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Allgemeine Zeitung. Nr. 69. Augsburg (Bayern), 10. März 1871.

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[Spaltenumbruch] zosenbraut," sagen, wenngleich es ziemlich hinter den Erwartungen zurück-
blieb die man von demselben gehegt. Der äußere Grund dieser seiner ge-
ringen Bühnenwirksamkeit liegt wohl vor allem in der überwältigenden
Größe unserer gegenwärtigen geschichtlichen Epoche, die, wie sie die große
Zeit der Freiheitskriege überhaupt in den Schatten stellt, so auch und in
noch höherem Maße das Jnteresse abstumpft für Stoffe aus derselben,
wenn diese sich in so engen und bescheidenen Gränzen bewegen wie es hier
der Fall ist. Der innere Grund ist in dem allzu Episodenhaften der ganzen
Composition wie nicht minder der handelnd eingreifenden Personen zu
suchen, und wenn sich das gerade im "Colberg" so glänzend bekundete Ta-
lent Heyse's volle lebenswahre Menschen mit wenigen scharfen Strichen
hinzustellen auch hier keineswegs verläugnet, so sind es doch nur wenige
und nicht eben die bedeutendsten Figuren des Stückes die ihm in dieser
Weise gelungen sind. Auch sind öfter, so in der Hauptscene des dritten
Acts, etwas possenhafte Motive in den Ernst der Lage hineingebracht, die
den Eindruck abschwächen, und außerdem schwankt das Stück im vierten
und fünften Act bedenklich zwischen einem Schau= und Trauerspiel in der
Mitte, nimmt mehrmals einen scheinbaren Anlauf zur höchsten Tragik, zu
einem erschütternden Abschluß, und verläuft endlich doch in ganz harmloser
und gemüthlicher Weise. Ein recht getreues Spiegelbild des damaligen
übermüthigen und frechen Franzosenthums liefert der Graf Sangallo, der
Chef der geheimen Polizei in Berlin; was die Titelheldin selbst betrifft,
die von Frau Dahn=Hausmann mit allem Aufgebot ihrer künstlerischen
Mittel trefflich verkörpert wurde, so ist der Conflict in welchen sie die
Liebe zu einem französischen General einerseits mit ihrem hyperfanatischen
Bruder, andrerseits mit dem französischen Polizeichef bringt, der sie als
Werkzeug seiner intriganten Plane benutzen will, von vornherein ein
wahrer und interessanter; aber die Figur verliert im Verlaufe des Stückes
theils durch Jnconsequenzen ihres Charakters, theils durch ein allzu wenig
motivirtes äußeres Handeln. Die Diction dagegen ist -- die Volksscenen
abgerechnet -- eine edle und gedankenvolle, und der erste, zweite und vierte
Act enthalten auch dramatische Partien von bedeutender Schönheit.

Entschieden interessant und geistvoll, besonders in der ersten größeren
Hälfte, ist das auf reichem Quellenstudium beruhende und mit Bühnen-
technik verfaßte Drama "Mazarin" von Dr. J. Werther ( artist. Director
des Mannheimer Hoftheaters ) . Der darin behandelte Conflict ist derselbe
wie in Jul. Grosse's höchst interessantem historischen Roman "Maria Man-
cini." Der ehrgeizige Cardinal opfert seine mit aller Kunst in Scene ge-
setzte Lieblingsidee, Maria an den jungen Ludwig XIV zu verheirathen,
und so durch sie die Zügel der Regierung für immer in den Händen zu
behalten, in demselben Moment auf wo er mit Schrecken gewahrt daß er
sich in seiner Nichte kein gefügiges Werkzeug seiner Plane, sondern seine
erbittertste Feindin herangezogen, welche den König vor allem der Bevormun-
dung Mazarins zu entreißen und dessen unseligen Einfluß zu vernichten
entschlossen ist. Jn der Reihenfolge sowie im ganzen Bau der Scenen
ist das Stück, besonders im zweiten und dritten Act, augenscheinlich durch
Grosse's Roman bedeutend beeinflußt, und diese beiden Acte sind denn
auch am packendsten und bühnenwirksamsten. Jn der Lösung des Con-
flictes dagegen weichen beide weit von einander ab, und hier müssen wir
Grosse entschieden den Vorzug geben. Bei ihm entsagt Maria aus Gründen
der Hochherzigkeit, so sehr auch allen Jntriguen zum Trotz der König auf
der Verbindung besteht, und findet in den Armen ihres Jugendgespielen
Colonna vollen Ersatz für das preisgegebene Glück; Werther dagegen hat
den Knoten einfach durchhauen, und jedem irgendwie psychologisch noch in-
teressanten Austrag für immer einen Riegel vorgeschoben durch die sehr
kühne Wendung daß sich Maria plötzlich als die längst todtgeglaubte
Frucht der heimlichen Ehe Mazarins mit der Königin Anna, also als
Ludwigs Stiefschwester, entpuppt. Auch der fünfte Act bedarf durchaus
der Umarbeitung -- der Tod Mazarins ist durch nichts motivirt, und seine
allzu starken Anwandlungen von Reue und Buße passen wenig zu seinem
früheren Charakter; überhaupt sind manche Längen, schon in der Exposi-
tion, zu beseitigen und mehrere Episoden=Figuren ganz zu streichen. Gelingt
dieß dem Dichter, so würde sich das Stück mit seiner geschickten Mache, sei-
ner zwar nicht tiefen aber ansprechenden Charakteristik und seiner gemesse-
nen und verständigen Sprache, der nur etwas poetischer Schwung zu
wünschen wäre, wohl auf dem Repertoire einbürgern können.

Das kleine Festspiel von Girndt: "Unter der Linde von Steinheim
am Main," ist zwar nicht ohne einen leisen Anflug von Humor, aber doch
viel zu sehr mit den allergewöhnlichsten patriotischen Phrasen und ermü-
denden Schlachtenbeschreibungen versetzt. Das beste darin ist noch die
Figur der hessischen Bäuerin, welche dem biedern Preußen am Schlusse Herz
und Hand schenkt, und von Frau Dahn=Hausmann allerliebst gespielt wurde.
Ueber Kleist's "Hermannschlacht" ist in diesen Blättern schon ausführlich
geurtheilt worden; ob sich dieselbe aber dauernd auf der Bühne halten
wird, möchten wir doch sehr bezweifeln, zumal die aus Kleists erbittertem
[Spaltenumbruch] Grimm gegen die Fremdherrschaft erwachsene Figur des Hermann ehre
einem Gambetta als einem wirklich deutschen Helden ähnlich sieht, und
ebenso wie Thusnelda in manchen Scenen geradezu widerwärtig berührt. Eine
wirkliche Bereicherung des Repertoire's dagegen ist Moliere 's noch immer
zutreffendes Lustspiel "Die gelehrten Frauen," das in der gelungenen
Uebersetzung von Baudissin und einer zweckmäßigen Bühneneinrichtung
hier zum erstenmal mit bedeutendem Beifall in Scene gieng. Neu ein-
studiert erschienen ferner im Schauspiel Laube's "Essex," in der Oper " Ro-
bert der Teufel," und im Ballet Corally's "Gisella" und Fenzls Panto-
mime "Der Kobold," letztere mit einer Reihe von Akrobatenkunststückchen,
die eigentlich nicht auf die weltbedeutenden Bretter, am wenigsten die einer
Hofbühne gehören. Doch mag der Faschingsdienstag die Vorführung
derselben, sowie der trivialen Posse Kotzebue's "Der Wirrwarr," entschul-
digen. Jnteressante Genüsse endlich boten Racine's "Athalia," Lortzings
"Undine," Schuberts "Häuslicher Krieg," Wagners "Lohengrin" ( in
prachtvoller Ausstattung ) , Halevy's "Jüdin," "Die weiße Dame," in
welcher Hr. Nachbaur nach langer Krankheit zum erstenmal wieder durch
seine schöne Stimme das Publicum entzückte, und die Aufführung der von
Robert Schumann componirten Scenen aus Goethe's "Faust," unter de-
nen besonders die des zweiten Theils große Wirkung erzielten.

Neueste Posten.

sym5 München, 9 März. JJ. MM. der König und die Königin-
Mutter haben mit den k. Prinzen und Prinzessinnen und dem gesammten
Hofstaate, dem Officiercorps ec. diesen Nachmittag der Trauerfeier, der
Vigil für den seligen König Max II in der Hofkirche zu St. Cajetan bei-
gewohnt und werden ebenso morgen Vormittag den Exequien beiwohnen.
-- Die Oekonomiecommission des Depots des ersten Cuirassierregiments
dahier beginnt bereits nächsten Samstag mit der Versteigerung überzähli-
ger Reitpferde. -- Gestern Nachts sind per Eisenbahn 613 aus französi-
scher Kriegsgefangenschaft zurückgekehrte bayerische Soldaten hier ein-
getroffen; sie waren in Pau internirt und brauchten von dort per Eisen-
bahn volle 10 Tage bis München.

: München, 9 März. Se. Maj. der König hat gestern Nachts
10 Uhr dem Prinzen Luitpold, welcher am Bahnhof von seiner Familie
und J. Maj. der Königin=Mutter begrüßt und in seinem Palast aufs fest-
lichste empfangen wurde, einen Willkommbesuch gemacht und dortselbst
gegen eine Stunde verweilt. -- Der Delegirte des Landeshülfsvereins,
Ludw. v. Niethammer, hat am vorigen Dienstag Versailles verlassen, nach-
dem die dortigen Lazarethe aufgelöst worden sind. -- Die verschiedenen
Gerüchte über Personalveränderungen, wie sie nach in= und ausländischen
Blättern in den höchsten Regierungskreisen vor sich gehen sollen, entbehren
jedes thatsächlichen Anhaltspunktes.

x München, 9 März. Die im Etappendienst gestandenen Land-
wehrbataillone sind zur Rückkehr nach Bayern beordert, und ebenso sind
die Einleitungen zum Rücktransport der combinirten Landwehrbataillone
Nr. 3, 5, 7, 13, 15, 27 und 29 bereits getroffen. -- Der kürzlich vom
Magistrat mit 17 gegen 10 Stimmen gefaßte Beschluß das Jsarthor ab-
zubrechen, rief gestern im Collegium der Gemeindebevollmächtigten eine
lebhafte Debatte hervor, in deren Verlauf nur einige wenige Stimmen
sich zur Vertheidigung des Magistratsbeschlusses erhoben, während die
große Mehrzahl der Redner denselben einer herben Kritik unterstellte,
einige ihn sogar geradezu als übereilt und ohne gehörige Prüfung
gefaßt bezeichneten. Einstimmig sprach sich schließlich das Colle-
gium dahin aus daß in Anbetracht der vorgekommenen Verkehrs-
störungen und Unglücksfälle allerdings zugleich mit der Regulirung des
Thals eine zweckmäßige Ordnung der Verkehrswege am Jsarthor wün-
schenswerth sei, daß aber, bevor zu diesem Behufe weitere Schritte ge-
schehen, erst von der k. Akademie der bildenden Künste ein Gutachten über
den Kunstwerth und den Zustand der an dem Thore angebrachten Bilder,
über die Möglichkeit und die Kosten ihrer Restaurirung und ferneren Er-
haltung eingeholt werden möge. -- Eine gemeinsame Commission der Ge-
meindecollegien Münchens wird zusammentreten und ein Gutachten dar-
über abgeben ob und welche Feierlichkeiten beim Einzug der Truppen
zu veranstalten seien.

* + * Frankfurt, 8 März. Heute Abend bald nach 6 Uhr lief der
festlich geschmückte Expreßzug der den Reichskanzler Grafen Bismarck von
Mainz brachte, auf dem Main = Neckar = Bahnhof ein, woselbst u. a. der
Polizeipräsident v. Madai, der Stadtcommandant General v. Meyerfeld,
der Oberbürgermeister Dr. Mumm und der Delegirte des Johanniter-
ordens Graf Solms sich eingefunden hatten. Sobald die dichtgedrängte
Menge des Reichskanzlers, der die Uniform seines Regiments trug,
ansichtig wurde, brach sie in ein lautes Hoch aus. Derselbe verließ
bald seinen Wagen und unterhielt sich etwa 10 Minuten lang mit
den ihm bekannten Herren. Als der Zug im Begriff stand auf der Ver-
bindungsbahn nach dem Hanauer Bahnhof abzufahren und dieß zu einem

[Spaltenumbruch] zosenbraut,“ sagen, wenngleich es ziemlich hinter den Erwartungen zurück-
blieb die man von demselben gehegt. Der äußere Grund dieser seiner ge-
ringen Bühnenwirksamkeit liegt wohl vor allem in der überwältigenden
Größe unserer gegenwärtigen geschichtlichen Epoche, die, wie sie die große
Zeit der Freiheitskriege überhaupt in den Schatten stellt, so auch und in
noch höherem Maße das Jnteresse abstumpft für Stoffe aus derselben,
wenn diese sich in so engen und bescheidenen Gränzen bewegen wie es hier
der Fall ist. Der innere Grund ist in dem allzu Episodenhaften der ganzen
Composition wie nicht minder der handelnd eingreifenden Personen zu
suchen, und wenn sich das gerade im „Colberg“ so glänzend bekundete Ta-
lent Heyse's volle lebenswahre Menschen mit wenigen scharfen Strichen
hinzustellen auch hier keineswegs verläugnet, so sind es doch nur wenige
und nicht eben die bedeutendsten Figuren des Stückes die ihm in dieser
Weise gelungen sind. Auch sind öfter, so in der Hauptscene des dritten
Acts, etwas possenhafte Motive in den Ernst der Lage hineingebracht, die
den Eindruck abschwächen, und außerdem schwankt das Stück im vierten
und fünften Act bedenklich zwischen einem Schau= und Trauerspiel in der
Mitte, nimmt mehrmals einen scheinbaren Anlauf zur höchsten Tragik, zu
einem erschütternden Abschluß, und verläuft endlich doch in ganz harmloser
und gemüthlicher Weise. Ein recht getreues Spiegelbild des damaligen
übermüthigen und frechen Franzosenthums liefert der Graf Sangallo, der
Chef der geheimen Polizei in Berlin; was die Titelheldin selbst betrifft,
die von Frau Dahn=Hausmann mit allem Aufgebot ihrer künstlerischen
Mittel trefflich verkörpert wurde, so ist der Conflict in welchen sie die
Liebe zu einem französischen General einerseits mit ihrem hyperfanatischen
Bruder, andrerseits mit dem französischen Polizeichef bringt, der sie als
Werkzeug seiner intriganten Plane benutzen will, von vornherein ein
wahrer und interessanter; aber die Figur verliert im Verlaufe des Stückes
theils durch Jnconsequenzen ihres Charakters, theils durch ein allzu wenig
motivirtes äußeres Handeln. Die Diction dagegen ist -- die Volksscenen
abgerechnet -- eine edle und gedankenvolle, und der erste, zweite und vierte
Act enthalten auch dramatische Partien von bedeutender Schönheit.

Entschieden interessant und geistvoll, besonders in der ersten größeren
Hälfte, ist das auf reichem Quellenstudium beruhende und mit Bühnen-
technik verfaßte Drama „Mazarin“ von Dr. J. Werther ( artist. Director
des Mannheimer Hoftheaters ) . Der darin behandelte Conflict ist derselbe
wie in Jul. Grosse's höchst interessantem historischen Roman „Maria Man-
cini.“ Der ehrgeizige Cardinal opfert seine mit aller Kunst in Scene ge-
setzte Lieblingsidee, Maria an den jungen Ludwig XIV zu verheirathen,
und so durch sie die Zügel der Regierung für immer in den Händen zu
behalten, in demselben Moment auf wo er mit Schrecken gewahrt daß er
sich in seiner Nichte kein gefügiges Werkzeug seiner Plane, sondern seine
erbittertste Feindin herangezogen, welche den König vor allem der Bevormun-
dung Mazarins zu entreißen und dessen unseligen Einfluß zu vernichten
entschlossen ist. Jn der Reihenfolge sowie im ganzen Bau der Scenen
ist das Stück, besonders im zweiten und dritten Act, augenscheinlich durch
Grosse's Roman bedeutend beeinflußt, und diese beiden Acte sind denn
auch am packendsten und bühnenwirksamsten. Jn der Lösung des Con-
flictes dagegen weichen beide weit von einander ab, und hier müssen wir
Grosse entschieden den Vorzug geben. Bei ihm entsagt Maria aus Gründen
der Hochherzigkeit, so sehr auch allen Jntriguen zum Trotz der König auf
der Verbindung besteht, und findet in den Armen ihres Jugendgespielen
Colonna vollen Ersatz für das preisgegebene Glück; Werther dagegen hat
den Knoten einfach durchhauen, und jedem irgendwie psychologisch noch in-
teressanten Austrag für immer einen Riegel vorgeschoben durch die sehr
kühne Wendung daß sich Maria plötzlich als die längst todtgeglaubte
Frucht der heimlichen Ehe Mazarins mit der Königin Anna, also als
Ludwigs Stiefschwester, entpuppt. Auch der fünfte Act bedarf durchaus
der Umarbeitung -- der Tod Mazarins ist durch nichts motivirt, und seine
allzu starken Anwandlungen von Reue und Buße passen wenig zu seinem
früheren Charakter; überhaupt sind manche Längen, schon in der Exposi-
tion, zu beseitigen und mehrere Episoden=Figuren ganz zu streichen. Gelingt
dieß dem Dichter, so würde sich das Stück mit seiner geschickten Mache, sei-
ner zwar nicht tiefen aber ansprechenden Charakteristik und seiner gemesse-
nen und verständigen Sprache, der nur etwas poetischer Schwung zu
wünschen wäre, wohl auf dem Repertoire einbürgern können.

Das kleine Festspiel von Girndt: „Unter der Linde von Steinheim
am Main,“ ist zwar nicht ohne einen leisen Anflug von Humor, aber doch
viel zu sehr mit den allergewöhnlichsten patriotischen Phrasen und ermü-
denden Schlachtenbeschreibungen versetzt. Das beste darin ist noch die
Figur der hessischen Bäuerin, welche dem biedern Preußen am Schlusse Herz
und Hand schenkt, und von Frau Dahn=Hausmann allerliebst gespielt wurde.
Ueber Kleist's „Hermannschlacht“ ist in diesen Blättern schon ausführlich
geurtheilt worden; ob sich dieselbe aber dauernd auf der Bühne halten
wird, möchten wir doch sehr bezweifeln, zumal die aus Kleists erbittertem
[Spaltenumbruch] Grimm gegen die Fremdherrschaft erwachsene Figur des Hermann ehre
einem Gambetta als einem wirklich deutschen Helden ähnlich sieht, und
ebenso wie Thusnelda in manchen Scenen geradezu widerwärtig berührt. Eine
wirkliche Bereicherung des Repertoire's dagegen ist Molière 's noch immer
zutreffendes Lustspiel „Die gelehrten Frauen,“ das in der gelungenen
Uebersetzung von Baudissin und einer zweckmäßigen Bühneneinrichtung
hier zum erstenmal mit bedeutendem Beifall in Scene gieng. Neu ein-
studiert erschienen ferner im Schauspiel Laube's „Essex,“ in der Oper „ Ro-
bert der Teufel,“ und im Ballet Corally's „Gisella“ und Fenzls Panto-
mime „Der Kobold,“ letztere mit einer Reihe von Akrobatenkunststückchen,
die eigentlich nicht auf die weltbedeutenden Bretter, am wenigsten die einer
Hofbühne gehören. Doch mag der Faschingsdienstag die Vorführung
derselben, sowie der trivialen Posse Kotzebue's „Der Wirrwarr,“ entschul-
digen. Jnteressante Genüsse endlich boten Racine's „Athalia,“ Lortzings
„Undine,“ Schuberts „Häuslicher Krieg,“ Wagners „Lohengrin“ ( in
prachtvoller Ausstattung ) , Halevy's „Jüdin,“ „Die weiße Dame,“ in
welcher Hr. Nachbaur nach langer Krankheit zum erstenmal wieder durch
seine schöne Stimme das Publicum entzückte, und die Aufführung der von
Robert Schumann componirten Scenen aus Goethe's „Faust,“ unter de-
nen besonders die des zweiten Theils große Wirkung erzielten.

Neueste Posten.

sym5 München, 9 März. JJ. MM. der König und die Königin-
Mutter haben mit den k. Prinzen und Prinzessinnen und dem gesammten
Hofstaate, dem Officiercorps ec. diesen Nachmittag der Trauerfeier, der
Vigil für den seligen König Max II in der Hofkirche zu St. Cajetan bei-
gewohnt und werden ebenso morgen Vormittag den Exequien beiwohnen.
-- Die Oekonomiecommission des Depots des ersten Cuirassierregiments
dahier beginnt bereits nächsten Samstag mit der Versteigerung überzähli-
ger Reitpferde. -- Gestern Nachts sind per Eisenbahn 613 aus französi-
scher Kriegsgefangenschaft zurückgekehrte bayerische Soldaten hier ein-
getroffen; sie waren in Pau internirt und brauchten von dort per Eisen-
bahn volle 10 Tage bis München.

: München, 9 März. Se. Maj. der König hat gestern Nachts
10 Uhr dem Prinzen Luitpold, welcher am Bahnhof von seiner Familie
und J. Maj. der Königin=Mutter begrüßt und in seinem Palast aufs fest-
lichste empfangen wurde, einen Willkommbesuch gemacht und dortselbst
gegen eine Stunde verweilt. -- Der Delegirte des Landeshülfsvereins,
Ludw. v. Niethammer, hat am vorigen Dienstag Versailles verlassen, nach-
dem die dortigen Lazarethe aufgelöst worden sind. -- Die verschiedenen
Gerüchte über Personalveränderungen, wie sie nach in= und ausländischen
Blättern in den höchsten Regierungskreisen vor sich gehen sollen, entbehren
jedes thatsächlichen Anhaltspunktes.

× München, 9 März. Die im Etappendienst gestandenen Land-
wehrbataillone sind zur Rückkehr nach Bayern beordert, und ebenso sind
die Einleitungen zum Rücktransport der combinirten Landwehrbataillone
Nr. 3, 5, 7, 13, 15, 27 und 29 bereits getroffen. -- Der kürzlich vom
Magistrat mit 17 gegen 10 Stimmen gefaßte Beschluß das Jsarthor ab-
zubrechen, rief gestern im Collegium der Gemeindebevollmächtigten eine
lebhafte Debatte hervor, in deren Verlauf nur einige wenige Stimmen
sich zur Vertheidigung des Magistratsbeschlusses erhoben, während die
große Mehrzahl der Redner denselben einer herben Kritik unterstellte,
einige ihn sogar geradezu als übereilt und ohne gehörige Prüfung
gefaßt bezeichneten. Einstimmig sprach sich schließlich das Colle-
gium dahin aus daß in Anbetracht der vorgekommenen Verkehrs-
störungen und Unglücksfälle allerdings zugleich mit der Regulirung des
Thals eine zweckmäßige Ordnung der Verkehrswege am Jsarthor wün-
schenswerth sei, daß aber, bevor zu diesem Behufe weitere Schritte ge-
schehen, erst von der k. Akademie der bildenden Künste ein Gutachten über
den Kunstwerth und den Zustand der an dem Thore angebrachten Bilder,
über die Möglichkeit und die Kosten ihrer Restaurirung und ferneren Er-
haltung eingeholt werden möge. -- Eine gemeinsame Commission der Ge-
meindecollegien Münchens wird zusammentreten und ein Gutachten dar-
über abgeben ob und welche Feierlichkeiten beim Einzug der Truppen
zu veranstalten seien.

** Frankfurt, 8 März. Heute Abend bald nach 6 Uhr lief der
festlich geschmückte Expreßzug der den Reichskanzler Grafen Bismarck von
Mainz brachte, auf dem Main = Neckar = Bahnhof ein, woselbst u. a. der
Polizeipräsident v. Madai, der Stadtcommandant General v. Meyerfeld,
der Oberbürgermeister Dr. Mumm und der Delegirte des Johanniter-
ordens Graf Solms sich eingefunden hatten. Sobald die dichtgedrängte
Menge des Reichskanzlers, der die Uniform seines Regiments trug,
ansichtig wurde, brach sie in ein lautes Hoch aus. Derselbe verließ
bald seinen Wagen und unterhielt sich etwa 10 Minuten lang mit
den ihm bekannten Herren. Als der Zug im Begriff stand auf der Ver-
bindungsbahn nach dem Hanauer Bahnhof abzufahren und dieß zu einem

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[1168/0012] zosenbraut,“ sagen, wenngleich es ziemlich hinter den Erwartungen zurück- blieb die man von demselben gehegt. Der äußere Grund dieser seiner ge- ringen Bühnenwirksamkeit liegt wohl vor allem in der überwältigenden Größe unserer gegenwärtigen geschichtlichen Epoche, die, wie sie die große Zeit der Freiheitskriege überhaupt in den Schatten stellt, so auch und in noch höherem Maße das Jnteresse abstumpft für Stoffe aus derselben, wenn diese sich in so engen und bescheidenen Gränzen bewegen wie es hier der Fall ist. Der innere Grund ist in dem allzu Episodenhaften der ganzen Composition wie nicht minder der handelnd eingreifenden Personen zu suchen, und wenn sich das gerade im „Colberg“ so glänzend bekundete Ta- lent Heyse's volle lebenswahre Menschen mit wenigen scharfen Strichen hinzustellen auch hier keineswegs verläugnet, so sind es doch nur wenige und nicht eben die bedeutendsten Figuren des Stückes die ihm in dieser Weise gelungen sind. Auch sind öfter, so in der Hauptscene des dritten Acts, etwas possenhafte Motive in den Ernst der Lage hineingebracht, die den Eindruck abschwächen, und außerdem schwankt das Stück im vierten und fünften Act bedenklich zwischen einem Schau= und Trauerspiel in der Mitte, nimmt mehrmals einen scheinbaren Anlauf zur höchsten Tragik, zu einem erschütternden Abschluß, und verläuft endlich doch in ganz harmloser und gemüthlicher Weise. Ein recht getreues Spiegelbild des damaligen übermüthigen und frechen Franzosenthums liefert der Graf Sangallo, der Chef der geheimen Polizei in Berlin; was die Titelheldin selbst betrifft, die von Frau Dahn=Hausmann mit allem Aufgebot ihrer künstlerischen Mittel trefflich verkörpert wurde, so ist der Conflict in welchen sie die Liebe zu einem französischen General einerseits mit ihrem hyperfanatischen Bruder, andrerseits mit dem französischen Polizeichef bringt, der sie als Werkzeug seiner intriganten Plane benutzen will, von vornherein ein wahrer und interessanter; aber die Figur verliert im Verlaufe des Stückes theils durch Jnconsequenzen ihres Charakters, theils durch ein allzu wenig motivirtes äußeres Handeln. Die Diction dagegen ist -- die Volksscenen abgerechnet -- eine edle und gedankenvolle, und der erste, zweite und vierte Act enthalten auch dramatische Partien von bedeutender Schönheit. Entschieden interessant und geistvoll, besonders in der ersten größeren Hälfte, ist das auf reichem Quellenstudium beruhende und mit Bühnen- technik verfaßte Drama „Mazarin“ von Dr. J. Werther ( artist. Director des Mannheimer Hoftheaters ) . Der darin behandelte Conflict ist derselbe wie in Jul. Grosse's höchst interessantem historischen Roman „Maria Man- cini.“ Der ehrgeizige Cardinal opfert seine mit aller Kunst in Scene ge- setzte Lieblingsidee, Maria an den jungen Ludwig XIV zu verheirathen, und so durch sie die Zügel der Regierung für immer in den Händen zu behalten, in demselben Moment auf wo er mit Schrecken gewahrt daß er sich in seiner Nichte kein gefügiges Werkzeug seiner Plane, sondern seine erbittertste Feindin herangezogen, welche den König vor allem der Bevormun- dung Mazarins zu entreißen und dessen unseligen Einfluß zu vernichten entschlossen ist. Jn der Reihenfolge sowie im ganzen Bau der Scenen ist das Stück, besonders im zweiten und dritten Act, augenscheinlich durch Grosse's Roman bedeutend beeinflußt, und diese beiden Acte sind denn auch am packendsten und bühnenwirksamsten. Jn der Lösung des Con- flictes dagegen weichen beide weit von einander ab, und hier müssen wir Grosse entschieden den Vorzug geben. Bei ihm entsagt Maria aus Gründen der Hochherzigkeit, so sehr auch allen Jntriguen zum Trotz der König auf der Verbindung besteht, und findet in den Armen ihres Jugendgespielen Colonna vollen Ersatz für das preisgegebene Glück; Werther dagegen hat den Knoten einfach durchhauen, und jedem irgendwie psychologisch noch in- teressanten Austrag für immer einen Riegel vorgeschoben durch die sehr kühne Wendung daß sich Maria plötzlich als die längst todtgeglaubte Frucht der heimlichen Ehe Mazarins mit der Königin Anna, also als Ludwigs Stiefschwester, entpuppt. Auch der fünfte Act bedarf durchaus der Umarbeitung -- der Tod Mazarins ist durch nichts motivirt, und seine allzu starken Anwandlungen von Reue und Buße passen wenig zu seinem früheren Charakter; überhaupt sind manche Längen, schon in der Exposi- tion, zu beseitigen und mehrere Episoden=Figuren ganz zu streichen. Gelingt dieß dem Dichter, so würde sich das Stück mit seiner geschickten Mache, sei- ner zwar nicht tiefen aber ansprechenden Charakteristik und seiner gemesse- nen und verständigen Sprache, der nur etwas poetischer Schwung zu wünschen wäre, wohl auf dem Repertoire einbürgern können. Das kleine Festspiel von Girndt: „Unter der Linde von Steinheim am Main,“ ist zwar nicht ohne einen leisen Anflug von Humor, aber doch viel zu sehr mit den allergewöhnlichsten patriotischen Phrasen und ermü- denden Schlachtenbeschreibungen versetzt. Das beste darin ist noch die Figur der hessischen Bäuerin, welche dem biedern Preußen am Schlusse Herz und Hand schenkt, und von Frau Dahn=Hausmann allerliebst gespielt wurde. Ueber Kleist's „Hermannschlacht“ ist in diesen Blättern schon ausführlich geurtheilt worden; ob sich dieselbe aber dauernd auf der Bühne halten wird, möchten wir doch sehr bezweifeln, zumal die aus Kleists erbittertem Grimm gegen die Fremdherrschaft erwachsene Figur des Hermann ehre einem Gambetta als einem wirklich deutschen Helden ähnlich sieht, und ebenso wie Thusnelda in manchen Scenen geradezu widerwärtig berührt. Eine wirkliche Bereicherung des Repertoire's dagegen ist Molière 's noch immer zutreffendes Lustspiel „Die gelehrten Frauen,“ das in der gelungenen Uebersetzung von Baudissin und einer zweckmäßigen Bühneneinrichtung hier zum erstenmal mit bedeutendem Beifall in Scene gieng. Neu ein- studiert erschienen ferner im Schauspiel Laube's „Essex,“ in der Oper „ Ro- bert der Teufel,“ und im Ballet Corally's „Gisella“ und Fenzls Panto- mime „Der Kobold,“ letztere mit einer Reihe von Akrobatenkunststückchen, die eigentlich nicht auf die weltbedeutenden Bretter, am wenigsten die einer Hofbühne gehören. Doch mag der Faschingsdienstag die Vorführung derselben, sowie der trivialen Posse Kotzebue's „Der Wirrwarr,“ entschul- digen. Jnteressante Genüsse endlich boten Racine's „Athalia,“ Lortzings „Undine,“ Schuberts „Häuslicher Krieg,“ Wagners „Lohengrin“ ( in prachtvoller Ausstattung ) , Halevy's „Jüdin,“ „Die weiße Dame,“ in welcher Hr. Nachbaur nach langer Krankheit zum erstenmal wieder durch seine schöne Stimme das Publicum entzückte, und die Aufführung der von Robert Schumann componirten Scenen aus Goethe's „Faust,“ unter de- nen besonders die des zweiten Theils große Wirkung erzielten. Neueste Posten. sym5 München, 9 März. JJ. MM. der König und die Königin- Mutter haben mit den k. Prinzen und Prinzessinnen und dem gesammten Hofstaate, dem Officiercorps ec. diesen Nachmittag der Trauerfeier, der Vigil für den seligen König Max II in der Hofkirche zu St. Cajetan bei- gewohnt und werden ebenso morgen Vormittag den Exequien beiwohnen. -- Die Oekonomiecommission des Depots des ersten Cuirassierregiments dahier beginnt bereits nächsten Samstag mit der Versteigerung überzähli- ger Reitpferde. -- Gestern Nachts sind per Eisenbahn 613 aus französi- scher Kriegsgefangenschaft zurückgekehrte bayerische Soldaten hier ein- getroffen; sie waren in Pau internirt und brauchten von dort per Eisen- bahn volle 10 Tage bis München. : München, 9 März. Se. Maj. der König hat gestern Nachts 10 Uhr dem Prinzen Luitpold, welcher am Bahnhof von seiner Familie und J. Maj. der Königin=Mutter begrüßt und in seinem Palast aufs fest- lichste empfangen wurde, einen Willkommbesuch gemacht und dortselbst gegen eine Stunde verweilt. -- Der Delegirte des Landeshülfsvereins, Ludw. v. Niethammer, hat am vorigen Dienstag Versailles verlassen, nach- dem die dortigen Lazarethe aufgelöst worden sind. -- Die verschiedenen Gerüchte über Personalveränderungen, wie sie nach in= und ausländischen Blättern in den höchsten Regierungskreisen vor sich gehen sollen, entbehren jedes thatsächlichen Anhaltspunktes. × München, 9 März. Die im Etappendienst gestandenen Land- wehrbataillone sind zur Rückkehr nach Bayern beordert, und ebenso sind die Einleitungen zum Rücktransport der combinirten Landwehrbataillone Nr. 3, 5, 7, 13, 15, 27 und 29 bereits getroffen. -- Der kürzlich vom Magistrat mit 17 gegen 10 Stimmen gefaßte Beschluß das Jsarthor ab- zubrechen, rief gestern im Collegium der Gemeindebevollmächtigten eine lebhafte Debatte hervor, in deren Verlauf nur einige wenige Stimmen sich zur Vertheidigung des Magistratsbeschlusses erhoben, während die große Mehrzahl der Redner denselben einer herben Kritik unterstellte, einige ihn sogar geradezu als übereilt und ohne gehörige Prüfung gefaßt bezeichneten. Einstimmig sprach sich schließlich das Colle- gium dahin aus daß in Anbetracht der vorgekommenen Verkehrs- störungen und Unglücksfälle allerdings zugleich mit der Regulirung des Thals eine zweckmäßige Ordnung der Verkehrswege am Jsarthor wün- schenswerth sei, daß aber, bevor zu diesem Behufe weitere Schritte ge- schehen, erst von der k. Akademie der bildenden Künste ein Gutachten über den Kunstwerth und den Zustand der an dem Thore angebrachten Bilder, über die Möglichkeit und die Kosten ihrer Restaurirung und ferneren Er- haltung eingeholt werden möge. -- Eine gemeinsame Commission der Ge- meindecollegien Münchens wird zusammentreten und ein Gutachten dar- über abgeben ob und welche Feierlichkeiten beim Einzug der Truppen zu veranstalten seien. * † * Frankfurt, 8 März. Heute Abend bald nach 6 Uhr lief der festlich geschmückte Expreßzug der den Reichskanzler Grafen Bismarck von Mainz brachte, auf dem Main = Neckar = Bahnhof ein, woselbst u. a. der Polizeipräsident v. Madai, der Stadtcommandant General v. Meyerfeld, der Oberbürgermeister Dr. Mumm und der Delegirte des Johanniter- ordens Graf Solms sich eingefunden hatten. Sobald die dichtgedrängte Menge des Reichskanzlers, der die Uniform seines Regiments trug, ansichtig wurde, brach sie in ein lautes Hoch aus. Derselbe verließ bald seinen Wagen und unterhielt sich etwa 10 Minuten lang mit den ihm bekannten Herren. Als der Zug im Begriff stand auf der Ver- bindungsbahn nach dem Hanauer Bahnhof abzufahren und dieß zu einem

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  • Vollständigkeit: vollständig erfasst.
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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 69. Augsburg (Bayern), 10. März 1871, S. 1168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_augsburg69_1871/12>, abgerufen am 24.11.2024.