von Kenntnissen, von Verstandesbildung bei den Eltern vor- aus? setzt er die richtigste Form des Glaubensbekenntnisses und also auch das möglichst richtige Verständniß dieser Form und ihres Sinnes voraus? Das wäre eine für die große Mehrzahl ganz unmögliche Bedingung, denn die meisten Eltern können nach ihrer ganzen äußeren Lage gar nie dahin gelangen, auf diesem Wege und durch diese Mittel einen bildenden Einfluß auf ihre Kinder auszuüben. Aber Gottlob, es bedarf dieser Bedingung nicht, und wie wün- schenswerth es auch der Kirche erscheinen mag, daß schon von Kindheit an durch die Eltern auch für die Form der religiösen Vorstellungen ein über das Allereinfachste hinaus gehender Einfluß geübt werden möge, nöthig, zu dem hier in Frage stehenden Zwecke nöthig ist die Erfüllung dieses Wunsches nicht. Aber etwas Anderes ist dazu unerläßlich nöthig, etwas, das in der ärmsten Hütte und bei dem aller- geringsten Grade geistiger Bildung ganz ebenso gut vorhan- den sein kann, als im Palaste und bei der vorgeschrittensten religiösen Einsicht, und dieses Andere heißt: das volle Be- wußtsein unserer eigenen sittlichen Natur, der lebendige Glaube an die Allgegenwart eines heiligen Gottes, eine tiefe Ehrfurcht vor ihm, ein unerschütterliches Vertrauen auf ihn. Wo dieser Glaube lebendig in den Eltern wirkt, da wird auch die rechte Zucht von ihnen geübt werden, jene Zucht, welche nicht im eigenen Namen geübt wird, sondern im Na- men dessen, welchem sie das Glück verdanken, Kinder zu be- sitzen, und welchem sie verantwortlich sind für die Erziehung derselben. Wo dieser Glaube lebendig in den Eltern wirkt, da wird er auch auf die Kinder sich übertragen, selbst ohne die Beihülfe von Kenntnissen und Unterricht, welche nur die
von Kenntniſſen, von Verſtandesbildung bei den Eltern vor- aus? ſetzt er die richtigſte Form des Glaubensbekenntniſſes und alſo auch das möglichſt richtige Verſtändniß dieſer Form und ihres Sinnes voraus? Das wäre eine für die große Mehrzahl ganz unmögliche Bedingung, denn die meiſten Eltern können nach ihrer ganzen äußeren Lage gar nie dahin gelangen, auf dieſem Wege und durch dieſe Mittel einen bildenden Einfluß auf ihre Kinder auszuüben. Aber Gottlob, es bedarf dieſer Bedingung nicht, und wie wün- ſchenswerth es auch der Kirche erſcheinen mag, daß ſchon von Kindheit an durch die Eltern auch für die Form der religiöſen Vorſtellungen ein über das Allereinfachſte hinaus gehender Einfluß geübt werden möge, nöthig, zu dem hier in Frage ſtehenden Zwecke nöthig iſt die Erfüllung dieſes Wunſches nicht. Aber etwas Anderes iſt dazu unerläßlich nöthig, etwas, das in der ärmſten Hütte und bei dem aller- geringſten Grade geiſtiger Bildung ganz ebenſo gut vorhan- den ſein kann, als im Palaſte und bei der vorgeſchrittenſten religiöſen Einſicht, und dieſes Andere heißt: das volle Be- wußtſein unſerer eigenen ſittlichen Natur, der lebendige Glaube an die Allgegenwart eines heiligen Gottes, eine tiefe Ehrfurcht vor ihm, ein unerſchütterliches Vertrauen auf ihn. Wo dieſer Glaube lebendig in den Eltern wirkt, da wird auch die rechte Zucht von ihnen geübt werden, jene Zucht, welche nicht im eigenen Namen geübt wird, ſondern im Na- men deſſen, welchem ſie das Glück verdanken, Kinder zu be- ſitzen, und welchem ſie verantwortlich ſind für die Erziehung derſelben. Wo dieſer Glaube lebendig in den Eltern wirkt, da wird er auch auf die Kinder ſich übertragen, ſelbſt ohne die Beihülfe von Kenntniſſen und Unterricht, welche nur die
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von Kenntniſſen, von Verſtandesbildung bei den Eltern vor-
aus? ſetzt er die richtigſte Form des Glaubensbekenntniſſes
und alſo auch das möglichſt richtige Verſtändniß dieſer
Form und ihres Sinnes voraus? Das wäre eine für die
große Mehrzahl ganz unmögliche Bedingung, denn die
meiſten Eltern können nach ihrer ganzen äußeren Lage gar
nie dahin gelangen, auf dieſem Wege und durch dieſe Mittel
einen bildenden Einfluß auf ihre Kinder auszuüben. Aber
Gottlob, es bedarf dieſer Bedingung nicht, und wie wün-
ſchenswerth es auch der Kirche erſcheinen mag, daß ſchon
von Kindheit an durch die Eltern auch für die Form der
religiöſen Vorſtellungen ein über das Allereinfachſte hinaus
gehender Einfluß geübt werden möge, nöthig, zu dem hier
in Frage ſtehenden Zwecke nöthig iſt die Erfüllung dieſes
Wunſches nicht. Aber etwas Anderes iſt dazu unerläßlich
nöthig, etwas, das in der ärmſten Hütte und bei dem aller-
geringſten Grade geiſtiger Bildung ganz ebenſo gut vorhan-
den ſein kann, als im Palaſte und bei der vorgeſchrittenſten
religiöſen Einſicht, und dieſes Andere heißt: das volle Be-
wußtſein unſerer eigenen ſittlichen Natur, der lebendige
Glaube an die Allgegenwart eines heiligen Gottes, eine tiefe
Ehrfurcht vor ihm, ein unerſchütterliches Vertrauen auf ihn.
Wo dieſer Glaube lebendig in den Eltern wirkt, da wird
auch die rechte Zucht von ihnen geübt werden, jene Zucht,
welche nicht im eigenen Namen geübt wird, ſondern im Na-
men deſſen, welchem ſie das Glück verdanken, Kinder zu be-
ſitzen, und welchem ſie verantwortlich ſind für die Erziehung
derſelben. Wo dieſer Glaube lebendig in den Eltern wirkt,
da wird er auch auf die Kinder ſich übertragen, ſelbſt ohne
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[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/92>, abgerufen am 16.02.2025.
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