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Allgemeine Zeitung. Nr. 68. Augsburg (Bayern), 9. März 1871.

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[Spaltenumbruch] Bedenkt man daß sich die gesammte verzinsliche und unverzinsliche Schuld
Preußens, einschließlich der gesammten Eisenbahn=Anleihen, auf etwa 450 Mill.
Thaler beläuft, so zeigt sich daß die Kriegsentschädigung nicht weniger als das
Dreifache derselben beträgt. Nur an der Hand solcher und ähnlicher Vergleiche
gelangt man zum eigentlichen Begriff von der Höhe einer Summe die der
Mund so leicht ausspricht, ohne daß der Verstand seinen vollen Antheil daran
hat. Um eine andere Parallele zu ziehen, erinnern wir daran daß jene Summe
von 5 Milliarden Francs etwa dem gesammten finanziellen Auswande gleich-
kommt welchen Preußen im Laufe des halben Jahrhunderts, das den Befreiungs-
kriegen folgte, für sein Heerwesen gemacht hat. Vollständig zuverlässige Be-
rechnungen über die directen und indirecten Schädigungen unseres National-
vermögens, welche der uns aufgedrungene Krieg zur Folge gehabt hat, lassen
sich selbstverständlich nicht aufstellen, aller Wahrscheinlichkeit nach aber werden
dieselben einschließlich der eigentlichen Kriegskosten durch 5 Milliarden Francs
reichlich gedeckt. Gegen Ende Octobers v. J. erschienen mehrfache Berech-
nungen in der Presse, deren höchstgegriffene im Durchschnitt auf 4--5 Milliar-
den Francs hinausliefen, meist aber schon eine gewisse Zeit der Fortdauer des
Krieges und den Rückmarsch der Truppen mit in Anschlag brachten. Läßt man
letztere Positionen unbeachtet, und fixirt man diese Anschläge bis Ende Octobers
auf eine Milliarde Thaler, so bleiben für die 150 Tage vom 1 Nov. pr. bis
zum 31 März c., bis zu welcher Zeit der Rückmarsch der Truppen erfolgt sein
kann, noch etwa2 1 / 4 Mill. Thlr. für jeden Tag. Da nun aber die Unter-
haltung der Armee kaum mehr als 1--1 1 / 4 Million täglich kosten dürfte, so
ergibt sich schon aus diesen Andeutungen daß wir einen auskömmlichen Ersatz
erlangt haben. Den Erwerb von Elsaß und Deutsch=Lothringen bringen wir
dabei gar nicht in Anschlag, weil es den gereiften Anschauungen unserer Zeit
widerspricht Gebietsabtretungen, soweit es sich nicht um Dominialgüter handelt,
in Geld abzuwägen." -- Einige weitere Definitionen der gewaltigen Summe
gibt die "Krzztg.:" "Die Summe von 5 Milliarden Franken ( Betrag der fran-
zösischen Kriegsentschädigung ) übersteigt die Zahlen mit denen man im gewöhn-
lichen Leben umzugehen pflegt so sehr, daß es schwer ist sich von der Größe
dieser Summe einen Begriff zu machen. Durch einige Exempel kann man die-
selbe etwas veranschaulichen. Das Gewicht der Summe von 5 Milliarden in
goldenen Zwanzigfrankstücken beträgt 32,258 Centner; auf Eisenbahnwagen
zu 100 Centner Ladung würde sie zu ihrer Fortschaffung einen Zug von 322
Wagen erfordern. Dieselbe Summe in silbernen Fünffrankstücken wiegt
500,000 Centner. Ein geübter Kassierer kann in einer Stunde 40,000 Fr.
in Fünffrankstücken aufzählen; angenommen, ein solcher fienge diese Arbeit im
Alter von 25 Jahren an und zählte täglich acht Stunden während 300 Werk-
tagen im Jahr, so würde er erst nach seinem 77. Lebensjahre damit fertig sein.
Jn Stücken von je einem Franc, flach nebeneinander gelegt, würde die Summe
eine Länge von 115,000 Kilometern, fast ein Drittel der Entfernung zwischen
Erde und Mond, einnehmen. Jn goldenen 20Francsstücken würde diese Distanz
genau 700 Meilen ( Neumeilen == 7500 Metern ) betragen. Endlich vergegen-
wärtige man sich daß seit Christi Geburt noch nicht 1 Milliarde Minuten ver-
flossen sind; hätte man in jeder Minute, Tag und Nacht, ein 5Francsstück bei-
seite gelegt, so wäre, seit Beginn unserer Zeitrechnung, obige Summe noch nicht
erreicht."

Paris. Nachträglich erfährt man näheres über die verschiedenartigen
Auskunftsmittel welche die Postverwaltung ersann um die durch die Bela-
gerung gehemmte Communication herzustellen. Einige Tage bevor sich der
eiserne Ring um Paris schloß, hatten der Präfect des Norddepartements und
der Präsident der Handelskammer in Lille 900 Brieftauben von Roubaix und
Tourcoing nach der Hauptstadt geschickt, die den Verkehr nach außen besorgten,
während die mit den Ballons entsandten Tauben aus den Taubenhäusern von
Paris die umgekehrte Verbindung abgaben. Die flamändischen Tauben waren
in der Regel zwei Stunden nachdem sie aus dem Jardin des Plantes mit ihrer
kleinen Briefpost abgelassen waren wieder in Roubaix und Tourcoing. Mit
den Retourbriefen gieng es nicht so gut. Von den 200 per Ballon mitgenom-
menen Brieftauben gelangten nur 73 nach Paris zurück, und von diesen brachten
18 keine Depeschen. Man suchte daher nach andern Beförderungsarten. So
wurden z. B. Briefe in Wagen mit Stroh und Heu versteckt, diese wurden aber
regelmäßig von den Belagerern entdeckt. Weiter versuchte man es mit Boten.
Von Mitte Septembers bis Ende Octobers wurden 45 Leute ausgeschickt, davon
brachten aber nur fünf die Briefe an den bestimmten Ort, und von diesen
brachten nur zwei Antworten heim. Der Rest konnte beim besten Willen nicht
durchdringen, mehrere wurden auch gefangen. Die Beförderung mittelst der
Seine gelang auch nicht; die Belagerer hatten Netze gelegt. Auch von den
neulich erwähnten schwimmenden Hohlkügelchen, in welche photographische
verkleinerte Briefe gethan wurden, scheint in Paris nichts angekommen zu sein;
ein Vorschlag die Briefe in Pfropfen zu thun, wie sie viel in der Seine un-
beachtet umherschwimmen, scheint gar nicht zur Ausführung gekommen zu sein;
ferner mißglückte auch eine Art Taucherpost, und neulich schlug auch der Versuch
einer Erfindung durch die unterirdischen Cloaken fehl; einer der Boten fand,
indem er in den Koth untersank, einen elenden Tod. Einigen Erfolg schien
man sich von einer Hundepost zu versprechen, allein die Hunde wurden theils
von dem Feind aufgefangen, theils von der hungernden Pariser Bevölkerung,
die sich zwischen den Forts und der Ringmauer umher trieb, als guter Braten
verspeist.

Jndustrie, Handel und Verkehr.

Berlin, 2 März. Der "B. B.=Cour." theilt mit daß dem Reichstag der
Entwurf eines Bundesgesetzes vorgelegt werden wird welches den Handel in künf-
[Spaltenumbruch] tig zu emittirenden fremden Lotterie=Anleihen innerhalb des Reichs unter-
sagt, und die heimische Production der Prämienanleihen von vorhergängiger Auto-
risation durch ein Reichsgesetz abhängig macht. -- Die formelle Auflösung der bis-
her hier bestandenen allgemeinen Eisenbahnbaugesellschaft, welche auf
verschiedene im Besitze des Hrn. Dr. Stronsberg gewesene Werthobjecte bafirt war,
wird nunmehr in allernächster Zeit erfolgen, da ein nicht unbeträchtlicher Theil
dieser Werthprojecte in andern Besitz übergegangen ist. -- Ueber die auf Anregung
der Unionbank in Wien hier begründete " deutsche Unionsbank, " theilt die B.
B. Ztg. folgendes nähere mit. Es hat gestern Nachmittag bereits die erste con-
stituirende Generalversammlung der Actionäre dieser Bank hier stattgefunden.
Nachdem in derselben der Nachweis geführt worden war daß das Grundcapital
von 12 Mill. Thlrn. vollständig gezeichnet ( 7 1 / 2 Mill. Thlr. sind in Wien und
4 1 / 2 Mill. Thlr. hier untergebracht ) , nachdem ferner auch der Nachweis erbracht
war daß 10 Proc. bereits eingezahlt und hier deponirt sind, wurde das Statut
in allen seinen Einzelheiten einer genauen Berathung unterzogen und schließlich
definitiv festgestellt. Es wurde dann zur Wahl des Aufsichtsrathes geschritten, und
hierbei zu Mitgliedern desselben gewählt die HH. Commercienrath Wilhelm Herz
( Firma S. Herz ) , Commercienrath Benjamin Liebermann ( Firma Liebermann und
Comp ) , Bankier Julius Nelke ( Firma A. Paderflein ) , Bankier Wilhelm Krause
( Firma F. W. Krause Bankgeschäft ) , Bankier Julius Schiff ( Firm. Gebr. Schiff ) ,
sämmtlich von hier, Bankier Jakob von Kaufmann Asser in Köln, Abgeordneter
Dr. Fritz Hammacher in Essen, Major Arthur Mayer von Uls o [unleserliches Material - 8 Zeichen fehlen]Nuszbach, Advocat
Dr. Mauthner, Advocat Dr. Strauß, alle drei Verwaltungsrathsmitglieder der
Unionbank in Wien, Dr. jur. Emil Behrend, Verwaltungsrathsmitglied der Ver-
einsbank in Wien. Unmittelbar nach der Generalversammlung constituirte sich der
Aufsichtsrath und wählte Hrn. Commercienrath Wilhelm Herz zum Vorsitzenden
und zu dessen Stellvertreter die HH. Bankier Julius Nelke und Major Arthur
v. Mayer. Bis zur Einsetzung einer definitiven Direction wurde außerdem vom
Aufsichterath ein interimistischer Vorstand aus seiner Mitte bestimmt, und zu dessen
Mitgliedern die HH. Commercienrath Liebermann, Bankiers Schiff und Krause
designirt. Auch machte der Aufsichterath noch von seiner Befugniß durch eigene
Cooptation seine Mitgliederzahl bis auf 16 zu erhöhen insoweit Gebrauch, als er
die HH. Rechtsanwalt beim Obertribunal und Reichstagsabgeordneten Dr. Braun
hierselbst und Coloman Reisch in Wien zu Aufsichtsrathsmitgliedern [unleserliches Material - 8 Zeichen fehlen]eraannte. Die
Eintragung der Bank beim Handelsgericht ist bereits beantragt, und wird alsbald
darauf auch die Wirksamkeit des Jnstituts beginnen.[unleserliches Material]

* Erfurt, 4 März. Productenmarkt. Die abgelaufene Woche brachte
uns milde, schöne Witterung. Wenn sich am heutigen Getreidemarkte größere
Lebhaftigkeit nicht entwickeln konnte, so hat dieß wohl seinen Grund in den wieder
nur mäßigen Zufuhren und den in Folge dessen erhöhten Forderungen seitens der
Verkäufer. Weizen machte sich in feiner Waare knapp, weßhalb selbst für geringere
Qualitäten höhere Preise bewilligt wurden. Roggen blieb gefragt; Gerste preis-
haltend; Hafer in fester Haltung. Weizen per Scheffel 84--86 Pfund 72--80 Thlr.
per Wispel. Roggen pr. Sch. 82--83 Pfd. 60--63 Thlr. pr. W. Gerste pr. Sch.
70--74 Pfd. 43--47 Thlr. pr. W., gute Brauwaare 70--74 Pfd. 48--53 Thlr.
pr. W. Hafer pr. Sch. 47--49 Pfd. 29--30 Thlr. pr. W. Erbsen 100 Pfd.
2 3 / 4 --3 5 / 6 Thlr. pr. W.

Der "N. Bad. Landes=Ztg." wird aus Straßburg geschrieben: Die ge-
sammten Handelsverhältnisse Straßburgs haben nichts weniger als günstige
Aussichten; so läßt sich im "Niederrh. Kurier" ein Geschäftsmann über die Bank-
verhältnisse Straßburgs vernehmen. Wir ersehen aus diesem Artikel daß die hie-
sige Filiale der Bank von Frankreich von jeher Handel, Jndustrie und Ackerban
wesentlich unterstützte, sich aber seit der Belagerung lediglich darauf beschränkte die
von Kaufleuten, Jndustriellen und Landwirthen in Händen habenden Wechsel im
Betrag von 12--15 Mill. Fr. in ihr Portefeuille zu legen, da die Zahlungs-
fristen von Termin zu Termin verlängert wurden. "Verläßt nun die Bank,"
heißt es weiter, "Straßburg, so handelt es sich um Rückzahlung dieser 12 bis
15 Millionen, und die Art und Weise wie solches geschehen könnte bildet seit
Monaten eine der wichtigsten Erwägungen hiesiger Bankhäuser, durch deren Ver-
mittelung die Fonds in die verschiedenen Unternehmungen flossen. Daß die
Schuldner unter dem Drucke der gegenwärtigen Verhältnisse augenblicklich außer
Stande sind zurückzuzahlen, bedarf wohl keiner weiteren Erklärung."

Jn Frankreich tauchen bereits die finanziellen Scandalgeschichten
aus der Kriegsepoche auf, und bis man nur ein wenig ruhiger wird geworden
sein, wird gewiß auch von der Nationalversammlung eine Untersuchung eingeleitet
werden. So z. B. wird aus Lyon erzählt daß man zur Zeit als die Jnvasion
bevorstand, fürchtete man werde nicht genug Kohlen zur Gaserzeugung erhalten;
es wurde deßhalb die Beleuchtung mit Oel vorbereitet und auf eine enorme Quan-
tität Oel zu einem den Marktpreis um ein Drittel überragenden Betrag ein Ab-
schluß gemacht, zugleich wurden so viele Dochte angekauft daß man wohl 20 Jahre
damit auskommen könnte. Ein Kleidertrödler in Lyon erhielt die Lieferung von
Pferden für die Armee, und laute Klagen werden erhoben daß die Schuhe, Klei-
der, Koch= und andere Geschirre für das Heer geradezu von niederträchtiger Qua-
lität waren, so daß sie beim ersten Gebrauch in Stücke oder Trümmer zerfielen.
Jn Nantes kanfte man Habersäcke zu je 14 Fr. 50 Cts., während sie für 10 Fr.
zu haben waren. Der Aufseher der Artilleriewerkstätten machte die Anzeige daß
die Kanonen=Laffetten so schlecht seien, daß sie nicht zwei Minuten Fener aushalten.
Jm Departement von Ain wurden 100,000 Zinnkannen zu hohem Preise gekauft,
von denen sich nachträglich herauestellte daß sie nicht Wasser halten. Jn St. Brieux
erzielten zwei Lieferanten von Oberröcken einen Gewinn von 40,000 Fr. bei einem
Geschäft von 140,000 Fr., und processiren jetzt wegen der Theilung. Jn Havre
hatte sich ein Lieferant erboten die Wagen für die Armee in diesem Gebiete für
5000 Fr. täglich beizustellen, ein anderer wies nach daß für 2000 Fr. dieses Ge-
schäft ganz gut besorgt werden könnte, und daß er selbst in der Mitte des Win-
ters nur 1000 Fr. verlangt habe, während jetzt 11,000 Fr. gezahlt werden. Die
Uniformen der Mobilen waren eben so schlecht wie die andern Artikel dieser Sol-
daten, und was die Schuhe betrifft, hatten mehrere tausend bloß Pappsohlen!
Jn Bourbaki's Armee bekamen die Soldaten Schuhe mit Sohlen die aus so zar-
tem Stoff waren, daß man sie mit den Fingernägeln durchschneiden konnte.

* New=York, 3 März. Das Postdampfschiff des Nordd. Lloyd "Hansa,"
welches am 16 Febr. von Bremen und am 19 Febr. von Southampton ab-
gegangen war, ist heute hier angekommen.

[Ende Spaltensatz]

[Spaltenumbruch] Bedenkt man daß sich die gesammte verzinsliche und unverzinsliche Schuld
Preußens, einschließlich der gesammten Eisenbahn=Anleihen, auf etwa 450 Mill.
Thaler beläuft, so zeigt sich daß die Kriegsentschädigung nicht weniger als das
Dreifache derselben beträgt. Nur an der Hand solcher und ähnlicher Vergleiche
gelangt man zum eigentlichen Begriff von der Höhe einer Summe die der
Mund so leicht ausspricht, ohne daß der Verstand seinen vollen Antheil daran
hat. Um eine andere Parallele zu ziehen, erinnern wir daran daß jene Summe
von 5 Milliarden Francs etwa dem gesammten finanziellen Auswande gleich-
kommt welchen Preußen im Laufe des halben Jahrhunderts, das den Befreiungs-
kriegen folgte, für sein Heerwesen gemacht hat. Vollständig zuverlässige Be-
rechnungen über die directen und indirecten Schädigungen unseres National-
vermögens, welche der uns aufgedrungene Krieg zur Folge gehabt hat, lassen
sich selbstverständlich nicht aufstellen, aller Wahrscheinlichkeit nach aber werden
dieselben einschließlich der eigentlichen Kriegskosten durch 5 Milliarden Francs
reichlich gedeckt. Gegen Ende Octobers v. J. erschienen mehrfache Berech-
nungen in der Presse, deren höchstgegriffene im Durchschnitt auf 4--5 Milliar-
den Francs hinausliefen, meist aber schon eine gewisse Zeit der Fortdauer des
Krieges und den Rückmarsch der Truppen mit in Anschlag brachten. Läßt man
letztere Positionen unbeachtet, und fixirt man diese Anschläge bis Ende Octobers
auf eine Milliarde Thaler, so bleiben für die 150 Tage vom 1 Nov. pr. bis
zum 31 März c., bis zu welcher Zeit der Rückmarsch der Truppen erfolgt sein
kann, noch etwa2 1 / 4 Mill. Thlr. für jeden Tag. Da nun aber die Unter-
haltung der Armee kaum mehr als 1--1 1 / 4 Million täglich kosten dürfte, so
ergibt sich schon aus diesen Andeutungen daß wir einen auskömmlichen Ersatz
erlangt haben. Den Erwerb von Elsaß und Deutsch=Lothringen bringen wir
dabei gar nicht in Anschlag, weil es den gereiften Anschauungen unserer Zeit
widerspricht Gebietsabtretungen, soweit es sich nicht um Dominialgüter handelt,
in Geld abzuwägen.“ -- Einige weitere Definitionen der gewaltigen Summe
gibt die „Krzztg.:“ „Die Summe von 5 Milliarden Franken ( Betrag der fran-
zösischen Kriegsentschädigung ) übersteigt die Zahlen mit denen man im gewöhn-
lichen Leben umzugehen pflegt so sehr, daß es schwer ist sich von der Größe
dieser Summe einen Begriff zu machen. Durch einige Exempel kann man die-
selbe etwas veranschaulichen. Das Gewicht der Summe von 5 Milliarden in
goldenen Zwanzigfrankstücken beträgt 32,258 Centner; auf Eisenbahnwagen
zu 100 Centner Ladung würde sie zu ihrer Fortschaffung einen Zug von 322
Wagen erfordern. Dieselbe Summe in silbernen Fünffrankstücken wiegt
500,000 Centner. Ein geübter Kassierer kann in einer Stunde 40,000 Fr.
in Fünffrankstücken aufzählen; angenommen, ein solcher fienge diese Arbeit im
Alter von 25 Jahren an und zählte täglich acht Stunden während 300 Werk-
tagen im Jahr, so würde er erst nach seinem 77. Lebensjahre damit fertig sein.
Jn Stücken von je einem Franc, flach nebeneinander gelegt, würde die Summe
eine Länge von 115,000 Kilometern, fast ein Drittel der Entfernung zwischen
Erde und Mond, einnehmen. Jn goldenen 20Francsstücken würde diese Distanz
genau 700 Meilen ( Neumeilen == 7500 Metern ) betragen. Endlich vergegen-
wärtige man sich daß seit Christi Geburt noch nicht 1 Milliarde Minuten ver-
flossen sind; hätte man in jeder Minute, Tag und Nacht, ein 5Francsstück bei-
seite gelegt, so wäre, seit Beginn unserer Zeitrechnung, obige Summe noch nicht
erreicht.“

Paris. Nachträglich erfährt man näheres über die verschiedenartigen
Auskunftsmittel welche die Postverwaltung ersann um die durch die Bela-
gerung gehemmte Communication herzustellen. Einige Tage bevor sich der
eiserne Ring um Paris schloß, hatten der Präfect des Norddepartements und
der Präsident der Handelskammer in Lille 900 Brieftauben von Roubaix und
Tourcoing nach der Hauptstadt geschickt, die den Verkehr nach außen besorgten,
während die mit den Ballons entsandten Tauben aus den Taubenhäusern von
Paris die umgekehrte Verbindung abgaben. Die flamändischen Tauben waren
in der Regel zwei Stunden nachdem sie aus dem Jardin des Plantes mit ihrer
kleinen Briefpost abgelassen waren wieder in Roubaix und Tourcoing. Mit
den Retourbriefen gieng es nicht so gut. Von den 200 per Ballon mitgenom-
menen Brieftauben gelangten nur 73 nach Paris zurück, und von diesen brachten
18 keine Depeschen. Man suchte daher nach andern Beförderungsarten. So
wurden z. B. Briefe in Wagen mit Stroh und Heu versteckt, diese wurden aber
regelmäßig von den Belagerern entdeckt. Weiter versuchte man es mit Boten.
Von Mitte Septembers bis Ende Octobers wurden 45 Leute ausgeschickt, davon
brachten aber nur fünf die Briefe an den bestimmten Ort, und von diesen
brachten nur zwei Antworten heim. Der Rest konnte beim besten Willen nicht
durchdringen, mehrere wurden auch gefangen. Die Beförderung mittelst der
Seine gelang auch nicht; die Belagerer hatten Netze gelegt. Auch von den
neulich erwähnten schwimmenden Hohlkügelchen, in welche photographische
verkleinerte Briefe gethan wurden, scheint in Paris nichts angekommen zu sein;
ein Vorschlag die Briefe in Pfropfen zu thun, wie sie viel in der Seine un-
beachtet umherschwimmen, scheint gar nicht zur Ausführung gekommen zu sein;
ferner mißglückte auch eine Art Taucherpost, und neulich schlug auch der Versuch
einer Erfindung durch die unterirdischen Cloaken fehl; einer der Boten fand,
indem er in den Koth untersank, einen elenden Tod. Einigen Erfolg schien
man sich von einer Hundepost zu versprechen, allein die Hunde wurden theils
von dem Feind aufgefangen, theils von der hungernden Pariser Bevölkerung,
die sich zwischen den Forts und der Ringmauer umher trieb, als guter Braten
verspeist.

Jndustrie, Handel und Verkehr.

Berlin, 2 März. Der „B. B.=Cour.“ theilt mit daß dem Reichstag der
Entwurf eines Bundesgesetzes vorgelegt werden wird welches den Handel in künf-
[Spaltenumbruch] tig zu emittirenden fremden Lotterie=Anleihen innerhalb des Reichs unter-
sagt, und die heimische Production der Prämienanleihen von vorhergängiger Auto-
risation durch ein Reichsgesetz abhängig macht. -- Die formelle Auflösung der bis-
her hier bestandenen allgemeinen Eisenbahnbaugesellschaft, welche auf
verschiedene im Besitze des Hrn. Dr. Stronsberg gewesene Werthobjecte bafirt war,
wird nunmehr in allernächster Zeit erfolgen, da ein nicht unbeträchtlicher Theil
dieser Werthprojecte in andern Besitz übergegangen ist. -- Ueber die auf Anregung
der Unionbank in Wien hier begründete „ deutsche Unionsbank, “ theilt die B.
B. Ztg. folgendes nähere mit. Es hat gestern Nachmittag bereits die erste con-
stituirende Generalversammlung der Actionäre dieser Bank hier stattgefunden.
Nachdem in derselben der Nachweis geführt worden war daß das Grundcapital
von 12 Mill. Thlrn. vollständig gezeichnet ( 7 1 / 2 Mill. Thlr. sind in Wien und
4 1 / 2 Mill. Thlr. hier untergebracht ) , nachdem ferner auch der Nachweis erbracht
war daß 10 Proc. bereits eingezahlt und hier deponirt sind, wurde das Statut
in allen seinen Einzelheiten einer genauen Berathung unterzogen und schließlich
definitiv festgestellt. Es wurde dann zur Wahl des Aufsichtsrathes geschritten, und
hierbei zu Mitgliedern desselben gewählt die HH. Commercienrath Wilhelm Herz
( Firma S. Herz ) , Commercienrath Benjamin Liebermann ( Firma Liebermann und
Comp ) , Bankier Julius Nelke ( Firma A. Paderflein ) , Bankier Wilhelm Krause
( Firma F. W. Krause Bankgeschäft ) , Bankier Julius Schiff ( Firm. Gebr. Schiff ) ,
sämmtlich von hier, Bankier Jakob von Kaufmann Asser in Köln, Abgeordneter
Dr. Fritz Hammacher in Essen, Major Arthur Mayer von Uls ó [unleserliches Material – 8 Zeichen fehlen]Nuszbach, Advocat
Dr. Mauthner, Advocat Dr. Strauß, alle drei Verwaltungsrathsmitglieder der
Unionbank in Wien, Dr. jur. Emil Behrend, Verwaltungsrathsmitglied der Ver-
einsbank in Wien. Unmittelbar nach der Generalversammlung constituirte sich der
Aufsichtsrath und wählte Hrn. Commercienrath Wilhelm Herz zum Vorsitzenden
und zu dessen Stellvertreter die HH. Bankier Julius Nelke und Major Arthur
v. Mayer. Bis zur Einsetzung einer definitiven Direction wurde außerdem vom
Aufsichterath ein interimistischer Vorstand aus seiner Mitte bestimmt, und zu dessen
Mitgliedern die HH. Commercienrath Liebermann, Bankiers Schiff und Krause
designirt. Auch machte der Aufsichterath noch von seiner Befugniß durch eigene
Cooptation seine Mitgliederzahl bis auf 16 zu erhöhen insoweit Gebrauch, als er
die HH. Rechtsanwalt beim Obertribunal und Reichstagsabgeordneten Dr. Braun
hierselbst und Coloman Reisch in Wien zu Aufsichtsrathsmitgliedern [unleserliches Material – 8 Zeichen fehlen]eraannte. Die
Eintragung der Bank beim Handelsgericht ist bereits beantragt, und wird alsbald
darauf auch die Wirksamkeit des Jnstituts beginnen.[unleserliches Material]

* Erfurt, 4 März. Productenmarkt. Die abgelaufene Woche brachte
uns milde, schöne Witterung. Wenn sich am heutigen Getreidemarkte größere
Lebhaftigkeit nicht entwickeln konnte, so hat dieß wohl seinen Grund in den wieder
nur mäßigen Zufuhren und den in Folge dessen erhöhten Forderungen seitens der
Verkäufer. Weizen machte sich in feiner Waare knapp, weßhalb selbst für geringere
Qualitäten höhere Preise bewilligt wurden. Roggen blieb gefragt; Gerste preis-
haltend; Hafer in fester Haltung. Weizen per Scheffel 84--86 Pfund 72--80 Thlr.
per Wispel. Roggen pr. Sch. 82--83 Pfd. 60--63 Thlr. pr. W. Gerste pr. Sch.
70--74 Pfd. 43--47 Thlr. pr. W., gute Brauwaare 70--74 Pfd. 48--53 Thlr.
pr. W. Hafer pr. Sch. 47--49 Pfd. 29--30 Thlr. pr. W. Erbsen 100 Pfd.
2 3 / 4 --3 5 / 6 Thlr. pr. W.

Der „N. Bad. Landes=Ztg.“ wird aus Straßburg geschrieben: Die ge-
sammten Handelsverhältnisse Straßburgs haben nichts weniger als günstige
Aussichten; so läßt sich im „Niederrh. Kurier“ ein Geschäftsmann über die Bank-
verhältnisse Straßburgs vernehmen. Wir ersehen aus diesem Artikel daß die hie-
sige Filiale der Bank von Frankreich von jeher Handel, Jndustrie und Ackerban
wesentlich unterstützte, sich aber seit der Belagerung lediglich darauf beschränkte die
von Kaufleuten, Jndustriellen und Landwirthen in Händen habenden Wechsel im
Betrag von 12--15 Mill. Fr. in ihr Portefeuille zu legen, da die Zahlungs-
fristen von Termin zu Termin verlängert wurden. „Verläßt nun die Bank,“
heißt es weiter, „Straßburg, so handelt es sich um Rückzahlung dieser 12 bis
15 Millionen, und die Art und Weise wie solches geschehen könnte bildet seit
Monaten eine der wichtigsten Erwägungen hiesiger Bankhäuser, durch deren Ver-
mittelung die Fonds in die verschiedenen Unternehmungen flossen. Daß die
Schuldner unter dem Drucke der gegenwärtigen Verhältnisse augenblicklich außer
Stande sind zurückzuzahlen, bedarf wohl keiner weiteren Erklärung.“

Jn Frankreich tauchen bereits die finanziellen Scandalgeschichten
aus der Kriegsepoche auf, und bis man nur ein wenig ruhiger wird geworden
sein, wird gewiß auch von der Nationalversammlung eine Untersuchung eingeleitet
werden. So z. B. wird aus Lyon erzählt daß man zur Zeit als die Jnvasion
bevorstand, fürchtete man werde nicht genug Kohlen zur Gaserzeugung erhalten;
es wurde deßhalb die Beleuchtung mit Oel vorbereitet und auf eine enorme Quan-
tität Oel zu einem den Marktpreis um ein Drittel überragenden Betrag ein Ab-
schluß gemacht, zugleich wurden so viele Dochte angekauft daß man wohl 20 Jahre
damit auskommen könnte. Ein Kleidertrödler in Lyon erhielt die Lieferung von
Pferden für die Armee, und laute Klagen werden erhoben daß die Schuhe, Klei-
der, Koch= und andere Geschirre für das Heer geradezu von niederträchtiger Qua-
lität waren, so daß sie beim ersten Gebrauch in Stücke oder Trümmer zerfielen.
Jn Nantes kanfte man Habersäcke zu je 14 Fr. 50 Cts., während sie für 10 Fr.
zu haben waren. Der Aufseher der Artilleriewerkstätten machte die Anzeige daß
die Kanonen=Laffetten so schlecht seien, daß sie nicht zwei Minuten Fener aushalten.
Jm Departement von Ain wurden 100,000 Zinnkannen zu hohem Preise gekauft,
von denen sich nachträglich herauestellte daß sie nicht Wasser halten. Jn St. Brieux
erzielten zwei Lieferanten von Oberröcken einen Gewinn von 40,000 Fr. bei einem
Geschäft von 140,000 Fr., und processiren jetzt wegen der Theilung. Jn Havre
hatte sich ein Lieferant erboten die Wagen für die Armee in diesem Gebiete für
5000 Fr. täglich beizustellen, ein anderer wies nach daß für 2000 Fr. dieses Ge-
schäft ganz gut besorgt werden könnte, und daß er selbst in der Mitte des Win-
ters nur 1000 Fr. verlangt habe, während jetzt 11,000 Fr. gezahlt werden. Die
Uniformen der Mobilen waren eben so schlecht wie die andern Artikel dieser Sol-
daten, und was die Schuhe betrifft, hatten mehrere tausend bloß Pappsohlen!
Jn Bourbaki's Armee bekamen die Soldaten Schuhe mit Sohlen die aus so zar-
tem Stoff waren, daß man sie mit den Fingernägeln durchschneiden konnte.

* New=York, 3 März. Das Postdampfschiff des Nordd. Lloyd „Hansa,“
welches am 16 Febr. von Bremen und am 19 Febr. von Southampton ab-
gegangen war, ist heute hier angekommen.

[Ende Spaltensatz]
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[1156/0017] Bedenkt man daß sich die gesammte verzinsliche und unverzinsliche Schuld Preußens, einschließlich der gesammten Eisenbahn=Anleihen, auf etwa 450 Mill. Thaler beläuft, so zeigt sich daß die Kriegsentschädigung nicht weniger als das Dreifache derselben beträgt. Nur an der Hand solcher und ähnlicher Vergleiche gelangt man zum eigentlichen Begriff von der Höhe einer Summe die der Mund so leicht ausspricht, ohne daß der Verstand seinen vollen Antheil daran hat. Um eine andere Parallele zu ziehen, erinnern wir daran daß jene Summe von 5 Milliarden Francs etwa dem gesammten finanziellen Auswande gleich- kommt welchen Preußen im Laufe des halben Jahrhunderts, das den Befreiungs- kriegen folgte, für sein Heerwesen gemacht hat. Vollständig zuverlässige Be- rechnungen über die directen und indirecten Schädigungen unseres National- vermögens, welche der uns aufgedrungene Krieg zur Folge gehabt hat, lassen sich selbstverständlich nicht aufstellen, aller Wahrscheinlichkeit nach aber werden dieselben einschließlich der eigentlichen Kriegskosten durch 5 Milliarden Francs reichlich gedeckt. Gegen Ende Octobers v. J. erschienen mehrfache Berech- nungen in der Presse, deren höchstgegriffene im Durchschnitt auf 4--5 Milliar- den Francs hinausliefen, meist aber schon eine gewisse Zeit der Fortdauer des Krieges und den Rückmarsch der Truppen mit in Anschlag brachten. Läßt man letztere Positionen unbeachtet, und fixirt man diese Anschläge bis Ende Octobers auf eine Milliarde Thaler, so bleiben für die 150 Tage vom 1 Nov. pr. bis zum 31 März c., bis zu welcher Zeit der Rückmarsch der Truppen erfolgt sein kann, noch etwa2 1 / 4 Mill. Thlr. für jeden Tag. Da nun aber die Unter- haltung der Armee kaum mehr als 1--1 1 / 4 Million täglich kosten dürfte, so ergibt sich schon aus diesen Andeutungen daß wir einen auskömmlichen Ersatz erlangt haben. Den Erwerb von Elsaß und Deutsch=Lothringen bringen wir dabei gar nicht in Anschlag, weil es den gereiften Anschauungen unserer Zeit widerspricht Gebietsabtretungen, soweit es sich nicht um Dominialgüter handelt, in Geld abzuwägen.“ -- Einige weitere Definitionen der gewaltigen Summe gibt die „Krzztg.:“ „Die Summe von 5 Milliarden Franken ( Betrag der fran- zösischen Kriegsentschädigung ) übersteigt die Zahlen mit denen man im gewöhn- lichen Leben umzugehen pflegt so sehr, daß es schwer ist sich von der Größe dieser Summe einen Begriff zu machen. Durch einige Exempel kann man die- selbe etwas veranschaulichen. Das Gewicht der Summe von 5 Milliarden in goldenen Zwanzigfrankstücken beträgt 32,258 Centner; auf Eisenbahnwagen zu 100 Centner Ladung würde sie zu ihrer Fortschaffung einen Zug von 322 Wagen erfordern. Dieselbe Summe in silbernen Fünffrankstücken wiegt 500,000 Centner. Ein geübter Kassierer kann in einer Stunde 40,000 Fr. in Fünffrankstücken aufzählen; angenommen, ein solcher fienge diese Arbeit im Alter von 25 Jahren an und zählte täglich acht Stunden während 300 Werk- tagen im Jahr, so würde er erst nach seinem 77. Lebensjahre damit fertig sein. Jn Stücken von je einem Franc, flach nebeneinander gelegt, würde die Summe eine Länge von 115,000 Kilometern, fast ein Drittel der Entfernung zwischen Erde und Mond, einnehmen. Jn goldenen 20Francsstücken würde diese Distanz genau 700 Meilen ( Neumeilen == 7500 Metern ) betragen. Endlich vergegen- wärtige man sich daß seit Christi Geburt noch nicht 1 Milliarde Minuten ver- flossen sind; hätte man in jeder Minute, Tag und Nacht, ein 5Francsstück bei- seite gelegt, so wäre, seit Beginn unserer Zeitrechnung, obige Summe noch nicht erreicht.“ Paris. Nachträglich erfährt man näheres über die verschiedenartigen Auskunftsmittel welche die Postverwaltung ersann um die durch die Bela- gerung gehemmte Communication herzustellen. Einige Tage bevor sich der eiserne Ring um Paris schloß, hatten der Präfect des Norddepartements und der Präsident der Handelskammer in Lille 900 Brieftauben von Roubaix und Tourcoing nach der Hauptstadt geschickt, die den Verkehr nach außen besorgten, während die mit den Ballons entsandten Tauben aus den Taubenhäusern von Paris die umgekehrte Verbindung abgaben. Die flamändischen Tauben waren in der Regel zwei Stunden nachdem sie aus dem Jardin des Plantes mit ihrer kleinen Briefpost abgelassen waren wieder in Roubaix und Tourcoing. Mit den Retourbriefen gieng es nicht so gut. Von den 200 per Ballon mitgenom- menen Brieftauben gelangten nur 73 nach Paris zurück, und von diesen brachten 18 keine Depeschen. Man suchte daher nach andern Beförderungsarten. So wurden z. B. Briefe in Wagen mit Stroh und Heu versteckt, diese wurden aber regelmäßig von den Belagerern entdeckt. Weiter versuchte man es mit Boten. Von Mitte Septembers bis Ende Octobers wurden 45 Leute ausgeschickt, davon brachten aber nur fünf die Briefe an den bestimmten Ort, und von diesen brachten nur zwei Antworten heim. Der Rest konnte beim besten Willen nicht durchdringen, mehrere wurden auch gefangen. Die Beförderung mittelst der Seine gelang auch nicht; die Belagerer hatten Netze gelegt. Auch von den neulich erwähnten schwimmenden Hohlkügelchen, in welche photographische verkleinerte Briefe gethan wurden, scheint in Paris nichts angekommen zu sein; ein Vorschlag die Briefe in Pfropfen zu thun, wie sie viel in der Seine un- beachtet umherschwimmen, scheint gar nicht zur Ausführung gekommen zu sein; ferner mißglückte auch eine Art Taucherpost, und neulich schlug auch der Versuch einer Erfindung durch die unterirdischen Cloaken fehl; einer der Boten fand, indem er in den Koth untersank, einen elenden Tod. Einigen Erfolg schien man sich von einer Hundepost zu versprechen, allein die Hunde wurden theils von dem Feind aufgefangen, theils von der hungernden Pariser Bevölkerung, die sich zwischen den Forts und der Ringmauer umher trieb, als guter Braten verspeist. Jndustrie, Handel und Verkehr. Berlin, 2 März. Der „B. B.=Cour.“ theilt mit daß dem Reichstag der Entwurf eines Bundesgesetzes vorgelegt werden wird welches den Handel in künf- tig zu emittirenden fremden Lotterie=Anleihen innerhalb des Reichs unter- sagt, und die heimische Production der Prämienanleihen von vorhergängiger Auto- risation durch ein Reichsgesetz abhängig macht. -- Die formelle Auflösung der bis- her hier bestandenen allgemeinen Eisenbahnbaugesellschaft, welche auf verschiedene im Besitze des Hrn. Dr. Stronsberg gewesene Werthobjecte bafirt war, wird nunmehr in allernächster Zeit erfolgen, da ein nicht unbeträchtlicher Theil dieser Werthprojecte in andern Besitz übergegangen ist. -- Ueber die auf Anregung der Unionbank in Wien hier begründete „ deutsche Unionsbank, “ theilt die B. B. Ztg. folgendes nähere mit. Es hat gestern Nachmittag bereits die erste con- stituirende Generalversammlung der Actionäre dieser Bank hier stattgefunden. Nachdem in derselben der Nachweis geführt worden war daß das Grundcapital von 12 Mill. Thlrn. vollständig gezeichnet ( 7 1 / 2 Mill. Thlr. sind in Wien und 4 1 / 2 Mill. Thlr. hier untergebracht ) , nachdem ferner auch der Nachweis erbracht war daß 10 Proc. bereits eingezahlt und hier deponirt sind, wurde das Statut in allen seinen Einzelheiten einer genauen Berathung unterzogen und schließlich definitiv festgestellt. Es wurde dann zur Wahl des Aufsichtsrathes geschritten, und hierbei zu Mitgliedern desselben gewählt die HH. Commercienrath Wilhelm Herz ( Firma S. Herz ) , Commercienrath Benjamin Liebermann ( Firma Liebermann und Comp ) , Bankier Julius Nelke ( Firma A. Paderflein ) , Bankier Wilhelm Krause ( Firma F. W. Krause Bankgeschäft ) , Bankier Julius Schiff ( Firm. Gebr. Schiff ) , sämmtlich von hier, Bankier Jakob von Kaufmann Asser in Köln, Abgeordneter Dr. Fritz Hammacher in Essen, Major Arthur Mayer von Uls ó ________Nuszbach, Advocat Dr. Mauthner, Advocat Dr. Strauß, alle drei Verwaltungsrathsmitglieder der Unionbank in Wien, Dr. jur. Emil Behrend, Verwaltungsrathsmitglied der Ver- einsbank in Wien. Unmittelbar nach der Generalversammlung constituirte sich der Aufsichtsrath und wählte Hrn. Commercienrath Wilhelm Herz zum Vorsitzenden und zu dessen Stellvertreter die HH. Bankier Julius Nelke und Major Arthur v. Mayer. Bis zur Einsetzung einer definitiven Direction wurde außerdem vom Aufsichterath ein interimistischer Vorstand aus seiner Mitte bestimmt, und zu dessen Mitgliedern die HH. Commercienrath Liebermann, Bankiers Schiff und Krause designirt. Auch machte der Aufsichterath noch von seiner Befugniß durch eigene Cooptation seine Mitgliederzahl bis auf 16 zu erhöhen insoweit Gebrauch, als er die HH. Rechtsanwalt beim Obertribunal und Reichstagsabgeordneten Dr. Braun hierselbst und Coloman Reisch in Wien zu Aufsichtsrathsmitgliedern ________eraannte. Die Eintragung der Bank beim Handelsgericht ist bereits beantragt, und wird alsbald darauf auch die Wirksamkeit des Jnstituts beginnen._ * Erfurt, 4 März. Productenmarkt. Die abgelaufene Woche brachte uns milde, schöne Witterung. Wenn sich am heutigen Getreidemarkte größere Lebhaftigkeit nicht entwickeln konnte, so hat dieß wohl seinen Grund in den wieder nur mäßigen Zufuhren und den in Folge dessen erhöhten Forderungen seitens der Verkäufer. Weizen machte sich in feiner Waare knapp, weßhalb selbst für geringere Qualitäten höhere Preise bewilligt wurden. Roggen blieb gefragt; Gerste preis- haltend; Hafer in fester Haltung. Weizen per Scheffel 84--86 Pfund 72--80 Thlr. per Wispel. Roggen pr. Sch. 82--83 Pfd. 60--63 Thlr. pr. W. Gerste pr. Sch. 70--74 Pfd. 43--47 Thlr. pr. W., gute Brauwaare 70--74 Pfd. 48--53 Thlr. pr. W. Hafer pr. Sch. 47--49 Pfd. 29--30 Thlr. pr. W. Erbsen 100 Pfd. 2 3 / 4 --3 5 / 6 Thlr. pr. W. Der „N. Bad. Landes=Ztg.“ wird aus Straßburg geschrieben: Die ge- sammten Handelsverhältnisse Straßburgs haben nichts weniger als günstige Aussichten; so läßt sich im „Niederrh. 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Daß die Schuldner unter dem Drucke der gegenwärtigen Verhältnisse augenblicklich außer Stande sind zurückzuzahlen, bedarf wohl keiner weiteren Erklärung.“ Jn Frankreich tauchen bereits die finanziellen Scandalgeschichten aus der Kriegsepoche auf, und bis man nur ein wenig ruhiger wird geworden sein, wird gewiß auch von der Nationalversammlung eine Untersuchung eingeleitet werden. So z. B. wird aus Lyon erzählt daß man zur Zeit als die Jnvasion bevorstand, fürchtete man werde nicht genug Kohlen zur Gaserzeugung erhalten; es wurde deßhalb die Beleuchtung mit Oel vorbereitet und auf eine enorme Quan- tität Oel zu einem den Marktpreis um ein Drittel überragenden Betrag ein Ab- schluß gemacht, zugleich wurden so viele Dochte angekauft daß man wohl 20 Jahre damit auskommen könnte. Ein Kleidertrödler in Lyon erhielt die Lieferung von Pferden für die Armee, und laute Klagen werden erhoben daß die Schuhe, Klei- der, Koch= und andere Geschirre für das Heer geradezu von niederträchtiger Qua- lität waren, so daß sie beim ersten Gebrauch in Stücke oder Trümmer zerfielen. Jn Nantes kanfte man Habersäcke zu je 14 Fr. 50 Cts., während sie für 10 Fr. zu haben waren. Der Aufseher der Artilleriewerkstätten machte die Anzeige daß die Kanonen=Laffetten so schlecht seien, daß sie nicht zwei Minuten Fener aushalten. Jm Departement von Ain wurden 100,000 Zinnkannen zu hohem Preise gekauft, von denen sich nachträglich herauestellte daß sie nicht Wasser halten. Jn St. Brieux erzielten zwei Lieferanten von Oberröcken einen Gewinn von 40,000 Fr. bei einem Geschäft von 140,000 Fr., und processiren jetzt wegen der Theilung. Jn Havre hatte sich ein Lieferant erboten die Wagen für die Armee in diesem Gebiete für 5000 Fr. täglich beizustellen, ein anderer wies nach daß für 2000 Fr. dieses Ge- schäft ganz gut besorgt werden könnte, und daß er selbst in der Mitte des Win- ters nur 1000 Fr. verlangt habe, während jetzt 11,000 Fr. gezahlt werden. Die Uniformen der Mobilen waren eben so schlecht wie die andern Artikel dieser Sol- daten, und was die Schuhe betrifft, hatten mehrere tausend bloß Pappsohlen! Jn Bourbaki's Armee bekamen die Soldaten Schuhe mit Sohlen die aus so zar- tem Stoff waren, daß man sie mit den Fingernägeln durchschneiden konnte. * New=York, 3 März. Das Postdampfschiff des Nordd. Lloyd „Hansa,“ welches am 16 Febr. von Bremen und am 19 Febr. von Southampton ab- gegangen war, ist heute hier angekommen.

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung. Nr. 68. Augsburg (Bayern), 9. März 1871, S. 1156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_augsburg68_1871/17>, abgerufen am 11.12.2024.