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[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.

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er sich nicht für'n Narren halten lasse. Oder wollt ihr euch
nur auf die "Gebildeten" beschränken? Wie wollt ihr
denn diese aus der Menge herausfinden? etwa nach dem
Census? Wenn aber diese Gebildeten es vorziehen, bei ihrem
Ausspruch mehr ihr Jnteresse, als das Gebot eines ab-
strakten Denkens zu Rathe zu ziehen? wie wollt ihr sie daran
verhindern? und in diesem Falle könnte leicht die von ihnen
zu erfindende neue Grundlage der alten so ähnlich sehen,
wie ein Ei dem andern. Oder wollt ihr den Ausspruch
über die zu wählende neue Grundlage ausschließlich den
Philosophen, d. h. euch selbst vorbehalten? Aber die Phi-
losophen sind ja unter sich so uneins, wie die Jnstrumente
einer Katzenmusik; ein Jeder pfeift nach besonderer Melodie.
Und dann, gesetzt auch, sie vereinigten sich, so würden wir
Anderen, die wir keine Philosophen sind und es wegen un-
serer geringen Denkkraft auch nie werden können, bei diesem
Vorschlag in eine schlimme Verlegenheit kommen:

Weigern wir uns, eurem hochweisen Ausspruch uns zu
unterwerfen, so haben wir das Leben verwirkt, denn "wer
fortzuleben begehrt," der muß die neue Grundlage annehmen.
Unterwerfen wir uns aber eurem höheren Ermessen und eurer
tieferen Einsicht, so haben wir das Leben abermals verwirkt,
denn das wäre ja purer klarer Autoritätsglauben, welchen
wir abthun müssen, wenn wir fortzuleben begehren. Wenn
wir aber so wie so sterben müssen, gleichviel ob parce que
oder quoique, so könnten wir wohl auf den sündhaften Ge-
danken kommen, uns in ungerechtfertigter Herkömmlichkeit
an das Recht der Nothwehr zu halten und vor unserem
Ende noch Einigen von euch das Lebenslicht auszublasen.

Und worauf gründet sich denn die Berechtigung des

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er ſich nicht für’n Narren halten laſſe. Oder wollt ihr euch
nur auf die „Gebildeten“ beſchränken? Wie wollt ihr
denn dieſe aus der Menge herausfinden? etwa nach dem
Cenſus? Wenn aber dieſe Gebildeten es vorziehen, bei ihrem
Ausſpruch mehr ihr Jntereſſe, als das Gebot eines ab-
ſtrakten Denkens zu Rathe zu ziehen? wie wollt ihr ſie daran
verhindern? und in dieſem Falle könnte leicht die von ihnen
zu erfindende neue Grundlage der alten ſo ähnlich ſehen,
wie ein Ei dem andern. Oder wollt ihr den Ausſpruch
über die zu wählende neue Grundlage ausſchließlich den
Philoſophen, d. h. euch ſelbſt vorbehalten? Aber die Phi-
loſophen ſind ja unter ſich ſo uneins, wie die Jnſtrumente
einer Katzenmuſik; ein Jeder pfeift nach beſonderer Melodie.
Und dann, geſetzt auch, ſie vereinigten ſich, ſo würden wir
Anderen, die wir keine Philoſophen ſind und es wegen un-
ſerer geringen Denkkraft auch nie werden können, bei dieſem
Vorſchlag in eine ſchlimme Verlegenheit kommen:

Weigern wir uns, eurem hochweiſen Ausſpruch uns zu
unterwerfen, ſo haben wir das Leben verwirkt, denn „wer
fortzuleben begehrt,“ der muß die neue Grundlage annehmen.
Unterwerfen wir uns aber eurem höheren Ermeſſen und eurer
tieferen Einſicht, ſo haben wir das Leben abermals verwirkt,
denn das wäre ja purer klarer Autoritätsglauben, welchen
wir abthun müſſen, wenn wir fortzuleben begehren. Wenn
wir aber ſo wie ſo ſterben müſſen, gleichviel ob parce que
oder quoique, ſo könnten wir wohl auf den ſündhaften Ge-
danken kommen, uns in ungerechtfertigter Herkömmlichkeit
an das Recht der Nothwehr zu halten und vor unſerem
Ende noch Einigen von euch das Lebenslicht auszublaſen.

Und worauf gründet ſich denn die Berechtigung des

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[51/0057] er ſich nicht für’n Narren halten laſſe. Oder wollt ihr euch nur auf die „Gebildeten“ beſchränken? Wie wollt ihr denn dieſe aus der Menge herausfinden? etwa nach dem Cenſus? Wenn aber dieſe Gebildeten es vorziehen, bei ihrem Ausſpruch mehr ihr Jntereſſe, als das Gebot eines ab- ſtrakten Denkens zu Rathe zu ziehen? wie wollt ihr ſie daran verhindern? und in dieſem Falle könnte leicht die von ihnen zu erfindende neue Grundlage der alten ſo ähnlich ſehen, wie ein Ei dem andern. Oder wollt ihr den Ausſpruch über die zu wählende neue Grundlage ausſchließlich den Philoſophen, d. h. euch ſelbſt vorbehalten? Aber die Phi- loſophen ſind ja unter ſich ſo uneins, wie die Jnſtrumente einer Katzenmuſik; ein Jeder pfeift nach beſonderer Melodie. Und dann, geſetzt auch, ſie vereinigten ſich, ſo würden wir Anderen, die wir keine Philoſophen ſind und es wegen un- ſerer geringen Denkkraft auch nie werden können, bei dieſem Vorſchlag in eine ſchlimme Verlegenheit kommen: Weigern wir uns, eurem hochweiſen Ausſpruch uns zu unterwerfen, ſo haben wir das Leben verwirkt, denn „wer fortzuleben begehrt,“ der muß die neue Grundlage annehmen. Unterwerfen wir uns aber eurem höheren Ermeſſen und eurer tieferen Einſicht, ſo haben wir das Leben abermals verwirkt, denn das wäre ja purer klarer Autoritätsglauben, welchen wir abthun müſſen, wenn wir fortzuleben begehren. Wenn wir aber ſo wie ſo ſterben müſſen, gleichviel ob parce que oder quoique, ſo könnten wir wohl auf den ſündhaften Ge- danken kommen, uns in ungerechtfertigter Herkömmlichkeit an das Recht der Nothwehr zu halten und vor unſerem Ende noch Einigen von euch das Lebenslicht auszublaſen. Und worauf gründet ſich denn die Berechtigung des 4*

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Zitationshilfe: [N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/57>, abgerufen am 21.11.2024.