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Allgemeine Zeitung. Nr. 74. Augsburg (Bayern), 15. März 1871.

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x München, 14 März. Se. Maj. der König hat gestern den
Vortrag des k. Staatsministers des Handels und der öffentlichen Arbeiten,
v. Schlör, entgegengenommen. S. M. der König hat dem Generallieutenant
und Artilleriecorps=Commandanten Ritter v. Brodesser das Großkreuz;
dem charakterisirten Generallieutenant v. Hagens, ad latus des General-
Commando 's Würzburg, den Generallieutenants Hütz, Gouverneur der
Festung Jngolstadt, v. Steinle, ad latus des General=Commando's Mün-
chen, Ritter v. Buz, Commandant des Geniecorps, den Generalmajoren
Buz, Gouverneur der Festung Germersheim, Dietl, Commandanten der
Festung Ulm, das Großcomthurkreuz; dann dem Generalmajor v. Nessel-
rode=Hugenpoet, Commandant der Stadt München, dem Obersten Graf
Tattenbach, Commandant der Stadt und Festung Landau, das Comthurkreuz,
und außerdem noch 10 Stabs= und Oberofficieren das Ritterkreuz 1. Classe,
und 3 Oberofficieren das Ritterkreuz 2. Cl. des Militär=Verdienst=Ordens ver-
liehen. -- Der Kronprinz von Preußen hat abermals drei bayerischen Stabs-
und Oberofficieren das Eiserne Kreuz 2. Cl., ferner dem Regierungsrath und
Civilcommissär, M. Frhrn. v. Feilitzsch, den Regimentsärzten Dr. Buxbaum
und Dr. Baumüller, und dem Bataillonsarzt Dr. Vischof das Eiserne Kreuz
für Nichtcombattanten am weißen Bande verliehen. -- Ein [unleserliches Material - 8 Zeichen fehlen]Erkenniß
des obersten Gerichtshofes vom 10 März d. J., erlassen in einer Anklage
wegen Gewaltthätigkeit, die an einem Gerichtsvollzieher in Ausübung
seines Berufs verübt worden war, stellt den Satz auf daß die Gerichtsvoll-
zieher den Staats beamten nicht beizuzählen seien. -- Jn der heutigen
Sitzung des Magistrats der Stadt München wurde gelegentlich eines Ge-
suchs um Verleihung des Heimathsrechts die Frage aufgeworfen, ob es
angesichts des durch Art. 3 der Reichsverfassung statuirten allgemeinen
deutschen Jndigenats noch zulässig sei von einem nichtbayerischen Deutschen
eine höhere Heimathsgebühr zu fordern als von einem Bayern. Die Frage
wurde an den Verwaltungsausschuß verwiesen.

sym5 München, 14 März. Zur Feier des heutigen Geburtsfestes
seines Monarchen gibt der Gesandte Jtaliens, Marchese Migliorati, diesen
Nachmittag ein großes Festmahl, zu welchem die fremden Gesandten, sowie
unsere höchsten Hof= und Staatsbeamten geladen sind. -- Der bisherige
bayerische Militärbevollmächtigte in Berlin, Major Frhr. v. Freyberg, ist
abberufen und der Oberst Fries vom Generalquartiermeisterstab, Mitglied
des deutschen Bundesraths, unter Enthebung von seiner bisher bekleideten
Stelle als Referent im Kriegsministerium, zugleich zum k. Militärbevoll-
mächtigten in Berlin ernannt.

Stuttgart, 14 März. Heute Nacht ist der consultirende k. Leib-
arzt Professor Dr. v. Niemeyer in Tübingen seinen Leiden erlegen.
JJ. MM. der König und die Königin bedauern den Hingang dieses als
Arzt wie als Gelehrter gleich ausgezeichneten Mannes, dessen Ableben für
sie selbst, wie für die Wissenschaft, insbesondere die Universität Tübingen,
ein schwerer Verlust ist.

** Wien, 13 März. Zu den Stipulationen im Art. 7 der Lon-
doner Conferenz=Notes über die Fortdauer der Neutralisirung der Etablisse-
ments an den Donaumündungen, wie dieselbe im Note public von 1865
neuerdings definirt worden, hat die Pforte das bedeutungsvolle Amende-
ment durchgesetzt: daß ihr allezeit gestattet sei mit Kriegsschiffen in die
Mündungen einzufahren. -- Es wird nunmehr eine Specialverhandlung
unter den Donauuferstaaten zur Lösung der Frage wegen der Stromregu-
lirung am Eisernen Thor stattzufinden haben. Serbien beharrt noch bei
seinem Widerstande.

Bern, 13 März. Nach Berichten des nach Zürich gesandten
eidgenössischen Commissärs, des Landammanns Dr. Heer, an den Bundes-
rath ist die Ruhe daselbst zurückgekehrt und soll seit dem Eintreffen der Bun-
destruppen eine Wiederholung der während der letzten drei Tage vorgekom-
menen Ruhestörnngen nicht zu befürchten sein. Die vom Bundesrath einge-
leitete strafrechtliche Unterschung von Bundeswegen wird hoffentlich die Ur-
sachen der bedauernswerthen Auftritte, von denen es sich immer mehr heraus-
stellt daß sie gegen das bestehende Regiment, welches jetzt erntet was es ge-
säet hat, gerichtet waren, in das rechte Licht setzen, so daß ein billiges und ge-
rechtes Urtheil nach allen Seiten hin möglich sein wird. Daß vorletzten Abend
vor dem Angriff auf die Strafanstalt, in Folge dessen nicht nur Verwun-
dete, sondern auch 4 Todte auf dem Platze blieben, eine Liste für eine neu
zu wählende Regierung mit dem Namen des Dr. Locher an der Spitze ver-
theilt wurde, scheint allerdings einen gewissen Zusammenhang zwischen ihm
und der Bewegung zu bestätigen.

sym12 Paris, 9 März. Drei Fragen sind es welche in diesem Augen-
blick die Geister in besonderm Grade beschäftigen, und zwar erstens die
Frage der Uebersiedlung der Nationalversammlung von Bordeaux in eine
Paris näher gelegene Stadt wie Versailles oder Fontainebleau oder nach
Paris selbst; dann die fortdauernde Bewegung in der Nationalgarde, de-
ren republicanisch gesinnte Theile noch immer einen coups d'etat befürch-
ten, und aus diesem Grund den Montmartre mit Kanonen und Mitrailleu-
sen besetzt halten; und endlich die Lügen und Uebertreibungen welche durch
die "Agence Havas" über den Zustand in Paris, in Bordeaux und in der
[Spaltenumbruch] Provinz verbreitet worden sind. Alle diese drei Fragen, obwohl sie durch-
aus verschiedene Dinge betreffen, hängen doch innerlich zusammen, und
lassen sich auf den Hauptpunkt zurückführen daß die Nationalversamm-
lung auf jeden Fall nach oder in die Nähe von Paris übersiedeln müsse.
Wäre die Nationalversammlung in Paris, und handelte im Sinne ihres
Mandats, d. h. daß sie das Gedeihen und die Befestigung der bestehen-
den und anerkannten Staatsform im Auge hätte und daran arbeitete,
würden sich die Pariser und die Nationalgarden nicht in ihrer Ruhe
und in dem Bestehen der Republik bedroht fühlen, und vor allen Dingen
wäre es unmöglich daß lügnerische Berichte von reactionärer Seite eine
Stimmung in der Nationalversammlung hervorriefen die zu der Republik
gefährlichen Gewaltsmaßregeln, und in Folge dessen zum Bürgerkrieg zu
führen im Stande sind. Wenn es allerdings nicht zu läugnen ist daß Paris
in der letzten Zeit der Schauplatz von Auftritten war die man gewaltsam
nennen muß, so ist doch auf der andern Seite anzuerkennen daß angesichts
der außerordentlich schwierigen Lage -- einer Lage wie sie Frankreich und
Paris noch nicht schlimmer erlebt haben, diese Auftritte von keiner großen
Bedeutung sind. Man kann dieselben nur als eine natürliche Folge der
aufgeregten und in ihrem nationalen Selbstgefühl schmerzlich betroffenen
Gemüther betrachten, welche, wenn sie die Regierung mit Wohlwollen
und Schonung behandelt, sich bald wieder legen wird. Von vielen Seiten
verlangt man eine Untersuchung, um die Verbreiter der falschen Nachrich-
ten zu bestrafen. Doch wird man von Seiten der Regierung schwerlich
hierauf eingehen, indem dieselbe wahrscheinlich selbst dahinter steckt. We-
nigstens hat der General Lefl o eine Depesche nach Bordeaux geschickt welche
die übertriebenen Gerüchte nur verschlimmern konnte. Man ist bei der
herankommenden heißen Jahreszeit sehr besorgt hinsichtlich der vielen
schlechtbegrabenen Leichen der während der Belagerung um Paris gefalle-
nen Soldaten, und fürchtet sehr für ansteckende Krankheiten. Es ist eine
Commission niedergesetzt welche schleunige Vorsichtsmaßregeln treffen soll,
und man hat schon seit zwei Tagen Militärs nach Le Bourget, Chatillon
und Montretout geschickt, welche die von den Deutschen nur eben mit Erde
zugedeckten Leichen tiefer einscharren sollen.

. Paris, 9 März. Der Commandant der Nationalgarde hatte
gestern Abends eine lange Unterredung mit dem Maire und den National-
garde=Officieren des Montmartre, wo ein paar hundert Nationalgardisten
noch immer mit einer Jnsurrection zu drohen scheinen. Das Ergebniß der
Unterredung war die Gewißheit die Bande werde sich heute auflösen, widri-
genfalls die Verhaftung ihrer Führer morgen stattfinden würde. Damit
wird der letzte Vorwand zu Ruhestörungen beseitigt. Auf dieses Ereigniß
bezieht sich das heutige Manifest im "Amtsblatt," welches eine entschie-
dene Haltung der Regierung gegen die Emeutiers wie gegen die Jntri-
ganten in Aussicht stellt. Das von Thiers verfaßte Manifest ist ein Pro-
gramm welches der Kammermehrheit in Bordeaux wenig behagen wird;
denn es greift der einer künftigen Constituante vorbehaltenen Frage vor.
Wenn es sagt: die Regierung setze ihre Ehre darein die Republik zu grün-
den und sie kräftig zu vertheidigen, so ist dieß ein Eingeständniß des Hrn.
Thiers daß er den patriotischen Ehrgeiz besitzt der Präsident und der
Washington der Republik zu werden. Trotz der aus dem allgemeinen Frie-
densbedürfniß hervorgegangenen Wahlergebnisse bezeichnet das Manifest
die Anarchisten wie die Monarchisten als eine Minderheit welche ein Ver-
brechen am Lande begeht wenn sie durch Jntriguen oder Gewaltthätig-
keiten die Republik angreift. Es ist dieß um so seltsamer als im Cabinet
des Hrn. Thiers der ultra=legitimistische Baron Larcy als Minister der
öffentlichen Arbeiten sitzt. Der Grundgedanke der Thiers'schen Politik ist
daß die Republik allein allen Parteien und Jnteressen einen hinreichenden,
patriotischen Spielraum gewährt, und daß sie allein den Bürgerkrieg hint-
anhalten, die Versöhnung der Geister erstreben, mithin die definitiven
Friedensunterhandlungen und die Creditoperationen ermöglichen kann.
Darüber besteht für niemanden ein Zweifel daß jegliche monarchische Re-
stauration erst einen Bürgerkrieg siegreich zu bestehen haben wird. Schon
die Aussicht auf eine solche Eventualität würde hinreichen den französischen
Friedensunterhändlern in Brüssel jegliche Autorität und Bürgschaft zu beneh-
men, die Zahlungsunfähigkeit Frankreichs und mithin eine neue, feindliche
Occupation herbeizuführen. Auch will die Kammermehrheit in Bordeaux der
Regierung der Republik die Unpopularität des Brüsseler Friedens und die
Ehre überlassen Anlehen im Betrage von Milliarden aufzunehmen. Erst nach-
dem das Terrain so gesäubert wurde, soll die Restauration der Monarchie
unternommen werden. Die Kammermehrheit erwartet von Thiers, und sie
hält ihn dazu auch verpflichtet, er werde einer solchen Restauration die
Wege bahnen und jedenfalls die monarchischen Parteien nicht verhindern
als Mehrheit der Constituante den König zu proclamiren. Legitimisten
und Orleanisten begreifen jetzt die Nothwendigkeit sich in eine einzige große
monarchische Partei zu verschmelzen, welche dem Grafen Chambord und
dem Grafen von Paris die Fusion aufdringt und alsdann Heinrich V auf

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× München, 14 März. Se. Maj. der König hat gestern den
Vortrag des k. Staatsministers des Handels und der öffentlichen Arbeiten,
v. Schlör, entgegengenommen. S. M. der König hat dem Generallieutenant
und Artilleriecorps=Commandanten Ritter v. Brodesser das Großkreuz;
dem charakterisirten Generallieutenant v. Hagens, ad latus des General-
Commando 's Würzburg, den Generallieutenants Hütz, Gouverneur der
Festung Jngolstadt, v. Steinle, ad latus des General=Commando's Mün-
chen, Ritter v. Buz, Commandant des Geniecorps, den Generalmajoren
Buz, Gouverneur der Festung Germersheim, Dietl, Commandanten der
Festung Ulm, das Großcomthurkreuz; dann dem Generalmajor v. Nessel-
rode=Hugenpoet, Commandant der Stadt München, dem Obersten Graf
Tattenbach, Commandant der Stadt und Festung Landau, das Comthurkreuz,
und außerdem noch 10 Stabs= und Oberofficieren das Ritterkreuz 1. Classe,
und 3 Oberofficieren das Ritterkreuz 2. Cl. des Militär=Verdienst=Ordens ver-
liehen. -- Der Kronprinz von Preußen hat abermals drei bayerischen Stabs-
und Oberofficieren das Eiserne Kreuz 2. Cl., ferner dem Regierungsrath und
Civilcommissär, M. Frhrn. v. Feilitzsch, den Regimentsärzten Dr. Buxbaum
und Dr. Baumüller, und dem Bataillonsarzt Dr. Vischof das Eiserne Kreuz
für Nichtcombattanten am weißen Bande verliehen. -- Ein [unleserliches Material – 8 Zeichen fehlen]Erkenniß
des obersten Gerichtshofes vom 10 März d. J., erlassen in einer Anklage
wegen Gewaltthätigkeit, die an einem Gerichtsvollzieher in Ausübung
seines Berufs verübt worden war, stellt den Satz auf daß die Gerichtsvoll-
zieher den Staats beamten nicht beizuzählen seien. -- Jn der heutigen
Sitzung des Magistrats der Stadt München wurde gelegentlich eines Ge-
suchs um Verleihung des Heimathsrechts die Frage aufgeworfen, ob es
angesichts des durch Art. 3 der Reichsverfassung statuirten allgemeinen
deutschen Jndigenats noch zulässig sei von einem nichtbayerischen Deutschen
eine höhere Heimathsgebühr zu fordern als von einem Bayern. Die Frage
wurde an den Verwaltungsausschuß verwiesen.

sym5 München, 14 März. Zur Feier des heutigen Geburtsfestes
seines Monarchen gibt der Gesandte Jtaliens, Marchese Migliorati, diesen
Nachmittag ein großes Festmahl, zu welchem die fremden Gesandten, sowie
unsere höchsten Hof= und Staatsbeamten geladen sind. -- Der bisherige
bayerische Militärbevollmächtigte in Berlin, Major Frhr. v. Freyberg, ist
abberufen und der Oberst Fries vom Generalquartiermeisterstab, Mitglied
des deutschen Bundesraths, unter Enthebung von seiner bisher bekleideten
Stelle als Referent im Kriegsministerium, zugleich zum k. Militärbevoll-
mächtigten in Berlin ernannt.

Stuttgart, 14 März. Heute Nacht ist der consultirende k. Leib-
arzt Professor Dr. v. Niemeyer in Tübingen seinen Leiden erlegen.
JJ. MM. der König und die Königin bedauern den Hingang dieses als
Arzt wie als Gelehrter gleich ausgezeichneten Mannes, dessen Ableben für
sie selbst, wie für die Wissenschaft, insbesondere die Universität Tübingen,
ein schwerer Verlust ist.

** Wien, 13 März. Zu den Stipulationen im Art. 7 der Lon-
doner Conferenz=Notes über die Fortdauer der Neutralisirung der Etablisse-
ments an den Donaumündungen, wie dieselbe im Note public von 1865
neuerdings definirt worden, hat die Pforte das bedeutungsvolle Amende-
ment durchgesetzt: daß ihr allezeit gestattet sei mit Kriegsschiffen in die
Mündungen einzufahren. -- Es wird nunmehr eine Specialverhandlung
unter den Donauuferstaaten zur Lösung der Frage wegen der Stromregu-
lirung am Eisernen Thor stattzufinden haben. Serbien beharrt noch bei
seinem Widerstande.

⨁ Bern, 13 März. Nach Berichten des nach Zürich gesandten
eidgenössischen Commissärs, des Landammanns Dr. Heer, an den Bundes-
rath ist die Ruhe daselbst zurückgekehrt und soll seit dem Eintreffen der Bun-
destruppen eine Wiederholung der während der letzten drei Tage vorgekom-
menen Ruhestörnngen nicht zu befürchten sein. Die vom Bundesrath einge-
leitete strafrechtliche Unterschung von Bundeswegen wird hoffentlich die Ur-
sachen der bedauernswerthen Auftritte, von denen es sich immer mehr heraus-
stellt daß sie gegen das bestehende Regiment, welches jetzt erntet was es ge-
säet hat, gerichtet waren, in das rechte Licht setzen, so daß ein billiges und ge-
rechtes Urtheil nach allen Seiten hin möglich sein wird. Daß vorletzten Abend
vor dem Angriff auf die Strafanstalt, in Folge dessen nicht nur Verwun-
dete, sondern auch 4 Todte auf dem Platze blieben, eine Liste für eine neu
zu wählende Regierung mit dem Namen des Dr. Locher an der Spitze ver-
theilt wurde, scheint allerdings einen gewissen Zusammenhang zwischen ihm
und der Bewegung zu bestätigen.

sym12 Paris, 9 März. Drei Fragen sind es welche in diesem Augen-
blick die Geister in besonderm Grade beschäftigen, und zwar erstens die
Frage der Uebersiedlung der Nationalversammlung von Bordeaux in eine
Paris näher gelegene Stadt wie Versailles oder Fontainebleau oder nach
Paris selbst; dann die fortdauernde Bewegung in der Nationalgarde, de-
ren republicanisch gesinnte Theile noch immer einen coups d'état befürch-
ten, und aus diesem Grund den Montmartre mit Kanonen und Mitrailleu-
sen besetzt halten; und endlich die Lügen und Uebertreibungen welche durch
die „Agence Havas“ über den Zustand in Paris, in Bordeaux und in der
[Spaltenumbruch] Provinz verbreitet worden sind. Alle diese drei Fragen, obwohl sie durch-
aus verschiedene Dinge betreffen, hängen doch innerlich zusammen, und
lassen sich auf den Hauptpunkt zurückführen daß die Nationalversamm-
lung auf jeden Fall nach oder in die Nähe von Paris übersiedeln müsse.
Wäre die Nationalversammlung in Paris, und handelte im Sinne ihres
Mandats, d. h. daß sie das Gedeihen und die Befestigung der bestehen-
den und anerkannten Staatsform im Auge hätte und daran arbeitete,
würden sich die Pariser und die Nationalgarden nicht in ihrer Ruhe
und in dem Bestehen der Republik bedroht fühlen, und vor allen Dingen
wäre es unmöglich daß lügnerische Berichte von reactionärer Seite eine
Stimmung in der Nationalversammlung hervorriefen die zu der Republik
gefährlichen Gewaltsmaßregeln, und in Folge dessen zum Bürgerkrieg zu
führen im Stande sind. Wenn es allerdings nicht zu läugnen ist daß Paris
in der letzten Zeit der Schauplatz von Auftritten war die man gewaltsam
nennen muß, so ist doch auf der andern Seite anzuerkennen daß angesichts
der außerordentlich schwierigen Lage -- einer Lage wie sie Frankreich und
Paris noch nicht schlimmer erlebt haben, diese Auftritte von keiner großen
Bedeutung sind. Man kann dieselben nur als eine natürliche Folge der
aufgeregten und in ihrem nationalen Selbstgefühl schmerzlich betroffenen
Gemüther betrachten, welche, wenn sie die Regierung mit Wohlwollen
und Schonung behandelt, sich bald wieder legen wird. Von vielen Seiten
verlangt man eine Untersuchung, um die Verbreiter der falschen Nachrich-
ten zu bestrafen. Doch wird man von Seiten der Regierung schwerlich
hierauf eingehen, indem dieselbe wahrscheinlich selbst dahinter steckt. We-
nigstens hat der General Lefl ô eine Depesche nach Bordeaux geschickt welche
die übertriebenen Gerüchte nur verschlimmern konnte. Man ist bei der
herankommenden heißen Jahreszeit sehr besorgt hinsichtlich der vielen
schlechtbegrabenen Leichen der während der Belagerung um Paris gefalle-
nen Soldaten, und fürchtet sehr für ansteckende Krankheiten. Es ist eine
Commission niedergesetzt welche schleunige Vorsichtsmaßregeln treffen soll,
und man hat schon seit zwei Tagen Militärs nach Le Bourget, Châtillon
und Montretout geschickt, welche die von den Deutschen nur eben mit Erde
zugedeckten Leichen tiefer einscharren sollen.

. Paris, 9 März. Der Commandant der Nationalgarde hatte
gestern Abends eine lange Unterredung mit dem Maire und den National-
garde=Officieren des Montmartre, wo ein paar hundert Nationalgardisten
noch immer mit einer Jnsurrection zu drohen scheinen. Das Ergebniß der
Unterredung war die Gewißheit die Bande werde sich heute auflösen, widri-
genfalls die Verhaftung ihrer Führer morgen stattfinden würde. Damit
wird der letzte Vorwand zu Ruhestörungen beseitigt. Auf dieses Ereigniß
bezieht sich das heutige Manifest im „Amtsblatt,“ welches eine entschie-
dene Haltung der Regierung gegen die Emeutiers wie gegen die Jntri-
ganten in Aussicht stellt. Das von Thiers verfaßte Manifest ist ein Pro-
gramm welches der Kammermehrheit in Bordeaux wenig behagen wird;
denn es greift der einer künftigen Constituante vorbehaltenen Frage vor.
Wenn es sagt: die Regierung setze ihre Ehre darein die Republik zu grün-
den und sie kräftig zu vertheidigen, so ist dieß ein Eingeständniß des Hrn.
Thiers daß er den patriotischen Ehrgeiz besitzt der Präsident und der
Washington der Republik zu werden. Trotz der aus dem allgemeinen Frie-
densbedürfniß hervorgegangenen Wahlergebnisse bezeichnet das Manifest
die Anarchisten wie die Monarchisten als eine Minderheit welche ein Ver-
brechen am Lande begeht wenn sie durch Jntriguen oder Gewaltthätig-
keiten die Republik angreift. Es ist dieß um so seltsamer als im Cabinet
des Hrn. Thiers der ultra=legitimistische Baron Larcy als Minister der
öffentlichen Arbeiten sitzt. Der Grundgedanke der Thiers'schen Politik ist
daß die Republik allein allen Parteien und Jnteressen einen hinreichenden,
patriotischen Spielraum gewährt, und daß sie allein den Bürgerkrieg hint-
anhalten, die Versöhnung der Geister erstreben, mithin die definitiven
Friedensunterhandlungen und die Creditoperationen ermöglichen kann.
Darüber besteht für niemanden ein Zweifel daß jegliche monarchische Re-
stauration erst einen Bürgerkrieg siegreich zu bestehen haben wird. Schon
die Aussicht auf eine solche Eventualität würde hinreichen den französischen
Friedensunterhändlern in Brüssel jegliche Autorität und Bürgschaft zu beneh-
men, die Zahlungsunfähigkeit Frankreichs und mithin eine neue, feindliche
Occupation herbeizuführen. Auch will die Kammermehrheit in Bordeaux der
Regierung der Republik die Unpopularität des Brüsseler Friedens und die
Ehre überlassen Anlehen im Betrage von Milliarden aufzunehmen. Erst nach-
dem das Terrain so gesäubert wurde, soll die Restauration der Monarchie
unternommen werden. Die Kammermehrheit erwartet von Thiers, und sie
hält ihn dazu auch verpflichtet, er werde einer solchen Restauration die
Wege bahnen und jedenfalls die monarchischen Parteien nicht verhindern
als Mehrheit der Constituante den König zu proclamiren. Legitimisten
und Orleanisten begreifen jetzt die Nothwendigkeit sich in eine einzige große
monarchische Partei zu verschmelzen, welche dem Grafen Chambord und
dem Grafen von Paris die Fusion aufdringt und alsdann Heinrich V auf

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[1252/0012] Neueste Posten. × München, 14 März. Se. Maj. der König hat gestern den Vortrag des k. Staatsministers des Handels und der öffentlichen Arbeiten, v. Schlör, entgegengenommen. S. M. der König hat dem Generallieutenant und Artilleriecorps=Commandanten Ritter v. Brodesser das Großkreuz; dem charakterisirten Generallieutenant v. Hagens, ad latus des General- Commando 's Würzburg, den Generallieutenants Hütz, Gouverneur der Festung Jngolstadt, v. Steinle, ad latus des General=Commando's Mün- chen, Ritter v. Buz, Commandant des Geniecorps, den Generalmajoren Buz, Gouverneur der Festung Germersheim, Dietl, Commandanten der Festung Ulm, das Großcomthurkreuz; dann dem Generalmajor v. Nessel- rode=Hugenpoet, Commandant der Stadt München, dem Obersten Graf Tattenbach, Commandant der Stadt und Festung Landau, das Comthurkreuz, und außerdem noch 10 Stabs= und Oberofficieren das Ritterkreuz 1. Classe, und 3 Oberofficieren das Ritterkreuz 2. Cl. des Militär=Verdienst=Ordens ver- liehen. -- Der Kronprinz von Preußen hat abermals drei bayerischen Stabs- und Oberofficieren das Eiserne Kreuz 2. Cl., ferner dem Regierungsrath und Civilcommissär, M. Frhrn. v. Feilitzsch, den Regimentsärzten Dr. Buxbaum und Dr. Baumüller, und dem Bataillonsarzt Dr. Vischof das Eiserne Kreuz für Nichtcombattanten am weißen Bande verliehen. -- Ein ________Erkenniß des obersten Gerichtshofes vom 10 März d. J., erlassen in einer Anklage wegen Gewaltthätigkeit, die an einem Gerichtsvollzieher in Ausübung seines Berufs verübt worden war, stellt den Satz auf daß die Gerichtsvoll- zieher den Staats beamten nicht beizuzählen seien. -- Jn der heutigen Sitzung des Magistrats der Stadt München wurde gelegentlich eines Ge- suchs um Verleihung des Heimathsrechts die Frage aufgeworfen, ob es angesichts des durch Art. 3 der Reichsverfassung statuirten allgemeinen deutschen Jndigenats noch zulässig sei von einem nichtbayerischen Deutschen eine höhere Heimathsgebühr zu fordern als von einem Bayern. Die Frage wurde an den Verwaltungsausschuß verwiesen. sym5 München, 14 März. Zur Feier des heutigen Geburtsfestes seines Monarchen gibt der Gesandte Jtaliens, Marchese Migliorati, diesen Nachmittag ein großes Festmahl, zu welchem die fremden Gesandten, sowie unsere höchsten Hof= und Staatsbeamten geladen sind. -- Der bisherige bayerische Militärbevollmächtigte in Berlin, Major Frhr. v. Freyberg, ist abberufen und der Oberst Fries vom Generalquartiermeisterstab, Mitglied des deutschen Bundesraths, unter Enthebung von seiner bisher bekleideten Stelle als Referent im Kriegsministerium, zugleich zum k. Militärbevoll- mächtigten in Berlin ernannt. Stuttgart, 14 März. Heute Nacht ist der consultirende k. Leib- arzt Professor Dr. v. Niemeyer in Tübingen seinen Leiden erlegen. JJ. MM. der König und die Königin bedauern den Hingang dieses als Arzt wie als Gelehrter gleich ausgezeichneten Mannes, dessen Ableben für sie selbst, wie für die Wissenschaft, insbesondere die Universität Tübingen, ein schwerer Verlust ist. ** Wien, 13 März. Zu den Stipulationen im Art. 7 der Lon- doner Conferenz=Notes über die Fortdauer der Neutralisirung der Etablisse- ments an den Donaumündungen, wie dieselbe im Note public von 1865 neuerdings definirt worden, hat die Pforte das bedeutungsvolle Amende- ment durchgesetzt: daß ihr allezeit gestattet sei mit Kriegsschiffen in die Mündungen einzufahren. -- Es wird nunmehr eine Specialverhandlung unter den Donauuferstaaten zur Lösung der Frage wegen der Stromregu- lirung am Eisernen Thor stattzufinden haben. Serbien beharrt noch bei seinem Widerstande. ⨁ Bern, 13 März. Nach Berichten des nach Zürich gesandten eidgenössischen Commissärs, des Landammanns Dr. Heer, an den Bundes- rath ist die Ruhe daselbst zurückgekehrt und soll seit dem Eintreffen der Bun- destruppen eine Wiederholung der während der letzten drei Tage vorgekom- menen Ruhestörnngen nicht zu befürchten sein. Die vom Bundesrath einge- leitete strafrechtliche Unterschung von Bundeswegen wird hoffentlich die Ur- sachen der bedauernswerthen Auftritte, von denen es sich immer mehr heraus- stellt daß sie gegen das bestehende Regiment, welches jetzt erntet was es ge- säet hat, gerichtet waren, in das rechte Licht setzen, so daß ein billiges und ge- rechtes Urtheil nach allen Seiten hin möglich sein wird. Daß vorletzten Abend vor dem Angriff auf die Strafanstalt, in Folge dessen nicht nur Verwun- dete, sondern auch 4 Todte auf dem Platze blieben, eine Liste für eine neu zu wählende Regierung mit dem Namen des Dr. Locher an der Spitze ver- theilt wurde, scheint allerdings einen gewissen Zusammenhang zwischen ihm und der Bewegung zu bestätigen. sym12 Paris, 9 März. Drei Fragen sind es welche in diesem Augen- blick die Geister in besonderm Grade beschäftigen, und zwar erstens die Frage der Uebersiedlung der Nationalversammlung von Bordeaux in eine Paris näher gelegene Stadt wie Versailles oder Fontainebleau oder nach Paris selbst; dann die fortdauernde Bewegung in der Nationalgarde, de- ren republicanisch gesinnte Theile noch immer einen coups d'état befürch- ten, und aus diesem Grund den Montmartre mit Kanonen und Mitrailleu- sen besetzt halten; und endlich die Lügen und Uebertreibungen welche durch die „Agence Havas“ über den Zustand in Paris, in Bordeaux und in der Provinz verbreitet worden sind. Alle diese drei Fragen, obwohl sie durch- aus verschiedene Dinge betreffen, hängen doch innerlich zusammen, und lassen sich auf den Hauptpunkt zurückführen daß die Nationalversamm- lung auf jeden Fall nach oder in die Nähe von Paris übersiedeln müsse. Wäre die Nationalversammlung in Paris, und handelte im Sinne ihres Mandats, d. h. daß sie das Gedeihen und die Befestigung der bestehen- den und anerkannten Staatsform im Auge hätte und daran arbeitete, würden sich die Pariser und die Nationalgarden nicht in ihrer Ruhe und in dem Bestehen der Republik bedroht fühlen, und vor allen Dingen wäre es unmöglich daß lügnerische Berichte von reactionärer Seite eine Stimmung in der Nationalversammlung hervorriefen die zu der Republik gefährlichen Gewaltsmaßregeln, und in Folge dessen zum Bürgerkrieg zu führen im Stande sind. Wenn es allerdings nicht zu läugnen ist daß Paris in der letzten Zeit der Schauplatz von Auftritten war die man gewaltsam nennen muß, so ist doch auf der andern Seite anzuerkennen daß angesichts der außerordentlich schwierigen Lage -- einer Lage wie sie Frankreich und Paris noch nicht schlimmer erlebt haben, diese Auftritte von keiner großen Bedeutung sind. Man kann dieselben nur als eine natürliche Folge der aufgeregten und in ihrem nationalen Selbstgefühl schmerzlich betroffenen Gemüther betrachten, welche, wenn sie die Regierung mit Wohlwollen und Schonung behandelt, sich bald wieder legen wird. Von vielen Seiten verlangt man eine Untersuchung, um die Verbreiter der falschen Nachrich- ten zu bestrafen. Doch wird man von Seiten der Regierung schwerlich hierauf eingehen, indem dieselbe wahrscheinlich selbst dahinter steckt. We- nigstens hat der General Lefl ô eine Depesche nach Bordeaux geschickt welche die übertriebenen Gerüchte nur verschlimmern konnte. Man ist bei der herankommenden heißen Jahreszeit sehr besorgt hinsichtlich der vielen schlechtbegrabenen Leichen der während der Belagerung um Paris gefalle- nen Soldaten, und fürchtet sehr für ansteckende Krankheiten. Es ist eine Commission niedergesetzt welche schleunige Vorsichtsmaßregeln treffen soll, und man hat schon seit zwei Tagen Militärs nach Le Bourget, Châtillon und Montretout geschickt, welche die von den Deutschen nur eben mit Erde zugedeckten Leichen tiefer einscharren sollen. . Paris, 9 März. Der Commandant der Nationalgarde hatte gestern Abends eine lange Unterredung mit dem Maire und den National- garde=Officieren des Montmartre, wo ein paar hundert Nationalgardisten noch immer mit einer Jnsurrection zu drohen scheinen. Das Ergebniß der Unterredung war die Gewißheit die Bande werde sich heute auflösen, widri- genfalls die Verhaftung ihrer Führer morgen stattfinden würde. Damit wird der letzte Vorwand zu Ruhestörungen beseitigt. Auf dieses Ereigniß bezieht sich das heutige Manifest im „Amtsblatt,“ welches eine entschie- dene Haltung der Regierung gegen die Emeutiers wie gegen die Jntri- ganten in Aussicht stellt. Das von Thiers verfaßte Manifest ist ein Pro- gramm welches der Kammermehrheit in Bordeaux wenig behagen wird; denn es greift der einer künftigen Constituante vorbehaltenen Frage vor. Wenn es sagt: die Regierung setze ihre Ehre darein die Republik zu grün- den und sie kräftig zu vertheidigen, so ist dieß ein Eingeständniß des Hrn. Thiers daß er den patriotischen Ehrgeiz besitzt der Präsident und der Washington der Republik zu werden. Trotz der aus dem allgemeinen Frie- densbedürfniß hervorgegangenen Wahlergebnisse bezeichnet das Manifest die Anarchisten wie die Monarchisten als eine Minderheit welche ein Ver- brechen am Lande begeht wenn sie durch Jntriguen oder Gewaltthätig- keiten die Republik angreift. Es ist dieß um so seltsamer als im Cabinet des Hrn. Thiers der ultra=legitimistische Baron Larcy als Minister der öffentlichen Arbeiten sitzt. Der Grundgedanke der Thiers'schen Politik ist daß die Republik allein allen Parteien und Jnteressen einen hinreichenden, patriotischen Spielraum gewährt, und daß sie allein den Bürgerkrieg hint- anhalten, die Versöhnung der Geister erstreben, mithin die definitiven Friedensunterhandlungen und die Creditoperationen ermöglichen kann. Darüber besteht für niemanden ein Zweifel daß jegliche monarchische Re- stauration erst einen Bürgerkrieg siegreich zu bestehen haben wird. Schon die Aussicht auf eine solche Eventualität würde hinreichen den französischen Friedensunterhändlern in Brüssel jegliche Autorität und Bürgschaft zu beneh- men, die Zahlungsunfähigkeit Frankreichs und mithin eine neue, feindliche Occupation herbeizuführen. Auch will die Kammermehrheit in Bordeaux der Regierung der Republik die Unpopularität des Brüsseler Friedens und die Ehre überlassen Anlehen im Betrage von Milliarden aufzunehmen. Erst nach- dem das Terrain so gesäubert wurde, soll die Restauration der Monarchie unternommen werden. Die Kammermehrheit erwartet von Thiers, und sie hält ihn dazu auch verpflichtet, er werde einer solchen Restauration die Wege bahnen und jedenfalls die monarchischen Parteien nicht verhindern als Mehrheit der Constituante den König zu proclamiren. Legitimisten und Orleanisten begreifen jetzt die Nothwendigkeit sich in eine einzige große monarchische Partei zu verschmelzen, welche dem Grafen Chambord und dem Grafen von Paris die Fusion aufdringt und alsdann Heinrich V auf

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 74. Augsburg (Bayern), 15. März 1871, S. 1252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_augsburg74_1871/12>, abgerufen am 21.11.2024.