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[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.

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und hat dabei für sich den Vorzug der Consequenz. Dieser
Partei gegenüber steht eine andere, deren besseres Jch sich
gegen dieses Ableugnen des sittlichen Elements in und über
uns sträubt, welche aber, da sie gleichfalls den Menschen blos
als sinnliches und denkendes Wesen auffaßt und nicht von
der fixen Jdee loskommen kann, daß der eigentliche Mensch
ein denkender Geist sei und weiter nichts, zu Fiktionen ihre
Zuflucht nehmen muß, nämlich zu der Annahme, daß wir
durch unser Denken in den Besitz und zum Bewußtsein sitt-
licher Wahrheiten gelangen könnten. Diese sprechen daher
gerne von der Erkenntniß des "Wahren, Guten und
Schönen
" als von einem ausschließlichen Ergebniß unseres
Denkens, und gelangen dann durch einen zweiten, ebenso
wenig gerechtfertigten Sprung zu der Liebe des Wahren,
Guten und Schönen, woran sich alsdann allerdings vielerlei
anreihen läßt. Aber zum Erfassen sittlicher Empfindungen,
ohne deren Vorhandensein gar nicht von einer Erkenntniß
der Existenz des Guten die Rede sein kann, ist doch offenbar
der denkende Geist so wenig das Organ, als das Auge zum
Erfassen der Töne, oder das Ohr zum Unterscheiden der
Farben. Erst wenn die sittlichen Empfindungen als eine
Thatsache in uns vorhanden sind, kann der denkende Geist
über dieselben seine Thätigkeit ausdehnen. Gelangen wir
aber zum Erfassen der sittlichen Empfindungen durch eine
andere Kraft als durch unsere Denkkraft, so werden wir
diese andere Kraft auch üben müssen, und das geschieht
dann doch offenbar nicht durch die Verstandesbildung, nicht
durch die Aufklärung, nicht dadurch, daß man die Leute
Lesen und Schreiben lehrt. Wie man aber vollends gar von
einem solchen "denkenden Ding" Liebe zu irgend etwas

und hat dabei für ſich den Vorzug der Conſequenz. Dieſer
Partei gegenüber ſteht eine andere, deren beſſeres Jch ſich
gegen dieſes Ableugnen des ſittlichen Elements in und über
uns ſträubt, welche aber, da ſie gleichfalls den Menſchen blos
als ſinnliches und denkendes Weſen auffaßt und nicht von
der fixen Jdee loskommen kann, daß der eigentliche Menſch
ein denkender Geiſt ſei und weiter nichts, zu Fiktionen ihre
Zuflucht nehmen muß, nämlich zu der Annahme, daß wir
durch unſer Denken in den Beſitz und zum Bewußtſein ſitt-
licher Wahrheiten gelangen könnten. Dieſe ſprechen daher
gerne von der Erkenntniß des „Wahren, Guten und
Schönen
“ als von einem ausſchließlichen Ergebniß unſeres
Denkens, und gelangen dann durch einen zweiten, ebenſo
wenig gerechtfertigten Sprung zu der Liebe des Wahren,
Guten und Schönen, woran ſich alsdann allerdings vielerlei
anreihen läßt. Aber zum Erfaſſen ſittlicher Empfindungen,
ohne deren Vorhandenſein gar nicht von einer Erkenntniß
der Exiſtenz des Guten die Rede ſein kann, iſt doch offenbar
der denkende Geiſt ſo wenig das Organ, als das Auge zum
Erfaſſen der Töne, oder das Ohr zum Unterſcheiden der
Farben. Erſt wenn die ſittlichen Empfindungen als eine
Thatſache in uns vorhanden ſind, kann der denkende Geiſt
über dieſelben ſeine Thätigkeit ausdehnen. Gelangen wir
aber zum Erfaſſen der ſittlichen Empfindungen durch eine
andere Kraft als durch unſere Denkkraft, ſo werden wir
dieſe andere Kraft auch üben müſſen, und das geſchieht
dann doch offenbar nicht durch die Verſtandesbildung, nicht
durch die Aufklärung, nicht dadurch, daß man die Leute
Leſen und Schreiben lehrt. Wie man aber vollends gar von
einem ſolchen „denkenden Ding“ Liebe zu irgend etwas

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[63/0069] und hat dabei für ſich den Vorzug der Conſequenz. Dieſer Partei gegenüber ſteht eine andere, deren beſſeres Jch ſich gegen dieſes Ableugnen des ſittlichen Elements in und über uns ſträubt, welche aber, da ſie gleichfalls den Menſchen blos als ſinnliches und denkendes Weſen auffaßt und nicht von der fixen Jdee loskommen kann, daß der eigentliche Menſch ein denkender Geiſt ſei und weiter nichts, zu Fiktionen ihre Zuflucht nehmen muß, nämlich zu der Annahme, daß wir durch unſer Denken in den Beſitz und zum Bewußtſein ſitt- licher Wahrheiten gelangen könnten. Dieſe ſprechen daher gerne von der Erkenntniß des „Wahren, Guten und Schönen“ als von einem ausſchließlichen Ergebniß unſeres Denkens, und gelangen dann durch einen zweiten, ebenſo wenig gerechtfertigten Sprung zu der Liebe des Wahren, Guten und Schönen, woran ſich alsdann allerdings vielerlei anreihen läßt. Aber zum Erfaſſen ſittlicher Empfindungen, ohne deren Vorhandenſein gar nicht von einer Erkenntniß der Exiſtenz des Guten die Rede ſein kann, iſt doch offenbar der denkende Geiſt ſo wenig das Organ, als das Auge zum Erfaſſen der Töne, oder das Ohr zum Unterſcheiden der Farben. Erſt wenn die ſittlichen Empfindungen als eine Thatſache in uns vorhanden ſind, kann der denkende Geiſt über dieſelben ſeine Thätigkeit ausdehnen. Gelangen wir aber zum Erfaſſen der ſittlichen Empfindungen durch eine andere Kraft als durch unſere Denkkraft, ſo werden wir dieſe andere Kraft auch üben müſſen, und das geſchieht dann doch offenbar nicht durch die Verſtandesbildung, nicht durch die Aufklärung, nicht dadurch, daß man die Leute Leſen und Schreiben lehrt. Wie man aber vollends gar von einem ſolchen „denkenden Ding“ Liebe zu irgend etwas

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Zitationshilfe: [N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/69>, abgerufen am 21.11.2024.