Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 7. Rudolstadt, 14. Februar 1848.

Bild:
<< vorherige Seite

[Spaltenumbruch] Welt, die ihnen gewöhnlich noch dazu als kalt, als egoistisch und herz-
los geschildert wird, mehr als je nach Vereinigung mit Anderen gleicher
Abkunft und Sprache sich sehnen, daß sie in solcher Vereinigung ge-
selligen Umgang im Glück, Unterstützung im Unglück so von Anderen
hoffen, wie sie sich eben in solchen Augenblicken selbst bereit fühlen,
ihrem leidenden Landsmanne um jeden Preis zu helfen. Doch bei
wie Vielen, frage ich, ist dieß Gefühl nur momentan? bei wie Vielen
ist es eine Frucht von Grundsätzen, nicht von augenblicklichen Auf-
regungen? bei wie Vielen tragen diese Grundsätze, wenn sie in Streit
gerathen mit materiellem Nutzen, speciellem Vortheil, immer den Sieg
davon? bei wie Vielen endlich findet sich ein vernünftiges Ver-
trauen in die Redlichkeit Anderer mit ihnen Verbündeter? Jeder Tag
fast gibt uns Beispiele, daß oft selbst 2 oder 3 Freunde, die sich zu
solchem Zweck in unsern westlichen Staaten vereinen, schon zu viel sind
und sich trennen müssen, entweder weil sie wünschen, Freunde zu bleiben,
oder weil sie schon keine mehr sind, und die oben berührten Fragen
sind Klippen, an denen eine größere Gesellschaft von entfernter sich
stehenden Familien leichter scheitert, als ein Freundschaftsbund von Zweien.
Und auf der andern Seite möchte ich Diejenigen, welche längere Zeit
im Westen von Amerika gelebt, fragen, ob sie mehr nachbarlichen Sinn,
besseren Rath, leichtere Unterstützung, schnellere Hülfe in der Noth bei
den dortigen Deutschen, als bei den Amerikanern gefunden haben?
Jch fürchte, gar Wenige können bejahend antworten, denn die Art
von Gemeinsinn, welche Deutschland leicht zu dem machen würde, was
es sein sollte, fehlt dem Deutschen im Allgemeinen; und wer sind jene
Haie, die jedem Deutschen, sowie er in unseren Seestädten ans Land
tritt, auflauern und den Untergang drohen, die sogenannten Seelen-
verkäufer oder Mäkler? Amerikaner sind es nicht, sondern Menschen,
deren Muttersprache die deutsche ist. -- Wenn ferner auch der Boden
in den westlichen Staaten der Union durchgehends ein ausgezeichneter
ist, so daß gar leicht jeder Einzelne Land, so viel er wünscht und wie
er es wünscht, sich aussuchen kann, so ist der gemeinschaftliche Ankauf
einer größeren Strecke und die Schwierigkeit einer nachherigen Ver-
theilung an die einzelnen Familien eines ländlichen Vereins gewöhnlich
schon der zündende Funke für nachherigen Streit und baldigen Verfall
des Vereins geworden. -- Gar viele Familien haben gegen mich ihr
Bedauern ausgesprochen, daß sie jemals solchen Vereinen sich anschlossen,
und noch Keinen habe ich gefunden, der, nachdem er beides versucht,
nicht behauptet hätte, allein erwerbe er mehr, und könne besser sich
durchschlagen, als im Verbande mit Mehreren. So sehr ich aber von
solchen Vereinen abrathe, so sehr möchte ich gemeinschaftliches
Reisen nach und in Amerika bis zum Ort der Bestimmung, und noch
mehr nachbarliche, aber von einander unabhängige Ankäufe
und Gründungen von Farmen durch die einzelnen Familien,

empfehlen. Dieß ist sowohl möglich, als genügend und heilbringend für
Alle; nur keinen gemeinschaftlichen Betrieb, keinen gemeinschaftlichen
Erwerb, keine bindenden Statuten, keine die freie Thätigkeit eines Jeden
irgendwie hemmende Beschränkungen! Diese passen nicht hinein in unser
freies amerikanisches Leben, sie passen so schlecht hinein, wie Communis-
mus oder souveraine Regenten.

Auch vor Mitnehmen von Arbeitern und Dienstboten möchte ich
Familien im Allgemeinen warnen, insonderheit dann, wenn solche nicht
schon die eigenen Mittel haben, nach Amerika zu gelangen, also schon
Bezahlung im voraus bekommen. Etwas Anderes ist es, wenn ein
einzelner, mit Geldmitteln versehener Mann dahin auswandert, und
mit einer Familie in Verbindung tritt, die seine zu kaufende Farm in
Pacht nehmen soll; denn Haus und Land zugleich bestellen, ist für den
Einzelnen fast unmöglich; doch dann ist es auf jeden Fall besser, sich
ein Weibchen mitzunehmen und selbst eine Familie zu gründen. Auch
sind Leute zur Arbeit und Familien zum Pachten bei uns keinesweges
so selten, als man es sich hier in Deutschland gewöhnlich denkt.

Eine andere Lieblingsidee scheint es unter den Auswanderern zu
sein, Gesellschaften oder Corporationen unter sich zu bilden, oder Ko-
[Spaltenumbruch] lonieen und Duodezdeutschlande zu gründen, zu deren Leitung Statuten
u. dgl. entworfen werden.

Eine fast ebenso große Schwierigkeit beim Ankauf von Land aus
zweiter Hand bieten die Records of judgment oder richterlichen Zu-
sprüche von Eigenthum wegen Schulden. Hunderttausende von Ackern
Landes sind in den westlichen Staaten zur Zeit der Landspeculations-
wuth von 1836 -- 1841 von Speculanten der Regierung abgekauft.
Als die Reaction eintrat, waren zahllose Bankerotte die Folge, und
die Gläubiger der Speculanten wurden auf das von diesen gekaufte
Land angewiesen. Allerdings sind nun diese Judgments in den Archiven
der Grafschaft zu finden, zu welcher das fragliche Land zur Zeit ge-
hörte. Aber in den neueren, wohin die Fluth der Emigration geht,
vermehrt sich die Zahl der einzelnen Grafschaften sehr schnell durch
Zerstückelung früherer großer Counties. So z. B. umfaßt das vor
10 Jahren noch ganz existirende Brown County in Wisconsin bald
darauf 3, dann 5, dann 8, jetzt 11 verschiedene Counties, und um
nun mit Sicherheit zu wissen, daß auf einem Stücke Landes in diesem
County, welches man aus zweiter Hand kauft, kein Judgment ruhe,
muß man vielleicht die Archive an 4 verschiedenen Orten, die eben
Sitz der jedesmaligen Grafschaftsregierung waren, nachsehen. Auch
dieß ist wohl thunlich, aber viel schwieriger für den Neuling, als er
sich träumen läßt; davon zeugen die vielen Mißgriffe. Jn den alten
Staaten der Union ist es natürlich mit dem Ankauf von Land aus
zweiter Hand viel einfacher, das Land hat dort einen höheren Werth,
also schützt man es besser gegen fremden Anspruch, die Eintheilungen
des Landes sind älter, der Geschäftsgang geregelter, und juristische
Hülfe beim Ankauf leichter zu bekommen.

Erwiederung an HerrnDr. Bauernfreund.

So angenehm es einem jeden Agenten sein muß, dem die zufriedene Befor-
derung seiner Auswanderer am Herzen liegt, etwaige Mängel und Unordnungen,
welche sich in der Beförderung desselben vorfinden sollten, gerügt zu sehen, damit
sie abgestellt werden können, so kann ein Aufsatz, wie der des Herrn Dr. Bauern-
freund, in No. 6 dieses Blattes enthalten, nur kränken, indem er nicht aus reiner
Quelle fließt. Herr Dr. Bauernfreund spricht sich zu allgemein aus und fuhrt
auch nicht einen einzigen Punkt an, in wie fern ihm nicht die contractlichen Be-
dingungen gehalten worden sind; denn hatte wirklich eine Verletzung der contract-
lichen Bedingungen stattgefunden, welches ich durchaus in Abrede stelle, so würde
ein Mann von Bildung wie Herr Dr. B., schon Wege und Mittel gefunden haben,
um zu seinem Rechte zu gelangen.

So viel sich Unterzeichneter von Hrn. Dr. B., welcher sich im April 1847
als Zwischendeckpassagier in Mainz einschiffte, noch erinnern kann, waren dessen
Ansprüche, weil er durch seine Bildung höher, wie seine Reisegefährten zu stehen
glaubte, sehr anmaßend, und verlangte derselbe schon auf dem Rhein eine erste
Cajütenpassage, auf dem Schiffe selbst meinte er könne der Capitain ihm wohl
auch ausnahmsweise einen Platz in der Cajüte, oder wenigstens einen eigenen
Platz im Schiffe einräumen. Jch machte ihn auf das Unzulängliche seiner For-
derungen aufmerksam und bemerkte ihm, daß auf dem Schiffe durchaus solche
Abweichungen nicht stattfänden. Gehe man als Cajütenpassagier, so habe man
die Rechte eines solchen, bezahle man indessen nur für das Zwischendeck, so dürfe
man auf keine weiteren Rechte Ansprüche machen, als die, welche einem Zwischen-
deckpassagier zukämen, dieß scheint ihm weder behagen noch einleuchten zu wollen;
um ihn jedoch, so viel es in meinen Kräften stand, zufrieden zu stellen, gab ich
ihm einen Empfehlungsbrief an Hrn. Whyte in London mit, um ihm wo mög-
lich einige kleine Vortheile zu verschaffen. Daß dieß von Hrn. Whyte geschehen
ist, so viel es in seinen Kräften stand, habe ich mündlich von ihm erfahren; doch
waren in der damaligen Zeit, durch das neue Gesetz, die Schiffe alle vollständig
besetzt, und der Capitain hat, wahrscheinlich mit dem besten Willen, keine Gelegen-
heit gehabt, ihm irgend einen separaten Raum zu geben.

Herrn Bauernfreund's Contrakt lautet von hier aus als Zwischendeckpassagier,
und als solcher sind ihm alle Bedingungen des Contraktes treulich erfüllt worden.
Versuchte ich etwas mehr für ihn zu thun und ließ sich dieß unter den bewandten
Umständen nicht möglich machen, so hatte er wenigstens den guten Willen für die
That mit Dank anerkennen und nicht verleumden sollen, wie er gethan, und wozu
er durchaus kein Recht hatte.

   
   

[Spaltenumbruch] Welt, die ihnen gewöhnlich noch dazu als kalt, als egoistisch und herz-
los geschildert wird, mehr als je nach Vereinigung mit Anderen gleicher
Abkunft und Sprache sich sehnen, daß sie in solcher Vereinigung ge-
selligen Umgang im Glück, Unterstützung im Unglück so von Anderen
hoffen, wie sie sich eben in solchen Augenblicken selbst bereit fühlen,
ihrem leidenden Landsmanne um jeden Preis zu helfen. Doch bei
wie Vielen, frage ich, ist dieß Gefühl nur momentan? bei wie Vielen
ist es eine Frucht von Grundsätzen, nicht von augenblicklichen Auf-
regungen? bei wie Vielen tragen diese Grundsätze, wenn sie in Streit
gerathen mit materiellem Nutzen, speciellem Vortheil, immer den Sieg
davon? bei wie Vielen endlich findet sich ein vernünftiges Ver-
trauen in die Redlichkeit Anderer mit ihnen Verbündeter? Jeder Tag
fast gibt uns Beispiele, daß oft selbst 2 oder 3 Freunde, die sich zu
solchem Zweck in unsern westlichen Staaten vereinen, schon zu viel sind
und sich trennen müssen, entweder weil sie wünschen, Freunde zu bleiben,
oder weil sie schon keine mehr sind, und die oben berührten Fragen
sind Klippen, an denen eine größere Gesellschaft von entfernter sich
stehenden Familien leichter scheitert, als ein Freundschaftsbund von Zweien.
Und auf der andern Seite möchte ich Diejenigen, welche längere Zeit
im Westen von Amerika gelebt, fragen, ob sie mehr nachbarlichen Sinn,
besseren Rath, leichtere Unterstützung, schnellere Hülfe in der Noth bei
den dortigen Deutschen, als bei den Amerikanern gefunden haben?
Jch fürchte, gar Wenige können bejahend antworten, denn die Art
von Gemeinsinn, welche Deutschland leicht zu dem machen würde, was
es sein sollte, fehlt dem Deutschen im Allgemeinen; und wer sind jene
Haie, die jedem Deutschen, sowie er in unseren Seestädten ans Land
tritt, auflauern und den Untergang drohen, die sogenannten Seelen-
verkäufer oder Mäkler? Amerikaner sind es nicht, sondern Menschen,
deren Muttersprache die deutsche ist. -- Wenn ferner auch der Boden
in den westlichen Staaten der Union durchgehends ein ausgezeichneter
ist, so daß gar leicht jeder Einzelne Land, so viel er wünscht und wie
er es wünscht, sich aussuchen kann, so ist der gemeinschaftliche Ankauf
einer größeren Strecke und die Schwierigkeit einer nachherigen Ver-
theilung an die einzelnen Familien eines ländlichen Vereins gewöhnlich
schon der zündende Funke für nachherigen Streit und baldigen Verfall
des Vereins geworden. -- Gar viele Familien haben gegen mich ihr
Bedauern ausgesprochen, daß sie jemals solchen Vereinen sich anschlossen,
und noch Keinen habe ich gefunden, der, nachdem er beides versucht,
nicht behauptet hätte, allein erwerbe er mehr, und könne besser sich
durchschlagen, als im Verbande mit Mehreren. So sehr ich aber von
solchen Vereinen abrathe, so sehr möchte ich gemeinschaftliches
Reisen nach und in Amerika bis zum Ort der Bestimmung, und noch
mehr nachbarliche, aber von einander unabhängige Ankäufe
und Gründungen von Farmen durch die einzelnen Familien,

empfehlen. Dieß ist sowohl möglich, als genügend und heilbringend für
Alle; nur keinen gemeinschaftlichen Betrieb, keinen gemeinschaftlichen
Erwerb, keine bindenden Statuten, keine die freie Thätigkeit eines Jeden
irgendwie hemmende Beschränkungen! Diese passen nicht hinein in unser
freies amerikanisches Leben, sie passen so schlecht hinein, wie Communis-
mus oder souveraine Regenten.

Auch vor Mitnehmen von Arbeitern und Dienstboten möchte ich
Familien im Allgemeinen warnen, insonderheit dann, wenn solche nicht
schon die eigenen Mittel haben, nach Amerika zu gelangen, also schon
Bezahlung im voraus bekommen. Etwas Anderes ist es, wenn ein
einzelner, mit Geldmitteln versehener Mann dahin auswandert, und
mit einer Familie in Verbindung tritt, die seine zu kaufende Farm in
Pacht nehmen soll; denn Haus und Land zugleich bestellen, ist für den
Einzelnen fast unmöglich; doch dann ist es auf jeden Fall besser, sich
ein Weibchen mitzunehmen und selbst eine Familie zu gründen. Auch
sind Leute zur Arbeit und Familien zum Pachten bei uns keinesweges
so selten, als man es sich hier in Deutschland gewöhnlich denkt.

Eine andere Lieblingsidee scheint es unter den Auswanderern zu
sein, Gesellschaften oder Corporationen unter sich zu bilden, oder Ko-
[Spaltenumbruch] lonieen und Duodezdeutschlande zu gründen, zu deren Leitung Statuten
u. dgl. entworfen werden.

Eine fast ebenso große Schwierigkeit beim Ankauf von Land aus
zweiter Hand bieten die Records of judgment oder richterlichen Zu-
sprüche von Eigenthum wegen Schulden. Hunderttausende von Ackern
Landes sind in den westlichen Staaten zur Zeit der Landspeculations-
wuth von 1836 -- 1841 von Speculanten der Regierung abgekauft.
Als die Reaction eintrat, waren zahllose Bankerotte die Folge, und
die Gläubiger der Speculanten wurden auf das von diesen gekaufte
Land angewiesen. Allerdings sind nun diese Judgments in den Archiven
der Grafschaft zu finden, zu welcher das fragliche Land zur Zeit ge-
hörte. Aber in den neueren, wohin die Fluth der Emigration geht,
vermehrt sich die Zahl der einzelnen Grafschaften sehr schnell durch
Zerstückelung früherer großer Counties. So z. B. umfaßt das vor
10 Jahren noch ganz existirende Brown County in Wisconsin bald
darauf 3, dann 5, dann 8, jetzt 11 verschiedene Counties, und um
nun mit Sicherheit zu wissen, daß auf einem Stücke Landes in diesem
County, welches man aus zweiter Hand kauft, kein Judgment ruhe,
muß man vielleicht die Archive an 4 verschiedenen Orten, die eben
Sitz der jedesmaligen Grafschaftsregierung waren, nachsehen. Auch
dieß ist wohl thunlich, aber viel schwieriger für den Neuling, als er
sich träumen läßt; davon zeugen die vielen Mißgriffe. Jn den alten
Staaten der Union ist es natürlich mit dem Ankauf von Land aus
zweiter Hand viel einfacher, das Land hat dort einen höheren Werth,
also schützt man es besser gegen fremden Anspruch, die Eintheilungen
des Landes sind älter, der Geschäftsgang geregelter, und juristische
Hülfe beim Ankauf leichter zu bekommen.

Erwiederung an HerrnDr. Bauernfreund.

So angenehm es einem jeden Agenten sein muß, dem die zufriedene Befor-
derung seiner Auswanderer am Herzen liegt, etwaige Mängel und Unordnungen,
welche sich in der Beförderung desselben vorfinden sollten, gerügt zu sehen, damit
sie abgestellt werden können, so kann ein Aufsatz, wie der des Herrn Dr. Bauern-
freund, in No. 6 dieses Blattes enthalten, nur kränken, indem er nicht aus reiner
Quelle fließt. Herr Dr. Bauernfreund spricht sich zu allgemein aus und fuhrt
auch nicht einen einzigen Punkt an, in wie fern ihm nicht die contractlichen Be-
dingungen gehalten worden sind; denn hatte wirklich eine Verletzung der contract-
lichen Bedingungen stattgefunden, welches ich durchaus in Abrede stelle, so würde
ein Mann von Bildung wie Herr Dr. B., schon Wege und Mittel gefunden haben,
um zu seinem Rechte zu gelangen.

So viel sich Unterzeichneter von Hrn. Dr. B., welcher sich im April 1847
als Zwischendeckpassagier in Mainz einschiffte, noch erinnern kann, waren dessen
Ansprüche, weil er durch seine Bildung höher, wie seine Reisegefährten zu stehen
glaubte, sehr anmaßend, und verlangte derselbe schon auf dem Rhein eine erste
Cajütenpassage, auf dem Schiffe selbst meinte er könne der Capitain ihm wohl
auch ausnahmsweise einen Platz in der Cajüte, oder wenigstens einen eigenen
Platz im Schiffe einräumen. Jch machte ihn auf das Unzulängliche seiner For-
derungen aufmerksam und bemerkte ihm, daß auf dem Schiffe durchaus solche
Abweichungen nicht stattfänden. Gehe man als Cajütenpassagier, so habe man
die Rechte eines solchen, bezahle man indessen nur für das Zwischendeck, so dürfe
man auf keine weiteren Rechte Ansprüche machen, als die, welche einem Zwischen-
deckpassagier zukämen, dieß scheint ihm weder behagen noch einleuchten zu wollen;
um ihn jedoch, so viel es in meinen Kräften stand, zufrieden zu stellen, gab ich
ihm einen Empfehlungsbrief an Hrn. Whyte in London mit, um ihm wo mög-
lich einige kleine Vortheile zu verschaffen. Daß dieß von Hrn. Whyte geschehen
ist, so viel es in seinen Kräften stand, habe ich mündlich von ihm erfahren; doch
waren in der damaligen Zeit, durch das neue Gesetz, die Schiffe alle vollständig
besetzt, und der Capitain hat, wahrscheinlich mit dem besten Willen, keine Gelegen-
heit gehabt, ihm irgend einen separaten Raum zu geben.

Herrn Bauernfreund's Contrakt lautet von hier aus als Zwischendeckpassagier,
und als solcher sind ihm alle Bedingungen des Contraktes treulich erfüllt worden.
Versuchte ich etwas mehr für ihn zu thun und ließ sich dieß unter den bewandten
Umständen nicht möglich machen, so hatte er wenigstens den guten Willen für die
That mit Dank anerkennen und nicht verleumden sollen, wie er gethan, und wozu
er durchaus kein Recht hatte.

   
   
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div type="jFinancialNews">
        <div type="jFinancialNews">
          <p><pb facs="#f0005"/><cb n="105"/>
Welt, die ihnen gewöhnlich noch dazu als kalt, als egoistisch und herz-<lb/>
los geschildert wird, mehr als je nach Vereinigung mit Anderen gleicher<lb/>
Abkunft und Sprache sich sehnen, daß sie in solcher Vereinigung ge-<lb/>
selligen Umgang im Glück, Unterstützung im Unglück so von Anderen<lb/>
hoffen, wie sie sich eben in solchen Augenblicken selbst bereit fühlen,<lb/>
ihrem leidenden Landsmanne um jeden Preis zu helfen. Doch bei<lb/>
wie Vielen, frage ich, ist dieß Gefühl nur momentan? bei wie Vielen<lb/>
ist es eine Frucht von Grundsätzen, nicht von augenblicklichen Auf-<lb/>
regungen? bei wie Vielen tragen diese Grundsätze, wenn sie in Streit<lb/>
gerathen mit materiellem Nutzen, speciellem Vortheil, immer den Sieg<lb/>
davon? bei wie Vielen endlich findet sich ein <hi rendition="#g">vernünftiges</hi> Ver-<lb/>
trauen in die Redlichkeit Anderer mit ihnen Verbündeter? Jeder Tag<lb/>
fast gibt uns Beispiele, daß oft selbst 2 oder 3 Freunde, die sich zu<lb/>
solchem Zweck in unsern westlichen Staaten vereinen, schon zu viel sind<lb/>
und sich trennen müssen, entweder weil sie wünschen, Freunde zu bleiben,<lb/>
oder weil sie schon keine mehr sind, und die oben berührten Fragen<lb/>
sind Klippen, an denen eine größere Gesellschaft von entfernter sich<lb/>
stehenden Familien leichter scheitert, als ein Freundschaftsbund von Zweien.<lb/>
Und auf der andern Seite möchte ich Diejenigen, welche längere Zeit<lb/>
im Westen von Amerika gelebt, fragen, ob sie mehr nachbarlichen Sinn,<lb/>
besseren Rath, leichtere Unterstützung, schnellere Hülfe in der Noth bei<lb/>
den dortigen Deutschen, als bei den Amerikanern gefunden haben?<lb/>
Jch fürchte, gar Wenige können bejahend antworten, denn die Art<lb/>
von Gemeinsinn, welche Deutschland leicht zu dem machen würde, was<lb/>
es sein sollte, fehlt dem Deutschen im Allgemeinen; und wer sind jene<lb/>
Haie, die jedem Deutschen, sowie er in unseren Seestädten ans Land<lb/>
tritt, auflauern und den Untergang drohen, die sogenannten Seelen-<lb/>
verkäufer oder Mäkler? Amerikaner sind es nicht, sondern Menschen,<lb/>
deren Muttersprache die deutsche ist. -- Wenn ferner auch der Boden<lb/>
in den westlichen Staaten der Union durchgehends ein ausgezeichneter<lb/>
ist, so daß gar leicht jeder Einzelne Land, so viel er wünscht und wie<lb/>
er es wünscht, sich aussuchen kann, so ist der gemeinschaftliche Ankauf<lb/>
einer größeren Strecke und die Schwierigkeit einer nachherigen Ver-<lb/>
theilung an die einzelnen Familien eines ländlichen Vereins gewöhnlich<lb/>
schon der zündende Funke für nachherigen Streit und baldigen Verfall<lb/>
des Vereins geworden. -- Gar viele Familien haben gegen mich ihr<lb/>
Bedauern ausgesprochen, daß sie jemals solchen Vereinen sich anschlossen,<lb/>
und noch Keinen habe ich gefunden, der, nachdem er beides versucht,<lb/>
nicht behauptet hätte, allein erwerbe er mehr, und könne besser sich<lb/>
durchschlagen, als im Verbande mit Mehreren. So sehr ich aber von<lb/><hi rendition="#g">solchen</hi> Vereinen abrathe, so sehr möchte ich <hi rendition="#g">gemeinschaftliches</hi><lb/>
Reisen nach und in Amerika bis zum Ort der Bestimmung, und noch<lb/>
mehr <hi rendition="#g">nachbarliche, aber von einander unabhängige Ankäufe<lb/>
und Gründungen von Farmen durch die einzelnen Familien,</hi><lb/>
empfehlen. Dieß ist sowohl möglich, als genügend und heilbringend für<lb/>
Alle; nur keinen gemeinschaftlichen Betrieb, keinen gemeinschaftlichen<lb/>
Erwerb, keine bindenden Statuten, keine die freie Thätigkeit eines Jeden<lb/>
irgendwie hemmende Beschränkungen! Diese passen nicht hinein in unser<lb/>
freies amerikanisches Leben, sie passen so schlecht hinein, wie Communis-<lb/>
mus oder souveraine Regenten.   </p><lb/>
          <p>Auch vor Mitnehmen von Arbeitern und Dienstboten möchte ich<lb/>
Familien im Allgemeinen warnen, insonderheit dann, wenn solche nicht<lb/>
schon die eigenen Mittel haben, nach Amerika zu gelangen, also schon<lb/>
Bezahlung im voraus bekommen. Etwas Anderes ist es, wenn ein<lb/>
einzelner, mit Geldmitteln versehener Mann dahin auswandert, und<lb/>
mit einer Familie in Verbindung tritt, die seine zu kaufende Farm in<lb/>
Pacht nehmen soll; denn Haus und Land zugleich bestellen, ist für den<lb/>
Einzelnen fast unmöglich; doch dann ist es auf jeden Fall besser, sich<lb/>
ein Weibchen mitzunehmen und selbst eine Familie zu gründen. Auch<lb/>
sind Leute zur Arbeit und Familien zum Pachten bei uns keinesweges<lb/>
so selten, als man es sich hier in Deutschland gewöhnlich denkt.   </p><lb/>
          <p>Eine andere Lieblingsidee scheint es unter den Auswanderern zu<lb/>
sein, Gesellschaften oder Corporationen unter sich zu bilden, oder Ko-<lb/><cb n="106"/>
lonieen und Duodezdeutschlande zu gründen, zu deren Leitung Statuten<lb/>
u. dgl. entworfen werden.   </p><lb/>
          <p>Eine fast ebenso große Schwierigkeit beim Ankauf von Land aus<lb/>
zweiter Hand bieten die <hi rendition="#aq">Records of judgment</hi> oder richterlichen Zu-<lb/>
sprüche von Eigenthum wegen Schulden. Hunderttausende von Ackern<lb/>
Landes sind in den westlichen Staaten zur Zeit der Landspeculations-<lb/>
wuth von 1836 -- 1841 von Speculanten der Regierung abgekauft.<lb/>
Als die Reaction eintrat, waren zahllose Bankerotte die Folge, und<lb/>
die Gläubiger der Speculanten wurden auf das von diesen gekaufte<lb/>
Land angewiesen. Allerdings sind nun diese <hi rendition="#aq">Judgments</hi> in den Archiven<lb/>
der Grafschaft zu finden, zu welcher das fragliche Land zur Zeit ge-<lb/>
hörte. Aber in den neueren, wohin die Fluth der Emigration geht,<lb/>
vermehrt sich die Zahl der einzelnen Grafschaften sehr schnell durch<lb/>
Zerstückelung früherer großer <hi rendition="#aq">Counties</hi>. So z. B. umfaßt das vor<lb/>
10 Jahren noch ganz existirende <hi rendition="#aq">Brown County</hi> in Wisconsin bald<lb/>
darauf 3, dann 5, dann 8, jetzt 11 verschiedene <hi rendition="#aq">Counties</hi>, und um<lb/>
nun mit Sicherheit zu wissen, daß auf einem Stücke Landes in diesem<lb/><hi rendition="#aq">County</hi>, welches man aus zweiter Hand kauft, kein <hi rendition="#aq">Judgment</hi> ruhe,<lb/>
muß man vielleicht die Archive an 4 verschiedenen Orten, die eben<lb/>
Sitz der jedesmaligen Grafschaftsregierung waren, nachsehen. Auch<lb/>
dieß ist wohl thunlich, aber viel schwieriger für den Neuling, als er<lb/>
sich träumen läßt; davon zeugen die vielen Mißgriffe. Jn den alten<lb/>
Staaten der Union ist es natürlich mit dem Ankauf von Land aus<lb/>
zweiter Hand viel einfacher, das Land hat dort einen höheren Werth,<lb/>
also schützt man es besser gegen fremden Anspruch, die Eintheilungen<lb/>
des Landes sind älter, der Geschäftsgang geregelter, und juristische<lb/>
Hülfe beim Ankauf leichter zu bekommen. </p>
        </div>
      </div><lb/>
      <div type="jAnnouncements">
        <div type="jAnnouncements">
          <head><hi rendition="#fr">Erwiederung an Herrn</hi><hi rendition="#aq">Dr</hi>. <hi rendition="#fr">Bauernfreund.</hi></head><lb/>
          <p>So angenehm es einem jeden Agenten sein muß, dem die zufriedene Befor-<lb/>
derung seiner Auswanderer am Herzen liegt, etwaige Mängel und Unordnungen,<lb/>
welche sich in der Beförderung desselben vorfinden sollten, gerügt zu sehen, damit<lb/>
sie abgestellt werden können, so kann ein Aufsatz, wie der des Herrn <hi rendition="#aq">Dr</hi>. Bauern-<lb/>
freund, in No. 6 dieses Blattes enthalten, nur kränken, indem er nicht aus reiner<lb/>
Quelle fließt. Herr <hi rendition="#aq">Dr</hi>. Bauernfreund spricht sich zu allgemein aus und fuhrt<lb/>
auch nicht einen einzigen Punkt an, in wie fern ihm nicht die contractlichen Be-<lb/>
dingungen gehalten worden sind; denn hatte wirklich eine Verletzung der contract-<lb/>
lichen Bedingungen stattgefunden, welches ich durchaus in Abrede stelle, so würde<lb/>
ein Mann von Bildung wie Herr <hi rendition="#aq">Dr</hi>. B., schon Wege und Mittel gefunden haben,<lb/>
um zu seinem Rechte zu gelangen. </p><lb/>
          <p>So viel sich Unterzeichneter von Hrn. <hi rendition="#aq">Dr</hi>. B., welcher sich im April 1847<lb/>
als Zwischendeckpassagier in Mainz einschiffte, noch erinnern kann, waren dessen<lb/>
Ansprüche, weil er durch seine Bildung höher, wie seine Reisegefährten zu stehen<lb/>
glaubte, sehr anmaßend, und verlangte derselbe schon auf dem Rhein eine erste<lb/>
Cajütenpassage, auf dem Schiffe selbst meinte er könne der Capitain ihm wohl<lb/>
auch ausnahmsweise einen Platz in der Cajüte, oder wenigstens einen eigenen<lb/>
Platz im Schiffe einräumen. Jch machte ihn auf das Unzulängliche seiner For-<lb/>
derungen aufmerksam und bemerkte ihm, daß auf dem Schiffe durchaus solche<lb/>
Abweichungen nicht stattfänden. Gehe man als Cajütenpassagier, so habe man<lb/>
die Rechte eines solchen, bezahle man indessen nur für das Zwischendeck, so dürfe<lb/>
man auf keine weiteren Rechte Ansprüche machen, als die, welche einem Zwischen-<lb/>
deckpassagier zukämen, dieß scheint ihm weder behagen noch einleuchten zu wollen;<lb/>
um ihn jedoch, so viel es in meinen Kräften stand, zufrieden zu stellen, gab ich<lb/>
ihm einen Empfehlungsbrief an Hrn. <hi rendition="#g">Whyte</hi> in London mit, um ihm wo mög-<lb/>
lich einige kleine Vortheile zu verschaffen. Daß dieß von Hrn. <hi rendition="#g">Whyte</hi> geschehen<lb/>
ist, so viel es in seinen Kräften stand, habe ich mündlich von ihm erfahren; doch<lb/>
waren in der damaligen Zeit, durch das neue Gesetz, die Schiffe alle vollständig<lb/>
besetzt, und der Capitain hat, wahrscheinlich mit dem besten Willen, keine Gelegen-<lb/>
heit gehabt, ihm irgend einen separaten Raum zu geben. </p><lb/>
          <p>Herrn Bauernfreund's Contrakt lautet von hier aus als Zwischendeckpassagier,<lb/>
und als solcher sind ihm alle Bedingungen des Contraktes treulich erfüllt worden.<lb/>
Versuchte ich etwas mehr für ihn zu thun und ließ sich dieß unter den bewandten<lb/>
Umständen nicht möglich machen, so hatte er wenigstens den guten Willen für die<lb/>
That mit Dank anerkennen und nicht verleumden sollen, wie er gethan, und wozu<lb/>
er durchaus kein Recht hatte.   </p><lb/>
          <space dim="horizontal"/>
          <dateline><hi rendition="#g">Mainz,</hi> den 10. Febr. 1848.</dateline><lb/>
          <space dim="horizontal"/>
          <byline>
            <docAuthor> <hi rendition="#fr">G. H. Paulsen.</hi> </docAuthor>
          </byline>
        </div><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0005] Welt, die ihnen gewöhnlich noch dazu als kalt, als egoistisch und herz- los geschildert wird, mehr als je nach Vereinigung mit Anderen gleicher Abkunft und Sprache sich sehnen, daß sie in solcher Vereinigung ge- selligen Umgang im Glück, Unterstützung im Unglück so von Anderen hoffen, wie sie sich eben in solchen Augenblicken selbst bereit fühlen, ihrem leidenden Landsmanne um jeden Preis zu helfen. Doch bei wie Vielen, frage ich, ist dieß Gefühl nur momentan? bei wie Vielen ist es eine Frucht von Grundsätzen, nicht von augenblicklichen Auf- regungen? bei wie Vielen tragen diese Grundsätze, wenn sie in Streit gerathen mit materiellem Nutzen, speciellem Vortheil, immer den Sieg davon? bei wie Vielen endlich findet sich ein vernünftiges Ver- trauen in die Redlichkeit Anderer mit ihnen Verbündeter? Jeder Tag fast gibt uns Beispiele, daß oft selbst 2 oder 3 Freunde, die sich zu solchem Zweck in unsern westlichen Staaten vereinen, schon zu viel sind und sich trennen müssen, entweder weil sie wünschen, Freunde zu bleiben, oder weil sie schon keine mehr sind, und die oben berührten Fragen sind Klippen, an denen eine größere Gesellschaft von entfernter sich stehenden Familien leichter scheitert, als ein Freundschaftsbund von Zweien. Und auf der andern Seite möchte ich Diejenigen, welche längere Zeit im Westen von Amerika gelebt, fragen, ob sie mehr nachbarlichen Sinn, besseren Rath, leichtere Unterstützung, schnellere Hülfe in der Noth bei den dortigen Deutschen, als bei den Amerikanern gefunden haben? Jch fürchte, gar Wenige können bejahend antworten, denn die Art von Gemeinsinn, welche Deutschland leicht zu dem machen würde, was es sein sollte, fehlt dem Deutschen im Allgemeinen; und wer sind jene Haie, die jedem Deutschen, sowie er in unseren Seestädten ans Land tritt, auflauern und den Untergang drohen, die sogenannten Seelen- verkäufer oder Mäkler? Amerikaner sind es nicht, sondern Menschen, deren Muttersprache die deutsche ist. -- Wenn ferner auch der Boden in den westlichen Staaten der Union durchgehends ein ausgezeichneter ist, so daß gar leicht jeder Einzelne Land, so viel er wünscht und wie er es wünscht, sich aussuchen kann, so ist der gemeinschaftliche Ankauf einer größeren Strecke und die Schwierigkeit einer nachherigen Ver- theilung an die einzelnen Familien eines ländlichen Vereins gewöhnlich schon der zündende Funke für nachherigen Streit und baldigen Verfall des Vereins geworden. -- Gar viele Familien haben gegen mich ihr Bedauern ausgesprochen, daß sie jemals solchen Vereinen sich anschlossen, und noch Keinen habe ich gefunden, der, nachdem er beides versucht, nicht behauptet hätte, allein erwerbe er mehr, und könne besser sich durchschlagen, als im Verbande mit Mehreren. So sehr ich aber von solchen Vereinen abrathe, so sehr möchte ich gemeinschaftliches Reisen nach und in Amerika bis zum Ort der Bestimmung, und noch mehr nachbarliche, aber von einander unabhängige Ankäufe und Gründungen von Farmen durch die einzelnen Familien, empfehlen. Dieß ist sowohl möglich, als genügend und heilbringend für Alle; nur keinen gemeinschaftlichen Betrieb, keinen gemeinschaftlichen Erwerb, keine bindenden Statuten, keine die freie Thätigkeit eines Jeden irgendwie hemmende Beschränkungen! Diese passen nicht hinein in unser freies amerikanisches Leben, sie passen so schlecht hinein, wie Communis- mus oder souveraine Regenten. Auch vor Mitnehmen von Arbeitern und Dienstboten möchte ich Familien im Allgemeinen warnen, insonderheit dann, wenn solche nicht schon die eigenen Mittel haben, nach Amerika zu gelangen, also schon Bezahlung im voraus bekommen. Etwas Anderes ist es, wenn ein einzelner, mit Geldmitteln versehener Mann dahin auswandert, und mit einer Familie in Verbindung tritt, die seine zu kaufende Farm in Pacht nehmen soll; denn Haus und Land zugleich bestellen, ist für den Einzelnen fast unmöglich; doch dann ist es auf jeden Fall besser, sich ein Weibchen mitzunehmen und selbst eine Familie zu gründen. Auch sind Leute zur Arbeit und Familien zum Pachten bei uns keinesweges so selten, als man es sich hier in Deutschland gewöhnlich denkt. Eine andere Lieblingsidee scheint es unter den Auswanderern zu sein, Gesellschaften oder Corporationen unter sich zu bilden, oder Ko- lonieen und Duodezdeutschlande zu gründen, zu deren Leitung Statuten u. dgl. entworfen werden. Eine fast ebenso große Schwierigkeit beim Ankauf von Land aus zweiter Hand bieten die Records of judgment oder richterlichen Zu- sprüche von Eigenthum wegen Schulden. Hunderttausende von Ackern Landes sind in den westlichen Staaten zur Zeit der Landspeculations- wuth von 1836 -- 1841 von Speculanten der Regierung abgekauft. Als die Reaction eintrat, waren zahllose Bankerotte die Folge, und die Gläubiger der Speculanten wurden auf das von diesen gekaufte Land angewiesen. Allerdings sind nun diese Judgments in den Archiven der Grafschaft zu finden, zu welcher das fragliche Land zur Zeit ge- hörte. Aber in den neueren, wohin die Fluth der Emigration geht, vermehrt sich die Zahl der einzelnen Grafschaften sehr schnell durch Zerstückelung früherer großer Counties. So z. B. umfaßt das vor 10 Jahren noch ganz existirende Brown County in Wisconsin bald darauf 3, dann 5, dann 8, jetzt 11 verschiedene Counties, und um nun mit Sicherheit zu wissen, daß auf einem Stücke Landes in diesem County, welches man aus zweiter Hand kauft, kein Judgment ruhe, muß man vielleicht die Archive an 4 verschiedenen Orten, die eben Sitz der jedesmaligen Grafschaftsregierung waren, nachsehen. Auch dieß ist wohl thunlich, aber viel schwieriger für den Neuling, als er sich träumen läßt; davon zeugen die vielen Mißgriffe. Jn den alten Staaten der Union ist es natürlich mit dem Ankauf von Land aus zweiter Hand viel einfacher, das Land hat dort einen höheren Werth, also schützt man es besser gegen fremden Anspruch, die Eintheilungen des Landes sind älter, der Geschäftsgang geregelter, und juristische Hülfe beim Ankauf leichter zu bekommen. Erwiederung an HerrnDr. Bauernfreund. So angenehm es einem jeden Agenten sein muß, dem die zufriedene Befor- derung seiner Auswanderer am Herzen liegt, etwaige Mängel und Unordnungen, welche sich in der Beförderung desselben vorfinden sollten, gerügt zu sehen, damit sie abgestellt werden können, so kann ein Aufsatz, wie der des Herrn Dr. Bauern- freund, in No. 6 dieses Blattes enthalten, nur kränken, indem er nicht aus reiner Quelle fließt. Herr Dr. Bauernfreund spricht sich zu allgemein aus und fuhrt auch nicht einen einzigen Punkt an, in wie fern ihm nicht die contractlichen Be- dingungen gehalten worden sind; denn hatte wirklich eine Verletzung der contract- lichen Bedingungen stattgefunden, welches ich durchaus in Abrede stelle, so würde ein Mann von Bildung wie Herr Dr. B., schon Wege und Mittel gefunden haben, um zu seinem Rechte zu gelangen. So viel sich Unterzeichneter von Hrn. Dr. B., welcher sich im April 1847 als Zwischendeckpassagier in Mainz einschiffte, noch erinnern kann, waren dessen Ansprüche, weil er durch seine Bildung höher, wie seine Reisegefährten zu stehen glaubte, sehr anmaßend, und verlangte derselbe schon auf dem Rhein eine erste Cajütenpassage, auf dem Schiffe selbst meinte er könne der Capitain ihm wohl auch ausnahmsweise einen Platz in der Cajüte, oder wenigstens einen eigenen Platz im Schiffe einräumen. Jch machte ihn auf das Unzulängliche seiner For- derungen aufmerksam und bemerkte ihm, daß auf dem Schiffe durchaus solche Abweichungen nicht stattfänden. Gehe man als Cajütenpassagier, so habe man die Rechte eines solchen, bezahle man indessen nur für das Zwischendeck, so dürfe man auf keine weiteren Rechte Ansprüche machen, als die, welche einem Zwischen- deckpassagier zukämen, dieß scheint ihm weder behagen noch einleuchten zu wollen; um ihn jedoch, so viel es in meinen Kräften stand, zufrieden zu stellen, gab ich ihm einen Empfehlungsbrief an Hrn. Whyte in London mit, um ihm wo mög- lich einige kleine Vortheile zu verschaffen. Daß dieß von Hrn. Whyte geschehen ist, so viel es in seinen Kräften stand, habe ich mündlich von ihm erfahren; doch waren in der damaligen Zeit, durch das neue Gesetz, die Schiffe alle vollständig besetzt, und der Capitain hat, wahrscheinlich mit dem besten Willen, keine Gelegen- heit gehabt, ihm irgend einen separaten Raum zu geben. Herrn Bauernfreund's Contrakt lautet von hier aus als Zwischendeckpassagier, und als solcher sind ihm alle Bedingungen des Contraktes treulich erfüllt worden. Versuchte ich etwas mehr für ihn zu thun und ließ sich dieß unter den bewandten Umständen nicht möglich machen, so hatte er wenigstens den guten Willen für die That mit Dank anerkennen und nicht verleumden sollen, wie er gethan, und wozu er durchaus kein Recht hatte. Mainz, den 10. Febr. 1848. G. H. Paulsen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Institut für Deutsche Sprache, Mannheim: Bereitstellung der Bilddigitalisate und TEI Transkription
Peter Fankhauser: Transformation von TUSTEP nach TEI P5. Transformation von TEI P5 in das DTA TEI P5 Format.

Weitere Informationen:

Siehe Dokumentation




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer07_1848
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer07_1848/5
Zitationshilfe: Allgemeine Auswanderungs-Zeitung. Nr. 7. Rudolstadt, 14. Februar 1848, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_auswanderer07_1848/5>, abgerufen am 24.11.2024.