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Badener Zeitung. Nr. 58, Baden (Niederösterreich), 21.07.1909.

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Mittwoch Badener Zeitung 21. Juli 1909 Nr. 58

[Spaltenumbruch] den Anführer der Oberwanger Bauernburschen. Herr
Jirka zeigte sich als geradezu prädestiniert für diese
Rolle. Abgesehen von den stimmlichen Vorzügen, die
er seiner Aufgabe reichlich zuwenden kann, besitzt er
den Humor und die Schneidigkeit, welche der kernigen
Bauerngestalt des Vinzenz so wohl anstehen, er paßt
in das Milien wie sobald kein zweiter. Jedenfalls
wäre es angebracht und der Direktion besonders zu
empfehlen, Herrn Jirka auch fernerhin im Besitze
dieser Rolle zu lassen, was zugleich eine wahrschein-
lich willkommene Entlastung des Herrn Harden
bedeuten würde.

Sonntag, den 18. d. M., kam nachmittags
"Der fidele Bauer" zur 12. Aufführung, abends
ging vollständig neuinßeniert die schöne Suppe'sche
Operette "Boccaccio" über die Bretter.

Dem Liebhaber älterer, noch aus der Blütezeit
der Operette stammender Werke, dem Freunde präch-
tiger Chöre und formvollendet aufgebauter Ensemble
sätze oder dem sich an der farbenfrischen, ewig jung
bleibenden Melodik eines der drei Großen aus der
Operettenwelt Millöcker--Strauß--Suppe gerne Er-
labenden, wurde damit ein Genuß geboten, der schon
ob seiner Seltenheit der vollen Würdigung seitens
des musikfreudigen Publikums nicht entging. Zeigt
sich zudem das musikalische Bühnenwerk durchwegs
so tüchtig studiert, wie dies diesmal der Fall, ver-
künden die präzis und klangschön gebrachten Chöre
ein erkleckliches Maß an Sorgfalt, welches die Sänger
und ihr umsichtiger Dirigent der Sache angedeihen
ließen und arbeiten die Solisten so sanges[f]reudig
und spieleifrig am schönen Gelingen des Ganzen wie
diesmal, dann gesellt sich im Publikum zu den Ge-
fühlen der Freude und Anerkennung noch das der
Dankbarkeit. Jeder Nummer folgte stürmischer Beifall
und zahlreiche jubelnde Hervorrufe nach den Akt-
schlüssen dokumentierte das Interesse, das man all-
seitig an der Einfügung der Suppe'schen Operette
ins Repertoire nahm.

Im Mittelpunkte der gelungenen Aufführung
stand Fräulein Fischer's Boccaccio. Bildschön aus-
sehend, stellte die Künstlerin ihren bekannten Sanges-
kräften Züge eines gewinnenden Temperamentes zur
Seite, den Gesamteindruck ihrer Leistung zu einem
ungemein sympathischen erhebend. Ihr reihte sich als
Partnerin Frau Herma würdig an, welche, die
Fiametta zum erstenmale singend, glänzende Beweise
ihres Stimmaterials und ihrer reizenden Koloratur
gab. Fräulein Wally (Isabella) fand sich mit ihrem
Couplet recht gut ab, als Beatrice bewährte sich ein
Fräulein Anna Bleier, eine hübsche Bühnener-
scheinung, in jeder Richtung hin sehr brav und die
Peronella erhielt in Fräulein Haßmann eine Dar-
stellerin von dezenter Komik.

Von den Herren sind selbstverständlich die drei
ehrsamen Bürger: Lotteringhi (Direktor Schütz),
welcher sein Faßbinderlied mit siegreicher Kraft hinaus-
schmetterte, Lambertuccio (Schwab), dessen "Wie
Gott will" nicht endenwollende Beifallsstürme ent-
fesselte, und Scalza (Klitsch) zu nennen, weiters Herr
Eichinger als Prinz von Palermo.

Herrn Heim (Leonetto) können wir nur aber-
mals und dringend eine sorgfältigere Behandlung der
Prosa empfehlen. Als sehr verwendbar erwies sich
Herr Walter in der kleinen Partie des Kolporteurs.

Sowohl die Nachmittags- wie die Abendvor-
stellung waren ausnehmend gut besucht.




Gerichtssaal.
Freispruch.

Am 18. d. M. wurde die Ver-
handlung gegen den Hilfsarbeiter Friedrich Neu-
müller
aus Baden wegen angeblicher Schändung
zu Ende geführt. Neumüller war angeklagt, an zwei
schulpflichtigen Mädchen im Kinematographentheater
in Baden während der Vorstellung das Verbrechen
der Schändung begangen zu haben. Der von Dr.
Kenner verteidigte Angeklagte wurde freige-
sprochen,
weil der Gerichtshof nicht die Ueber-
zeugung gewinnen konnte, daß der Angeklagte, der
ein Kinderfreund ist und eines der Mädchen auf
seinen Schoß genommen hatte, sich dieses Verbrechens
schuldig gemacht habe, zumal derselbe bisher unbe-
scholten ist und auch die Hauptzeugen sehr entlastend
für ihn aussagten.




[irrelevantes Material]

Mittwoch Badener Zeitung 21. Juli 1909 Nr. 58

[Spaltenumbruch] den Anführer der Oberwanger Bauernburſchen. Herr
Jirka zeigte ſich als geradezu prädeſtiniert für dieſe
Rolle. Abgeſehen von den ſtimmlichen Vorzügen, die
er ſeiner Aufgabe reichlich zuwenden kann, beſitzt er
den Humor und die Schneidigkeit, welche der kernigen
Bauerngeſtalt des Vinzenz ſo wohl anſtehen, er paßt
in das Milien wie ſobald kein zweiter. Jedenfalls
wäre es angebracht und der Direktion beſonders zu
empfehlen, Herrn Jirka auch fernerhin im Beſitze
dieſer Rolle zu laſſen, was zugleich eine wahrſchein-
lich willkommene Entlaſtung des Herrn Harden
bedeuten würde.

Sonntag, den 18. d. M., kam nachmittags
„Der fidele Bauer“ zur 12. Aufführung, abends
ging vollſtändig neuinſzeniert die ſchöne Suppé’ſche
Operette „Boccaccio“ über die Bretter.

Dem Liebhaber älterer, noch aus der Blütezeit
der Operette ſtammender Werke, dem Freunde präch-
tiger Chöre und formvollendet aufgebauter Enſemble
ſätze oder dem ſich an der farbenfriſchen, ewig jung
bleibenden Melodik eines der drei Großen aus der
Operettenwelt Millöcker—Strauß—Suppé gerne Er-
labenden, wurde damit ein Genuß geboten, der ſchon
ob ſeiner Seltenheit der vollen Würdigung ſeitens
des muſikfreudigen Publikums nicht entging. Zeigt
ſich zudem das muſikaliſche Bühnenwerk durchwegs
ſo tüchtig ſtudiert, wie dies diesmal der Fall, ver-
künden die präzis und klangſchön gebrachten Chöre
ein erkleckliches Maß an Sorgfalt, welches die Sänger
und ihr umſichtiger Dirigent der Sache angedeihen
ließen und arbeiten die Soliſten ſo ſanges[f]reudig
und ſpieleifrig am ſchönen Gelingen des Ganzen wie
diesmal, dann geſellt ſich im Publikum zu den Ge-
fühlen der Freude und Anerkennung noch das der
Dankbarkeit. Jeder Nummer folgte ſtürmiſcher Beifall
und zahlreiche jubelnde Hervorrufe nach den Akt-
ſchlüſſen dokumentierte das Intereſſe, das man all-
ſeitig an der Einfügung der Suppé’ſchen Operette
ins Repertoire nahm.

Im Mittelpunkte der gelungenen Aufführung
ſtand Fräulein Fiſcher’s Boccaccio. Bildſchön aus-
ſehend, ſtellte die Künſtlerin ihren bekannten Sanges-
kräften Züge eines gewinnenden Temperamentes zur
Seite, den Geſamteindruck ihrer Leiſtung zu einem
ungemein ſympathiſchen erhebend. Ihr reihte ſich als
Partnerin Frau Herma würdig an, welche, die
Fiametta zum erſtenmale ſingend, glänzende Beweiſe
ihres Stimmaterials und ihrer reizenden Koloratur
gab. Fräulein Wally (Iſabella) fand ſich mit ihrem
Couplet recht gut ab, als Beatrice bewährte ſich ein
Fräulein Anna Bleier, eine hübſche Bühnener-
ſcheinung, in jeder Richtung hin ſehr brav und die
Peronella erhielt in Fräulein Haßmann eine Dar-
ſtellerin von dezenter Komik.

Von den Herren ſind ſelbſtverſtändlich die drei
ehrſamen Bürger: Lotteringhi (Direktor Schütz),
welcher ſein Faßbinderlied mit ſiegreicher Kraft hinaus-
ſchmetterte, Lambertuccio (Schwab), deſſen „Wie
Gott will“ nicht endenwollende Beifallsſtürme ent-
feſſelte, und Scalza (Klitſch) zu nennen, weiters Herr
Eichinger als Prinz von Palermo.

Herrn Heim (Leonetto) können wir nur aber-
mals und dringend eine ſorgfältigere Behandlung der
Proſa empfehlen. Als ſehr verwendbar erwies ſich
Herr Walter in der kleinen Partie des Kolporteurs.

Sowohl die Nachmittags- wie die Abendvor-
ſtellung waren ausnehmend gut beſucht.




Gerichtsſaal.
Freiſpruch.

Am 18. d. M. wurde die Ver-
handlung gegen den Hilfsarbeiter Friedrich Neu-
müller
aus Baden wegen angeblicher Schändung
zu Ende geführt. Neumüller war angeklagt, an zwei
ſchulpflichtigen Mädchen im Kinematographentheater
in Baden während der Vorſtellung das Verbrechen
der Schändung begangen zu haben. Der von Dr.
Kenner verteidigte Angeklagte wurde freige-
ſprochen,
weil der Gerichtshof nicht die Ueber-
zeugung gewinnen konnte, daß der Angeklagte, der
ein Kinderfreund iſt und eines der Mädchen auf
ſeinen Schoß genommen hatte, ſich dieſes Verbrechens
ſchuldig gemacht habe, zumal derſelbe bisher unbe-
ſcholten iſt und auch die Hauptzeugen ſehr entlaſtend
für ihn ausſagten.




[irrelevantes Material]

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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 58, Baden (Niederösterreich), 21.07.1909, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener058_1909/6>, abgerufen am 24.11.2024.