Und wie erginge es wohl unter diesen Umständen den Kindern und der dem Kindesalter noch nahestehenden Ju- gend? Denn offenbar kann ein Glück, welches von der Ausbildung unseres Geistes abhängig ist, doch erst bei rei- feren Geisteskräften seine natürliche Stärke gewinnen. Die Kindheit und die frühere Jugend hätten daher das Zusehen, und genau genommen müßte das rechte Glück, die wahre innere Zufriedenheit dem Menschen nicht leicht vor dem Schwabenalter zu Theil werden.
Worauf beruht denn nun aber dieses jetzt so selten ge- wordene Glück? Das Geheimniß ist weltbekannt, nur ignoriren wir es gerne, weil unser Verstandeshochmuth uns doch nicht erlauben würde, Gebrauch davon zu machen. Jede Kinderstube könnte uns das Arkanum des Glücks lehren, diejenige, welche es nicht kennt, so gut als diejenige, welche es kennt. Tretet doch da einen Augenblick ein, ihr Weisen des Abendlandes, die ihr Staaten zu lenken und Völker zu beglücken berufen seid, ihr werdet da alle Elemente des Glücks gar anschaulich beisammen finden. Hier ist zuerst eine Behausung, welcher ihr den Wohlstand, den von Allen so sehr ersehnten Wohlstand gleich beim Eintreten ansehen könnt, und so sind denn auch die Kinder des Hauses gar zierlich gekleidet, sie sind umgeben von einem Ueberfluß an kostbarem Spielzeug und von allen Hilfsmitteln der beleh- renden Unterhaltung. Vater und Mutter sind ängstlich dar- auf bedacht, daß keiner ihrer Wünsche unerfüllt bleibe, keine ihrer jugendlichen Unarten eine ernste Rüge oder gar eine Züchtigung erfahre, welche ihr Gemüth erbittern könnte. Die Lehrer sind angewiesen, die lieben Kleinen mit jeder Arbeit, welche das Nachdenken, oder das Gedächtniß, oder
3*
Und wie erginge es wohl unter dieſen Umſtänden den Kindern und der dem Kindesalter noch naheſtehenden Ju- gend? Denn offenbar kann ein Glück, welches von der Ausbildung unſeres Geiſtes abhängig iſt, doch erſt bei rei- feren Geiſteskräften ſeine natürliche Stärke gewinnen. Die Kindheit und die frühere Jugend hätten daher das Zuſehen, und genau genommen müßte das rechte Glück, die wahre innere Zufriedenheit dem Menſchen nicht leicht vor dem Schwabenalter zu Theil werden.
Worauf beruht denn nun aber dieſes jetzt ſo ſelten ge- wordene Glück? Das Geheimniß iſt weltbekannt, nur ignoriren wir es gerne, weil unſer Verſtandeshochmuth uns doch nicht erlauben würde, Gebrauch davon zu machen. Jede Kinderſtube könnte uns das Arkanum des Glücks lehren, diejenige, welche es nicht kennt, ſo gut als diejenige, welche es kennt. Tretet doch da einen Augenblick ein, ihr Weiſen des Abendlandes, die ihr Staaten zu lenken und Völker zu beglücken berufen ſeid, ihr werdet da alle Elemente des Glücks gar anſchaulich beiſammen finden. Hier iſt zuerſt eine Behauſung, welcher ihr den Wohlſtand, den von Allen ſo ſehr erſehnten Wohlſtand gleich beim Eintreten anſehen könnt, und ſo ſind denn auch die Kinder des Hauſes gar zierlich gekleidet, ſie ſind umgeben von einem Ueberfluß an koſtbarem Spielzeug und von allen Hilfsmitteln der beleh- renden Unterhaltung. Vater und Mutter ſind ängſtlich dar- auf bedacht, daß keiner ihrer Wünſche unerfüllt bleibe, keine ihrer jugendlichen Unarten eine ernſte Rüge oder gar eine Züchtigung erfahre, welche ihr Gemüth erbittern könnte. Die Lehrer ſind angewieſen, die lieben Kleinen mit jeder Arbeit, welche das Nachdenken, oder das Gedächtniß, oder
3*
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0041"n="35"/><p>Und wie erginge es wohl unter dieſen Umſtänden den<lb/><hirendition="#g">Kindern</hi> und der dem Kindesalter noch naheſtehenden <hirendition="#g">Ju-<lb/>
gend</hi>? Denn offenbar kann ein Glück, welches von der<lb/>
Ausbildung unſeres Geiſtes abhängig iſt, doch erſt bei rei-<lb/>
feren Geiſteskräften ſeine natürliche Stärke gewinnen. Die<lb/>
Kindheit und die frühere Jugend hätten daher das Zuſehen,<lb/>
und genau genommen müßte das rechte Glück, die wahre<lb/>
innere Zufriedenheit dem Menſchen nicht leicht vor dem<lb/>
Schwabenalter zu Theil werden.</p><lb/><p>Worauf beruht denn nun aber dieſes jetzt ſo ſelten ge-<lb/>
wordene Glück? Das Geheimniß iſt weltbekannt, nur<lb/>
ignoriren wir es gerne, weil unſer Verſtandeshochmuth uns<lb/>
doch nicht erlauben würde, Gebrauch davon zu machen. Jede<lb/><hirendition="#g">Kinderſtube</hi> könnte uns das Arkanum des Glücks lehren,<lb/>
diejenige, welche es nicht kennt, ſo gut als diejenige, welche<lb/>
es kennt. Tretet doch da einen Augenblick ein, ihr Weiſen<lb/>
des Abendlandes, die ihr Staaten zu lenken und Völker zu<lb/>
beglücken berufen ſeid, ihr werdet da alle Elemente des<lb/>
Glücks gar anſchaulich beiſammen finden. Hier iſt zuerſt<lb/>
eine Behauſung, welcher ihr den Wohlſtand, den von Allen<lb/>ſo ſehr erſehnten Wohlſtand gleich beim Eintreten anſehen<lb/>
könnt, und ſo ſind denn auch die Kinder des Hauſes gar<lb/>
zierlich gekleidet, ſie ſind umgeben von einem Ueberfluß an<lb/>
koſtbarem Spielzeug und von allen Hilfsmitteln der beleh-<lb/>
renden Unterhaltung. Vater und Mutter ſind ängſtlich dar-<lb/>
auf bedacht, daß keiner ihrer Wünſche unerfüllt bleibe, keine<lb/>
ihrer jugendlichen Unarten eine ernſte Rüge oder gar eine<lb/>
Züchtigung erfahre, welche ihr Gemüth erbittern könnte.<lb/>
Die Lehrer ſind angewieſen, die lieben Kleinen mit jeder<lb/>
Arbeit, welche das Nachdenken, oder das Gedächtniß, oder<lb/><fwplace="bottom"type="sig">3*</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[35/0041]
Und wie erginge es wohl unter dieſen Umſtänden den
Kindern und der dem Kindesalter noch naheſtehenden Ju-
gend? Denn offenbar kann ein Glück, welches von der
Ausbildung unſeres Geiſtes abhängig iſt, doch erſt bei rei-
feren Geiſteskräften ſeine natürliche Stärke gewinnen. Die
Kindheit und die frühere Jugend hätten daher das Zuſehen,
und genau genommen müßte das rechte Glück, die wahre
innere Zufriedenheit dem Menſchen nicht leicht vor dem
Schwabenalter zu Theil werden.
Worauf beruht denn nun aber dieſes jetzt ſo ſelten ge-
wordene Glück? Das Geheimniß iſt weltbekannt, nur
ignoriren wir es gerne, weil unſer Verſtandeshochmuth uns
doch nicht erlauben würde, Gebrauch davon zu machen. Jede
Kinderſtube könnte uns das Arkanum des Glücks lehren,
diejenige, welche es nicht kennt, ſo gut als diejenige, welche
es kennt. Tretet doch da einen Augenblick ein, ihr Weiſen
des Abendlandes, die ihr Staaten zu lenken und Völker zu
beglücken berufen ſeid, ihr werdet da alle Elemente des
Glücks gar anſchaulich beiſammen finden. Hier iſt zuerſt
eine Behauſung, welcher ihr den Wohlſtand, den von Allen
ſo ſehr erſehnten Wohlſtand gleich beim Eintreten anſehen
könnt, und ſo ſind denn auch die Kinder des Hauſes gar
zierlich gekleidet, ſie ſind umgeben von einem Ueberfluß an
koſtbarem Spielzeug und von allen Hilfsmitteln der beleh-
renden Unterhaltung. Vater und Mutter ſind ängſtlich dar-
auf bedacht, daß keiner ihrer Wünſche unerfüllt bleibe, keine
ihrer jugendlichen Unarten eine ernſte Rüge oder gar eine
Züchtigung erfahre, welche ihr Gemüth erbittern könnte.
Die Lehrer ſind angewieſen, die lieben Kleinen mit jeder
Arbeit, welche das Nachdenken, oder das Gedächtniß, oder
3*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/41>, abgerufen am 03.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.