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Badener Zeitung. Nr. 25, Baden (Niederösterreich), 25.03.1908.

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Nr. 25. Mittwoch Badener Zeitung 25. März 1908.

[Spaltenumbruch]

größte der Zeit durch Genie und Wissen. Wie viele
Danksagungen und Segnungen sind diesem heiligen
Manne geworden, welcher -- sich in seine Demut
abschließend -- so viele, viele Familien aus der Not
zu helfen wußte. Er könnte Nutznießer von vielen
seiner wunderbaren Voraussicht sein, aber inspiriert
von den edlen Gefühlen eines wahren Gottesministers
hielt er sich rein, blieb mitleidig gegen die Mit-
menschen und ehrbar von Herz und Charakter.

Obgleich er ein mächtiger Kenner der Lotto-
nummern ist, wurde er das Opfer eines gereizten,
fortgesetzten Krieges, welchen gewisse niedrige Leute
gegen ihn führten, usurpierend seinen Namen, aber
glücklicherweise vergebens; seine Feinde wurden immer
aufs Haupt geschlagen. Fürwahr, er hatte stets Kraft
über die Urne. Wie der Stratege des Krieges, der
um jeden Preis siegen will, wußte er -- der Stratege
des Lottos -- sich immer auf der Höhe seines
Rufes zu behaupten.

Unter den vielen Lottosiegen gedenken viele
Spieler mit großem Wohlgefallen der Quaternasecco,
gegeben durch das Rad von Neapel bei der Ziehung
am 20. Juli 1889 mit den Nummern 9, 31, 64, 78.
Er war auch der Urheber des grandiosen Ternos
3, 47, 81 am 7. Dezember 1895 und des letzten,
viel bekannt gewordenen Gewinstes am 25. Sep-
tember 1897, ebenfalls zu Neapel mit dem Terno
secco 39, 55, 82. Viele Dankschreiben und sehr viele
Zeugen des In- und Auslandes beweisen die Wohl-
tat, die dieser große Mann an der Menschheit ge-
übt hat.

Oft hat Pater Salvatore in Zeitungen trüge-
rische Versprechungen über Terni und Quaterni ge-
funden. Er sagte: "Ich werde diese lügenhaften
Komödien einstellen und ziemlich bald". Ich, sein
einziger Neffe, drängte auf feierliches Worthalten.
Er versprach es mir und berechtigte mich in seinem
Namen, dieses Aviso zu veröffentlichen und -- um
keinen Verdacht zu erwecken, als stamme es nicht von
Padre Salvatore -- auch sein Bildnis beizugeben.

O, unerschöpfliche Macht des Genies!

Sie hat für die Ziehung in Neapel am 7. De-
zember eine sehr seltene Regel entdeckt, welche seit
1901 alle zwei Jahre, und immer in der ersten
Ziehung im Dezember, unfehlbar den Gewinn der
Quaterna secca gibt. Padre Salvatore da Giugliano,
ein wahrer Salvator (Retter) der leidenden Mensch-
heit, wird nach langem Stillschweigen wieder ein
Miracolo üben. Ich setze Ehrenwort und Gewissen,
Dinge, die dem Manne teuer sind wie das Leben,
für das, was ich im Namen des illustren Paters
spreche. Ihr würdet ein großes Verbrechen begehen
mit einem Zweifel auf das, was sich bewahrheiten
muß. Es würde eine Beleidigung an dem guten
Sinne und an der heiligen Religion sein, wenn ihr
diesem heiligen Manne, dem heute sich alle beugen,
für lügenhaft halten möchtet.


[Spaltenumbruch]

Und nun saget mir, gering geschätzte Arbeiter,
ehrbare Familienväter, saget mir kleine Geschäfts-
leute und Landbauern, wenn Ihr nach einem ganzen
Tag der Plage abends müde und erschöpft heimkehrt,
was Ihr vor dem kargen Essen denkt in dem Be-
wußtsein, daß andere jetzt nach einem Tag des
Nichtstuns bei Fleisch, Brathuhn und Süßigkeiten
sitzen? Verflucht Ihr nicht das Leben und den Tag
Euerer Geburt? Aber hier ist der Engel, der Euch
die Arme hinstreckt und Euch sagt: "Ich könnte Euch
das Mittel bieten, diesen Bitterkeiten ein Ziel zu
setzen, es ist Manna vom Himmel. Ich kann Euch
wohlverdiente Stärkung für Eure Schmerzen geben".
Und dieser Engel ist Padre Salvatore. Ich erwarte
den Segen des Himmels über diesen Mönch, den
Gott als Retter der armen Menschheit berufen hat.
Das Vergangene kehrt nicht wieder und wenn Ihr
das glückliche Datum des 7. Dezember vorübergehen
laßt, so werdet Ihr Euch selbst verurteilen zu an-
dauerndem Weinen, umsomehr, als es sich nur um
eine armselige Lira handelt auf einen Gewinn von
60.000 Lire. Ich verpfände Euch, Ihr betrübten und
beladenen Märtyrer der Arbeit, mein Wort, daß Ihr
am 7. Dezember lachen werdet, ein Tag, an dem
jeder Katholik zu Gott die glühendsten Gebete empor-
sendet wegen der unbefleckten Empfängnis Marias
der Jungfrau.

Versichert Euch umgehend der Quaterna und
schickt per Postanweisung Lire 2·40 an meine Adresse:
Luigi Carnevale, Handelsmann, Via Duomo 203,
Napoli. Ohne Verzug folgt dann ein rekomman-
diertes, geschlossenes und versiegeltes Schreiben mit
einem Zettel, der das Porträt und die eigenhändige
Unterschrift des Padre Salvatore trägt, sowie in
großen Ziffern die kostbare Quaterna. Angeschlossen
wird die Regel mit der bezüglichen Auseinandersetzung.

Und dann komme der glückliche Tag, um ihn
zu verzeichnen in den Annalen als den schönsten
unseres Lebens".

Vorstehendes wird genügen. Das Ganze verfällt
oft in den Ton der Hirtenbriefe und der sonstigen
frommen Erlässe an das Volk. Die Erklärung ist
sehr schön, daß es eine Beleidigung der heiligen Re-
ligion sein würde, sich den heiligen Mann als lügen-
haft zu denken. Ja, ja, immer beleidigt die heilige
Religion derjenige, der die heiligen (?) Männer
durchschaut.

Daß so etwas noch nicht in Oesterreich passierte,
ist fürwahr ein Wunder, denn sein Boden ist eben-
falls fruchtbar für Unkraut und wird hiefür auch
immer mehr gemistet.




Kritische Streiflichter.

Die "Avvocati di San Pietro" werden bis auf
weiteres aus Oesterreich keinen Zuwachs erhalten.
[Spaltenumbruch] Wie es sich mit diesem "Ehrenamte" verhält, hat die
polizeiliche Ausweisung des Gimpelfängers und Ab-
zeichenverschleißers zur Genüge dargetan, und der
heilige Stuhl hat allen Anlaß, das bekannte Sprich-
wort zu variieren: Gott schütze mich vor meinen
Anwälten, die auf solche Art zu "Avvocati" gewurzt
werden. Unmittelbar vor der Aufdeckung des ganzen
Schwindels ist noch ein Gimpelfang geglückt. Ein
mittlerer Bankbeamter war e[i]n Opfer seiner Eitelkeit
geworden und er selbst hat es sofort unternommen,
die Tagesblätter mit der Mitteilung von seiner
neuen "Würde" zu behelligen. Prompt wie immer
hat das "Extrablatt" auch der Bitte entsprochen, die
neueste Wurzen des Papierhändlers und Vereins-
abzeichenverleihers im Bilde seinen Lesern vorzu-
führen. Die Kenntnis des Umstandes, daß der Ge-
prellte früher evangelischer Konfession war und auf
seine angebliche Eigenschaft als Presbyter der A. C.
sich viel einbildete, vermittelte dem Leser der Nach-
richt das unangenehme Gefühl, daß wieder einer um
eines wertlosen Schmarrn willen, von dem was er
bisher für seine Ueberzeugung ausgab, abgefallen
war. Die hochtrabende Aufzählung seiner diversen
Vereinszugehörigkeiten nahm in der Hausmeister-
gallerie des "Extrablatt" nicht Wunder. Nun hat
sich der ganze Eifer als Erhöhung der eigenen Bla-
mage entpuppt. Es ist klar, daß sich die Avvocati
aus ähnlichen Elementen zum weitaus größten Teile
rekrutierten, denen man den Schaden sowohl, als
auch den wohlverdienten Spott zur Ehre der Ver-
nunft und der anständigen Gesinnung vom Herzen
gönnen kann.




Was da vorvergangenen Samstag von der
hiesigen Ortsgruppe des Vereines "Freie Schule"
veranstaltet wurde, war kein Nikologschnas mit der
üblichen alten Betbrüderstaffage, sondern eine ernste
würdige Sache, die auch imposant verlief, so imposant,
daß selbst die anwesenden Gegner es nicht leugnen
konnten. Nur die Macher des hiesigen christlichsozialen
Moniteurs scheint die große Versammlung um ihr
bischen Verstand gebracht zu haben; sie schreiben
zwar nicht ihre gewöhnliche Lüge nieder, daß die
Anwesenden fast durchwegs aus "Sozi" bestanden,
dafür mußten diesmal die "Lehrbuben" herhalten
und auf dem Schweißfuße des Berichterstatters
folgen ihnen die Juden nach. In der Gewissenhaftigkeit,
die dieses journalistische Genie auszeichnet, wird sogar
schnell die Beschneidung eines Christen vorgenommen.

Verächtlich wird die Sache nur dadurch, daß
man wieder einen alten Trick aufgriff und durch no-
minative Anführung eine Anzahl Lehrer
schamlos denunzierte,
offenbar zu dem Zwecke,
sie bei ihrer vorgesetzten Behörde zu verdächtigen.
Der gewissenlose Kerl ging in seiner teuflischen
Bosheit so weit, sogar einen Oberlehrlehrer, der




armer Student auf Reisen und möchte Sie um eine
kleine Unterstützung bitten", erwiderte der Student.

"Ah, du bist nicht von der Gegend? Geben
kann ich dir leider nichts, bin selber ein armer
Teufel, aber ausruhen kannst dich hier und meine
Wohnung anschauen, weil sie dich -- wie ich sehe,
gar so interessiert".

"Ich habe schon von Leuten aus der Nähe ge-
hört, daß in der Gegend ein Mann sein soll, der
schon viele Leute durch Gesundbeten und Arzneigeben
gesund gemacht hat und freut es mich, daß ich da
ganz unabsichtlich an die richtige Adresse gekommen bin".

"Ja, das bin ich", murmelt der Alte.

"Das freut mich aber, denn, wenn Sie mir
schon keine Unterstützung geben, so kann ich mir durch
Sie wenigstens etwas verdienen", sagte im freudigen
Tone der junge Besucher.

"Ja, wieso denn?" fragte neugierig der Alte.

"Wissen Sie, ich beschreibe hie und da ein
kleines Erlebnis aus meiner Wanderschaft in einer
Zeitschrift und erhalte dafür einige Gulden Honorar
und mein heutiger Besuch hier ist auch so -- --"

"Oho, oho!" fiel ihm sichtlich erschrocken der
Alte in die Rede, "mein Lieber, das darfst nicht
tun, da möchte ich ja von der Obrigkeit verfolgt
werden, denn, wenn nicht direkt ein Wunder vor
deren Augen geschieht, so glaubt die ja an nichts".

"Ja wissen Sie, ich finde eben keinen anderen
Ausweg. Ich brauche zu irgend etwas dringend Geld;
ich werde schon so schreiben, daß Ihnen nichts ge-
schieht".

"Mein Lieber, das geht absolut nicht. Mein
Gesundbeten ist doch nur von Wirkung, wenn alles
im geheimen geschieht und das darf nicht ausposaunt
werden. Mir tut's schon leid, daß ich dich hereinge-
lassen habe. Das ist ein schöner Dank!"


[Spaltenumbruch]

"Sie brauchen nichts zu befürchten, es wird
Ihnen nichts geschehen", sagte in beschwichtigender
Weise der Student.

Der alte Hanna war aber schon erregt aufge-
standen, schritt in der Stube auf und ab und schien
über seinen Besuch sehr erbost zu sein.

"Das darfst nicht tun, auf keinen Fall!" wieder-
holte er, sich vor den jungen Mann hinstellend.

Dieser ließ sich aber nicht einschüchtern, stand
ebenfalls von seinem Sitz auf und sich zum Gehen
anschickend, sagte er: "Ich bin ein armer Teufel,
der jede Gelegenheit zu einem Verdienst benützen
muß. Geben Sie mir die zehn Gülden, die ich von
der Zeitschrift erhalten würde und ich lasse Sie in
Frieden. Ich kenne, nebenbei gesagt, auch einige
Doktoren aus der Gegend und wenn ich denen so
verschiedenes von Ihnen erzählte, würden die mich
vielleicht auch unterstützen".

"Was? Zehn Gulden? O du heiliger Heiland!"
jammerte der Alte. "So viel Geld habe ich gar
nicht in meinem ganzen Vermögen und den Doktoren
erzählen? So ein Undank!"

"Wenn Sie nicht wollen, dann Adieu!" sagte
der Junge und drückte auf die Türschnalle. Der
Alte aber packte ihn schnell beim Rockschössel und
befahl in kurzem Tone: "Wart ein bißl!"

Dann ging er zum Bett, kramte im Strohsack
herum und brachte ein altes Buch zum Vorschein.
Mit einer Fünfguldennote in der Hand ging er auf
seinen Störenfried zu und gab sie ihm mit den
Worten: "Mehr hab' ich nicht und jetzt lasse mich
in Ruh!"

Der so abgefertigte Quälgeist nahm schnell die
Note, ließ sie in einer Tasche verschwinden und sprach:
"Damit Sie sehen, daß ich kein unbescheidener Mensch
bin, begnüge ich mich mit diesen fünf Gulden und
[Spaltenumbruch] verzichte auf die andere Hälfte -- nun Adien!"
wobei er dem Alten die Hand hinstreckte, die dieser
sichtlich unwillig reichte.

Befriedigt über seinen Erfolg verließ der Stu-
dent die Hütte. Er war aber kaum noch einige Mi-
nuten gegangen, als auch schon hinter Bäumen und
Gesträuch die Köpfe seiner Freunde hervorguckten;
diese waren ihm unbemerkt nachgefolgt und einer von
ihnen schlich sich sogar zum Hüttenfenster, um das
in der Stube geführte Zwiegespräch zu belauschen,
denn es galt eine Wette auszutragen.

Der im Kreise seiner Freunde zum Helden des
Tages Avancierte hatte nicht nur deren Behauptung,
daß er sich allein nicht getraue den Alten aufzusuchen,
gründlich widerlegt, sondern auch noch das Faß Bier
gewonnen, welches für den Fall gewettet war, als
er von Hanna eine Unterstützung erhalten sollte.

Was allen als etwas Unmögliches erschien, war
zur Tatsache geworden, der Alte, welcher keinen Rat
unbezahlt gab, hatte es über sich gebracht, Geld her-
zugeben. Das war ein Kunststück, welches einer
würdigen Feier bedurfte und es wird sich der alte
Hanna nicht haben tränmen lassen, daß ihn einige
übermütige Studenten in der Schenke hoch leben
ließen.

Einige Jahre später starb der Alte nach Er-
reichung eines ungewöhnlich hohen Alters. Ganz un-
vorbereitet mußte ihn der Sensenmann geholt haben,
da nicht die geringste testamentähnliche Aufzeichnung
vorgefunden wurde. In allen möglichen Verstecken
hielt er Geld verborgen, welches teilweise schon außer
Kurs war; die Banknoten sorgfältig geschlichtet in
einem alten Buche, das Metallgeld in kleinen
Säckchen. Es machte ein kleines Vermögen aus, für
welches kein rechtmäßiger Erbe gefunden wurde.


Nr. 25. Mittwoch Badener Zeitung 25. März 1908.

[Spaltenumbruch]

größte der Zeit durch Genie und Wiſſen. Wie viele
Dankſagungen und Segnungen ſind dieſem heiligen
Manne geworden, welcher — ſich in ſeine Demut
abſchließend — ſo viele, viele Familien aus der Not
zu helfen wußte. Er könnte Nutznießer von vielen
ſeiner wunderbaren Vorausſicht ſein, aber inſpiriert
von den edlen Gefühlen eines wahren Gottesminiſters
hielt er ſich rein, blieb mitleidig gegen die Mit-
menſchen und ehrbar von Herz und Charakter.

Obgleich er ein mächtiger Kenner der Lotto-
nummern iſt, wurde er das Opfer eines gereizten,
fortgeſetzten Krieges, welchen gewiſſe niedrige Leute
gegen ihn führten, uſurpierend ſeinen Namen, aber
glücklicherweiſe vergebens; ſeine Feinde wurden immer
aufs Haupt geſchlagen. Fürwahr, er hatte ſtets Kraft
über die Urne. Wie der Stratege des Krieges, der
um jeden Preis ſiegen will, wußte er — der Stratege
des Lottos — ſich immer auf der Höhe ſeines
Rufes zu behaupten.

Unter den vielen Lottoſiegen gedenken viele
Spieler mit großem Wohlgefallen der Quaternaſecco,
gegeben durch das Rad von Neapel bei der Ziehung
am 20. Juli 1889 mit den Nummern 9, 31, 64, 78.
Er war auch der Urheber des grandioſen Ternos
3, 47, 81 am 7. Dezember 1895 und des letzten,
viel bekannt gewordenen Gewinſtes am 25. Sep-
tember 1897, ebenfalls zu Neapel mit dem Terno
ſecco 39, 55, 82. Viele Dankſchreiben und ſehr viele
Zeugen des In- und Auslandes beweiſen die Wohl-
tat, die dieſer große Mann an der Menſchheit ge-
übt hat.

Oft hat Pater Salvatore in Zeitungen trüge-
riſche Verſprechungen über Terni und Quaterni ge-
funden. Er ſagte: „Ich werde dieſe lügenhaften
Komödien einſtellen und ziemlich bald“. Ich, ſein
einziger Neffe, drängte auf feierliches Worthalten.
Er verſprach es mir und berechtigte mich in ſeinem
Namen, dieſes Aviſo zu veröffentlichen und — um
keinen Verdacht zu erwecken, als ſtamme es nicht von
Padre Salvatore — auch ſein Bildnis beizugeben.

O, unerſchöpfliche Macht des Genies!

Sie hat für die Ziehung in Neapel am 7. De-
zember eine ſehr ſeltene Regel entdeckt, welche ſeit
1901 alle zwei Jahre, und immer in der erſten
Ziehung im Dezember, unfehlbar den Gewinn der
Quaterna ſecca gibt. Padre Salvatore da Giugliano,
ein wahrer Salvator (Retter) der leidenden Menſch-
heit, wird nach langem Stillſchweigen wieder ein
Miracolo üben. Ich ſetze Ehrenwort und Gewiſſen,
Dinge, die dem Manne teuer ſind wie das Leben,
für das, was ich im Namen des illuſtren Paters
ſpreche. Ihr würdet ein großes Verbrechen begehen
mit einem Zweifel auf das, was ſich bewahrheiten
muß. Es würde eine Beleidigung an dem guten
Sinne und an der heiligen Religion ſein, wenn ihr
dieſem heiligen Manne, dem heute ſich alle beugen,
für lügenhaft halten möchtet.


[Spaltenumbruch]

Und nun ſaget mir, gering geſchätzte Arbeiter,
ehrbare Familienväter, ſaget mir kleine Geſchäfts-
leute und Landbauern, wenn Ihr nach einem ganzen
Tag der Plage abends müde und erſchöpft heimkehrt,
was Ihr vor dem kargen Eſſen denkt in dem Be-
wußtſein, daß andere jetzt nach einem Tag des
Nichtstuns bei Fleiſch, Brathuhn und Süßigkeiten
ſitzen? Verflucht Ihr nicht das Leben und den Tag
Euerer Geburt? Aber hier iſt der Engel, der Euch
die Arme hinſtreckt und Euch ſagt: „Ich könnte Euch
das Mittel bieten, dieſen Bitterkeiten ein Ziel zu
ſetzen, es iſt Manna vom Himmel. Ich kann Euch
wohlverdiente Stärkung für Eure Schmerzen geben“.
Und dieſer Engel iſt Padre Salvatore. Ich erwarte
den Segen des Himmels über dieſen Mönch, den
Gott als Retter der armen Menſchheit berufen hat.
Das Vergangene kehrt nicht wieder und wenn Ihr
das glückliche Datum des 7. Dezember vorübergehen
laßt, ſo werdet Ihr Euch ſelbſt verurteilen zu an-
dauerndem Weinen, umſomehr, als es ſich nur um
eine armſelige Lira handelt auf einen Gewinn von
60.000 Lire. Ich verpfände Euch, Ihr betrübten und
beladenen Märtyrer der Arbeit, mein Wort, daß Ihr
am 7. Dezember lachen werdet, ein Tag, an dem
jeder Katholik zu Gott die glühendſten Gebete empor-
ſendet wegen der unbefleckten Empfängnis Marias
der Jungfrau.

Verſichert Euch umgehend der Quaterna und
ſchickt per Poſtanweiſung Lire 2·40 an meine Adreſſe:
Luigi Carnevale, Handelsmann, Via Duomo 203,
Napoli. Ohne Verzug folgt dann ein rekomman-
diertes, geſchloſſenes und verſiegeltes Schreiben mit
einem Zettel, der das Porträt und die eigenhändige
Unterſchrift des Padre Salvatore trägt, ſowie in
großen Ziffern die koſtbare Quaterna. Angeſchloſſen
wird die Regel mit der bezüglichen Auseinanderſetzung.

Und dann komme der glückliche Tag, um ihn
zu verzeichnen in den Annalen als den ſchönſten
unſeres Lebens“.

Vorſtehendes wird genügen. Das Ganze verfällt
oft in den Ton der Hirtenbriefe und der ſonſtigen
frommen Erläſſe an das Volk. Die Erklärung iſt
ſehr ſchön, daß es eine Beleidigung der heiligen Re-
ligion ſein würde, ſich den heiligen Mann als lügen-
haft zu denken. Ja, ja, immer beleidigt die heilige
Religion derjenige, der die heiligen (?) Männer
durchſchaut.

Daß ſo etwas noch nicht in Oeſterreich paſſierte,
iſt fürwahr ein Wunder, denn ſein Boden iſt eben-
falls fruchtbar für Unkraut und wird hiefür auch
immer mehr gemiſtet.




Kritiſche Streiflichter.

Die „Avvocati di San Pietro“ werden bis auf
weiteres aus Oeſterreich keinen Zuwachs erhalten.
[Spaltenumbruch] Wie es ſich mit dieſem „Ehrenamte“ verhält, hat die
polizeiliche Ausweiſung des Gimpelfängers und Ab-
zeichenverſchleißers zur Genüge dargetan, und der
heilige Stuhl hat allen Anlaß, das bekannte Sprich-
wort zu variieren: Gott ſchütze mich vor meinen
Anwälten, die auf ſolche Art zu „Avvocati“ gewurzt
werden. Unmittelbar vor der Aufdeckung des ganzen
Schwindels iſt noch ein Gimpelfang geglückt. Ein
mittlerer Bankbeamter war e[i]n Opfer ſeiner Eitelkeit
geworden und er ſelbſt hat es ſofort unternommen,
die Tagesblätter mit der Mitteilung von ſeiner
neuen „Würde“ zu behelligen. Prompt wie immer
hat das „Extrablatt“ auch der Bitte entſprochen, die
neueſte Wurzen des Papierhändlers und Vereins-
abzeichenverleihers im Bilde ſeinen Leſern vorzu-
führen. Die Kenntnis des Umſtandes, daß der Ge-
prellte früher evangeliſcher Konfeſſion war und auf
ſeine angebliche Eigenſchaft als Presbyter der A. C.
ſich viel einbildete, vermittelte dem Leſer der Nach-
richt das unangenehme Gefühl, daß wieder einer um
eines wertloſen Schmarrn willen, von dem was er
bisher für ſeine Ueberzeugung ausgab, abgefallen
war. Die hochtrabende Aufzählung ſeiner diverſen
Vereinszugehörigkeiten nahm in der Hausmeiſter-
gallerie des „Extrablatt“ nicht Wunder. Nun hat
ſich der ganze Eifer als Erhöhung der eigenen Bla-
mage entpuppt. Es iſt klar, daß ſich die Avvocati
aus ähnlichen Elementen zum weitaus größten Teile
rekrutierten, denen man den Schaden ſowohl, als
auch den wohlverdienten Spott zur Ehre der Ver-
nunft und der anſtändigen Geſinnung vom Herzen
gönnen kann.




Was da vorvergangenen Samstag von der
hieſigen Ortsgruppe des Vereines „Freie Schule“
veranſtaltet wurde, war kein Nikologſchnas mit der
üblichen alten Betbrüderſtaffage, ſondern eine ernſte
würdige Sache, die auch impoſant verlief, ſo impoſant,
daß ſelbſt die anweſenden Gegner es nicht leugnen
konnten. Nur die Macher des hieſigen chriſtlichſozialen
Moniteurs ſcheint die große Verſammlung um ihr
bischen Verſtand gebracht zu haben; ſie ſchreiben
zwar nicht ihre gewöhnliche Lüge nieder, daß die
Anweſenden faſt durchwegs aus „Sozi“ beſtanden,
dafür mußten diesmal die „Lehrbuben“ herhalten
und auf dem Schweißfuße des Berichterſtatters
folgen ihnen die Juden nach. In der Gewiſſenhaftigkeit,
die dieſes journaliſtiſche Genie auszeichnet, wird ſogar
ſchnell die Beſchneidung eines Chriſten vorgenommen.

Verächtlich wird die Sache nur dadurch, daß
man wieder einen alten Trick aufgriff und durch no-
minative Anführung eine Anzahl Lehrer
ſchamlos denunzierte,
offenbar zu dem Zwecke,
ſie bei ihrer vorgeſetzten Behörde zu verdächtigen.
Der gewiſſenloſe Kerl ging in ſeiner teufliſchen
Bosheit ſo weit, ſogar einen Oberlehrlehrer, der




armer Student auf Reiſen und möchte Sie um eine
kleine Unterſtützung bitten“, erwiderte der Student.

„Ah, du biſt nicht von der Gegend? Geben
kann ich dir leider nichts, bin ſelber ein armer
Teufel, aber ausruhen kannſt dich hier und meine
Wohnung anſchauen, weil ſie dich — wie ich ſehe,
gar ſo intereſſiert“.

„Ich habe ſchon von Leuten aus der Nähe ge-
hört, daß in der Gegend ein Mann ſein ſoll, der
ſchon viele Leute durch Geſundbeten und Arzneigeben
geſund gemacht hat und freut es mich, daß ich da
ganz unabſichtlich an die richtige Adreſſe gekommen bin“.

„Ja, das bin ich“, murmelt der Alte.

„Das freut mich aber, denn, wenn Sie mir
ſchon keine Unterſtützung geben, ſo kann ich mir durch
Sie wenigſtens etwas verdienen“, ſagte im freudigen
Tone der junge Beſucher.

„Ja, wieſo denn?“ fragte neugierig der Alte.

„Wiſſen Sie, ich beſchreibe hie und da ein
kleines Erlebnis aus meiner Wanderſchaft in einer
Zeitſchrift und erhalte dafür einige Gulden Honorar
und mein heutiger Beſuch hier iſt auch ſo — —“

„Oho, oho!“ fiel ihm ſichtlich erſchrocken der
Alte in die Rede, „mein Lieber, das darfſt nicht
tun, da möchte ich ja von der Obrigkeit verfolgt
werden, denn, wenn nicht direkt ein Wunder vor
deren Augen geſchieht, ſo glaubt die ja an nichts“.

„Ja wiſſen Sie, ich finde eben keinen anderen
Ausweg. Ich brauche zu irgend etwas dringend Geld;
ich werde ſchon ſo ſchreiben, daß Ihnen nichts ge-
ſchieht“.

„Mein Lieber, das geht abſolut nicht. Mein
Geſundbeten iſt doch nur von Wirkung, wenn alles
im geheimen geſchieht und das darf nicht auspoſaunt
werden. Mir tut’s ſchon leid, daß ich dich hereinge-
laſſen habe. Das iſt ein ſchöner Dank!“


[Spaltenumbruch]

„Sie brauchen nichts zu befürchten, es wird
Ihnen nichts geſchehen“, ſagte in beſchwichtigender
Weiſe der Student.

Der alte Hanna war aber ſchon erregt aufge-
ſtanden, ſchritt in der Stube auf und ab und ſchien
über ſeinen Beſuch ſehr erboſt zu ſein.

„Das darfſt nicht tun, auf keinen Fall!“ wieder-
holte er, ſich vor den jungen Mann hinſtellend.

Dieſer ließ ſich aber nicht einſchüchtern, ſtand
ebenfalls von ſeinem Sitz auf und ſich zum Gehen
anſchickend, ſagte er: „Ich bin ein armer Teufel,
der jede Gelegenheit zu einem Verdienſt benützen
muß. Geben Sie mir die zehn Gülden, die ich von
der Zeitſchrift erhalten würde und ich laſſe Sie in
Frieden. Ich kenne, nebenbei geſagt, auch einige
Doktoren aus der Gegend und wenn ich denen ſo
verſchiedenes von Ihnen erzählte, würden die mich
vielleicht auch unterſtützen“.

„Was? Zehn Gulden? O du heiliger Heiland!“
jammerte der Alte. „So viel Geld habe ich gar
nicht in meinem ganzen Vermögen und den Doktoren
erzählen? So ein Undank!“

„Wenn Sie nicht wollen, dann Adieu!“ ſagte
der Junge und drückte auf die Türſchnalle. Der
Alte aber packte ihn ſchnell beim Rockſchöſſel und
befahl in kurzem Tone: „Wart ein bißl!“

Dann ging er zum Bett, kramte im Strohſack
herum und brachte ein altes Buch zum Vorſchein.
Mit einer Fünfguldennote in der Hand ging er auf
ſeinen Störenfried zu und gab ſie ihm mit den
Worten: „Mehr hab’ ich nicht und jetzt laſſe mich
in Ruh!“

Der ſo abgefertigte Quälgeiſt nahm ſchnell die
Note, ließ ſie in einer Taſche verſchwinden und ſprach:
„Damit Sie ſehen, daß ich kein unbeſcheidener Menſch
bin, begnüge ich mich mit dieſen fünf Gulden und
[Spaltenumbruch] verzichte auf die andere Hälfte — nun Adien!“
wobei er dem Alten die Hand hinſtreckte, die dieſer
ſichtlich unwillig reichte.

Befriedigt über ſeinen Erfolg verließ der Stu-
dent die Hütte. Er war aber kaum noch einige Mi-
nuten gegangen, als auch ſchon hinter Bäumen und
Geſträuch die Köpfe ſeiner Freunde hervorguckten;
dieſe waren ihm unbemerkt nachgefolgt und einer von
ihnen ſchlich ſich ſogar zum Hüttenfenſter, um das
in der Stube geführte Zwiegeſpräch zu belauſchen,
denn es galt eine Wette auszutragen.

Der im Kreiſe ſeiner Freunde zum Helden des
Tages Avancierte hatte nicht nur deren Behauptung,
daß er ſich allein nicht getraue den Alten aufzuſuchen,
gründlich widerlegt, ſondern auch noch das Faß Bier
gewonnen, welches für den Fall gewettet war, als
er von Hanna eine Unterſtützung erhalten ſollte.

Was allen als etwas Unmögliches erſchien, war
zur Tatſache geworden, der Alte, welcher keinen Rat
unbezahlt gab, hatte es über ſich gebracht, Geld her-
zugeben. Das war ein Kunſtſtück, welches einer
würdigen Feier bedurfte und es wird ſich der alte
Hanna nicht haben tränmen laſſen, daß ihn einige
übermütige Studenten in der Schenke hoch leben
ließen.

Einige Jahre ſpäter ſtarb der Alte nach Er-
reichung eines ungewöhnlich hohen Alters. Ganz un-
vorbereitet mußte ihn der Senſenmann geholt haben,
da nicht die geringſte teſtamentähnliche Aufzeichnung
vorgefunden wurde. In allen möglichen Verſtecken
hielt er Geld verborgen, welches teilweiſe ſchon außer
Kurs war; die Banknoten ſorgfältig geſchlichtet in
einem alten Buche, das Metallgeld in kleinen
Säckchen. Es machte ein kleines Vermögen aus, für
welches kein rechtmäßiger Erbe gefunden wurde.


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[3/0003] Nr. 25. Mittwoch Badener Zeitung 25. März 1908. größte der Zeit durch Genie und Wiſſen. Wie viele Dankſagungen und Segnungen ſind dieſem heiligen Manne geworden, welcher — ſich in ſeine Demut abſchließend — ſo viele, viele Familien aus der Not zu helfen wußte. Er könnte Nutznießer von vielen ſeiner wunderbaren Vorausſicht ſein, aber inſpiriert von den edlen Gefühlen eines wahren Gottesminiſters hielt er ſich rein, blieb mitleidig gegen die Mit- menſchen und ehrbar von Herz und Charakter. Obgleich er ein mächtiger Kenner der Lotto- nummern iſt, wurde er das Opfer eines gereizten, fortgeſetzten Krieges, welchen gewiſſe niedrige Leute gegen ihn führten, uſurpierend ſeinen Namen, aber glücklicherweiſe vergebens; ſeine Feinde wurden immer aufs Haupt geſchlagen. Fürwahr, er hatte ſtets Kraft über die Urne. Wie der Stratege des Krieges, der um jeden Preis ſiegen will, wußte er — der Stratege des Lottos — ſich immer auf der Höhe ſeines Rufes zu behaupten. Unter den vielen Lottoſiegen gedenken viele Spieler mit großem Wohlgefallen der Quaternaſecco, gegeben durch das Rad von Neapel bei der Ziehung am 20. Juli 1889 mit den Nummern 9, 31, 64, 78. Er war auch der Urheber des grandioſen Ternos 3, 47, 81 am 7. Dezember 1895 und des letzten, viel bekannt gewordenen Gewinſtes am 25. Sep- tember 1897, ebenfalls zu Neapel mit dem Terno ſecco 39, 55, 82. Viele Dankſchreiben und ſehr viele Zeugen des In- und Auslandes beweiſen die Wohl- tat, die dieſer große Mann an der Menſchheit ge- übt hat. Oft hat Pater Salvatore in Zeitungen trüge- riſche Verſprechungen über Terni und Quaterni ge- funden. Er ſagte: „Ich werde dieſe lügenhaften Komödien einſtellen und ziemlich bald“. Ich, ſein einziger Neffe, drängte auf feierliches Worthalten. Er verſprach es mir und berechtigte mich in ſeinem Namen, dieſes Aviſo zu veröffentlichen und — um keinen Verdacht zu erwecken, als ſtamme es nicht von Padre Salvatore — auch ſein Bildnis beizugeben. O, unerſchöpfliche Macht des Genies! Sie hat für die Ziehung in Neapel am 7. De- zember eine ſehr ſeltene Regel entdeckt, welche ſeit 1901 alle zwei Jahre, und immer in der erſten Ziehung im Dezember, unfehlbar den Gewinn der Quaterna ſecca gibt. Padre Salvatore da Giugliano, ein wahrer Salvator (Retter) der leidenden Menſch- heit, wird nach langem Stillſchweigen wieder ein Miracolo üben. Ich ſetze Ehrenwort und Gewiſſen, Dinge, die dem Manne teuer ſind wie das Leben, für das, was ich im Namen des illuſtren Paters ſpreche. Ihr würdet ein großes Verbrechen begehen mit einem Zweifel auf das, was ſich bewahrheiten muß. Es würde eine Beleidigung an dem guten Sinne und an der heiligen Religion ſein, wenn ihr dieſem heiligen Manne, dem heute ſich alle beugen, für lügenhaft halten möchtet. Und nun ſaget mir, gering geſchätzte Arbeiter, ehrbare Familienväter, ſaget mir kleine Geſchäfts- leute und Landbauern, wenn Ihr nach einem ganzen Tag der Plage abends müde und erſchöpft heimkehrt, was Ihr vor dem kargen Eſſen denkt in dem Be- wußtſein, daß andere jetzt nach einem Tag des Nichtstuns bei Fleiſch, Brathuhn und Süßigkeiten ſitzen? Verflucht Ihr nicht das Leben und den Tag Euerer Geburt? Aber hier iſt der Engel, der Euch die Arme hinſtreckt und Euch ſagt: „Ich könnte Euch das Mittel bieten, dieſen Bitterkeiten ein Ziel zu ſetzen, es iſt Manna vom Himmel. Ich kann Euch wohlverdiente Stärkung für Eure Schmerzen geben“. Und dieſer Engel iſt Padre Salvatore. Ich erwarte den Segen des Himmels über dieſen Mönch, den Gott als Retter der armen Menſchheit berufen hat. Das Vergangene kehrt nicht wieder und wenn Ihr das glückliche Datum des 7. Dezember vorübergehen laßt, ſo werdet Ihr Euch ſelbſt verurteilen zu an- dauerndem Weinen, umſomehr, als es ſich nur um eine armſelige Lira handelt auf einen Gewinn von 60.000 Lire. Ich verpfände Euch, Ihr betrübten und beladenen Märtyrer der Arbeit, mein Wort, daß Ihr am 7. Dezember lachen werdet, ein Tag, an dem jeder Katholik zu Gott die glühendſten Gebete empor- ſendet wegen der unbefleckten Empfängnis Marias der Jungfrau. Verſichert Euch umgehend der Quaterna und ſchickt per Poſtanweiſung Lire 2·40 an meine Adreſſe: Luigi Carnevale, Handelsmann, Via Duomo 203, Napoli. Ohne Verzug folgt dann ein rekomman- diertes, geſchloſſenes und verſiegeltes Schreiben mit einem Zettel, der das Porträt und die eigenhändige Unterſchrift des Padre Salvatore trägt, ſowie in großen Ziffern die koſtbare Quaterna. Angeſchloſſen wird die Regel mit der bezüglichen Auseinanderſetzung. Und dann komme der glückliche Tag, um ihn zu verzeichnen in den Annalen als den ſchönſten unſeres Lebens“. Vorſtehendes wird genügen. Das Ganze verfällt oft in den Ton der Hirtenbriefe und der ſonſtigen frommen Erläſſe an das Volk. Die Erklärung iſt ſehr ſchön, daß es eine Beleidigung der heiligen Re- ligion ſein würde, ſich den heiligen Mann als lügen- haft zu denken. Ja, ja, immer beleidigt die heilige Religion derjenige, der die heiligen (?) Männer durchſchaut. Daß ſo etwas noch nicht in Oeſterreich paſſierte, iſt fürwahr ein Wunder, denn ſein Boden iſt eben- falls fruchtbar für Unkraut und wird hiefür auch immer mehr gemiſtet. J. H. Kritiſche Streiflichter. Die „Avvocati di San Pietro“ werden bis auf weiteres aus Oeſterreich keinen Zuwachs erhalten. Wie es ſich mit dieſem „Ehrenamte“ verhält, hat die polizeiliche Ausweiſung des Gimpelfängers und Ab- zeichenverſchleißers zur Genüge dargetan, und der heilige Stuhl hat allen Anlaß, das bekannte Sprich- wort zu variieren: Gott ſchütze mich vor meinen Anwälten, die auf ſolche Art zu „Avvocati“ gewurzt werden. Unmittelbar vor der Aufdeckung des ganzen Schwindels iſt noch ein Gimpelfang geglückt. Ein mittlerer Bankbeamter war ein Opfer ſeiner Eitelkeit geworden und er ſelbſt hat es ſofort unternommen, die Tagesblätter mit der Mitteilung von ſeiner neuen „Würde“ zu behelligen. Prompt wie immer hat das „Extrablatt“ auch der Bitte entſprochen, die neueſte Wurzen des Papierhändlers und Vereins- abzeichenverleihers im Bilde ſeinen Leſern vorzu- führen. Die Kenntnis des Umſtandes, daß der Ge- prellte früher evangeliſcher Konfeſſion war und auf ſeine angebliche Eigenſchaft als Presbyter der A. C. ſich viel einbildete, vermittelte dem Leſer der Nach- richt das unangenehme Gefühl, daß wieder einer um eines wertloſen Schmarrn willen, von dem was er bisher für ſeine Ueberzeugung ausgab, abgefallen war. Die hochtrabende Aufzählung ſeiner diverſen Vereinszugehörigkeiten nahm in der Hausmeiſter- gallerie des „Extrablatt“ nicht Wunder. Nun hat ſich der ganze Eifer als Erhöhung der eigenen Bla- mage entpuppt. Es iſt klar, daß ſich die Avvocati aus ähnlichen Elementen zum weitaus größten Teile rekrutierten, denen man den Schaden ſowohl, als auch den wohlverdienten Spott zur Ehre der Ver- nunft und der anſtändigen Geſinnung vom Herzen gönnen kann. Was da vorvergangenen Samstag von der hieſigen Ortsgruppe des Vereines „Freie Schule“ veranſtaltet wurde, war kein Nikologſchnas mit der üblichen alten Betbrüderſtaffage, ſondern eine ernſte würdige Sache, die auch impoſant verlief, ſo impoſant, daß ſelbſt die anweſenden Gegner es nicht leugnen konnten. Nur die Macher des hieſigen chriſtlichſozialen Moniteurs ſcheint die große Verſammlung um ihr bischen Verſtand gebracht zu haben; ſie ſchreiben zwar nicht ihre gewöhnliche Lüge nieder, daß die Anweſenden faſt durchwegs aus „Sozi“ beſtanden, dafür mußten diesmal die „Lehrbuben“ herhalten und auf dem Schweißfuße des Berichterſtatters folgen ihnen die Juden nach. In der Gewiſſenhaftigkeit, die dieſes journaliſtiſche Genie auszeichnet, wird ſogar ſchnell die Beſchneidung eines Chriſten vorgenommen. Verächtlich wird die Sache nur dadurch, daß man wieder einen alten Trick aufgriff und durch no- minative Anführung eine Anzahl Lehrer ſchamlos denunzierte, offenbar zu dem Zwecke, ſie bei ihrer vorgeſetzten Behörde zu verdächtigen. Der gewiſſenloſe Kerl ging in ſeiner teufliſchen Bosheit ſo weit, ſogar einen Oberlehrlehrer, der armer Student auf Reiſen und möchte Sie um eine kleine Unterſtützung bitten“, erwiderte der Student. „Ah, du biſt nicht von der Gegend? Geben kann ich dir leider nichts, bin ſelber ein armer Teufel, aber ausruhen kannſt dich hier und meine Wohnung anſchauen, weil ſie dich — wie ich ſehe, gar ſo intereſſiert“. „Ich habe ſchon von Leuten aus der Nähe ge- hört, daß in der Gegend ein Mann ſein ſoll, der ſchon viele Leute durch Geſundbeten und Arzneigeben geſund gemacht hat und freut es mich, daß ich da ganz unabſichtlich an die richtige Adreſſe gekommen bin“. „Ja, das bin ich“, murmelt der Alte. „Das freut mich aber, denn, wenn Sie mir ſchon keine Unterſtützung geben, ſo kann ich mir durch Sie wenigſtens etwas verdienen“, ſagte im freudigen Tone der junge Beſucher. „Ja, wieſo denn?“ fragte neugierig der Alte. „Wiſſen Sie, ich beſchreibe hie und da ein kleines Erlebnis aus meiner Wanderſchaft in einer Zeitſchrift und erhalte dafür einige Gulden Honorar und mein heutiger Beſuch hier iſt auch ſo — —“ „Oho, oho!“ fiel ihm ſichtlich erſchrocken der Alte in die Rede, „mein Lieber, das darfſt nicht tun, da möchte ich ja von der Obrigkeit verfolgt werden, denn, wenn nicht direkt ein Wunder vor deren Augen geſchieht, ſo glaubt die ja an nichts“. „Ja wiſſen Sie, ich finde eben keinen anderen Ausweg. Ich brauche zu irgend etwas dringend Geld; ich werde ſchon ſo ſchreiben, daß Ihnen nichts ge- ſchieht“. „Mein Lieber, das geht abſolut nicht. Mein Geſundbeten iſt doch nur von Wirkung, wenn alles im geheimen geſchieht und das darf nicht auspoſaunt werden. Mir tut’s ſchon leid, daß ich dich hereinge- laſſen habe. Das iſt ein ſchöner Dank!“ „Sie brauchen nichts zu befürchten, es wird Ihnen nichts geſchehen“, ſagte in beſchwichtigender Weiſe der Student. Der alte Hanna war aber ſchon erregt aufge- ſtanden, ſchritt in der Stube auf und ab und ſchien über ſeinen Beſuch ſehr erboſt zu ſein. „Das darfſt nicht tun, auf keinen Fall!“ wieder- holte er, ſich vor den jungen Mann hinſtellend. Dieſer ließ ſich aber nicht einſchüchtern, ſtand ebenfalls von ſeinem Sitz auf und ſich zum Gehen anſchickend, ſagte er: „Ich bin ein armer Teufel, der jede Gelegenheit zu einem Verdienſt benützen muß. Geben Sie mir die zehn Gülden, die ich von der Zeitſchrift erhalten würde und ich laſſe Sie in Frieden. Ich kenne, nebenbei geſagt, auch einige Doktoren aus der Gegend und wenn ich denen ſo verſchiedenes von Ihnen erzählte, würden die mich vielleicht auch unterſtützen“. „Was? Zehn Gulden? O du heiliger Heiland!“ jammerte der Alte. „So viel Geld habe ich gar nicht in meinem ganzen Vermögen und den Doktoren erzählen? So ein Undank!“ „Wenn Sie nicht wollen, dann Adieu!“ ſagte der Junge und drückte auf die Türſchnalle. Der Alte aber packte ihn ſchnell beim Rockſchöſſel und befahl in kurzem Tone: „Wart ein bißl!“ Dann ging er zum Bett, kramte im Strohſack herum und brachte ein altes Buch zum Vorſchein. Mit einer Fünfguldennote in der Hand ging er auf ſeinen Störenfried zu und gab ſie ihm mit den Worten: „Mehr hab’ ich nicht und jetzt laſſe mich in Ruh!“ Der ſo abgefertigte Quälgeiſt nahm ſchnell die Note, ließ ſie in einer Taſche verſchwinden und ſprach: „Damit Sie ſehen, daß ich kein unbeſcheidener Menſch bin, begnüge ich mich mit dieſen fünf Gulden und verzichte auf die andere Hälfte — nun Adien!“ wobei er dem Alten die Hand hinſtreckte, die dieſer ſichtlich unwillig reichte. Befriedigt über ſeinen Erfolg verließ der Stu- dent die Hütte. Er war aber kaum noch einige Mi- nuten gegangen, als auch ſchon hinter Bäumen und Geſträuch die Köpfe ſeiner Freunde hervorguckten; dieſe waren ihm unbemerkt nachgefolgt und einer von ihnen ſchlich ſich ſogar zum Hüttenfenſter, um das in der Stube geführte Zwiegeſpräch zu belauſchen, denn es galt eine Wette auszutragen. Der im Kreiſe ſeiner Freunde zum Helden des Tages Avancierte hatte nicht nur deren Behauptung, daß er ſich allein nicht getraue den Alten aufzuſuchen, gründlich widerlegt, ſondern auch noch das Faß Bier gewonnen, welches für den Fall gewettet war, als er von Hanna eine Unterſtützung erhalten ſollte. Was allen als etwas Unmögliches erſchien, war zur Tatſache geworden, der Alte, welcher keinen Rat unbezahlt gab, hatte es über ſich gebracht, Geld her- zugeben. Das war ein Kunſtſtück, welches einer würdigen Feier bedurfte und es wird ſich der alte Hanna nicht haben tränmen laſſen, daß ihn einige übermütige Studenten in der Schenke hoch leben ließen. Einige Jahre ſpäter ſtarb der Alte nach Er- reichung eines ungewöhnlich hohen Alters. Ganz un- vorbereitet mußte ihn der Senſenmann geholt haben, da nicht die geringſte teſtamentähnliche Aufzeichnung vorgefunden wurde. In allen möglichen Verſtecken hielt er Geld verborgen, welches teilweiſe ſchon außer Kurs war; die Banknoten ſorgfältig geſchlichtet in einem alten Buche, das Metallgeld in kleinen Säckchen. Es machte ein kleines Vermögen aus, für welches kein rechtmäßiger Erbe gefunden wurde. Joſef Heßler.

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Zitationshilfe: Badener Zeitung. Nr. 25, Baden (Niederösterreich), 25.03.1908, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_badener025_1908/3>, abgerufen am 21.11.2024.