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[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.

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in freie Gemeinden und die Abschaffung jeder Form des
Glaubensbekenntnisses wird den Gemüthern den verlorenen
Frieden wieder geben. Es gibt zu diesem Ziele nur einen
Weg; wenn wir Christen sind, so sollten wir ihn kennen
und wollen.

Der Staat aber möge sich hüten, durch Zwang und
Gewaltmaßregeln die Anerkennung des kirchlichen Lehrbe-
griffs befördern zu wollen. Auf diesem Wege kann er wohl
Heuchler in Menge erlangen, sie sind sogar für Geld und
äußere Vortheile zu haben. Nur bilde sich dann ja Niemand
ein, daß dadurch für die Sicherheit der Staaten und für die
Herstellung des inneren Glückes der Einzelnen das Geringste
gewonnen würde. Man würde dadurch nur "übertünchte
Gräber" erhalten, in welchen der alte Moder der Verwesung
fortwirken würde. Durch äußere Annahme eines Glaubens-
bekenntnisses erhaltet ihr noch keine Gefühle der Ehrfurcht,
keine innere Bereitwilligkeit zu demüthiger Unterordnung
unter ein göttliches Gebot, und es bleibt euch daher auch in
menschlichen Dingen der alte Hang zu souveränen Ge-
lüsten zu besiegen. Und ebenso wenig erhaltet ihr durch diese
äußere Annahme eines Glaubensbekenntnisses jenen Seelen-
frieden,
welcher nicht nach zeitlichem Wohlstand lüstern ist,
es bleiben euch also, nach wie vor, die alten Theilungs-
gelüste
zu bekämpfen. Jm Gegentheil, die Sache wird
noch schlimmer sein. Denn zu allen anderen Beweggründen,
welche zur Auflehnung gegen das Bestehende und gegen die
Macht der Regierung antreiben, wird noch der kirchliche
Zwang hinzukommen, von welchem sich die Leute werden
befreien wollen.



6 *

in freie Gemeinden und die Abſchaffung jeder Form des
Glaubensbekenntniſſes wird den Gemüthern den verlorenen
Frieden wieder geben. Es gibt zu dieſem Ziele nur einen
Weg; wenn wir Chriſten ſind, ſo ſollten wir ihn kennen
und wollen.

Der Staat aber möge ſich hüten, durch Zwang und
Gewaltmaßregeln die Anerkennung des kirchlichen Lehrbe-
griffs befördern zu wollen. Auf dieſem Wege kann er wohl
Heuchler in Menge erlangen, ſie ſind ſogar für Geld und
äußere Vortheile zu haben. Nur bilde ſich dann ja Niemand
ein, daß dadurch für die Sicherheit der Staaten und für die
Herſtellung des inneren Glückes der Einzelnen das Geringſte
gewonnen würde. Man würde dadurch nur „übertünchte
Gräber“ erhalten, in welchen der alte Moder der Verweſung
fortwirken würde. Durch äußere Annahme eines Glaubens-
bekenntniſſes erhaltet ihr noch keine Gefühle der Ehrfurcht,
keine innere Bereitwilligkeit zu demüthiger Unterordnung
unter ein göttliches Gebot, und es bleibt euch daher auch in
menſchlichen Dingen der alte Hang zu ſouveränen Ge-
lüſten zu beſiegen. Und ebenſo wenig erhaltet ihr durch dieſe
äußere Annahme eines Glaubensbekenntniſſes jenen Seelen-
frieden,
welcher nicht nach zeitlichem Wohlſtand lüſtern iſt,
es bleiben euch alſo, nach wie vor, die alten Theilungs-
gelüſte
zu bekämpfen. Jm Gegentheil, die Sache wird
noch ſchlimmer ſein. Denn zu allen anderen Beweggründen,
welche zur Auflehnung gegen das Beſtehende und gegen die
Macht der Regierung antreiben, wird noch der kirchliche
Zwang hinzukommen, von welchem ſich die Leute werden
befreien wollen.



6 *
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[83/0089] in freie Gemeinden und die Abſchaffung jeder Form des Glaubensbekenntniſſes wird den Gemüthern den verlorenen Frieden wieder geben. Es gibt zu dieſem Ziele nur einen Weg; wenn wir Chriſten ſind, ſo ſollten wir ihn kennen und wollen. Der Staat aber möge ſich hüten, durch Zwang und Gewaltmaßregeln die Anerkennung des kirchlichen Lehrbe- griffs befördern zu wollen. Auf dieſem Wege kann er wohl Heuchler in Menge erlangen, ſie ſind ſogar für Geld und äußere Vortheile zu haben. Nur bilde ſich dann ja Niemand ein, daß dadurch für die Sicherheit der Staaten und für die Herſtellung des inneren Glückes der Einzelnen das Geringſte gewonnen würde. Man würde dadurch nur „übertünchte Gräber“ erhalten, in welchen der alte Moder der Verweſung fortwirken würde. Durch äußere Annahme eines Glaubens- bekenntniſſes erhaltet ihr noch keine Gefühle der Ehrfurcht, keine innere Bereitwilligkeit zu demüthiger Unterordnung unter ein göttliches Gebot, und es bleibt euch daher auch in menſchlichen Dingen der alte Hang zu ſouveränen Ge- lüſten zu beſiegen. Und ebenſo wenig erhaltet ihr durch dieſe äußere Annahme eines Glaubensbekenntniſſes jenen Seelen- frieden, welcher nicht nach zeitlichem Wohlſtand lüſtern iſt, es bleiben euch alſo, nach wie vor, die alten Theilungs- gelüſte zu bekämpfen. Jm Gegentheil, die Sache wird noch ſchlimmer ſein. Denn zu allen anderen Beweggründen, welche zur Auflehnung gegen das Beſtehende und gegen die Macht der Regierung antreiben, wird noch der kirchliche Zwang hinzukommen, von welchem ſich die Leute werden befreien wollen. 6 *

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Zitationshilfe: [N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/89>, abgerufen am 21.11.2024.