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Badener Zeitung. Nr. 47, Baden (Niederösterreich), 10.06.1908.

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Nr. 47. Mittwoch Badener Zeitung 10. Juni 1908.

[Spaltenumbruch]

hier ist sein Schaffensplatz, hier kann und soll er
seine Fähigkeiten nicht zur Knechtschaft des Geistes,
sondern zur höchsten Erhebung entwickeln!

Aus den Breschen, welche der Klerikalismus in
den Bau der Universitäten geschossen, wird ein neuer
Kampf erstehen; das Licht wird über die Finsternis
siegen und aus den Ruinen der Gesellschaftsordnung
soll neues Leben des Volkswohls erstehen!




Kritische Streiflichter.

Im Laufe der vier Jahre von 1899 bis 1903
sind in Böhmen 63 neue tschechische Bürgerschulen,
aber nur 25 deutsche Bürgerschulen ins Leben ge-
rufen worden. In diesen Ziffern drückt sich die gleiche
außerordentliche Benachteiligung aus, die die Deutschen
Böhmens auf allen Gebieten erfahren. Denn, wenn
bei der Errichtung das Nationalitätenverhältnis be-
rücksichtigt worden wäre, so müßten bei 63 tschechischen
Bürgerschulen mindestens 36 neue deutsche Bürger-
schulen errichtet worden sein. Die tschechische Mehrheit
der Landesverwaltung hat also ihre Uebermacht dazu
benützt, die Deutschen, die weit mehr als die Hälfte
der Gesamtsteuern des Landes zahlen, um 11 Bürger-
schulen in diesem Zeitraume zu bringen.




Die Badeverwaltung in Luhatschowitz, die
bekanntlich vollständig in tschechisch-radikalem Sinne
geleitet wird, hat nun ein Konsortium zur Erbauung
eines slavischen Repräsentationshauses daselbst ins
Leben gerufen und wirbt nun unter den Tschechen
für den Ankauf von Konsortialanteilen zu 100 Kronen.
Luhatschowitz ist namentlich auch ein Begegnungspunkt
der Tschechen mit den ungarischen Slowaken.




Vor kurzem wurde in Berlin eine deutsch-öster-
reichische Zuckerindustrie-Aktiengesellschaft gegründet,
deren Kapital und Tätigkeitsfeld österreichisch sind.
Der Grund für die Verlegung des Sitzes nach Berlin
ist in der enormen Höhe unserer Aktienbesteuerung,
sowie den bei uns übermäßig verteuerten Gründungs-
spesen zu suchen. Dieser Vorgang ermöglicht, wesent-
liche Ersparungen zu erzielen. So schädigt unser Fiskus
die österreichische Volkswirtschaft und seine eigenen
Interessen!




Eine skandalöse Kaiserhuldigung nennt die kleri-
kale "Reichspost" den Beschluß der stets kaisertreuen
Vorarlberger Landeshauptstadt Bregenz, aus Anlaß
des Kaiserjubiläums eine Mädchen-Volks- und Bürger-
schule zu stiften. Der Grund, warum die "Reichspost"
mit den liberalen Stadtvätern so unzufrieden ist, ist
darin zu suchen, daß in Bregenz eine von Domini-
kanern geleitete Klosterschule schon seit 100 Jahren
besteht, deren Existenz bedroht würde. Deswegen sind
die Bregenzer schlechte Patrioten. Die Bregenzer sollen
also dem Kaiser die Treue gebrochen haben, weil sie
[Spaltenumbruch] ihren Mädchen eine zeitgemäße, weltliche Erziehung
geben wollen.




Ein Gemeindeausschuß, der sich für die Boy-
kottierung des katholischen Religionsunterrichtes aus-
spricht, ist etwas seltenes, aber er existiert in Kaaden.
Gegen den dortigen Katecheten P. Stümper wurden
die verschiedensten Klagen laut; insbesondere soll er
die Mädchen in der Bürgerschule in roher Weise be-
handeln, so daß diese sich weigern, dem Religions-
unterrichte beizuwohnen. In seiner letzten Sitzung
beschäftigte sich auch der Gemeindeausschuß von Kaaden
mit dieser Angelegenheit und faßte nach längerer
Debatte einhellig nachfolgende Entschließung: "Der
Gemeindeausschuß von Kaaden spricht seine tiefste
Entrüstung über die ganz ungehörigen Auslassungen
des Stadtkaplanes P. Stümper aus, fordert neuer-
dings dessen sofortige Entfernung von seiner Stelle
und aus der Stadt und legt gegenteiligen Falles der
Bevölkerung nahe, insoferne zur Selbsthilfe zu greifen,
daß sie ihren Kindern fernerhin untersagt, an dem
Religionsunterrichte teilzunehmen, insolange Pater
Stümper ihn erteilt." Zur Nachahmung empfohlen!




Die "Volna Skola" weiß aus einer Kinder-
predigt des Jesuitenpaters Klapuch folgendes zu
berichten: "Unmittelbar vor dem jüngsten Gerichte
wird der Antichrist herrschen und der wird ein Jude
sein. Er wird 31/2 Jahre regieren, die ganze Erde
sich unterwerfen und die Menschen der Lehre Christi
abwendig machen. Viele Leute werden vom Glauben
abfallen, sowie dies heute in Frankreich geschieht.
Um diese Zeit werden dann noch Enoch und Elias
erscheinen, welche bis heute noch nicht gestorben sind.
Wo sie jetzt sind, weiß man nicht. Dies läßt sich
nicht feststellen. Enoch wird das Christentum den
Haiden, Elias aber den Juden verkünden. Beinahe
das ganze jüdische Volk wird sich zum Christentum
bekehren lassen, nur einige werden halsstörrig bleiben.
Der Antichrist wird sie dann umbringen; aber nicht
lange darnach wird Christus dem Antichrist auf über-
natürliche Weise das Leben nehmen". Diesen Pater
Klapuch sollten die Klerikalen doch zum Universitäts-
professor machen.




"Oesterreichs Hort.

Geschichts- und Kultur-
bilder aus den Habsburgischen Erbländern. Eine Fest-
gabe an das deutsch-österreichische Volk zur Jubelfeier
des Kaisers Franz Josef I. 1908. Unter dem Pro-
tektorate Sr. Exzellenz des k. u. k. wirklichen geheimen
Rates, k. u. k. Kämmerers, Albin Freiherrn von
Teuffenbach zu Tiefenbach und Maßweg,
k. u. k. Feldzeugmeister d. R., herausgegeben von
einem Kreise vaterländischer Schriftsteller usw."

Der patriotische Leser, der durch die noch nicht
vergessene Affaire "An Ehren und an Siegen reich"
etwas neugierig geworden ist, wo denn eigentlich
derartige Jubiläumswerke gedruckt werden, wird diesmal




[Spaltenumbruch]

esels und sogar den Federn einiger Vögel wurde
heilende Wirkung zugesprochen.

Die Anwendung dieser wunderlichen Mittel war
verschieden. Gerne beräucherte man sich, indem man
sich über ein Kohlenbecken neigte, aus welchem wider-
liche Gerüche von den betreffenden Tierkadavern auf-
stiegen. Dabei wurde ein Tuch um die Nase gehalten.
Half dieses Verfahren nicht, so machte man das
Gegenteil, indem der Kranke am ganzen Körper mit
Wohlgerüchen beräuchert wurde und abwechselnd ließ
man ihn scheußliche Dünste einatmen.

Rauch von Pfauenfedern in die Augen gelassen,
sollte den roten und triefenden Augen dienlich sein.
Gegen Augenkrankheiten im allgemeinen wurden
Salben aus Fledermausmilch, Uhuaugen, Galle der
Nachtigall, Blut und Eier der Rebhühner und --
Storchenasche zubereitet.

Wörtlich heißt es im Buche: "Traubenblut,
warm in die Augen gegosen, benimt das Trifen, die
Wunden und Geschwär derselbigen".

Für innere Erkrankungen wurden alle möglichen
ekelhaften Dinge angewendet.

Die in Wein gekochte Tiergalle, besonders die
des Geiers, ward als köstlich gepriesen und heißt es
diesbezüglich: "Der Gall ein Löfel genützt mit Wein,
soll gut zum fallenden Siechtag sein".

Manchmal hielt man es für notwendig, daß bei
gewissen Krankheiten die für ärztliche Zwecke be-
stimmten Tiere seltene Dinge genossen haben mußten.
Beispielsweise wurden Geier, die von einem toten
Menschen gefressen hatten, oder Krammetsvögel, die
Myrtenbeeren zu sich genommen hatten, bei Unter-
leibsleiden als heilsam empfohlen.


[Spaltenumbruch]

Eine besondere Heilkraft wurde dem Affenherz
zugeschrieben und schreibt hierüber der Verfasser fol-
gendes:

"Das Affenhertz gebraten, gedürt und gepulvert,
ist eine gute Arzenei zum Hertzen, denn derselbigen
Pulvers ein Quentlein in Weinmet genommen, stärckt
und machet das Hertz tapfer und freudig, das Hertz-
klopfen vertreibt es, es stärcket auch und machet die
Vernunft spitzfindiger".

Schon damals wurde auf eine hübsche äußere
Erscheinung, sowohl beim Manne als auch bei der
Frau viel Wert gelegt. Auch dafür sind am Schlusse
des Buches eine Reihe empfehlenswerter Mittel an-
gegeben.

Jungfrauen sollen sich mit Fledermausblut be-
streichen, um ihre zierlichen Formen lange zu be-
halten. Pelikangalle wurde gegen Muttermale und
das Blut von Mäusen oder Eidechsen gegen Warzen
und Hühneraugen angewendet. Gegen Haarausfall
sollte Bärenschmalz helfen, Rabenblut neues Haar
erzeugen und ein Krähenmagen sollte es färben.

Wollte man krauses Haar haben, so sollte man
sich des Blutes eines jungen Uhus bedienen. Wem
die Augenbrauen über der Nase zusammenwachsen,
der brauchte nur Kauzblut anzuwenden.

Zum Schlusse sei noch eines im Buche hervor-
gehobenen und empfohlenen Schönheitsmittels erwähnt:

"In eines jungen Storchen Bauch, so noch nit
flügge worden, stoß Kampfer und Amper (Ambra)
und zeuch mit Destiliren das Wasser daraus, selbiges
reiniget das Angesicht und machet das schön".




[Spaltenumbruch]

vergebens Befriedigung seiner Neugierde finden; denn
ein Impressum weist "Oesterreichs Hort" nicht auf.
Nichts liegt näher, als nach berühmtem Muster die
Druckstätte des deutsch-österreichisch-patriotischen Jubi-
läumswerkes im Reiche draußen anzunehmen, beziehungs-
weise zu vermuten. Dort mag der für Oesterreich geltende
§ 9 des öesterreichischen Preßgesetzes völlig unbekannt
sein, hier mag "Vindobona" denken, auch die Behörde
muß nicht alles wissen müssen; anders wäre es kaum
erklärlich, warum ein Buchdrucker gar so bescheiden
sein Licht unter den Scheffel stellen wollte, -- das
Werk ist wirklich nicht so ausgefallen, daß diese
Bescheidenheit am Platze und als Vorzug zu betrachten
wäre. Es dürfte vielmehr die Annahme berechtigt
sein, daß der Verlag "Vindobona" dieses Werk, sei
es aus Rücksicht auf den Buchhandel, sei es wegen
der Ersparung weniger Heller im Deutschen Reiche
herstellen ließ, daß aber, um den vaterländischen
Geist nicht zu verletzen, die Druckstätte diskret ver-
schwiegen wurde. Deutschland, Deutschland über alles!

Anders als der Buchdrucker, selbstbewußter, trat
die Buchbinderftrma auf. Der Umschlag bekennt es:
Berliner Buchbinderei Würben & Co. Ges. m. b. G.
Oesterreichische Buchbinderei! Gibt es unter diesen
nicht einen, nicht einen einzigen unter allen, der
dieser Berliner Firma gleichwertig wäre? Und ist es
allen, nicht nur einem gleichtig, daß wieder einmal
ein österreichisches Werk in Deutschland gedruckt und
daher dort gebunden woden ist.

Wir wehren uns mit allen Kräften gegen diesen
Verlegerpatriotismus. Zwar können wir in diesem
Falle nur schließen, daß im Reiche die Druckstätte
des Werkes liegt, der Schluß aber scheint durch die
Angabe der Buchbinderfirma wohl fundiert zu sein.
Daß der "Oesterreichische Hort" nicht ein "Geschichts-
und Kulturbild" der Verleger aus den österreichischen
Erbländern werde, jener Verlagsfirmen, für welche,
wie für die "Vindobona", nur die Buchdrucker im
Deutschen Reiche zur Herstellung solcher "Festesgaben
an das deutsch-österreichische Volk" in Betracht
kommen, die sich einen Kreis vaterländischer Schrift-
steller zu sichern und auf das Protektorat eines hohen
österreichischen Generals, Seiner Majestät wirklichen
Geheimrates, stolz hinzuweisen vermag, dazu mögen
alle jene beitragen, welche für die österreichische
schwarze Kunst, für vaterländische Druckerzeugnisse
Sinn und Liebe haben. Vorerst aber die Aufklärung
und darum: "Wer weiß etwas?!"




Lokal-Nachrichten.
-- Hofnachricht.

Erzherzog Rainer mit
Fran Gemahlin Erzherzogin Maria Rainer und
Hofstaat haben seit Samstag, den 6. d. M., wieder in
ihrer Villa hier Aufenthalt genommen.

-- General-Intendant A. Menschik +.

Pfingstsonntag nachmittags starb hier nach einem
längeren Leiden der k. u. k. Generalintendant d. R.
Alois Menschik. Der Verstorbene, der seit seiner
Pensionierung sich hier in Baden ansässig machte,
war eine in den hiesigen Gesellschaftskreisen sehr be-
kannte und geachtete Persönlichkeit, dessen Beliebtheit
bei dem gestern Dienstag stattgefundenen Leichen-
begängnis zum Ausdruck kam.

-- Hoher Besuch.

Freitag, den 5. d. M.,
nachmittags, wurde das Spital für skrophulöse Kinder
von der hohen Protektorin Ihrer k. u. k. Hoheit der
Frau Erzherzogin Maria Theresia in Begleitung
der Hofdame Frau Gräfin Unger mit einem Besuche
beehrt. Empfangen wurde die hohe Besucherin von
Herrn Vizebürgermeister A. Brusatti, Herrn Ver-
walter R. Weißhappel und von dem leitenden
Spitalsarzte Herrn Dr. F. Jäger. Von einem
Pflegling der Anstalt wurde hiebei ein Rosenstrauß
mit einer Ansprache überreicht. Nachdem alle Räume
besichtigt waren, sprach die Erzherzogin ihre Zufrie-
denheit aus und widmete einen namhaften Geldbetrag
für die im Spitale untergebrachten Kinder.

-- Von den Badener Höhen.

Wenn man
die Welzergasse zwischen den schönen Cottageanlagen
passiert hat und vor dem "Juden" links abbiegt, so
gelangt man auf dem neuen, zwischen Gebüsch und
Fels gelegten Wege zum Imker- und Obstbaugarten,
in dem sich ein größerer und ein kleinerer Bienen-
stand befinden und auch für die Anzucht von Obst-
bäumen Raum genug vorhanden ist. Die Morgen-
sonne sendet zwar noch wenig Strahlen dahin, doch
nach 8 Uhr liegt alles im Sonnenschein. Die Bienen-
stöcke sind sehr belebt und die Obstbäumchen scheinen
gut zu gedeihen. Hier aber ist eine wesentliche Ver-
besserung erwünscht und mit nicht allzugroßen Kosten
durchführbar. Einzig schön sind die Wege, die durch
die Föhren zum Wasserrosenteich führen. Der duftende

Nr. 47. Mittwoch Badener Zeitung 10. Juni 1908.

[Spaltenumbruch]

hier iſt ſein Schaffensplatz, hier kann und ſoll er
ſeine Fähigkeiten nicht zur Knechtſchaft des Geiſtes,
ſondern zur höchſten Erhebung entwickeln!

Aus den Breſchen, welche der Klerikalismus in
den Bau der Univerſitäten geſchoſſen, wird ein neuer
Kampf erſtehen; das Licht wird über die Finſternis
ſiegen und aus den Ruinen der Geſellſchaftsordnung
ſoll neues Leben des Volkswohls erſtehen!




Kritiſche Streiflichter.

Im Laufe der vier Jahre von 1899 bis 1903
ſind in Böhmen 63 neue tſchechiſche Bürgerſchulen,
aber nur 25 deutſche Bürgerſchulen ins Leben ge-
rufen worden. In dieſen Ziffern drückt ſich die gleiche
außerordentliche Benachteiligung aus, die die Deutſchen
Böhmens auf allen Gebieten erfahren. Denn, wenn
bei der Errichtung das Nationalitätenverhältnis be-
rückſichtigt worden wäre, ſo müßten bei 63 tſchechiſchen
Bürgerſchulen mindeſtens 36 neue deutſche Bürger-
ſchulen errichtet worden ſein. Die tſchechiſche Mehrheit
der Landesverwaltung hat alſo ihre Uebermacht dazu
benützt, die Deutſchen, die weit mehr als die Hälfte
der Geſamtſteuern des Landes zahlen, um 11 Bürger-
ſchulen in dieſem Zeitraume zu bringen.




Die Badeverwaltung in Luhatſchowitz, die
bekanntlich vollſtändig in tſchechiſch-radikalem Sinne
geleitet wird, hat nun ein Konſortium zur Erbauung
eines ſlaviſchen Repräſentationshauſes daſelbſt ins
Leben gerufen und wirbt nun unter den Tſchechen
für den Ankauf von Konſortialanteilen zu 100 Kronen.
Luhatſchowitz iſt namentlich auch ein Begegnungspunkt
der Tſchechen mit den ungariſchen Slowaken.




Vor kurzem wurde in Berlin eine deutſch-öſter-
reichiſche Zuckerinduſtrie-Aktiengeſellſchaft gegründet,
deren Kapital und Tätigkeitsfeld öſterreichiſch ſind.
Der Grund für die Verlegung des Sitzes nach Berlin
iſt in der enormen Höhe unſerer Aktienbeſteuerung,
ſowie den bei uns übermäßig verteuerten Gründungs-
ſpeſen zu ſuchen. Dieſer Vorgang ermöglicht, weſent-
liche Erſparungen zu erzielen. So ſchädigt unſer Fiskus
die öſterreichiſche Volkswirtſchaft und ſeine eigenen
Intereſſen!




Eine ſkandalöſe Kaiſerhuldigung nennt die kleri-
kale „Reichspoſt“ den Beſchluß der ſtets kaiſertreuen
Vorarlberger Landeshauptſtadt Bregenz, aus Anlaß
des Kaiſerjubiläums eine Mädchen-Volks- und Bürger-
ſchule zu ſtiften. Der Grund, warum die „Reichspoſt“
mit den liberalen Stadtvätern ſo unzufrieden iſt, iſt
darin zu ſuchen, daß in Bregenz eine von Domini-
kanern geleitete Kloſterſchule ſchon ſeit 100 Jahren
beſteht, deren Exiſtenz bedroht würde. Deswegen ſind
die Bregenzer ſchlechte Patrioten. Die Bregenzer ſollen
alſo dem Kaiſer die Treue gebrochen haben, weil ſie
[Spaltenumbruch] ihren Mädchen eine zeitgemäße, weltliche Erziehung
geben wollen.




Ein Gemeindeausſchuß, der ſich für die Boy-
kottierung des katholiſchen Religionsunterrichtes aus-
ſpricht, iſt etwas ſeltenes, aber er exiſtiert in Kaaden.
Gegen den dortigen Katecheten P. Stümper wurden
die verſchiedenſten Klagen laut; insbeſondere ſoll er
die Mädchen in der Bürgerſchule in roher Weiſe be-
handeln, ſo daß dieſe ſich weigern, dem Religions-
unterrichte beizuwohnen. In ſeiner letzten Sitzung
beſchäftigte ſich auch der Gemeindeausſchuß von Kaaden
mit dieſer Angelegenheit und faßte nach längerer
Debatte einhellig nachfolgende Entſchließung: „Der
Gemeindeausſchuß von Kaaden ſpricht ſeine tiefſte
Entrüſtung über die ganz ungehörigen Auslaſſungen
des Stadtkaplanes P. Stümper aus, fordert neuer-
dings deſſen ſofortige Entfernung von ſeiner Stelle
und aus der Stadt und legt gegenteiligen Falles der
Bevölkerung nahe, inſoferne zur Selbſthilfe zu greifen,
daß ſie ihren Kindern fernerhin unterſagt, an dem
Religionsunterrichte teilzunehmen, inſolange Pater
Stümper ihn erteilt.“ Zur Nachahmung empfohlen!




Die „Volna Skola“ weiß aus einer Kinder-
predigt des Jeſuitenpaters Klapuch folgendes zu
berichten: „Unmittelbar vor dem jüngſten Gerichte
wird der Antichriſt herrſchen und der wird ein Jude
ſein. Er wird 3½ Jahre regieren, die ganze Erde
ſich unterwerfen und die Menſchen der Lehre Chriſti
abwendig machen. Viele Leute werden vom Glauben
abfallen, ſowie dies heute in Frankreich geſchieht.
Um dieſe Zeit werden dann noch Enoch und Elias
erſcheinen, welche bis heute noch nicht geſtorben ſind.
Wo ſie jetzt ſind, weiß man nicht. Dies läßt ſich
nicht feſtſtellen. Enoch wird das Chriſtentum den
Haiden, Elias aber den Juden verkünden. Beinahe
das ganze jüdiſche Volk wird ſich zum Chriſtentum
bekehren laſſen, nur einige werden halsſtörrig bleiben.
Der Antichriſt wird ſie dann umbringen; aber nicht
lange darnach wird Chriſtus dem Antichriſt auf über-
natürliche Weiſe das Leben nehmen“. Dieſen Pater
Klapuch ſollten die Klerikalen doch zum Univerſitäts-
profeſſor machen.




„Oeſterreichs Hort.

Geſchichts- und Kultur-
bilder aus den Habsburgiſchen Erbländern. Eine Feſt-
gabe an das deutſch-öſterreichiſche Volk zur Jubelfeier
des Kaiſers Franz Joſef I. 1908. Unter dem Pro-
tektorate Sr. Exzellenz des k. u. k. wirklichen geheimen
Rates, k. u. k. Kämmerers, Albin Freiherrn von
Teuffenbach zu Tiefenbach und Maßweg,
k. u. k. Feldzeugmeiſter d. R., herausgegeben von
einem Kreiſe vaterländiſcher Schriftſteller uſw.“

Der patriotiſche Leſer, der durch die noch nicht
vergeſſene Affaire „An Ehren und an Siegen reich“
etwas neugierig geworden iſt, wo denn eigentlich
derartige Jubiläumswerke gedruckt werden, wird diesmal




[Spaltenumbruch]

eſels und ſogar den Federn einiger Vögel wurde
heilende Wirkung zugeſprochen.

Die Anwendung dieſer wunderlichen Mittel war
verſchieden. Gerne beräucherte man ſich, indem man
ſich über ein Kohlenbecken neigte, aus welchem wider-
liche Gerüche von den betreffenden Tierkadavern auf-
ſtiegen. Dabei wurde ein Tuch um die Naſe gehalten.
Half dieſes Verfahren nicht, ſo machte man das
Gegenteil, indem der Kranke am ganzen Körper mit
Wohlgerüchen beräuchert wurde und abwechſelnd ließ
man ihn ſcheußliche Dünſte einatmen.

Rauch von Pfauenfedern in die Augen gelaſſen,
ſollte den roten und triefenden Augen dienlich ſein.
Gegen Augenkrankheiten im allgemeinen wurden
Salben aus Fledermausmilch, Uhuaugen, Galle der
Nachtigall, Blut und Eier der Rebhühner und —
Storchenaſche zubereitet.

Wörtlich heißt es im Buche: „Traubenblut,
warm in die Augen gegoſen, benimt das Trifen, die
Wunden und Geſchwär derſelbigen“.

Für innere Erkrankungen wurden alle möglichen
ekelhaften Dinge angewendet.

Die in Wein gekochte Tiergalle, beſonders die
des Geiers, ward als köſtlich geprieſen und heißt es
diesbezüglich: „Der Gall ein Löfel genützt mit Wein,
ſoll gut zum fallenden Siechtag ſein“.

Manchmal hielt man es für notwendig, daß bei
gewiſſen Krankheiten die für ärztliche Zwecke be-
ſtimmten Tiere ſeltene Dinge genoſſen haben mußten.
Beiſpielsweiſe wurden Geier, die von einem toten
Menſchen gefreſſen hatten, oder Krammetsvögel, die
Myrtenbeeren zu ſich genommen hatten, bei Unter-
leibsleiden als heilſam empfohlen.


[Spaltenumbruch]

Eine beſondere Heilkraft wurde dem Affenherz
zugeſchrieben und ſchreibt hierüber der Verfaſſer fol-
gendes:

„Das Affenhertz gebraten, gedürt und gepulvert,
iſt eine gute Arzenei zum Hertzen, denn derſelbigen
Pulvers ein Quentlein in Weinmet genommen, ſtärckt
und machet das Hertz tapfer und freudig, das Hertz-
klopfen vertreibt es, es ſtärcket auch und machet die
Vernunft ſpitzfindiger“.

Schon damals wurde auf eine hübſche äußere
Erſcheinung, ſowohl beim Manne als auch bei der
Frau viel Wert gelegt. Auch dafür ſind am Schluſſe
des Buches eine Reihe empfehlenswerter Mittel an-
gegeben.

Jungfrauen ſollen ſich mit Fledermausblut be-
ſtreichen, um ihre zierlichen Formen lange zu be-
halten. Pelikangalle wurde gegen Muttermale und
das Blut von Mäuſen oder Eidechſen gegen Warzen
und Hühneraugen angewendet. Gegen Haarausfall
ſollte Bärenſchmalz helfen, Rabenblut neues Haar
erzeugen und ein Krähenmagen ſollte es färben.

Wollte man krauſes Haar haben, ſo ſollte man
ſich des Blutes eines jungen Uhus bedienen. Wem
die Augenbrauen über der Naſe zuſammenwachſen,
der brauchte nur Kauzblut anzuwenden.

Zum Schluſſe ſei noch eines im Buche hervor-
gehobenen und empfohlenen Schönheitsmittels erwähnt:

„In eines jungen Storchen Bauch, ſo noch nit
flügge worden, ſtoß Kampfer und Amper (Ambra)
und zeuch mit Deſtiliren das Waſſer daraus, ſelbiges
reiniget das Angeſicht und machet das ſchön“.




[Spaltenumbruch]

vergebens Befriedigung ſeiner Neugierde finden; denn
ein Impreſſum weiſt „Oeſterreichs Hort“ nicht auf.
Nichts liegt näher, als nach berühmtem Muſter die
Druckſtätte des deutſch-öſterreichiſch-patriotiſchen Jubi-
läumswerkes im Reiche draußen anzunehmen, beziehungs-
weiſe zu vermuten. Dort mag der für Oeſterreich geltende
§ 9 des öeſterreichiſchen Preßgeſetzes völlig unbekannt
ſein, hier mag „Vindobona“ denken, auch die Behörde
muß nicht alles wiſſen müſſen; anders wäre es kaum
erklärlich, warum ein Buchdrucker gar ſo beſcheiden
ſein Licht unter den Scheffel ſtellen wollte, — das
Werk iſt wirklich nicht ſo ausgefallen, daß dieſe
Beſcheidenheit am Platze und als Vorzug zu betrachten
wäre. Es dürfte vielmehr die Annahme berechtigt
ſein, daß der Verlag „Vindobona“ dieſes Werk, ſei
es aus Rückſicht auf den Buchhandel, ſei es wegen
der Erſparung weniger Heller im Deutſchen Reiche
herſtellen ließ, daß aber, um den vaterländiſchen
Geiſt nicht zu verletzen, die Druckſtätte diskret ver-
ſchwiegen wurde. Deutſchland, Deutſchland über alles!

Anders als der Buchdrucker, ſelbſtbewußter, trat
die Buchbinderftrma auf. Der Umſchlag bekennt es:
Berliner Buchbinderei Würben & Co. Geſ. m. b. G.
Oeſterreichiſche Buchbinderei! Gibt es unter dieſen
nicht einen, nicht einen einzigen unter allen, der
dieſer Berliner Firma gleichwertig wäre? Und iſt es
allen, nicht nur einem gleichtig, daß wieder einmal
ein öſterreichiſches Werk in Deutſchland gedruckt und
daher dort gebunden woden iſt.

Wir wehren uns mit allen Kräften gegen dieſen
Verlegerpatriotismus. Zwar können wir in dieſem
Falle nur ſchließen, daß im Reiche die Druckſtätte
des Werkes liegt, der Schluß aber ſcheint durch die
Angabe der Buchbinderfirma wohl fundiert zu ſein.
Daß der „Oeſterreichiſche Hort“ nicht ein „Geſchichts-
und Kulturbild“ der Verleger aus den öſterreichiſchen
Erbländern werde, jener Verlagsfirmen, für welche,
wie für die „Vindobona“, nur die Buchdrucker im
Deutſchen Reiche zur Herſtellung ſolcher „Feſtesgaben
an das deutſch-öſterreichiſche Volk“ in Betracht
kommen, die ſich einen Kreis vaterländiſcher Schrift-
ſteller zu ſichern und auf das Protektorat eines hohen
öſterreichiſchen Generals, Seiner Majeſtät wirklichen
Geheimrates, ſtolz hinzuweiſen vermag, dazu mögen
alle jene beitragen, welche für die öſterreichiſche
ſchwarze Kunſt, für vaterländiſche Druckerzeugniſſe
Sinn und Liebe haben. Vorerſt aber die Aufklärung
und darum: „Wer weiß etwas?!“




Lokal-Nachrichten.
Hofnachricht.

Erzherzog Rainer mit
Fran Gemahlin Erzherzogin Maria Rainer und
Hofſtaat haben ſeit Samstag, den 6. d. M., wieder in
ihrer Villa hier Aufenthalt genommen.

General-Intendant A. Menſchik †.

Pfingſtſonntag nachmittags ſtarb hier nach einem
längeren Leiden der k. u. k. Generalintendant d. R.
Alois Menſchik. Der Verſtorbene, der ſeit ſeiner
Penſionierung ſich hier in Baden anſäſſig machte,
war eine in den hieſigen Geſellſchaftskreiſen ſehr be-
kannte und geachtete Perſönlichkeit, deſſen Beliebtheit
bei dem geſtern Dienstag ſtattgefundenen Leichen-
begängnis zum Ausdruck kam.

Hoher Beſuch.

Freitag, den 5. d. M.,
nachmittags, wurde das Spital für ſkrophulöſe Kinder
von der hohen Protektorin Ihrer k. u. k. Hoheit der
Frau Erzherzogin Maria Thereſia in Begleitung
der Hofdame Frau Gräfin Unger mit einem Beſuche
beehrt. Empfangen wurde die hohe Beſucherin von
Herrn Vizebürgermeiſter A. Bruſatti, Herrn Ver-
walter R. Weißhappel und von dem leitenden
Spitalsarzte Herrn Dr. F. Jäger. Von einem
Pflegling der Anſtalt wurde hiebei ein Roſenſtrauß
mit einer Anſprache überreicht. Nachdem alle Räume
beſichtigt waren, ſprach die Erzherzogin ihre Zufrie-
denheit aus und widmete einen namhaften Geldbetrag
für die im Spitale untergebrachten Kinder.

Von den Badener Höhen.

Wenn man
die Welzergaſſe zwiſchen den ſchönen Cottageanlagen
paſſiert hat und vor dem „Juden“ links abbiegt, ſo
gelangt man auf dem neuen, zwiſchen Gebüſch und
Fels gelegten Wege zum Imker- und Obſtbaugarten,
in dem ſich ein größerer und ein kleinerer Bienen-
ſtand befinden und auch für die Anzucht von Obſt-
bäumen Raum genug vorhanden iſt. Die Morgen-
ſonne ſendet zwar noch wenig Strahlen dahin, doch
nach 8 Uhr liegt alles im Sonnenſchein. Die Bienen-
ſtöcke ſind ſehr belebt und die Obſtbäumchen ſcheinen
gut zu gedeihen. Hier aber iſt eine weſentliche Ver-
beſſerung erwünſcht und mit nicht allzugroßen Koſten
durchführbar. Einzig ſchön ſind die Wege, die durch
die Föhren zum Waſſerroſenteich führen. Der duftende

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[3/0003] Nr. 47. Mittwoch Badener Zeitung 10. Juni 1908. hier iſt ſein Schaffensplatz, hier kann und ſoll er ſeine Fähigkeiten nicht zur Knechtſchaft des Geiſtes, ſondern zur höchſten Erhebung entwickeln! Aus den Breſchen, welche der Klerikalismus in den Bau der Univerſitäten geſchoſſen, wird ein neuer Kampf erſtehen; das Licht wird über die Finſternis ſiegen und aus den Ruinen der Geſellſchaftsordnung ſoll neues Leben des Volkswohls erſtehen! Kritiſche Streiflichter. Im Laufe der vier Jahre von 1899 bis 1903 ſind in Böhmen 63 neue tſchechiſche Bürgerſchulen, aber nur 25 deutſche Bürgerſchulen ins Leben ge- rufen worden. In dieſen Ziffern drückt ſich die gleiche außerordentliche Benachteiligung aus, die die Deutſchen Böhmens auf allen Gebieten erfahren. Denn, wenn bei der Errichtung das Nationalitätenverhältnis be- rückſichtigt worden wäre, ſo müßten bei 63 tſchechiſchen Bürgerſchulen mindeſtens 36 neue deutſche Bürger- ſchulen errichtet worden ſein. Die tſchechiſche Mehrheit der Landesverwaltung hat alſo ihre Uebermacht dazu benützt, die Deutſchen, die weit mehr als die Hälfte der Geſamtſteuern des Landes zahlen, um 11 Bürger- ſchulen in dieſem Zeitraume zu bringen. Die Badeverwaltung in Luhatſchowitz, die bekanntlich vollſtändig in tſchechiſch-radikalem Sinne geleitet wird, hat nun ein Konſortium zur Erbauung eines ſlaviſchen Repräſentationshauſes daſelbſt ins Leben gerufen und wirbt nun unter den Tſchechen für den Ankauf von Konſortialanteilen zu 100 Kronen. Luhatſchowitz iſt namentlich auch ein Begegnungspunkt der Tſchechen mit den ungariſchen Slowaken. Vor kurzem wurde in Berlin eine deutſch-öſter- reichiſche Zuckerinduſtrie-Aktiengeſellſchaft gegründet, deren Kapital und Tätigkeitsfeld öſterreichiſch ſind. Der Grund für die Verlegung des Sitzes nach Berlin iſt in der enormen Höhe unſerer Aktienbeſteuerung, ſowie den bei uns übermäßig verteuerten Gründungs- ſpeſen zu ſuchen. Dieſer Vorgang ermöglicht, weſent- liche Erſparungen zu erzielen. So ſchädigt unſer Fiskus die öſterreichiſche Volkswirtſchaft und ſeine eigenen Intereſſen! Eine ſkandalöſe Kaiſerhuldigung nennt die kleri- kale „Reichspoſt“ den Beſchluß der ſtets kaiſertreuen Vorarlberger Landeshauptſtadt Bregenz, aus Anlaß des Kaiſerjubiläums eine Mädchen-Volks- und Bürger- ſchule zu ſtiften. Der Grund, warum die „Reichspoſt“ mit den liberalen Stadtvätern ſo unzufrieden iſt, iſt darin zu ſuchen, daß in Bregenz eine von Domini- kanern geleitete Kloſterſchule ſchon ſeit 100 Jahren beſteht, deren Exiſtenz bedroht würde. Deswegen ſind die Bregenzer ſchlechte Patrioten. Die Bregenzer ſollen alſo dem Kaiſer die Treue gebrochen haben, weil ſie ihren Mädchen eine zeitgemäße, weltliche Erziehung geben wollen. Ein Gemeindeausſchuß, der ſich für die Boy- kottierung des katholiſchen Religionsunterrichtes aus- ſpricht, iſt etwas ſeltenes, aber er exiſtiert in Kaaden. Gegen den dortigen Katecheten P. Stümper wurden die verſchiedenſten Klagen laut; insbeſondere ſoll er die Mädchen in der Bürgerſchule in roher Weiſe be- handeln, ſo daß dieſe ſich weigern, dem Religions- unterrichte beizuwohnen. In ſeiner letzten Sitzung beſchäftigte ſich auch der Gemeindeausſchuß von Kaaden mit dieſer Angelegenheit und faßte nach längerer Debatte einhellig nachfolgende Entſchließung: „Der Gemeindeausſchuß von Kaaden ſpricht ſeine tiefſte Entrüſtung über die ganz ungehörigen Auslaſſungen des Stadtkaplanes P. Stümper aus, fordert neuer- dings deſſen ſofortige Entfernung von ſeiner Stelle und aus der Stadt und legt gegenteiligen Falles der Bevölkerung nahe, inſoferne zur Selbſthilfe zu greifen, daß ſie ihren Kindern fernerhin unterſagt, an dem Religionsunterrichte teilzunehmen, inſolange Pater Stümper ihn erteilt.“ Zur Nachahmung empfohlen! Die „Volna Skola“ weiß aus einer Kinder- predigt des Jeſuitenpaters Klapuch folgendes zu berichten: „Unmittelbar vor dem jüngſten Gerichte wird der Antichriſt herrſchen und der wird ein Jude ſein. Er wird 3½ Jahre regieren, die ganze Erde ſich unterwerfen und die Menſchen der Lehre Chriſti abwendig machen. Viele Leute werden vom Glauben abfallen, ſowie dies heute in Frankreich geſchieht. Um dieſe Zeit werden dann noch Enoch und Elias erſcheinen, welche bis heute noch nicht geſtorben ſind. Wo ſie jetzt ſind, weiß man nicht. Dies läßt ſich nicht feſtſtellen. Enoch wird das Chriſtentum den Haiden, Elias aber den Juden verkünden. Beinahe das ganze jüdiſche Volk wird ſich zum Chriſtentum bekehren laſſen, nur einige werden halsſtörrig bleiben. Der Antichriſt wird ſie dann umbringen; aber nicht lange darnach wird Chriſtus dem Antichriſt auf über- natürliche Weiſe das Leben nehmen“. Dieſen Pater Klapuch ſollten die Klerikalen doch zum Univerſitäts- profeſſor machen. „Oeſterreichs Hort. Geſchichts- und Kultur- bilder aus den Habsburgiſchen Erbländern. Eine Feſt- gabe an das deutſch-öſterreichiſche Volk zur Jubelfeier des Kaiſers Franz Joſef I. 1908. Unter dem Pro- tektorate Sr. Exzellenz des k. u. k. wirklichen geheimen Rates, k. u. k. Kämmerers, Albin Freiherrn von Teuffenbach zu Tiefenbach und Maßweg, k. u. k. Feldzeugmeiſter d. R., herausgegeben von einem Kreiſe vaterländiſcher Schriftſteller uſw.“ Der patriotiſche Leſer, der durch die noch nicht vergeſſene Affaire „An Ehren und an Siegen reich“ etwas neugierig geworden iſt, wo denn eigentlich derartige Jubiläumswerke gedruckt werden, wird diesmal eſels und ſogar den Federn einiger Vögel wurde heilende Wirkung zugeſprochen. Die Anwendung dieſer wunderlichen Mittel war verſchieden. Gerne beräucherte man ſich, indem man ſich über ein Kohlenbecken neigte, aus welchem wider- liche Gerüche von den betreffenden Tierkadavern auf- ſtiegen. Dabei wurde ein Tuch um die Naſe gehalten. Half dieſes Verfahren nicht, ſo machte man das Gegenteil, indem der Kranke am ganzen Körper mit Wohlgerüchen beräuchert wurde und abwechſelnd ließ man ihn ſcheußliche Dünſte einatmen. Rauch von Pfauenfedern in die Augen gelaſſen, ſollte den roten und triefenden Augen dienlich ſein. Gegen Augenkrankheiten im allgemeinen wurden Salben aus Fledermausmilch, Uhuaugen, Galle der Nachtigall, Blut und Eier der Rebhühner und — Storchenaſche zubereitet. Wörtlich heißt es im Buche: „Traubenblut, warm in die Augen gegoſen, benimt das Trifen, die Wunden und Geſchwär derſelbigen“. Für innere Erkrankungen wurden alle möglichen ekelhaften Dinge angewendet. Die in Wein gekochte Tiergalle, beſonders die des Geiers, ward als köſtlich geprieſen und heißt es diesbezüglich: „Der Gall ein Löfel genützt mit Wein, ſoll gut zum fallenden Siechtag ſein“. Manchmal hielt man es für notwendig, daß bei gewiſſen Krankheiten die für ärztliche Zwecke be- ſtimmten Tiere ſeltene Dinge genoſſen haben mußten. Beiſpielsweiſe wurden Geier, die von einem toten Menſchen gefreſſen hatten, oder Krammetsvögel, die Myrtenbeeren zu ſich genommen hatten, bei Unter- leibsleiden als heilſam empfohlen. Eine beſondere Heilkraft wurde dem Affenherz zugeſchrieben und ſchreibt hierüber der Verfaſſer fol- gendes: „Das Affenhertz gebraten, gedürt und gepulvert, iſt eine gute Arzenei zum Hertzen, denn derſelbigen Pulvers ein Quentlein in Weinmet genommen, ſtärckt und machet das Hertz tapfer und freudig, das Hertz- klopfen vertreibt es, es ſtärcket auch und machet die Vernunft ſpitzfindiger“. Schon damals wurde auf eine hübſche äußere Erſcheinung, ſowohl beim Manne als auch bei der Frau viel Wert gelegt. Auch dafür ſind am Schluſſe des Buches eine Reihe empfehlenswerter Mittel an- gegeben. Jungfrauen ſollen ſich mit Fledermausblut be- ſtreichen, um ihre zierlichen Formen lange zu be- halten. Pelikangalle wurde gegen Muttermale und das Blut von Mäuſen oder Eidechſen gegen Warzen und Hühneraugen angewendet. Gegen Haarausfall ſollte Bärenſchmalz helfen, Rabenblut neues Haar erzeugen und ein Krähenmagen ſollte es färben. Wollte man krauſes Haar haben, ſo ſollte man ſich des Blutes eines jungen Uhus bedienen. Wem die Augenbrauen über der Naſe zuſammenwachſen, der brauchte nur Kauzblut anzuwenden. Zum Schluſſe ſei noch eines im Buche hervor- gehobenen und empfohlenen Schönheitsmittels erwähnt: „In eines jungen Storchen Bauch, ſo noch nit flügge worden, ſtoß Kampfer und Amper (Ambra) und zeuch mit Deſtiliren das Waſſer daraus, ſelbiges reiniget das Angeſicht und machet das ſchön“. J. H. vergebens Befriedigung ſeiner Neugierde finden; denn ein Impreſſum weiſt „Oeſterreichs Hort“ nicht auf. Nichts liegt näher, als nach berühmtem Muſter die Druckſtätte des deutſch-öſterreichiſch-patriotiſchen Jubi- läumswerkes im Reiche draußen anzunehmen, beziehungs- weiſe zu vermuten. Dort mag der für Oeſterreich geltende § 9 des öeſterreichiſchen Preßgeſetzes völlig unbekannt ſein, hier mag „Vindobona“ denken, auch die Behörde muß nicht alles wiſſen müſſen; anders wäre es kaum erklärlich, warum ein Buchdrucker gar ſo beſcheiden ſein Licht unter den Scheffel ſtellen wollte, — das Werk iſt wirklich nicht ſo ausgefallen, daß dieſe Beſcheidenheit am Platze und als Vorzug zu betrachten wäre. Es dürfte vielmehr die Annahme berechtigt ſein, daß der Verlag „Vindobona“ dieſes Werk, ſei es aus Rückſicht auf den Buchhandel, ſei es wegen der Erſparung weniger Heller im Deutſchen Reiche herſtellen ließ, daß aber, um den vaterländiſchen Geiſt nicht zu verletzen, die Druckſtätte diskret ver- ſchwiegen wurde. Deutſchland, Deutſchland über alles! Anders als der Buchdrucker, ſelbſtbewußter, trat die Buchbinderftrma auf. Der Umſchlag bekennt es: Berliner Buchbinderei Würben & Co. Geſ. m. b. G. Oeſterreichiſche Buchbinderei! Gibt es unter dieſen nicht einen, nicht einen einzigen unter allen, der dieſer Berliner Firma gleichwertig wäre? Und iſt es allen, nicht nur einem gleichtig, daß wieder einmal ein öſterreichiſches Werk in Deutſchland gedruckt und daher dort gebunden woden iſt. Wir wehren uns mit allen Kräften gegen dieſen Verlegerpatriotismus. Zwar können wir in dieſem Falle nur ſchließen, daß im Reiche die Druckſtätte des Werkes liegt, der Schluß aber ſcheint durch die Angabe der Buchbinderfirma wohl fundiert zu ſein. Daß der „Oeſterreichiſche Hort“ nicht ein „Geſchichts- und Kulturbild“ der Verleger aus den öſterreichiſchen Erbländern werde, jener Verlagsfirmen, für welche, wie für die „Vindobona“, nur die Buchdrucker im Deutſchen Reiche zur Herſtellung ſolcher „Feſtesgaben an das deutſch-öſterreichiſche Volk“ in Betracht kommen, die ſich einen Kreis vaterländiſcher Schrift- ſteller zu ſichern und auf das Protektorat eines hohen öſterreichiſchen Generals, Seiner Majeſtät wirklichen Geheimrates, ſtolz hinzuweiſen vermag, dazu mögen alle jene beitragen, welche für die öſterreichiſche ſchwarze Kunſt, für vaterländiſche Druckerzeugniſſe Sinn und Liebe haben. Vorerſt aber die Aufklärung und darum: „Wer weiß etwas?!“ Lokal-Nachrichten. — Hofnachricht. Erzherzog Rainer mit Fran Gemahlin Erzherzogin Maria Rainer und Hofſtaat haben ſeit Samstag, den 6. d. M., wieder in ihrer Villa hier Aufenthalt genommen. — General-Intendant A. Menſchik †. Pfingſtſonntag nachmittags ſtarb hier nach einem längeren Leiden der k. u. k. Generalintendant d. R. Alois Menſchik. Der Verſtorbene, der ſeit ſeiner Penſionierung ſich hier in Baden anſäſſig machte, war eine in den hieſigen Geſellſchaftskreiſen ſehr be- kannte und geachtete Perſönlichkeit, deſſen Beliebtheit bei dem geſtern Dienstag ſtattgefundenen Leichen- begängnis zum Ausdruck kam. — Hoher Beſuch. Freitag, den 5. d. M., nachmittags, wurde das Spital für ſkrophulöſe Kinder von der hohen Protektorin Ihrer k. u. k. Hoheit der Frau Erzherzogin Maria Thereſia in Begleitung der Hofdame Frau Gräfin Unger mit einem Beſuche beehrt. Empfangen wurde die hohe Beſucherin von Herrn Vizebürgermeiſter A. Bruſatti, Herrn Ver- walter R. Weißhappel und von dem leitenden Spitalsarzte Herrn Dr. F. Jäger. Von einem Pflegling der Anſtalt wurde hiebei ein Roſenſtrauß mit einer Anſprache überreicht. Nachdem alle Räume beſichtigt waren, ſprach die Erzherzogin ihre Zufrie- denheit aus und widmete einen namhaften Geldbetrag für die im Spitale untergebrachten Kinder. — Von den Badener Höhen. Wenn man die Welzergaſſe zwiſchen den ſchönen Cottageanlagen paſſiert hat und vor dem „Juden“ links abbiegt, ſo gelangt man auf dem neuen, zwiſchen Gebüſch und Fels gelegten Wege zum Imker- und Obſtbaugarten, in dem ſich ein größerer und ein kleinerer Bienen- ſtand befinden und auch für die Anzucht von Obſt- bäumen Raum genug vorhanden iſt. Die Morgen- ſonne ſendet zwar noch wenig Strahlen dahin, doch nach 8 Uhr liegt alles im Sonnenſchein. Die Bienen- ſtöcke ſind ſehr belebt und die Obſtbäumchen ſcheinen gut zu gedeihen. Hier aber iſt eine weſentliche Ver- beſſerung erwünſcht und mit nicht allzugroßen Koſten durchführbar. Einzig ſchön ſind die Wege, die durch die Föhren zum Waſſerroſenteich führen. Der duftende

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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 47, Baden (Niederösterreich), 10.06.1908, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener047_1908/3>, abgerufen am 22.11.2024.