Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Und sogar noch später, nachdem bereits das Unglück
des französischen Volkes aller Welt eine so großartige Lehre
gegeben hatte, und nachdem der geöffnete Krater der Revo-
lution uns Gefahren für die Gesellschaft gezeigt hatte, wie
man sie vor der Februar-Revolution in dieser Größe nicht
geahnt hatte, haben wir nicht mitten in Deutschland in noch
auffallenderer Weise gesehen, mit welcher Zähigkeit die ver-
schiedenen Jnteressen der Einzelnen gegenüber von dem Jn-
teresse des Ganzen an ihrem besonderen Vortheil festhalten,
und wie sehr sie jede Verständigung trotz der Höhe der ge-
meinschaftlichen Gefahr immer wieder zurückwiesen, wenn
nicht jedem Einzelnen die seinem Sonderinteresse wünschens-
werthen Bedingungen bewilligt würden?

Und dennoch, trotz aller dieser kläglichen Erfahrungen,
soll das Jnteresse der Kitt sein, mit welchem unsere Staats-
männer das Staatsgebäude zusammenhalten wollen? Wenn
nichts Höheres in den Gemüthern lebt, vor wel-
chem sich die Jnteressen beugen, so muß jeder
Staat untergehen
.



III. Das Glück.

Kein Staat vermag der Auflösung lange zu widerstehen,
wenn in ihm der Glaube an eine höhere, sittliche Macht,
welcher wir Ehrfurcht und Gehorsam schuldig sind, erloschen
ist. Auf welchem Wege gelangt nun wohl der
Mensch zu diesem Glauben
? Jhr saget, dieser Glaube
beruhe auf der Religion, auf der von Gott geoffenbarten,
in seinem heiligen Worte niedergelegten, auf allen Kanzeln
gepredigten, in allen Schulen gelehrten Religion. Ganz

Und ſogar noch ſpäter, nachdem bereits das Unglück
des franzöſiſchen Volkes aller Welt eine ſo großartige Lehre
gegeben hatte, und nachdem der geöffnete Krater der Revo-
lution uns Gefahren für die Geſellſchaft gezeigt hatte, wie
man ſie vor der Februar-Revolution in dieſer Größe nicht
geahnt hatte, haben wir nicht mitten in Deutſchland in noch
auffallenderer Weiſe geſehen, mit welcher Zähigkeit die ver-
ſchiedenen Jntereſſen der Einzelnen gegenüber von dem Jn-
tereſſe des Ganzen an ihrem beſonderen Vortheil feſthalten,
und wie ſehr ſie jede Verſtändigung trotz der Höhe der ge-
meinſchaftlichen Gefahr immer wieder zurückwieſen, wenn
nicht jedem Einzelnen die ſeinem Sonderintereſſe wünſchens-
werthen Bedingungen bewilligt würden?

Und dennoch, trotz aller dieſer kläglichen Erfahrungen,
ſoll das Jntereſſe der Kitt ſein, mit welchem unſere Staats-
männer das Staatsgebäude zuſammenhalten wollen? Wenn
nichts Höheres in den Gemüthern lebt, vor wel-
chem ſich die Jntereſſen beugen, ſo muß jeder
Staat untergehen
.



III. Das Glück.

Kein Staat vermag der Auflöſung lange zu widerſtehen,
wenn in ihm der Glaube an eine höhere, ſittliche Macht,
welcher wir Ehrfurcht und Gehorſam ſchuldig ſind, erloſchen
iſt. Auf welchem Wege gelangt nun wohl der
Menſch zu dieſem Glauben
? Jhr ſaget, dieſer Glaube
beruhe auf der Religion, auf der von Gott geoffenbarten,
in ſeinem heiligen Worte niedergelegten, auf allen Kanzeln
gepredigten, in allen Schulen gelehrten Religion. Ganz

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0030" n="24"/>
        <p>Und &#x017F;ogar noch &#x017F;päter, nachdem bereits das Unglück<lb/>
des franzö&#x017F;i&#x017F;chen Volkes aller Welt eine &#x017F;o großartige Lehre<lb/>
gegeben hatte, und nachdem der geöffnete Krater der Revo-<lb/>
lution uns Gefahren für die Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft gezeigt hatte, wie<lb/>
man &#x017F;ie vor der Februar-Revolution in die&#x017F;er Größe nicht<lb/>
geahnt hatte, haben wir nicht mitten in Deut&#x017F;chland in noch<lb/>
auffallenderer Wei&#x017F;e ge&#x017F;ehen, mit welcher Zähigkeit die ver-<lb/>
&#x017F;chiedenen Jntere&#x017F;&#x017F;en der Einzelnen gegenüber von dem Jn-<lb/>
tere&#x017F;&#x017F;e des Ganzen an ihrem be&#x017F;onderen Vortheil fe&#x017F;thalten,<lb/>
und wie &#x017F;ehr &#x017F;ie jede Ver&#x017F;tändigung trotz der Höhe der ge-<lb/>
mein&#x017F;chaftlichen Gefahr immer wieder zurückwie&#x017F;en, wenn<lb/>
nicht jedem Einzelnen die &#x017F;einem Sonderintere&#x017F;&#x017F;e wün&#x017F;chens-<lb/>
werthen Bedingungen bewilligt würden?</p><lb/>
        <p>Und dennoch, trotz aller die&#x017F;er kläglichen Erfahrungen,<lb/>
&#x017F;oll das Jntere&#x017F;&#x017F;e der Kitt &#x017F;ein, mit welchem un&#x017F;ere Staats-<lb/>
männer das Staatsgebäude zu&#x017F;ammenhalten wollen? <hi rendition="#g">Wenn<lb/>
nichts Höheres in den Gemüthern lebt, vor wel-<lb/>
chem &#x017F;ich die Jntere&#x017F;&#x017F;en beugen, &#x017F;o muß jeder<lb/>
Staat untergehen</hi>.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">III.</hi> Das Glück.</hi> </head><lb/>
        <p>Kein Staat vermag der Auflö&#x017F;ung lange zu wider&#x017F;tehen,<lb/>
wenn in ihm der Glaube an eine höhere, &#x017F;ittliche Macht,<lb/>
welcher wir Ehrfurcht und Gehor&#x017F;am &#x017F;chuldig &#x017F;ind, erlo&#x017F;chen<lb/>
i&#x017F;t. <hi rendition="#g">Auf welchem Wege gelangt nun wohl der<lb/>
Men&#x017F;ch zu die&#x017F;em Glauben</hi>? Jhr &#x017F;aget, die&#x017F;er Glaube<lb/>
beruhe auf der Religion, auf der von Gott geoffenbarten,<lb/>
in &#x017F;einem heiligen Worte niedergelegten, auf allen Kanzeln<lb/>
gepredigten, in allen Schulen gelehrten Religion. Ganz<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0030] Und ſogar noch ſpäter, nachdem bereits das Unglück des franzöſiſchen Volkes aller Welt eine ſo großartige Lehre gegeben hatte, und nachdem der geöffnete Krater der Revo- lution uns Gefahren für die Geſellſchaft gezeigt hatte, wie man ſie vor der Februar-Revolution in dieſer Größe nicht geahnt hatte, haben wir nicht mitten in Deutſchland in noch auffallenderer Weiſe geſehen, mit welcher Zähigkeit die ver- ſchiedenen Jntereſſen der Einzelnen gegenüber von dem Jn- tereſſe des Ganzen an ihrem beſonderen Vortheil feſthalten, und wie ſehr ſie jede Verſtändigung trotz der Höhe der ge- meinſchaftlichen Gefahr immer wieder zurückwieſen, wenn nicht jedem Einzelnen die ſeinem Sonderintereſſe wünſchens- werthen Bedingungen bewilligt würden? Und dennoch, trotz aller dieſer kläglichen Erfahrungen, ſoll das Jntereſſe der Kitt ſein, mit welchem unſere Staats- männer das Staatsgebäude zuſammenhalten wollen? Wenn nichts Höheres in den Gemüthern lebt, vor wel- chem ſich die Jntereſſen beugen, ſo muß jeder Staat untergehen. III. Das Glück. Kein Staat vermag der Auflöſung lange zu widerſtehen, wenn in ihm der Glaube an eine höhere, ſittliche Macht, welcher wir Ehrfurcht und Gehorſam ſchuldig ſind, erloſchen iſt. Auf welchem Wege gelangt nun wohl der Menſch zu dieſem Glauben? Jhr ſaget, dieſer Glaube beruhe auf der Religion, auf der von Gott geoffenbarten, in ſeinem heiligen Worte niedergelegten, auf allen Kanzeln gepredigten, in allen Schulen gelehrten Religion. Ganz

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/30
Zitationshilfe: [N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/30>, abgerufen am 24.11.2024.