du mir vor fünf
Jahren angetan haſt, indem du mich wegen Dieb-
ſtahls verklagteſt! Glaubſt du, ich habe das ver-
geſſen? Und was hatte ich dir genommen? Ein
[Spaltenumbruch] Fäßchen Rum für die Kehle! Dein Geld habe ich,
dafür ſollſt du meine Rache haben! Die letzten zehn
Dukaten ſchenke ich dir“.

Lachend und grinſend verbirgt er die gefähr-
liche Höllenmaſchine unter dem Bette.

„Was hat mir die Familie Vladić getan?“

Jetzt wird er nachdenklich. Eine zufriedene
Fröhlichkeit umfängt ihn, als er ausruft:

„Wird das eine Freude für mich ſein!“




Hell und klar brach der Morgen des Feiertages,
des 8. September, an. Für dieſen Tag war die
Segelpartie beſtimmt.

Hugo erging ſich auf den Hügeln. Eine innere
Macht trieb ihn hinaus in die Natur; hier beriet
er ſich: „Was ſuche ich denn noch hier? Eudoxia
kann ich doch von ihrer Ueberzeugung nicht abbringen
und ich ſelbſt führe ein eigentümlich Leben, das mit
der Zeit verächtlich werden könnte!“

Das Blut ſtieg ihm in die Wangen, als er ſo
überlegte und er beſchloß abzureiſen. Doch jetzt fällt
es ihm ein: „Und was wird aus Eudoxia werden?“
Sie iſt ſo ſehr an ſeine Gegenwart gewöhnt, ſie
würde ihn vermiſſen und trauern. Da ſah er ein,
daß er bleiben müſſe.

Schon vor einigen Tagen hatte dieſer innere
Kampf begonnen, ohne daß Hugo etwas entſchieben
hätte. Heute will er dem Mädchen die Entſcheidung
anheimſtellen, ob er bleiben ſollte oder nicht.

Als er ins Dorf zurückkam, verſammelten ſich
[Spaltenumbruch] gerade im Hafen bekränzte und mit Myrtengrün
bedeckte Boote, welche eine fromme Schar in die
Sutorina bringen ſollten, wo ein kleines, weißes
Kirchlein zum Gottesdienſte einlud. Es war ein
Marienfeſttag, an dem von allen Seiten die Katho-
liken bei jener Kirche zuſammenzukommen pflegten.
Die übrigen Bewohner, die nicht mitfuhren, ſtehen
vor ihren Häuſern und ſehen den Abſegelnden nach.

Eudoxia ſtand auf dem Balkone, deſſen Geländer
mit Oleandern und anderen Blumen geſchmückt war.
Als Hugo ſie bemerkt hatte, grüßte er, feſt ent-
ſchloſſen, ihr die Entſcheidung vorzulegen.

Er begibt ſich ins Haus, wo ſie ihn freundlich
wie immer empfängt und an der Hand auf den
Balkon führt.

Wie eine dunkelblaue Fläche breitet ſich vor
ihnen das Meer aus, nur leiche Bogenwellen glänzen
in der ſtrahlenden Sonne. Aus allen Richtungen der
weiten Buchtungen erſcheinen Segel- und Ruderſchiffe.
Geſang und fröhliches Lachen erſchallt von denſelben
und mächtig gleitet ein Dampfer mitten durch ihre
Schar gegen Cattaro, wie ein Schwan die Reihen
kreiſchender Enten durchſegelt.

„Dort ſchwimmt das Schiff, das mich vielleicht
ſchon morgen von hier entführt“, ſprach Hugo
leichthin.

Eudoxia ſchaudert zuſammen.

„Was? Sie wollen fort?“ fragt ſie mit zittern-
der Stimme.

„Gern bliebe ich bei Ihnen mein Leben lang!


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</TEI>
[2/0002] Mittwoch Badener Zeitung 12. September 1906 Nr. 73. hielten. Eine ſolche Erſcheinung iſt anderswo ſelten; auch bei uns lieben die Wähler Abwechslung, um zu ſehen, was der neue Mann kann. Miniſter Graf Apponyi wurde in Jaſzberenyi von ſeinen Freunden begleitet, mit ungeheurem Jubel aufgenommen. Dieſe feurigen Anſprachen, die Ban- derien, das Geleite der Menſchen, die Ausſchmückung der Stadt, die Deputationen aus anderen Städten und Ortſchaften beweiſen deutlich, daß ſich mit ihm auch die ehemaligen Gegner verſöhnt haben und es würde zu weit führen, wollte man hier alles ſchildern; nur einen Spiegel könnte man unſeren Wählern vorhalten, wie von ihnen ein Abgeordneter empfangen wird. Soll man den Magyaren politiſche Reife vor- werfen oder Freude an politiſchen Kundgebungen oder eine taktſichere Feſtigkeit, die auch das Ausland be- wundert? Die von der Volksſchule oder der Puszta aus eingeprägte überſchwängliche Vaterlandsliebe des Ungars zeitigt dieſes gewiſſe Etwas, was den Nichtmagyaren imponiert oder — in den Kerker führt! — Gut, daß ſich Bileams Eſel rechtzeitig in negativer Reproduktion eingeſtellt hat! Weiß Gott, wie ſehr ich die Magyaren gelobt hätte — und ich hatte das wirklich nicht tun wollen. Man muß unter ihnen bei wogendem politiſchen Wagen und Wagen- triebe gelebt haben, um ſich zutode zu ärgern über das politiſche Lob, das man ihnen zollt! Das iſt nun klar. Apponyi wurde hoch gefeiert und am Feiertags- bankette ließ er ſeine — Gott weiß wievielte — Rede los. Denn der Ungar — hier eine gram- matiſche Bemerkung: „Der Ungar“ verträgt in der Einzahl ſchon lang nicht mehr die ſchwache Biegung „des Ungarn“, wie Willomitzer in der letzten Ausgabe noch lehrt, ſondern nur „des Ungars“ (da ſieht man den Schnurrbart wackeln!), dem und den Ungar! Im Plural ſind ſie die alten Ungarn! Es iſt wirklich merkwürdig, wie dieſer Sprach- gebrauch ſich gefeſtigt hat. — Alſo, der Magyar will ſeinen geliebten „Deputierten“ ſo oft als nur möglich hören! Den telegraphiſchen Auszug aber können wir bringen! Wie kurz und — eigentümlich der Königsſpruch eines Ungars iſt! Zuerſt ſagt Apponyi in einer knappen Er- läuterung, daß ein ſolcher Trinkſpruch auf den Mo- narchen — nicht wie oft anderwärts eine blaſſe Phraſe mit dem üblichen „Hoch!“ ſein dürfe. „Wir geben unſeren Gefühlen für unſeren König Ausdruck („Weil wir ihn lieben“ — ein Zwiſchenruf!) Dieſe Regierung betrachtet es als ihre Aufgabe, daß bei Schluß dieſer Uebergangsperiode die Nation und mit der Nation zugleich der König ſtärker ſeien, als ſie es zur Zeit des Amtsantrittes der jetzigen Regierung geweſen. Ein jeder wahre Getreue des Königs ſpricht auf dieſe Weiſe. Wer nicht ſo ſpricht und wer nicht ſagt, daß der König im Verein mit der Nation ſtark ſein ſoll — iſt ein ſchmeich- leriſcher Höfling! — — Wir werden den König in ſeiner edlen Geſinnung beſtärken, daß er ſeine Kraft nur mit der Nation ſuche. Denn über dieſe Kraft können nicht einmal die Pforten der Hölle ſiegen!“ Iſt das nicht kräftig? Iſt das nicht nations- und königstreu? Der König iſt nur ſtark im Vereine mit dem Volke (der Magyaren!). Darum ſchmachten ſo viele nichtmagyariſche Redakteure wegen Belei- digung der ungariſchen Nation im düſteren Kerker, weil — ja weil —! Das iſt offen und klug geſagt — der Unterrichtsminiſter hat den Kultusminiſter übertroffen! Die Feſtlichkeiten von Jaſsberenyi haben auch die Feſtigkeit der Magyaren — im Sprechen und Behaupten bewieſen. Da iſt es not, wenn man das alte Liedchen wieder anſtimmt: „Michel, paß auf“ u. ſ. w. Manövererfolge. Jetzt hat man es kennen gelernt: der Radfahrer, der Radſitzer (Motocykliſt) und die Automobile ſind die Retter der Armee im Felde! — Abends hatten wir es geleſeu und im Traume ſchauten wir mit ver- zagtem Herzen einer ſchrecklichen Schlacht zu. Durch die Ebene, anders könnte es ja nicht ſein, ſchwärm- ten Radfahrer einzeln oder in Gruppen, die ſtärkſten hatten einen Feſſelballon im Schlepptau, mit dem ſie auch gut fortkamen. An den Axenſeiten waren ſelbſt- ladende und ſchießende Gewehre angebracht, welche bei der Annäherung der feindlichen Radpatroullen ein mordsmäßiges, übrigens unſchädliches Feuer unter- hielten. Uns kam das komiſch vor, aber was will man? Eine neue Zeit iſt über uns gekommen. Die neun- bis zwölftägigen Eingrabungsſchlachten in der Mandſchurei ſind ſchon überwunden! Wie die Welt damals ſtaunte! Tauſende und Hunderttauſende kämpften da in ſelbſtgegrabenen Löchern gegen einander; ein Schlachten war es, in der Dauer von mehr als einer Woche, während welcher Zeit eine Unmenge von Geſchoßen in die Luft und auf die Gegner verſtreut wurden! Die Welt ſtaunte damals. Und ſie hatte recht. Solch einen Krieg des Widerſinns hat ſie, die Welt, eben noch nicht erlebt! Jetzt wird es ganz anders werden! Oder es iſt anders geworden. Nachdem die Radſchützen ſich im Gelände umgeſchaut hatten, kamen die Selbſtfahrer dahergeraſt — jeder mit einer Mitrailleuſe oder einem Maſchinengewehre ausgerüſtet, natürlich vorne mit einem nötigen Panzer. Das war ein Rennen auf den Wegen und durch die Aecker! Man konnte ſeine Freude damit haben! Aber endlich erſchien die die Armee der gepanzerten Automobile! Die Radfahrer beider Arten hatten ſich in die Flanken verflüchtigt. Die Scharen der Schlachtſchnaufer rückten vor. Das gab ganz gewaltige Angriffe, die mit Umfahren und Ausbiegen, dann mit Dreinfahren und Aufſpießen pariert wurden. Je zwei Maſchinengewehre hatten die Automobile am gepanzerten Vorderteil — hinten eine Schnellfeuerkanone. Man kann ſich eine ſolche Kanonade eigentlich nur im Traum vorſtellen! Doch bei den heurigen Manövern ſollen ſie ſich erprobt haben — die vom freiwilligen Automobil- korps! Ein ſchönes Paradebild mögen ſie ja geliefert haben; aber nur nicht ſchießen! Solche Spielverſuche ſind für die Zukunft der Armeetüchtigkeit geradezu gefahrbringend und verderblich. Selbſt kämpft der Mann — wenn er ſchon kämpfen muß oder will! Politiſche Ueberſicht. Ein merkwürdiges und ſeltſames Bild zu den Anbiederungsverſuchen zwiſchen den Tſchechen und Magyaren bilden die Reibereien der tſchechiſchen So- koliſten und der Magyaren und Magyaronen von Fiume und, wenn es wahr ſein ſollte, was wir uns kaum vorſtellen können, der zwiſchen magyariſchen und ſlaviſchen Truppen, die jetzt in und um Raguſa konzentriert ſind, ausgebrochene ganz ernſthafte Kampf! Ein Nationalitätenkampf in der Armee. Das wäre für Öſterreich-Ungarn doch das Traurigſte! Daß ſolche Sokoliſtenausflüge im allgemeinen als Provokationen angeſehen werden können, hat man ſchon anderwärts erlebt; aber ob es ſein muß, hat man bei irgend einer anderen, wahrſcheinlich noch be- kannten Gelegenheit in Cilli auch nicht erfahren. Denn derartige Ausflüge werden noch immer veranſtaltet, ſind von Skandalen begleitet und endigen mit dem Fiasko der nationalen Annäherung. Heißſporne hier, Heißſporne dort, Heißſporne in jedem Lager. Dieſe ſollte man alſo überhaupt nirgends mittun laſſen, ſondern ſie ſchon überreden, zu Hauſe zu bleiben. Auch die Fiumaner Kroaten haben mit der Koalition paktiert! Wußten das die Italianiſſimi von Fiume nicht, daß ſie ſich über die gemeinſamen Freunde der der Magyaren hermachten und einen förmlichen Auf- ruhr hervorriefen? Aber man erſieht hieraus, daß der alte gegenſeitige Haß, der in der Jugend geweckt und mit allen erlaubten und unerlaubten Mitteln großgezogen worden war, noch heute nur Böſes wirkt; „das iſt der Fluch der böſen Tat ...“ Die Kroaten ſollten eine Brücke für die Tſchechen zu den Magyaren bilden, und wie man aus den Telegrammen ver- nehmen konnte, wurden große Worte geſprochen, um in den nächſten Minuten im Hallo! und Hurra! der damit Nichtzufriedenen unterzugehen! Die Italie- ner, die in Dalmatien ihre Macht ſchon längſt verlo- ren haben und jetzt nur noch in Zara herrſchen, be- reiteten den Sokoliſten auch keinen lieben Empfang vor; darum dachte man ſchon daran, auf ein Landen zu verzichten! Alſo Feindſeligkeiten überall, zuerſt kindiſche Proteſte, dann Hiebe von kräftigen Fäuſten, Steinregen und Revolverſchüſſe, ſo präſentiert ſich die groß gemalte Einigkeit der öſterreichiſchen Völker! Einbrüche in fremdes Gebiet ſind verwerflich; ſie ru- fen das Streben nach Repreſſalien hervor! Wenn ſich aber dieſe eigens gezüchtete Feind- ſeligkeit zwiſchen Tſchechen und Magyaren bei unſe- ren Truppen auf dem Manöferfeld bewahrheiten ſollten, dann iſt aber das Verhältnis ein ſehr böſes! Die Unterſuchung wird es klarlegen, was an dem iſt und was wir davon zu halten haben! Am Samstag ward es bekannt, daß der Kaiſer iſt mir angenehmer, wenn Ihr mich ſofort entlohnt. Weiß Gott, ob Ihr ſpäter an den kleinen Dienſt denket!“ „Gauner! Du brauchſt mich nicht zu mahnen. Ich habe dir den Lohn gebracht. Hier haſt du deine zwanzig Dukaten“. Gierig greift Mijat nach dem Golde, zählt die Münzen und legt ſie vor ſich hin. „Das iſt zu wenig. Dafür tue ich nichts“. „So gib her, ich werde es ſelbſt machen“. „Nein. Das verſteht Ihr nicht. Sobald Euer Plan geglückt iſt, gebt Ihr mir noch zwanzig“. „Zehn, nicht einen mehr. Wie du willſt. End- weder du gehorchſt oder gibſt das Geld zurück“. Mit dieſen Worten greift er nach dem Geld, das noch auf dem Tiſche lag. Mijat legt ſeine Hand darauf. „Nicht nicht — laſſet doch; ich will alles durchführen!“ „Du weißt, was zu tun iſt. Sei vorſichtig“. „Sagt nur das nicht! Gute Nacht!“ Marino entfernte ſich. „Jetzt freue dich, du ſchöne, treue Braut!“ ſpricht er bei ſich. „Weder ich, noch er! Du feierſt deine Hochzeit auf dem Meeresgrunde!“ In der Stube verſorgt Mijat das Geld und redet bei ſich hinter Marino. „Jetzt habe ich dich in meiner Gewalt! Jetzt wirſt du mir dafür büßen, was du mir vor fünf Jahren angetan haſt, indem du mich wegen Dieb- ſtahls verklagteſt! Glaubſt du, ich habe das ver- geſſen? Und was hatte ich dir genommen? Ein Fäßchen Rum für die Kehle! Dein Geld habe ich, dafür ſollſt du meine Rache haben! Die letzten zehn Dukaten ſchenke ich dir“. Lachend und grinſend verbirgt er die gefähr- liche Höllenmaſchine unter dem Bette. „Was hat mir die Familie Vladić getan?“ Jetzt wird er nachdenklich. Eine zufriedene Fröhlichkeit umfängt ihn, als er ausruft: „Wird das eine Freude für mich ſein!“ Hell und klar brach der Morgen des Feiertages, des 8. September, an. Für dieſen Tag war die Segelpartie beſtimmt. Hugo erging ſich auf den Hügeln. Eine innere Macht trieb ihn hinaus in die Natur; hier beriet er ſich: „Was ſuche ich denn noch hier? Eudoxia kann ich doch von ihrer Ueberzeugung nicht abbringen und ich ſelbſt führe ein eigentümlich Leben, das mit der Zeit verächtlich werden könnte!“ Das Blut ſtieg ihm in die Wangen, als er ſo überlegte und er beſchloß abzureiſen. Doch jetzt fällt es ihm ein: „Und was wird aus Eudoxia werden?“ Sie iſt ſo ſehr an ſeine Gegenwart gewöhnt, ſie würde ihn vermiſſen und trauern. Da ſah er ein, daß er bleiben müſſe. Schon vor einigen Tagen hatte dieſer innere Kampf begonnen, ohne daß Hugo etwas entſchieben hätte. Heute will er dem Mädchen die Entſcheidung anheimſtellen, ob er bleiben ſollte oder nicht. Als er ins Dorf zurückkam, verſammelten ſich gerade im Hafen bekränzte und mit Myrtengrün bedeckte Boote, welche eine fromme Schar in die Sutorina bringen ſollten, wo ein kleines, weißes Kirchlein zum Gottesdienſte einlud. Es war ein Marienfeſttag, an dem von allen Seiten die Katho- liken bei jener Kirche zuſammenzukommen pflegten. Die übrigen Bewohner, die nicht mitfuhren, ſtehen vor ihren Häuſern und ſehen den Abſegelnden nach. Eudoxia ſtand auf dem Balkone, deſſen Geländer mit Oleandern und anderen Blumen geſchmückt war. Als Hugo ſie bemerkt hatte, grüßte er, feſt ent- ſchloſſen, ihr die Entſcheidung vorzulegen. Er begibt ſich ins Haus, wo ſie ihn freundlich wie immer empfängt und an der Hand auf den Balkon führt. Wie eine dunkelblaue Fläche breitet ſich vor ihnen das Meer aus, nur leiche Bogenwellen glänzen in der ſtrahlenden Sonne. Aus allen Richtungen der weiten Buchtungen erſcheinen Segel- und Ruderſchiffe. Geſang und fröhliches Lachen erſchallt von denſelben und mächtig gleitet ein Dampfer mitten durch ihre Schar gegen Cattaro, wie ein Schwan die Reihen kreiſchender Enten durchſegelt. „Dort ſchwimmt das Schiff, das mich vielleicht ſchon morgen von hier entführt“, ſprach Hugo leichthin. Eudoxia ſchaudert zuſammen. „Was? Sie wollen fort?“ fragt ſie mit zittern- der Stimme. „Gern bliebe ich bei Ihnen mein Leben lang!

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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 73, Baden (Niederösterreich), 12.09.1906, S. 2. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener073_1906/2>, abgerufen am 24.11.2024.