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Der Arbeitgeber. Nr. 1050. Frankfurt a. M., 16. Juni 1877.

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[Spaltenumbruch] Maschinen, gegenseitige Ueberwachung und sorgfältigere Aus-
führung der Arbeit den Ertrag und Ruf der Fabrik erhöhten.
Der Arbeiter, welcher Producent auf eigne Rechnung geworden sei,
nehme auch Antheil an der Verantwortlichkeit und sei bei flottem
Geschäftsgange gern bereit, seine Tagesarbeit zu verlängern. Die
Höhe des Lohnes ist an sich ganz ohne Einfluß auf das Wohlbe-
finden des Arbeiters, wenn nicht die Lebensbedürsnisse entsprechend
billig sind. Hohe Löhne und hohe Preise sind meist schlimmer
als niedere Löhne und niedere Preise der Lebensbedürfnisse.

* Arbeitmarkt. Die Jahreszeit hat die übliche Nachfrage
nach den mit der Sommerfrische zusammenhängenden Arbeitkräften
gebracht, etwas später als sonst. Es sind daher Kellner und
Zuckerbäcker immer noch gesucht, ebenso Schneider, Putzmacherinnen
und Näherinnen. Auffallend ist die große Zahl der Gesuche bez.
letzterer, veranlaßt durch die beständig wechselnde Damenmode.
Dem Uebermaß der Putzsucht nach, den die Damenwelt ent-
wickelt, kann die Noth nicht sehr groß sein. Jn einzelnen Ge-
werben zeigt sich auch wieder mehr Bedarf, so an Metalldrehern,
Bauarbeitern, Sattlern und Schuhmachern, letztere beiden, wie es
scheint, in Veranlassung des Krieges. Jn Riga soll aus derselben
Ursache großer Mangel an Dockarbeitern sein, da die Mehrzahl
dieser Leute zum Kriegsdienst einberufen wurde. Die Kapitäne der
dort ankernden Schiffe müssen ihre eigene Besatzung zum Laden
verwenden, Das geht darum sehr langsam von statten.

Jn Berlin dagegen herrscht nach der "Soc. Corr." unge-
wöhnlicher Ueberfluß an Handelsbeflissenen, Schreibern, Kellnern,
Hausburschen und Wirthschafterinnen. Von 3 Uhr Nachmittags
an versammeln sich täglich an 3000 Menschen in der Nähe der
Ausgabe des "Jntelligenzblattes", um gegen eine kleine Gebühr in
einem der vielen kleinen Läden oder Kellern in dortiger Gegend
die Stellenangebote zu lesen. Jn einigen Läden werden die Vacanzen
laut vorgelesen und dem Eintretenden 5 Pfennig Eintrittsgeld
abverlangt.

-- Jn Dortmund will man die dort. Volksküche schließen,
weil sie erfreulicher Weise kein Bedürfniß mehr ist.

Jn England dauert der Ausstand am Clyde fort; eine
Einigung konnte bis jetzt nicht erzielt werden. Jn Northumberland
sträuben sich die Kohlenknappen gegen eine Lohnverminderung; in
Fife hat man die Gruben geschlossen. Birmingham flau. Bau-
handwerker sind gut beschäftigt. Die Weber haben sich zu einer
Lohnerhöhung von7 1 / 2 % bequemt. Jn Manchester dauert der
Ausstand der Schreiner fort. Nach Neuseeland werden Arbeitkräfte
gesucht.

* Geschäftsbericht. Die Berichte über den Gang der Ge-
schäfte hängen offenbar von dem Gewerbszweige ab, dem der Be-
richterstatter angehört oder nahe steht, denn sie weichen immer mehr
von einander ab. Während z. B. das schweiz. "Centr.=Bl." eine
düstere Schilderung von der wirthschaftl. Lage der Schweiz liefert,
deren Handel in den ersten 3 Monaten d. J. sich vermindert
habe, berichten andere sogar von einem kleinen Aufschwung. Jn
der Schweiz soll sich namentlich der Verbrauch von Getreide, Kaffee,
Zucker, Reis und selbst von Erdöl vermindert haben, d. h. das
Volk lebt schlechter. -- Die Nachrichten über angeblichen Nothstand
in Berlin heißt der "Schw. M." geradezu "Schwarzfärberei" und
führt sie auf socialistische und ultramontane Quellen zurück. Auf-
fallend ist allerdings, daß trotz vielfacher Anerbietung und sogar
amtlicher Aufforderung nur wenige Arbeiter die Städte verlassen
haben, während es auf dem Lande vielfach an Händen fehlt. Die
mittelfränkische Handels= und Gewerbe=Corr. ( Nürnberg ) sagt in
ihrem eben erschienenen Jahresberichte auch, daß nur bei einzelnen
Jndustriezweigen von einem Niedergang des Absatzes gesprochen
werden kann, wogegen bei einer Reihe anderer eine gleichbleibende
oder sich vergrößernde Handelsbewegung Platz greift. Jm letzteren
Fall befinden sich u. A. die Erzgießerei, die Fabrikation von Blei-
stiften, Pinseln, von Gegenständen aus Terra=Cotta und Majoliken,
von Papiermach e, von Chocolade und Lebkuchen ( ! ) , von Zinn-
und Zinncompositionswaaren, die Blechindustrie, die Buchbinderei
und das Cartonnagegeschäft. Man wird bemerken, daß sich hierunter
wenigstens einige Zweige befinden, deren steigender Absatz sicher nicht
mit einem allgemeinen Rückgange unseres Volkswohlstandes verein-
bar sein würde. Uebrigens hebt der Bericht hervor, daß fast alle
Fabrikationszweige, bei denen auf Herstellung guter Waare
gesehen wird, auch wirklich prosperiren ( !! ) . -- Die Schiff-
[Spaltenumbruch] fahrt
im baltischen Meer ist in Folge der Absperrung der
russischen Häfen im schwarzen Meer sehr lebhaft geworden. Die
Kahn=Rhederei von Königsberg ist dadurch so sehr in Aufschwung
gekommen, wie zur Zeit des russisch=englischen Krieges.

Der überaus günstige Stand der Felder trägt nicht wenig
zur allgemeinen besseren Stimmung bei. Der "Wiener Geschäfts-
bericht " schreibt über den gegenwärtigen Stand der Rübenfelder,
daß derselbe ein vortrefflicher ist und zu der Aussicht auf ein reich-
liches Ergebniß berechtigt; die Zuckerpreise sind in Folge dessen
zurückgegangen, was für die Consumenten ja wohl kein Nachtheil
ist. -- Auch über das Geschäft in Webstoffen berichtet gen. Quelle
günstig. Der allgemein herrschenden Ansicht nach ist bei dem An-
dauern des günstigen Wetters noch ein ansehnliches Geschäft in
Sommerartikeln in sichere Aussicht zu nehmen und wird auch bei
einem Ernteerträgnisse, das sowohl quantitativ als auch qualitativ
zufriedenstellt, der Verkehr in Winterwaaren sich recht gut gestalten.

Jn Frankreich läßt die Geschäftslage viel zu wünschen
übrig, man erholt sich stets nur langsam von Schlägen, wie sie
das sinnlose Verfahren des Präsidenten der Republik der Gewerb-
thätigkeit versetzte. Die Tuchfabrikanten und Tuchhändler von
Vienne in der Jsere haben an den Präsidenten eine Adresse ge-
richtet, welche als der Ausdruck der ganzen französ. industr. Welt
betrachtet werden kann und worin sie hervorheben, daß um diese
Zeit des Jahres gewöhnlich sich die Fabriken in voller Thätigkeit
befinden: "die Bestellungen sind reichlich, die Umsätze vervielfältigen
sich, die Werkstätten arbeiten Tag und Nacht. Noch vor Kurzem
deutete Alles darauf hin, daß die Dinge ihren gewohnten
Gang nehmen würden, als die Nachricht von dem Sturze des
Ministeriums Jules Simon, das unser ganzes Vertrauen
besaß,
und von der Bildung eines neuen Cabinets anlangte,
welches aus Männern besteht, die man nach ihrer politischen Ver-
gangenheit als die schlimmsten Feinde der von dem Lande
freigewählten Regierungsform ansehen muß. Diese Nachricht brachte
in die Geschäfte einen plötzlichen und vollkommenen Stillstand;
auch die Aeltesten von uns erinnern sich nicht einer ähnlichen Ver-
wirrung. Keine Käufer, keine Bestellungen mehr, die Jndustriellen,
durch die Aussicht auf eine, wie sie glauben, an unberechenbaren
Gefahren reiche Zukunft erschreckt, setzen ihre Production herab, die
Werkstätten schließen sich, und bald werden Tausende von Arbeitern
beschäftigungs= und brodlos sein. Wie man uns von allen Seiten
berichtet, ist diese Lage eine allgemeine, und es gibt in Frankreich
keine einzige gewerbtreibende Stadt, die sich nicht in
ihren wichtigsten Jnteressen getroffen fühlte". Berichte aus Tarare
( mit bedeutender Weberei ) und aus anderen gewerbfleißigen Städten
des Rhonedepartements bestätigen Obiges. Ueberall herrscht Mangel
an Arbeitgelegenheit.

* Dividenden. Die Bergbau = Gesellschaft "Borussia" ver-
theilt keine Dividenden. Egestorff's Salzwerk3 1 / 3 %,
Reuter's Telegr. 5%. Am besten stehen die Versicherungs-
Gesellschaften: der Rhein.=Westphäl. Lloyd vertheilt 20%, die rh.
w. Rückvers. 16%. Die Liquidation der Süddeutschen Bau-
gesellschaft
dahier scheint nicht geglückt zu sein. Die Gesell-
schaft ist nun in Gant gerathen.

* Patentwesen. Am 8. Mai ist nun auch in Amerika das
letzte Nähmaschinen=Patent erloschen, welches wesentliche
Theile der Nähmaschine deckte. -- Es war dies ein in den
Händen der vereinigten Wheeler=Wilson, Singer und
Grover=Baker Compagnien befindliches Patent, womit diese die
ganze Fabrikation beherrschten. Diese Gesellschaften besaßen u. A.
Howe's Patent, auf die Maschinennadel ( mit dem Ohr an der
Spitze ) und das Schiffchen. Ein anderes Patent von Wilson bezog
sich auf die Zeugführung. Das eben erloschene, letzte, betraf die
Nadelplatte, für welche alle Fabriken eine Patentgebühr von 3 Doll.
zahlen mußten. Eine einzige Fabrik hat in den letzten 10 Jahren
800,000 Doll. für Patentgebühr bezahlt.

Der deutsche Bundesrath hat die Verordnung bezügl. der Ein-
richtung des Patentamtes genehmigt und die Beamten des Reichs-
Patentamtes, dessen Vorsitzender Ministerialdirector Jacobi ist,
ernannt.

-- Das deutsche Patentamt ist jetzt als constituirt anzu-
sehen. Die Stelle des Vorsitzenden ist definitiv dem Ministerial-
Director im preußischen Handelsministerium, Jacobi, übertragen;
zwischen diesem und dem Director im Reichskanzleramt, Eck, wer-

[Spaltenumbruch] Maschinen, gegenseitige Ueberwachung und sorgfältigere Aus-
führung der Arbeit den Ertrag und Ruf der Fabrik erhöhten.
Der Arbeiter, welcher Producent auf eigne Rechnung geworden sei,
nehme auch Antheil an der Verantwortlichkeit und sei bei flottem
Geschäftsgange gern bereit, seine Tagesarbeit zu verlängern. Die
Höhe des Lohnes ist an sich ganz ohne Einfluß auf das Wohlbe-
finden des Arbeiters, wenn nicht die Lebensbedürsnisse entsprechend
billig sind. Hohe Löhne und hohe Preise sind meist schlimmer
als niedere Löhne und niedere Preise der Lebensbedürfnisse.

* Arbeitmarkt. Die Jahreszeit hat die übliche Nachfrage
nach den mit der Sommerfrische zusammenhängenden Arbeitkräften
gebracht, etwas später als sonst. Es sind daher Kellner und
Zuckerbäcker immer noch gesucht, ebenso Schneider, Putzmacherinnen
und Näherinnen. Auffallend ist die große Zahl der Gesuche bez.
letzterer, veranlaßt durch die beständig wechselnde Damenmode.
Dem Uebermaß der Putzsucht nach, den die Damenwelt ent-
wickelt, kann die Noth nicht sehr groß sein. Jn einzelnen Ge-
werben zeigt sich auch wieder mehr Bedarf, so an Metalldrehern,
Bauarbeitern, Sattlern und Schuhmachern, letztere beiden, wie es
scheint, in Veranlassung des Krieges. Jn Riga soll aus derselben
Ursache großer Mangel an Dockarbeitern sein, da die Mehrzahl
dieser Leute zum Kriegsdienst einberufen wurde. Die Kapitäne der
dort ankernden Schiffe müssen ihre eigene Besatzung zum Laden
verwenden, Das geht darum sehr langsam von statten.

Jn Berlin dagegen herrscht nach der „Soc. Corr.“ unge-
wöhnlicher Ueberfluß an Handelsbeflissenen, Schreibern, Kellnern,
Hausburschen und Wirthschafterinnen. Von 3 Uhr Nachmittags
an versammeln sich täglich an 3000 Menschen in der Nähe der
Ausgabe des „Jntelligenzblattes“, um gegen eine kleine Gebühr in
einem der vielen kleinen Läden oder Kellern in dortiger Gegend
die Stellenangebote zu lesen. Jn einigen Läden werden die Vacanzen
laut vorgelesen und dem Eintretenden 5 Pfennig Eintrittsgeld
abverlangt.

-- Jn Dortmund will man die dort. Volksküche schließen,
weil sie erfreulicher Weise kein Bedürfniß mehr ist.

Jn England dauert der Ausstand am Clyde fort; eine
Einigung konnte bis jetzt nicht erzielt werden. Jn Northumberland
sträuben sich die Kohlenknappen gegen eine Lohnverminderung; in
Fife hat man die Gruben geschlossen. Birmingham flau. Bau-
handwerker sind gut beschäftigt. Die Weber haben sich zu einer
Lohnerhöhung von7 1 / 2 % bequemt. Jn Manchester dauert der
Ausstand der Schreiner fort. Nach Neuseeland werden Arbeitkräfte
gesucht.

* Geschäftsbericht. Die Berichte über den Gang der Ge-
schäfte hängen offenbar von dem Gewerbszweige ab, dem der Be-
richterstatter angehört oder nahe steht, denn sie weichen immer mehr
von einander ab. Während z. B. das schweiz. „Centr.=Bl.“ eine
düstere Schilderung von der wirthschaftl. Lage der Schweiz liefert,
deren Handel in den ersten 3 Monaten d. J. sich vermindert
habe, berichten andere sogar von einem kleinen Aufschwung. Jn
der Schweiz soll sich namentlich der Verbrauch von Getreide, Kaffee,
Zucker, Reis und selbst von Erdöl vermindert haben, d. h. das
Volk lebt schlechter. -- Die Nachrichten über angeblichen Nothstand
in Berlin heißt der „Schw. M.“ geradezu „Schwarzfärberei“ und
führt sie auf socialistische und ultramontane Quellen zurück. Auf-
fallend ist allerdings, daß trotz vielfacher Anerbietung und sogar
amtlicher Aufforderung nur wenige Arbeiter die Städte verlassen
haben, während es auf dem Lande vielfach an Händen fehlt. Die
mittelfränkische Handels= und Gewerbe=Corr. ( Nürnberg ) sagt in
ihrem eben erschienenen Jahresberichte auch, daß nur bei einzelnen
Jndustriezweigen von einem Niedergang des Absatzes gesprochen
werden kann, wogegen bei einer Reihe anderer eine gleichbleibende
oder sich vergrößernde Handelsbewegung Platz greift. Jm letzteren
Fall befinden sich u. A. die Erzgießerei, die Fabrikation von Blei-
stiften, Pinseln, von Gegenständen aus Terra=Cotta und Majoliken,
von Papiermach é, von Chocolade und Lebkuchen ( ! ) , von Zinn-
und Zinncompositionswaaren, die Blechindustrie, die Buchbinderei
und das Cartonnagegeschäft. Man wird bemerken, daß sich hierunter
wenigstens einige Zweige befinden, deren steigender Absatz sicher nicht
mit einem allgemeinen Rückgange unseres Volkswohlstandes verein-
bar sein würde. Uebrigens hebt der Bericht hervor, daß fast alle
Fabrikationszweige, bei denen auf Herstellung guter Waare
gesehen wird, auch wirklich prosperiren ( !! ) . -- Die Schiff-
[Spaltenumbruch] fahrt
im baltischen Meer ist in Folge der Absperrung der
russischen Häfen im schwarzen Meer sehr lebhaft geworden. Die
Kahn=Rhederei von Königsberg ist dadurch so sehr in Aufschwung
gekommen, wie zur Zeit des russisch=englischen Krieges.

Der überaus günstige Stand der Felder trägt nicht wenig
zur allgemeinen besseren Stimmung bei. Der „Wiener Geschäfts-
bericht “ schreibt über den gegenwärtigen Stand der Rübenfelder,
daß derselbe ein vortrefflicher ist und zu der Aussicht auf ein reich-
liches Ergebniß berechtigt; die Zuckerpreise sind in Folge dessen
zurückgegangen, was für die Consumenten ja wohl kein Nachtheil
ist. -- Auch über das Geschäft in Webstoffen berichtet gen. Quelle
günstig. Der allgemein herrschenden Ansicht nach ist bei dem An-
dauern des günstigen Wetters noch ein ansehnliches Geschäft in
Sommerartikeln in sichere Aussicht zu nehmen und wird auch bei
einem Ernteerträgnisse, das sowohl quantitativ als auch qualitativ
zufriedenstellt, der Verkehr in Winterwaaren sich recht gut gestalten.

Jn Frankreich läßt die Geschäftslage viel zu wünschen
übrig, man erholt sich stets nur langsam von Schlägen, wie sie
das sinnlose Verfahren des Präsidenten der Republik der Gewerb-
thätigkeit versetzte. Die Tuchfabrikanten und Tuchhändler von
Vienne in der Jsère haben an den Präsidenten eine Adresse ge-
richtet, welche als der Ausdruck der ganzen französ. industr. Welt
betrachtet werden kann und worin sie hervorheben, daß um diese
Zeit des Jahres gewöhnlich sich die Fabriken in voller Thätigkeit
befinden: „die Bestellungen sind reichlich, die Umsätze vervielfältigen
sich, die Werkstätten arbeiten Tag und Nacht. Noch vor Kurzem
deutete Alles darauf hin, daß die Dinge ihren gewohnten
Gang nehmen würden, als die Nachricht von dem Sturze des
Ministeriums Jules Simon, das unser ganzes Vertrauen
besaß,
und von der Bildung eines neuen Cabinets anlangte,
welches aus Männern besteht, die man nach ihrer politischen Ver-
gangenheit als die schlimmsten Feinde der von dem Lande
freigewählten Regierungsform ansehen muß. Diese Nachricht brachte
in die Geschäfte einen plötzlichen und vollkommenen Stillstand;
auch die Aeltesten von uns erinnern sich nicht einer ähnlichen Ver-
wirrung. Keine Käufer, keine Bestellungen mehr, die Jndustriellen,
durch die Aussicht auf eine, wie sie glauben, an unberechenbaren
Gefahren reiche Zukunft erschreckt, setzen ihre Production herab, die
Werkstätten schließen sich, und bald werden Tausende von Arbeitern
beschäftigungs= und brodlos sein. Wie man uns von allen Seiten
berichtet, ist diese Lage eine allgemeine, und es gibt in Frankreich
keine einzige gewerbtreibende Stadt, die sich nicht in
ihren wichtigsten Jnteressen getroffen fühlte“. Berichte aus Tarare
( mit bedeutender Weberei ) und aus anderen gewerbfleißigen Städten
des Rhonedepartements bestätigen Obiges. Ueberall herrscht Mangel
an Arbeitgelegenheit.

* Dividenden. Die Bergbau = Gesellschaft „Borussia“ ver-
theilt keine Dividenden. Egestorff's Salzwerk3 1 / 3 %,
Reuter's Telegr. 5%. Am besten stehen die Versicherungs-
Gesellschaften: der Rhein.=Westphäl. Lloyd vertheilt 20%, die rh.
w. Rückvers. 16%. Die Liquidation der Süddeutschen Bau-
gesellschaft
dahier scheint nicht geglückt zu sein. Die Gesell-
schaft ist nun in Gant gerathen.

* Patentwesen. Am 8. Mai ist nun auch in Amerika das
letzte Nähmaschinen=Patent erloschen, welches wesentliche
Theile der Nähmaschine deckte. -- Es war dies ein in den
Händen der vereinigten Wheeler=Wilson, Singer und
Grover=Baker Compagnien befindliches Patent, womit diese die
ganze Fabrikation beherrschten. Diese Gesellschaften besaßen u. A.
Howe's Patent, auf die Maschinennadel ( mit dem Ohr an der
Spitze ) und das Schiffchen. Ein anderes Patent von Wilson bezog
sich auf die Zeugführung. Das eben erloschene, letzte, betraf die
Nadelplatte, für welche alle Fabriken eine Patentgebühr von 3 Doll.
zahlen mußten. Eine einzige Fabrik hat in den letzten 10 Jahren
800,000 Doll. für Patentgebühr bezahlt.

Der deutsche Bundesrath hat die Verordnung bezügl. der Ein-
richtung des Patentamtes genehmigt und die Beamten des Reichs-
Patentamtes, dessen Vorsitzender Ministerialdirector Jacobi ist,
ernannt.

-- Das deutsche Patentamt ist jetzt als constituirt anzu-
sehen. Die Stelle des Vorsitzenden ist definitiv dem Ministerial-
Director im preußischen Handelsministerium, Jacobi, übertragen;
zwischen diesem und dem Director im Reichskanzleramt, Eck, wer-

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[0002] Maschinen, gegenseitige Ueberwachung und sorgfältigere Aus- führung der Arbeit den Ertrag und Ruf der Fabrik erhöhten. Der Arbeiter, welcher Producent auf eigne Rechnung geworden sei, nehme auch Antheil an der Verantwortlichkeit und sei bei flottem Geschäftsgange gern bereit, seine Tagesarbeit zu verlängern. Die Höhe des Lohnes ist an sich ganz ohne Einfluß auf das Wohlbe- finden des Arbeiters, wenn nicht die Lebensbedürsnisse entsprechend billig sind. Hohe Löhne und hohe Preise sind meist schlimmer als niedere Löhne und niedere Preise der Lebensbedürfnisse. * Arbeitmarkt. Die Jahreszeit hat die übliche Nachfrage nach den mit der Sommerfrische zusammenhängenden Arbeitkräften gebracht, etwas später als sonst. Es sind daher Kellner und Zuckerbäcker immer noch gesucht, ebenso Schneider, Putzmacherinnen und Näherinnen. Auffallend ist die große Zahl der Gesuche bez. letzterer, veranlaßt durch die beständig wechselnde Damenmode. Dem Uebermaß der Putzsucht nach, den die Damenwelt ent- wickelt, kann die Noth nicht sehr groß sein. Jn einzelnen Ge- werben zeigt sich auch wieder mehr Bedarf, so an Metalldrehern, Bauarbeitern, Sattlern und Schuhmachern, letztere beiden, wie es scheint, in Veranlassung des Krieges. Jn Riga soll aus derselben Ursache großer Mangel an Dockarbeitern sein, da die Mehrzahl dieser Leute zum Kriegsdienst einberufen wurde. Die Kapitäne der dort ankernden Schiffe müssen ihre eigene Besatzung zum Laden verwenden, Das geht darum sehr langsam von statten. Jn Berlin dagegen herrscht nach der „Soc. Corr.“ unge- wöhnlicher Ueberfluß an Handelsbeflissenen, Schreibern, Kellnern, Hausburschen und Wirthschafterinnen. Von 3 Uhr Nachmittags an versammeln sich täglich an 3000 Menschen in der Nähe der Ausgabe des „Jntelligenzblattes“, um gegen eine kleine Gebühr in einem der vielen kleinen Läden oder Kellern in dortiger Gegend die Stellenangebote zu lesen. Jn einigen Läden werden die Vacanzen laut vorgelesen und dem Eintretenden 5 Pfennig Eintrittsgeld abverlangt. -- Jn Dortmund will man die dort. Volksküche schließen, weil sie erfreulicher Weise kein Bedürfniß mehr ist. Jn England dauert der Ausstand am Clyde fort; eine Einigung konnte bis jetzt nicht erzielt werden. Jn Northumberland sträuben sich die Kohlenknappen gegen eine Lohnverminderung; in Fife hat man die Gruben geschlossen. Birmingham flau. Bau- handwerker sind gut beschäftigt. Die Weber haben sich zu einer Lohnerhöhung von7 1 / 2 % bequemt. Jn Manchester dauert der Ausstand der Schreiner fort. Nach Neuseeland werden Arbeitkräfte gesucht. * Geschäftsbericht. Die Berichte über den Gang der Ge- schäfte hängen offenbar von dem Gewerbszweige ab, dem der Be- richterstatter angehört oder nahe steht, denn sie weichen immer mehr von einander ab. Während z. B. das schweiz. „Centr.=Bl.“ eine düstere Schilderung von der wirthschaftl. Lage der Schweiz liefert, deren Handel in den ersten 3 Monaten d. J. sich vermindert habe, berichten andere sogar von einem kleinen Aufschwung. Jn der Schweiz soll sich namentlich der Verbrauch von Getreide, Kaffee, Zucker, Reis und selbst von Erdöl vermindert haben, d. h. das Volk lebt schlechter. -- Die Nachrichten über angeblichen Nothstand in Berlin heißt der „Schw. M.“ geradezu „Schwarzfärberei“ und führt sie auf socialistische und ultramontane Quellen zurück. Auf- fallend ist allerdings, daß trotz vielfacher Anerbietung und sogar amtlicher Aufforderung nur wenige Arbeiter die Städte verlassen haben, während es auf dem Lande vielfach an Händen fehlt. Die mittelfränkische Handels= und Gewerbe=Corr. ( Nürnberg ) sagt in ihrem eben erschienenen Jahresberichte auch, daß nur bei einzelnen Jndustriezweigen von einem Niedergang des Absatzes gesprochen werden kann, wogegen bei einer Reihe anderer eine gleichbleibende oder sich vergrößernde Handelsbewegung Platz greift. Jm letzteren Fall befinden sich u. A. die Erzgießerei, die Fabrikation von Blei- stiften, Pinseln, von Gegenständen aus Terra=Cotta und Majoliken, von Papiermach é, von Chocolade und Lebkuchen ( ! ) , von Zinn- und Zinncompositionswaaren, die Blechindustrie, die Buchbinderei und das Cartonnagegeschäft. Man wird bemerken, daß sich hierunter wenigstens einige Zweige befinden, deren steigender Absatz sicher nicht mit einem allgemeinen Rückgange unseres Volkswohlstandes verein- bar sein würde. Uebrigens hebt der Bericht hervor, daß fast alle Fabrikationszweige, bei denen auf Herstellung guter Waare gesehen wird, auch wirklich prosperiren ( !! ) . -- Die Schiff- fahrt im baltischen Meer ist in Folge der Absperrung der russischen Häfen im schwarzen Meer sehr lebhaft geworden. Die Kahn=Rhederei von Königsberg ist dadurch so sehr in Aufschwung gekommen, wie zur Zeit des russisch=englischen Krieges. Der überaus günstige Stand der Felder trägt nicht wenig zur allgemeinen besseren Stimmung bei. Der „Wiener Geschäfts- bericht “ schreibt über den gegenwärtigen Stand der Rübenfelder, daß derselbe ein vortrefflicher ist und zu der Aussicht auf ein reich- liches Ergebniß berechtigt; die Zuckerpreise sind in Folge dessen zurückgegangen, was für die Consumenten ja wohl kein Nachtheil ist. -- Auch über das Geschäft in Webstoffen berichtet gen. Quelle günstig. Der allgemein herrschenden Ansicht nach ist bei dem An- dauern des günstigen Wetters noch ein ansehnliches Geschäft in Sommerartikeln in sichere Aussicht zu nehmen und wird auch bei einem Ernteerträgnisse, das sowohl quantitativ als auch qualitativ zufriedenstellt, der Verkehr in Winterwaaren sich recht gut gestalten. Jn Frankreich läßt die Geschäftslage viel zu wünschen übrig, man erholt sich stets nur langsam von Schlägen, wie sie das sinnlose Verfahren des Präsidenten der Republik der Gewerb- thätigkeit versetzte. Die Tuchfabrikanten und Tuchhändler von Vienne in der Jsère haben an den Präsidenten eine Adresse ge- richtet, welche als der Ausdruck der ganzen französ. industr. Welt betrachtet werden kann und worin sie hervorheben, daß um diese Zeit des Jahres gewöhnlich sich die Fabriken in voller Thätigkeit befinden: „die Bestellungen sind reichlich, die Umsätze vervielfältigen sich, die Werkstätten arbeiten Tag und Nacht. Noch vor Kurzem deutete Alles darauf hin, daß die Dinge ihren gewohnten Gang nehmen würden, als die Nachricht von dem Sturze des Ministeriums Jules Simon, das unser ganzes Vertrauen besaß, und von der Bildung eines neuen Cabinets anlangte, welches aus Männern besteht, die man nach ihrer politischen Ver- gangenheit als die schlimmsten Feinde der von dem Lande freigewählten Regierungsform ansehen muß. Diese Nachricht brachte in die Geschäfte einen plötzlichen und vollkommenen Stillstand; auch die Aeltesten von uns erinnern sich nicht einer ähnlichen Ver- wirrung. Keine Käufer, keine Bestellungen mehr, die Jndustriellen, durch die Aussicht auf eine, wie sie glauben, an unberechenbaren Gefahren reiche Zukunft erschreckt, setzen ihre Production herab, die Werkstätten schließen sich, und bald werden Tausende von Arbeitern beschäftigungs= und brodlos sein. Wie man uns von allen Seiten berichtet, ist diese Lage eine allgemeine, und es gibt in Frankreich keine einzige gewerbtreibende Stadt, die sich nicht in ihren wichtigsten Jnteressen getroffen fühlte“. Berichte aus Tarare ( mit bedeutender Weberei ) und aus anderen gewerbfleißigen Städten des Rhonedepartements bestätigen Obiges. Ueberall herrscht Mangel an Arbeitgelegenheit. * Dividenden. Die Bergbau = Gesellschaft „Borussia“ ver- theilt keine Dividenden. Egestorff's Salzwerk3 1 / 3 %, Reuter's Telegr. 5%. Am besten stehen die Versicherungs- Gesellschaften: der Rhein.=Westphäl. Lloyd vertheilt 20%, die rh. w. Rückvers. 16%. Die Liquidation der Süddeutschen Bau- gesellschaft dahier scheint nicht geglückt zu sein. Die Gesell- schaft ist nun in Gant gerathen. * Patentwesen. Am 8. Mai ist nun auch in Amerika das letzte Nähmaschinen=Patent erloschen, welches wesentliche Theile der Nähmaschine deckte. -- Es war dies ein in den Händen der vereinigten Wheeler=Wilson, Singer und Grover=Baker Compagnien befindliches Patent, womit diese die ganze Fabrikation beherrschten. Diese Gesellschaften besaßen u. A. Howe's Patent, auf die Maschinennadel ( mit dem Ohr an der Spitze ) und das Schiffchen. Ein anderes Patent von Wilson bezog sich auf die Zeugführung. Das eben erloschene, letzte, betraf die Nadelplatte, für welche alle Fabriken eine Patentgebühr von 3 Doll. zahlen mußten. Eine einzige Fabrik hat in den letzten 10 Jahren 800,000 Doll. für Patentgebühr bezahlt. Der deutsche Bundesrath hat die Verordnung bezügl. der Ein- richtung des Patentamtes genehmigt und die Beamten des Reichs- Patentamtes, dessen Vorsitzender Ministerialdirector Jacobi ist, ernannt. -- Das deutsche Patentamt ist jetzt als constituirt anzu- sehen. Die Stelle des Vorsitzenden ist definitiv dem Ministerial- Director im preußischen Handelsministerium, Jacobi, übertragen; zwischen diesem und dem Director im Reichskanzleramt, Eck, wer-

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Zitationshilfe: Der Arbeitgeber. Nr. 1050. Frankfurt a. M., 16. Juni 1877, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber1050_1877/2>, abgerufen am 21.11.2024.