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Der Arbeitgeber. Nr. 1049. Frankfurt a. M., 9. Juni 1877.

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[Spaltenumbruch] der in den Städten befindliche Ueberfluß beschäftigungsloser Arbeiter
scheine immer noch keinen Abfluß nach dem Lande zu gewinnen.
Mehrere Zuckerfabriken mit eigenem Feldbau haben sich daher ge-
nöthigt gesehen, Arbeiter aus Hannover ( Eichsfeld ) , Posen und
Preußen heranzuziehen.

Aus England wird von keiner Veränderung berichtet; der
Ausstand am Clyde dauert fort sehr zum Nachtheil sowohl der
Jndustrie als der Arbeiter. Die Kohlenwerke sind durch die Aus-
stände weniger gestört worden, als man hätte erwarten sollen. Die
Preise sind immer nieder und es ist nicht die geringste Hoffnung
für die Arbeiter vorhanden, daß der Lohn steige.

[ Wir bitten um Zusendung aller Zeitungsnummern, worin sich Angaben
über Bedarf oder Ueberfluß an Arbeitern befinden. D. Red. ]

* Geschäftsbericht. Gute und schlechte Nachrichten folgen
sich beständig in den Blättern. Kaum ist irgendwo die Nachricht
aufgetaucht, daß die Krisis vorbei sei, so kommt von anderer Seite
ein Dämpfer, der Alles wieder in düstern Farben schildert. Den
besseren Berichten aus Sachsen wird nun einer aus Berlin ent-
gegengesetzt, dem zu Folge die "Geschäftsstille einen Grad erreicht"
haben soll, "daß man der Zukunft nicht anders als mit Zagen
entgegensehen" könne. Wohnungen und Läden, schreibt man der
"Fr. Ztg.", stehen leer. Die Wechselklagen und Ganten haben
sich zwar vermindert und die Wirthshäuser sind gefüllt; allein das
sei nicht maßgebend. Die Theater seien leer u. s. w. -- Die
Einnahmen der Eisenbahnen, ein viel besserer Maßstab, waren
im April allerdings ungünstig, allein der Ausfall ( 5.4% ) ist in
Anbetracht des türkischen Krieges nicht sehr groß. -- Die Aus-
weise der Eisenwerke sind für das vorige Jahr sehr schlecht und
werden besser kaum werden, bis die überflüssigen Werke ver-
schwunden sind. Das oberschles. Eisenwalzwerk z. B. hat mit
einem Verluste von 76,000 M. abgeschlossen, die Jordanhütte ist
in Gant gerathen; Brüxer Kohlenb. G. Verlust 6,528 fl. Aehnlich
ist es mit den Baugesellschaften: Baug. Union in Wien, Verlust
1,468,000 fl., Allg. Wiener Baug. Verlust 1,401,000 fl.

Ebenso ist im Elsaß die Wollenindustrie sehr zurück-
gegangen; in Bischweiler sollen von 2000 Webstühlen nur noch
400 im Gang und die Arbeiterzahl von 5000 auf 1200 vermin-
dert sein; man kann dieß aber ebenso wenig den deutschen Zöllen
zuschreiben, wie die Stockung im Eisengeschäft den titres a
caution
, die dafür zu unbedeutend sind. -- Die Baugeschäfte
vertheilen da, wo sie nicht zu arg gehaust haben, wenigstens noch
Dividende. Die internat. Bank dahier 4%, das Commandit=Ge-
schäft von Phil. Holzman & Co. sogar9 1 / 2 %.

Wie die "Post" berichtet, hat sich in der sächsischen Eisen-
und Metallindustrie zum größten Theil eine lebhaftere Bewegung
bemerkbar gemacht. Zum Theil beruht dies auf den bereits oben
angeführten Umständen, das heißt, den maschinellen Veränderungen
in den Zuckerfabriken, zum Theil in den politischen Verhältnissen,
welche sowohl an die Gewehrfabriken als Geschoßgießereien ec. größere
Ansprüche gemacht haben. Eine Geschoßgießerei in der Nähe von
Magdeburg hat 600 Arbeiter mehr gegen voriges Quartal beschäf-
tigt und die Suhler Gewehr= und Waffenfabriken haben ihr Ar-
beitspersonal ebenfalls wieder beträchtlich zu vermehren Gelegenheit
gehabt. Ueber Reducirung von Löhnen ist nur ein Fall, über
Reducirung der Arbeitszeit keiner bekannt geworden. Den Betrieb
eingestellt hat kein Etablissement, dagegen haben einzelne Etablisse-
ments ganz bedeutende Erweiterungen resp. Betriebsvermehrungen
erfahren.

Jn Frankreich ist die Hoffnung auf eine Besserung wieder
wesentlich herabgestimmt. Die Frühjahrs=Bestellungen waren zwar
etwas besser als im vorigen Jahr, aber an der allgemeinen Lage
haben sie nichts geändert. Man arbeitet nur für den allerdringend-
sten Bedarf und es denkt Niemand an Assortirung der Lager.

* Volkswirthschaft. Gelegentlich der Pariser Ausstellung ist
der Vorschlag gemacht worden, es sollten Alle, die gewerbl. Erzeug-
nisse später brauchen, jetzt schon ihre Bestellungen aufgeben, damit
den Ausstellern dadurch die Beschickung erleichtert werde; nament-
lich sollten die Reichen für ihren Luxusbedarf Aufträge geben. So-
weit von regelmäßigem Bedarf hier die Rede ist, haben wir nichts
dagegen einzuwenden, sowie aber von Ueberflüssigem, von Luxus
die Rede ist, dann müssen wir ernstlich vor Fehlern warnen, in
die selbst der "Oesterr. Oeconomist" verfallen ist, indem er " die-
jenigen Kreise, welchen der Luxus nicht nur ein tägliches Bedürfniß
[Spaltenumbruch] ist, sondern die ihn auch bestreiten können", mahnt, "des richesse
oblige
" eingedenk zu sein. -- Wir fürchten, es möchte dies "das
Ueberdauern der schwierigen Zeit" nicht nur nicht erleichtern, son-
dern erschweren. Woher kommt die gegenwärtige Stockung? Wie
alle Krisen doch nur von dem Mangel an Capital. Krieg und
Schwindelperiode haben viel davon verzehrt. Wenn nun die Reichen
von dem bischen Capital, das vorhanden ist, auch noch etwas
wegnehmen, um es für Luxus, d. h. unproductiv zu verwenden,
so fehlt es später noch mehr an Mitteln, die Arbeiter zu beschäf-
tigen. Capital liegt bekanntlich nicht müßig; wenn also Luxus-
gegenstände in ungewöhnlicher Weise hergestellt werden sollten,
so müßte man das dazu nöthige Capital anderen Gewerben ent-
ziehen, was doch gewiß nicht wirthschaftlich wäre. -- Wer am
meisten leidet, das ist die Eisen= und jetzt auch die Kohlenindustrie,
die große Vorräthe aufgehäuft haben, weil der Absatz nicht mehr
so groß ist, wie vor 5 Jahren. Könnte man dafür Abhülfe finden
und dadurch die einseitige Ueberproduction, welche in diesen Ge-
werben stattfand, beseitigen, dann ließe sich der Vorschlag eher
hören. Allein es müßten productive Werke: Eisenbahnen, Brücken
u. dgl. sein; andere würden das Uebel nur verschlimmern. Die
jetzige Krisis dient nicht blos zur Wiederherstellung der normalen
Preise, sondern auch zur Beschränkung der Ueberproduction. Die
Eisenindustrie namentlich muß zu dem Maße des gewöhnlichen Be-
darfes zurückkehren, Arbeiter entlassen, welche der Landwirthschaft
entzogen wurden, Hochöfen ausblasen, die überflüssig sind; alle
Bestellungen also, welche nur vorübergehend den Absatz höben und
diese Maßregeln verzögerten, wären vom Uebel.

* Genossenschaftswesen. Ueber den Stand der Vorschußcassen
in Steiermark schreibt die "Grazer Tagespost", daß von den
in Steiermark bestehenden zwanzig Vereinen i. J. 1875 die meisten
günstige Geschäftserfolge erzielt haben. 3 haben ihre Thätigkeit
mit Beginne des Jahres 1875 eingestellt. Auffallend ist es, daß
zwei Vorschußcassen wiederholt eine Dividendenvertheilung von 16
und 22 pCt. ausweisen, während der eine Verein einen verschwindend
kleinen und der andere gar keinen Reservefonds aufzuweisen hat.
Je geringer die Stammantheile und je größer das fremde Capital,
mit welchem derlei Vereine arbeiten, um so dringender erscheint
deren Verpflichtung, sich durch allmälige Schaffung eines verhältniß-
mäßigen Rückhaltes gegen Verluste zu sichern.

* Die Mechaniker und Optiker Berlins haben die Gründung
eines Vereins beschlossen, der sich später über ganz Deutschland
ausdehnen soll. Prof. Reuleaux erklärte in der bez. Versamm-
lung den Zweck solcher Vereine und entschied sich für Prüfung der
Lehrlinge. Die Meister sollten auf gründlichere Vorbildung der-
selben sehen und sich ihrer mehr annehmen.

* Frauenarbeit. Jn der "Deutschen Hausfrauen=Zeitung"
erhebt eine Beamtin in der Güterexpedition nicht mit Un-
recht laute Klage gegen das ungerechtfertigte Herabdrücken der
weiblichen Besoldungen im Vergleich zu den außer allem Verhältniß
stehenden männlichen, da man doch an die betreffende weibliche
Arbeitkraft ganz dieselben Anforderungen stelle und gleichwohl bleibe
hier der niedrigste männliche Gehalt der höchste für die
weiblichen Beamten! Es scheint, daß allerdings der Staat
hier, wie noch auf manchen anderen Gebieten, nicht gerade zu sei-
ner besonderen Ehre, die gleiche Leistung mit ungleichem
Maße mißt!

-- Das Centralbureau des Berliner Hausfrauen-
Vereins
hatte im ersten Quartal d. J. einen Umsatz von
171,131 M. gegen 164,597 M. im selben Zeitraum 1876.

* Versammlungen. Die Wanderversammlung württemberg.
Landwirthe tagte am 21. und 22. Mai in Ulm. Verhandelt
wurde über die Fortschritte im Molkereiwesen, die Seuchenordnung,
die Abfuhr und die Hebung der Viehzucht. Es wurde dabei u. A.
erwähnt, daß der Verlust an Pferden durch Rotz im Jahre 1873
700,000 M. in Preußen allein betragen habe; es wurde deshalb
ein allgemeines Reichs=Seuchengesetz empfohlen, für die Abfuhr
wurde das Tonnensystem als das beste empfohlen.

-- Der Socialisten=Congreß, welcher vom 27. bis
29. Mai in Gotha tagte, war von 88 Delegirten besucht, welche
170 Orte, resp. 30,335 Stimmen vertraten. Die Einnahme aus
den Beiträgen ergab einschließlich des Agitationsfonds 10,000 M.,
Wahlfond 28,327 M.

[Spaltenumbruch] der in den Städten befindliche Ueberfluß beschäftigungsloser Arbeiter
scheine immer noch keinen Abfluß nach dem Lande zu gewinnen.
Mehrere Zuckerfabriken mit eigenem Feldbau haben sich daher ge-
nöthigt gesehen, Arbeiter aus Hannover ( Eichsfeld ) , Posen und
Preußen heranzuziehen.

Aus England wird von keiner Veränderung berichtet; der
Ausstand am Clyde dauert fort sehr zum Nachtheil sowohl der
Jndustrie als der Arbeiter. Die Kohlenwerke sind durch die Aus-
stände weniger gestört worden, als man hätte erwarten sollen. Die
Preise sind immer nieder und es ist nicht die geringste Hoffnung
für die Arbeiter vorhanden, daß der Lohn steige.

[ Wir bitten um Zusendung aller Zeitungsnummern, worin sich Angaben
über Bedarf oder Ueberfluß an Arbeitern befinden. D. Red. ]

* Geschäftsbericht. Gute und schlechte Nachrichten folgen
sich beständig in den Blättern. Kaum ist irgendwo die Nachricht
aufgetaucht, daß die Krisis vorbei sei, so kommt von anderer Seite
ein Dämpfer, der Alles wieder in düstern Farben schildert. Den
besseren Berichten aus Sachsen wird nun einer aus Berlin ent-
gegengesetzt, dem zu Folge die „Geschäftsstille einen Grad erreicht“
haben soll, „daß man der Zukunft nicht anders als mit Zagen
entgegensehen“ könne. Wohnungen und Läden, schreibt man der
„Fr. Ztg.“, stehen leer. Die Wechselklagen und Ganten haben
sich zwar vermindert und die Wirthshäuser sind gefüllt; allein das
sei nicht maßgebend. Die Theater seien leer u. s. w. -- Die
Einnahmen der Eisenbahnen, ein viel besserer Maßstab, waren
im April allerdings ungünstig, allein der Ausfall ( 5.4% ) ist in
Anbetracht des türkischen Krieges nicht sehr groß. -- Die Aus-
weise der Eisenwerke sind für das vorige Jahr sehr schlecht und
werden besser kaum werden, bis die überflüssigen Werke ver-
schwunden sind. Das oberschles. Eisenwalzwerk z. B. hat mit
einem Verluste von 76,000 M. abgeschlossen, die Jordanhütte ist
in Gant gerathen; Brüxer Kohlenb. G. Verlust 6,528 fl. Aehnlich
ist es mit den Baugesellschaften: Baug. Union in Wien, Verlust
1,468,000 fl., Allg. Wiener Baug. Verlust 1,401,000 fl.

Ebenso ist im Elsaß die Wollenindustrie sehr zurück-
gegangen; in Bischweiler sollen von 2000 Webstühlen nur noch
400 im Gang und die Arbeiterzahl von 5000 auf 1200 vermin-
dert sein; man kann dieß aber ebenso wenig den deutschen Zöllen
zuschreiben, wie die Stockung im Eisengeschäft den titres à
caution
, die dafür zu unbedeutend sind. -- Die Baugeschäfte
vertheilen da, wo sie nicht zu arg gehaust haben, wenigstens noch
Dividende. Die internat. Bank dahier 4%, das Commandit=Ge-
schäft von Phil. Holzman & Co. sogar9 1 / 2 %.

Wie die „Post“ berichtet, hat sich in der sächsischen Eisen-
und Metallindustrie zum größten Theil eine lebhaftere Bewegung
bemerkbar gemacht. Zum Theil beruht dies auf den bereits oben
angeführten Umständen, das heißt, den maschinellen Veränderungen
in den Zuckerfabriken, zum Theil in den politischen Verhältnissen,
welche sowohl an die Gewehrfabriken als Geschoßgießereien ec. größere
Ansprüche gemacht haben. Eine Geschoßgießerei in der Nähe von
Magdeburg hat 600 Arbeiter mehr gegen voriges Quartal beschäf-
tigt und die Suhler Gewehr= und Waffenfabriken haben ihr Ar-
beitspersonal ebenfalls wieder beträchtlich zu vermehren Gelegenheit
gehabt. Ueber Reducirung von Löhnen ist nur ein Fall, über
Reducirung der Arbeitszeit keiner bekannt geworden. Den Betrieb
eingestellt hat kein Etablissement, dagegen haben einzelne Etablisse-
ments ganz bedeutende Erweiterungen resp. Betriebsvermehrungen
erfahren.

Jn Frankreich ist die Hoffnung auf eine Besserung wieder
wesentlich herabgestimmt. Die Frühjahrs=Bestellungen waren zwar
etwas besser als im vorigen Jahr, aber an der allgemeinen Lage
haben sie nichts geändert. Man arbeitet nur für den allerdringend-
sten Bedarf und es denkt Niemand an Assortirung der Lager.

* Volkswirthschaft. Gelegentlich der Pariser Ausstellung ist
der Vorschlag gemacht worden, es sollten Alle, die gewerbl. Erzeug-
nisse später brauchen, jetzt schon ihre Bestellungen aufgeben, damit
den Ausstellern dadurch die Beschickung erleichtert werde; nament-
lich sollten die Reichen für ihren Luxusbedarf Aufträge geben. So-
weit von regelmäßigem Bedarf hier die Rede ist, haben wir nichts
dagegen einzuwenden, sowie aber von Ueberflüssigem, von Luxus
die Rede ist, dann müssen wir ernstlich vor Fehlern warnen, in
die selbst der „Oesterr. Oeconomist“ verfallen ist, indem er „ die-
jenigen Kreise, welchen der Luxus nicht nur ein tägliches Bedürfniß
[Spaltenumbruch] ist, sondern die ihn auch bestreiten können“, mahnt, „des richesse
oblige
“ eingedenk zu sein. -- Wir fürchten, es möchte dies „das
Ueberdauern der schwierigen Zeit“ nicht nur nicht erleichtern, son-
dern erschweren. Woher kommt die gegenwärtige Stockung? Wie
alle Krisen doch nur von dem Mangel an Capital. Krieg und
Schwindelperiode haben viel davon verzehrt. Wenn nun die Reichen
von dem bischen Capital, das vorhanden ist, auch noch etwas
wegnehmen, um es für Luxus, d. h. unproductiv zu verwenden,
so fehlt es später noch mehr an Mitteln, die Arbeiter zu beschäf-
tigen. Capital liegt bekanntlich nicht müßig; wenn also Luxus-
gegenstände in ungewöhnlicher Weise hergestellt werden sollten,
so müßte man das dazu nöthige Capital anderen Gewerben ent-
ziehen, was doch gewiß nicht wirthschaftlich wäre. -- Wer am
meisten leidet, das ist die Eisen= und jetzt auch die Kohlenindustrie,
die große Vorräthe aufgehäuft haben, weil der Absatz nicht mehr
so groß ist, wie vor 5 Jahren. Könnte man dafür Abhülfe finden
und dadurch die einseitige Ueberproduction, welche in diesen Ge-
werben stattfand, beseitigen, dann ließe sich der Vorschlag eher
hören. Allein es müßten productive Werke: Eisenbahnen, Brücken
u. dgl. sein; andere würden das Uebel nur verschlimmern. Die
jetzige Krisis dient nicht blos zur Wiederherstellung der normalen
Preise, sondern auch zur Beschränkung der Ueberproduction. Die
Eisenindustrie namentlich muß zu dem Maße des gewöhnlichen Be-
darfes zurückkehren, Arbeiter entlassen, welche der Landwirthschaft
entzogen wurden, Hochöfen ausblasen, die überflüssig sind; alle
Bestellungen also, welche nur vorübergehend den Absatz höben und
diese Maßregeln verzögerten, wären vom Uebel.

* Genossenschaftswesen. Ueber den Stand der Vorschußcassen
in Steiermark schreibt die „Grazer Tagespost“, daß von den
in Steiermark bestehenden zwanzig Vereinen i. J. 1875 die meisten
günstige Geschäftserfolge erzielt haben. 3 haben ihre Thätigkeit
mit Beginne des Jahres 1875 eingestellt. Auffallend ist es, daß
zwei Vorschußcassen wiederholt eine Dividendenvertheilung von 16
und 22 pCt. ausweisen, während der eine Verein einen verschwindend
kleinen und der andere gar keinen Reservefonds aufzuweisen hat.
Je geringer die Stammantheile und je größer das fremde Capital,
mit welchem derlei Vereine arbeiten, um so dringender erscheint
deren Verpflichtung, sich durch allmälige Schaffung eines verhältniß-
mäßigen Rückhaltes gegen Verluste zu sichern.

* Die Mechaniker und Optiker Berlins haben die Gründung
eines Vereins beschlossen, der sich später über ganz Deutschland
ausdehnen soll. Prof. Reuleaux erklärte in der bez. Versamm-
lung den Zweck solcher Vereine und entschied sich für Prüfung der
Lehrlinge. Die Meister sollten auf gründlichere Vorbildung der-
selben sehen und sich ihrer mehr annehmen.

* Frauenarbeit. Jn der „Deutschen Hausfrauen=Zeitung“
erhebt eine Beamtin in der Güterexpedition nicht mit Un-
recht laute Klage gegen das ungerechtfertigte Herabdrücken der
weiblichen Besoldungen im Vergleich zu den außer allem Verhältniß
stehenden männlichen, da man doch an die betreffende weibliche
Arbeitkraft ganz dieselben Anforderungen stelle und gleichwohl bleibe
hier der niedrigste männliche Gehalt der höchste für die
weiblichen Beamten! Es scheint, daß allerdings der Staat
hier, wie noch auf manchen anderen Gebieten, nicht gerade zu sei-
ner besonderen Ehre, die gleiche Leistung mit ungleichem
Maße mißt!

-- Das Centralbureau des Berliner Hausfrauen-
Vereins
hatte im ersten Quartal d. J. einen Umsatz von
171,131 M. gegen 164,597 M. im selben Zeitraum 1876.

* Versammlungen. Die Wanderversammlung württemberg.
Landwirthe tagte am 21. und 22. Mai in Ulm. Verhandelt
wurde über die Fortschritte im Molkereiwesen, die Seuchenordnung,
die Abfuhr und die Hebung der Viehzucht. Es wurde dabei u. A.
erwähnt, daß der Verlust an Pferden durch Rotz im Jahre 1873
700,000 M. in Preußen allein betragen habe; es wurde deshalb
ein allgemeines Reichs=Seuchengesetz empfohlen, für die Abfuhr
wurde das Tonnensystem als das beste empfohlen.

-- Der Socialisten=Congreß, welcher vom 27. bis
29. Mai in Gotha tagte, war von 88 Delegirten besucht, welche
170 Orte, resp. 30,335 Stimmen vertraten. Die Einnahme aus
den Beiträgen ergab einschließlich des Agitationsfonds 10,000 M.,
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[0003] der in den Städten befindliche Ueberfluß beschäftigungsloser Arbeiter scheine immer noch keinen Abfluß nach dem Lande zu gewinnen. Mehrere Zuckerfabriken mit eigenem Feldbau haben sich daher ge- nöthigt gesehen, Arbeiter aus Hannover ( Eichsfeld ) , Posen und Preußen heranzuziehen. Aus England wird von keiner Veränderung berichtet; der Ausstand am Clyde dauert fort sehr zum Nachtheil sowohl der Jndustrie als der Arbeiter. Die Kohlenwerke sind durch die Aus- stände weniger gestört worden, als man hätte erwarten sollen. Die Preise sind immer nieder und es ist nicht die geringste Hoffnung für die Arbeiter vorhanden, daß der Lohn steige. [ Wir bitten um Zusendung aller Zeitungsnummern, worin sich Angaben über Bedarf oder Ueberfluß an Arbeitern befinden. D. Red. ] * Geschäftsbericht. Gute und schlechte Nachrichten folgen sich beständig in den Blättern. Kaum ist irgendwo die Nachricht aufgetaucht, daß die Krisis vorbei sei, so kommt von anderer Seite ein Dämpfer, der Alles wieder in düstern Farben schildert. Den besseren Berichten aus Sachsen wird nun einer aus Berlin ent- gegengesetzt, dem zu Folge die „Geschäftsstille einen Grad erreicht“ haben soll, „daß man der Zukunft nicht anders als mit Zagen entgegensehen“ könne. Wohnungen und Läden, schreibt man der „Fr. Ztg.“, stehen leer. Die Wechselklagen und Ganten haben sich zwar vermindert und die Wirthshäuser sind gefüllt; allein das sei nicht maßgebend. Die Theater seien leer u. s. w. -- Die Einnahmen der Eisenbahnen, ein viel besserer Maßstab, waren im April allerdings ungünstig, allein der Ausfall ( 5.4% ) ist in Anbetracht des türkischen Krieges nicht sehr groß. -- Die Aus- weise der Eisenwerke sind für das vorige Jahr sehr schlecht und werden besser kaum werden, bis die überflüssigen Werke ver- schwunden sind. Das oberschles. Eisenwalzwerk z. B. hat mit einem Verluste von 76,000 M. abgeschlossen, die Jordanhütte ist in Gant gerathen; Brüxer Kohlenb. G. Verlust 6,528 fl. Aehnlich ist es mit den Baugesellschaften: Baug. Union in Wien, Verlust 1,468,000 fl., Allg. Wiener Baug. Verlust 1,401,000 fl. Ebenso ist im Elsaß die Wollenindustrie sehr zurück- gegangen; in Bischweiler sollen von 2000 Webstühlen nur noch 400 im Gang und die Arbeiterzahl von 5000 auf 1200 vermin- dert sein; man kann dieß aber ebenso wenig den deutschen Zöllen zuschreiben, wie die Stockung im Eisengeschäft den titres à caution, die dafür zu unbedeutend sind. -- Die Baugeschäfte vertheilen da, wo sie nicht zu arg gehaust haben, wenigstens noch Dividende. Die internat. Bank dahier 4%, das Commandit=Ge- schäft von Phil. Holzman & Co. sogar9 1 / 2 %. Wie die „Post“ berichtet, hat sich in der sächsischen Eisen- und Metallindustrie zum größten Theil eine lebhaftere Bewegung bemerkbar gemacht. Zum Theil beruht dies auf den bereits oben angeführten Umständen, das heißt, den maschinellen Veränderungen in den Zuckerfabriken, zum Theil in den politischen Verhältnissen, welche sowohl an die Gewehrfabriken als Geschoßgießereien ec. größere Ansprüche gemacht haben. Eine Geschoßgießerei in der Nähe von Magdeburg hat 600 Arbeiter mehr gegen voriges Quartal beschäf- tigt und die Suhler Gewehr= und Waffenfabriken haben ihr Ar- beitspersonal ebenfalls wieder beträchtlich zu vermehren Gelegenheit gehabt. Ueber Reducirung von Löhnen ist nur ein Fall, über Reducirung der Arbeitszeit keiner bekannt geworden. Den Betrieb eingestellt hat kein Etablissement, dagegen haben einzelne Etablisse- ments ganz bedeutende Erweiterungen resp. Betriebsvermehrungen erfahren. Jn Frankreich ist die Hoffnung auf eine Besserung wieder wesentlich herabgestimmt. Die Frühjahrs=Bestellungen waren zwar etwas besser als im vorigen Jahr, aber an der allgemeinen Lage haben sie nichts geändert. Man arbeitet nur für den allerdringend- sten Bedarf und es denkt Niemand an Assortirung der Lager. * Volkswirthschaft. Gelegentlich der Pariser Ausstellung ist der Vorschlag gemacht worden, es sollten Alle, die gewerbl. Erzeug- nisse später brauchen, jetzt schon ihre Bestellungen aufgeben, damit den Ausstellern dadurch die Beschickung erleichtert werde; nament- lich sollten die Reichen für ihren Luxusbedarf Aufträge geben. So- weit von regelmäßigem Bedarf hier die Rede ist, haben wir nichts dagegen einzuwenden, sowie aber von Ueberflüssigem, von Luxus die Rede ist, dann müssen wir ernstlich vor Fehlern warnen, in die selbst der „Oesterr. Oeconomist“ verfallen ist, indem er „ die- jenigen Kreise, welchen der Luxus nicht nur ein tägliches Bedürfniß ist, sondern die ihn auch bestreiten können“, mahnt, „des richesse oblige “ eingedenk zu sein. -- Wir fürchten, es möchte dies „das Ueberdauern der schwierigen Zeit“ nicht nur nicht erleichtern, son- dern erschweren. Woher kommt die gegenwärtige Stockung? Wie alle Krisen doch nur von dem Mangel an Capital. Krieg und Schwindelperiode haben viel davon verzehrt. Wenn nun die Reichen von dem bischen Capital, das vorhanden ist, auch noch etwas wegnehmen, um es für Luxus, d. h. unproductiv zu verwenden, so fehlt es später noch mehr an Mitteln, die Arbeiter zu beschäf- tigen. Capital liegt bekanntlich nicht müßig; wenn also Luxus- gegenstände in ungewöhnlicher Weise hergestellt werden sollten, so müßte man das dazu nöthige Capital anderen Gewerben ent- ziehen, was doch gewiß nicht wirthschaftlich wäre. -- Wer am meisten leidet, das ist die Eisen= und jetzt auch die Kohlenindustrie, die große Vorräthe aufgehäuft haben, weil der Absatz nicht mehr so groß ist, wie vor 5 Jahren. Könnte man dafür Abhülfe finden und dadurch die einseitige Ueberproduction, welche in diesen Ge- werben stattfand, beseitigen, dann ließe sich der Vorschlag eher hören. Allein es müßten productive Werke: Eisenbahnen, Brücken u. dgl. sein; andere würden das Uebel nur verschlimmern. Die jetzige Krisis dient nicht blos zur Wiederherstellung der normalen Preise, sondern auch zur Beschränkung der Ueberproduction. Die Eisenindustrie namentlich muß zu dem Maße des gewöhnlichen Be- darfes zurückkehren, Arbeiter entlassen, welche der Landwirthschaft entzogen wurden, Hochöfen ausblasen, die überflüssig sind; alle Bestellungen also, welche nur vorübergehend den Absatz höben und diese Maßregeln verzögerten, wären vom Uebel. * Genossenschaftswesen. Ueber den Stand der Vorschußcassen in Steiermark schreibt die „Grazer Tagespost“, daß von den in Steiermark bestehenden zwanzig Vereinen i. J. 1875 die meisten günstige Geschäftserfolge erzielt haben. 3 haben ihre Thätigkeit mit Beginne des Jahres 1875 eingestellt. Auffallend ist es, daß zwei Vorschußcassen wiederholt eine Dividendenvertheilung von 16 und 22 pCt. ausweisen, während der eine Verein einen verschwindend kleinen und der andere gar keinen Reservefonds aufzuweisen hat. Je geringer die Stammantheile und je größer das fremde Capital, mit welchem derlei Vereine arbeiten, um so dringender erscheint deren Verpflichtung, sich durch allmälige Schaffung eines verhältniß- mäßigen Rückhaltes gegen Verluste zu sichern. * Die Mechaniker und Optiker Berlins haben die Gründung eines Vereins beschlossen, der sich später über ganz Deutschland ausdehnen soll. Prof. Reuleaux erklärte in der bez. Versamm- lung den Zweck solcher Vereine und entschied sich für Prüfung der Lehrlinge. Die Meister sollten auf gründlichere Vorbildung der- selben sehen und sich ihrer mehr annehmen. * Frauenarbeit. Jn der „Deutschen Hausfrauen=Zeitung“ erhebt eine Beamtin in der Güterexpedition nicht mit Un- recht laute Klage gegen das ungerechtfertigte Herabdrücken der weiblichen Besoldungen im Vergleich zu den außer allem Verhältniß stehenden männlichen, da man doch an die betreffende weibliche Arbeitkraft ganz dieselben Anforderungen stelle und gleichwohl bleibe hier der niedrigste männliche Gehalt der höchste für die weiblichen Beamten! Es scheint, daß allerdings der Staat hier, wie noch auf manchen anderen Gebieten, nicht gerade zu sei- ner besonderen Ehre, die gleiche Leistung mit ungleichem Maße mißt! -- Das Centralbureau des Berliner Hausfrauen- Vereins hatte im ersten Quartal d. J. einen Umsatz von 171,131 M. gegen 164,597 M. im selben Zeitraum 1876. * Versammlungen. Die Wanderversammlung württemberg. Landwirthe tagte am 21. und 22. Mai in Ulm. Verhandelt wurde über die Fortschritte im Molkereiwesen, die Seuchenordnung, die Abfuhr und die Hebung der Viehzucht. Es wurde dabei u. A. erwähnt, daß der Verlust an Pferden durch Rotz im Jahre 1873 700,000 M. in Preußen allein betragen habe; es wurde deshalb ein allgemeines Reichs=Seuchengesetz empfohlen, für die Abfuhr wurde das Tonnensystem als das beste empfohlen. -- Der Socialisten=Congreß, welcher vom 27. bis 29. Mai in Gotha tagte, war von 88 Delegirten besucht, welche 170 Orte, resp. 30,335 Stimmen vertraten. Die Einnahme aus den Beiträgen ergab einschließlich des Agitationsfonds 10,000 M., Wahlfond 28,327 M.

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Zitationshilfe: Der Arbeitgeber. Nr. 1049. Frankfurt a. M., 9. Juni 1877, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_arbeitgeber1049_1877/3>, abgerufen am 21.11.2024.