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[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.

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seinem heiligen Willen ebenso aufrichtig beugen, wie der
Letzte im Volke. Und wie nur dieser Glaube das Recht,
Gehorsam zu fordern, verleihen kann, so kann auch nur die-
ser Glaube die Bereitwilligkeit zur Unterordnung unter
das Gesetz erzeugen. Denn nur da wo Alle, wo der Höchste
und der Niederste im Volke sich in aufrichtiger Demuth
gleich tief vor dem Höchsten beugen, nur da wo Gesetz und
Sitte, Recht und Ordnung im Namen dieses Höchsten auf-
recht erhalten werden gegen Jedermann, gegen Hoch und
Niedrig, nur da beugt sich der menschliche Trotz, nur da
unterwirft sich der Eigenwillen dem Ganzen, und nur da
achtet er auch die menschlichen Vollstrecker des göttlichen
Willens.

Aber nein, unsere Konservativen, die Gegner der
Anarchie, wissen das besser. Sie sagen uns, wir würden
mit der "Annahme" eines heiligen göttlichen Willens doch
nicht weiter sein als zuvor auch, und es gebe andere Grund-
lagen, auf welche die staatliche Ordnung mit Erfolg ge-
gründet werden könne.

"Was hilft es," fragen diese Konservativen, "von der
Annahme eines heiligen göttlichen Willens auszugehen, wenn
doch nirgends geschrieben steht, welche Anwendung wir von
dieser Annahme auf unsere staatlichen Einrichtungen zu
machen haben, und wenn also der Mensch trotz dieser An-
nahme in jedem einzelnen Falle sich auf sein eigenes ver-
ständiges Ermessen und auf seine eigene Entscheidung be-
schränkt sieht?" Allein sind wir denn wirklich so von Gott
verlassen? Geschrieben steht allerdings nirgends, welches
für unsere heutigen Zustände die beste Verfassung und die
besten Gesetze seien, und wenn es auch irgendwo geschrieben

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ſeinem heiligen Willen ebenſo aufrichtig beugen, wie der
Letzte im Volke. Und wie nur dieſer Glaube das Recht,
Gehorſam zu fordern, verleihen kann, ſo kann auch nur die-
ſer Glaube die Bereitwilligkeit zur Unterordnung unter
das Geſetz erzeugen. Denn nur da wo Alle, wo der Höchſte
und der Niederſte im Volke ſich in aufrichtiger Demuth
gleich tief vor dem Höchſten beugen, nur da wo Geſetz und
Sitte, Recht und Ordnung im Namen dieſes Höchſten auf-
recht erhalten werden gegen Jedermann, gegen Hoch und
Niedrig, nur da beugt ſich der menſchliche Trotz, nur da
unterwirft ſich der Eigenwillen dem Ganzen, und nur da
achtet er auch die menſchlichen Vollſtrecker des göttlichen
Willens.

Aber nein, unſere Konſervativen, die Gegner der
Anarchie, wiſſen das beſſer. Sie ſagen uns, wir würden
mit der „Annahme“ eines heiligen göttlichen Willens doch
nicht weiter ſein als zuvor auch, und es gebe andere Grund-
lagen, auf welche die ſtaatliche Ordnung mit Erfolg ge-
gründet werden könne.

„Was hilft es,“ fragen dieſe Konſervativen, „von der
Annahme eines heiligen göttlichen Willens auszugehen, wenn
doch nirgends geſchrieben ſteht, welche Anwendung wir von
dieſer Annahme auf unſere ſtaatlichen Einrichtungen zu
machen haben, und wenn alſo der Menſch trotz dieſer An-
nahme in jedem einzelnen Falle ſich auf ſein eigenes ver-
ſtändiges Ermeſſen und auf ſeine eigene Entſcheidung be-
ſchränkt ſieht?“ Allein ſind wir denn wirklich ſo von Gott
verlaſſen? Geſchrieben ſteht allerdings nirgends, welches
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beſten Geſetze ſeien, und wenn es auch irgendwo geſchrieben

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[17/0023] ſeinem heiligen Willen ebenſo aufrichtig beugen, wie der Letzte im Volke. Und wie nur dieſer Glaube das Recht, Gehorſam zu fordern, verleihen kann, ſo kann auch nur die- ſer Glaube die Bereitwilligkeit zur Unterordnung unter das Geſetz erzeugen. Denn nur da wo Alle, wo der Höchſte und der Niederſte im Volke ſich in aufrichtiger Demuth gleich tief vor dem Höchſten beugen, nur da wo Geſetz und Sitte, Recht und Ordnung im Namen dieſes Höchſten auf- recht erhalten werden gegen Jedermann, gegen Hoch und Niedrig, nur da beugt ſich der menſchliche Trotz, nur da unterwirft ſich der Eigenwillen dem Ganzen, und nur da achtet er auch die menſchlichen Vollſtrecker des göttlichen Willens. Aber nein, unſere Konſervativen, die Gegner der Anarchie, wiſſen das beſſer. Sie ſagen uns, wir würden mit der „Annahme“ eines heiligen göttlichen Willens doch nicht weiter ſein als zuvor auch, und es gebe andere Grund- lagen, auf welche die ſtaatliche Ordnung mit Erfolg ge- gründet werden könne. „Was hilft es,“ fragen dieſe Konſervativen, „von der Annahme eines heiligen göttlichen Willens auszugehen, wenn doch nirgends geſchrieben ſteht, welche Anwendung wir von dieſer Annahme auf unſere ſtaatlichen Einrichtungen zu machen haben, und wenn alſo der Menſch trotz dieſer An- nahme in jedem einzelnen Falle ſich auf ſein eigenes ver- ſtändiges Ermeſſen und auf ſeine eigene Entſcheidung be- ſchränkt ſieht?“ Allein ſind wir denn wirklich ſo von Gott verlaſſen? Geſchrieben ſteht allerdings nirgends, welches für unſere heutigen Zuſtände die beſte Verfaſſung und die beſten Geſetze ſeien, und wenn es auch irgendwo geſchrieben 2

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Zitationshilfe: [N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/23>, abgerufen am 21.11.2024.