Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852.

Bild:
<< vorherige Seite

Beamten keine andere Aufgabe begreifen und anerkennen, als
die buchstäbliche Vollziehung der von ihr unter so vielen
Schmerzen und Wehen zur Welt gebrachten Vorschriften und
Jnstruktionen. Wer aber auf diesem Standpunkte steht, der
kann Männer von lebendiger sittlicher Ueberzeugung gar nicht
gebrauchen, er bedarf intelligente Maschinen, welche blind
nach den ihnen vorgeschriebenen Formen operiren. Man hat
täglich die Erfahrung vor Augen, daß in allen Zweigen des
Staatsdienstes durch dieses papierene Regiment bei den aus-
übenden Beamten, bei Denjenigen, welche mit dem Volke
verkehren, bei Allen, welche in's Leben eingreifen und auf
die Leute in einem heilsamen Sinne einwirken sollen, also
gerade da, wo das Leben am nöthigsten wäre, alles Leben
erstarrt und einem indifferenten Formalismus Platz macht,
mit welchem man unmöglich Einfluß, einen sittlich ermuthigen-
den und für die Regierung gewinnenden Einfluß ausüben
kann. Eine andere Art der Bildung als die unsrige, eine
sittliche Bildung, würde wohl den umgekehrten Weg ein-
schlagen, sie würde die Persönlichkeiten mit sorgfältiger Um-
sicht auswählen und also da, wo man sittliche Erfolge will,
solche Persönlichkeiten wählen, von welchen sittliche Erfolge
zu erwarten sind, -- an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.
Sie würde ferner diese mit ihrem Vertrauen bekleideten Be-
amten zwar durch häufiges persönliches Nachsehen an Ort
und Stelle in ihrem Wirken und in ihren Früchten beob-
achten, denselben aber, unter der Bedingung voller Verant-
wortlichkeit für den Geist ihrer Wirksamkeit, möglichst freie
Hand lassen in Bezug auf die Form. Und gleichzeitig würde
diese andere Art von Bildung den Beamten noch eine andere
Bedingung gewähren, ohne welche die Ausübung eines sitt-

Beamten keine andere Aufgabe begreifen und anerkennen, als
die buchſtäbliche Vollziehung der von ihr unter ſo vielen
Schmerzen und Wehen zur Welt gebrachten Vorſchriften und
Jnſtruktionen. Wer aber auf dieſem Standpunkte ſteht, der
kann Männer von lebendiger ſittlicher Ueberzeugung gar nicht
gebrauchen, er bedarf intelligente Maſchinen, welche blind
nach den ihnen vorgeſchriebenen Formen operiren. Man hat
täglich die Erfahrung vor Augen, daß in allen Zweigen des
Staatsdienſtes durch dieſes papierene Regiment bei den aus-
übenden Beamten, bei Denjenigen, welche mit dem Volke
verkehren, bei Allen, welche in’s Leben eingreifen und auf
die Leute in einem heilſamen Sinne einwirken ſollen, alſo
gerade da, wo das Leben am nöthigſten wäre, alles Leben
erſtarrt und einem indifferenten Formalismus Platz macht,
mit welchem man unmöglich Einfluß, einen ſittlich ermuthigen-
den und für die Regierung gewinnenden Einfluß ausüben
kann. Eine andere Art der Bildung als die unſrige, eine
ſittliche Bildung, würde wohl den umgekehrten Weg ein-
ſchlagen, ſie würde die Perſönlichkeiten mit ſorgfältiger Um-
ſicht auswählen und alſo da, wo man ſittliche Erfolge will,
ſolche Perſönlichkeiten wählen, von welchen ſittliche Erfolge
zu erwarten ſind, — an ihren Früchten ſollt ihr ſie erkennen.
Sie würde ferner dieſe mit ihrem Vertrauen bekleideten Be-
amten zwar durch häufiges perſönliches Nachſehen an Ort
und Stelle in ihrem Wirken und in ihren Früchten beob-
achten, denſelben aber, unter der Bedingung voller Verant-
wortlichkeit für den Geiſt ihrer Wirkſamkeit, möglichſt freie
Hand laſſen in Bezug auf die Form. Und gleichzeitig würde
dieſe andere Art von Bildung den Beamten noch eine andere
Bedingung gewähren, ohne welche die Ausübung eines ſitt-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0117" n="111"/>
Beamten keine andere Aufgabe begreifen und anerkennen, als<lb/>
die buch&#x017F;täbliche Vollziehung der von ihr unter &#x017F;o vielen<lb/>
Schmerzen und Wehen zur Welt gebrachten Vor&#x017F;chriften und<lb/>
Jn&#x017F;truktionen. Wer aber auf die&#x017F;em Standpunkte &#x017F;teht, der<lb/>
kann Männer von lebendiger &#x017F;ittlicher Ueberzeugung gar nicht<lb/>
gebrauchen, er bedarf intelligente Ma&#x017F;chinen, welche blind<lb/>
nach den ihnen vorge&#x017F;chriebenen Formen operiren. Man hat<lb/>
täglich die Erfahrung vor Augen, daß in allen Zweigen des<lb/>
Staatsdien&#x017F;tes durch die&#x017F;es papierene Regiment bei den aus-<lb/>
übenden Beamten, bei Denjenigen, welche mit dem Volke<lb/>
verkehren, bei Allen, welche in&#x2019;s Leben eingreifen und auf<lb/>
die Leute in einem heil&#x017F;amen Sinne einwirken &#x017F;ollen, al&#x017F;o<lb/>
gerade da, wo das Leben am nöthig&#x017F;ten wäre, alles Leben<lb/>
er&#x017F;tarrt und einem indifferenten Formalismus Platz macht,<lb/>
mit welchem man unmöglich Einfluß, einen &#x017F;ittlich ermuthigen-<lb/>
den und für die Regierung gewinnenden Einfluß ausüben<lb/>
kann. Eine <hi rendition="#g">andere</hi> Art der Bildung als die un&#x017F;rige, eine<lb/><hi rendition="#g">&#x017F;ittliche</hi> Bildung, würde wohl den umgekehrten Weg ein-<lb/>
&#x017F;chlagen, &#x017F;ie würde die Per&#x017F;önlichkeiten mit &#x017F;orgfältiger Um-<lb/>
&#x017F;icht auswählen und al&#x017F;o da, wo man &#x017F;ittliche Erfolge will,<lb/>
&#x017F;olche Per&#x017F;önlichkeiten wählen, von welchen &#x017F;ittliche Erfolge<lb/>
zu erwarten &#x017F;ind, &#x2014; an ihren Früchten &#x017F;ollt ihr &#x017F;ie erkennen.<lb/>
Sie würde ferner die&#x017F;e mit ihrem Vertrauen bekleideten Be-<lb/>
amten zwar durch häufiges per&#x017F;önliches Nach&#x017F;ehen an Ort<lb/>
und Stelle in ihrem Wirken und in ihren Früchten beob-<lb/>
achten, den&#x017F;elben aber, unter der Bedingung voller Verant-<lb/>
wortlichkeit für den Gei&#x017F;t ihrer Wirk&#x017F;amkeit, möglich&#x017F;t freie<lb/>
Hand la&#x017F;&#x017F;en in Bezug auf die Form. Und gleichzeitig würde<lb/>
die&#x017F;e andere Art von Bildung den Beamten noch eine andere<lb/>
Bedingung gewähren, ohne welche die Ausübung eines &#x017F;itt-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0117] Beamten keine andere Aufgabe begreifen und anerkennen, als die buchſtäbliche Vollziehung der von ihr unter ſo vielen Schmerzen und Wehen zur Welt gebrachten Vorſchriften und Jnſtruktionen. Wer aber auf dieſem Standpunkte ſteht, der kann Männer von lebendiger ſittlicher Ueberzeugung gar nicht gebrauchen, er bedarf intelligente Maſchinen, welche blind nach den ihnen vorgeſchriebenen Formen operiren. Man hat täglich die Erfahrung vor Augen, daß in allen Zweigen des Staatsdienſtes durch dieſes papierene Regiment bei den aus- übenden Beamten, bei Denjenigen, welche mit dem Volke verkehren, bei Allen, welche in’s Leben eingreifen und auf die Leute in einem heilſamen Sinne einwirken ſollen, alſo gerade da, wo das Leben am nöthigſten wäre, alles Leben erſtarrt und einem indifferenten Formalismus Platz macht, mit welchem man unmöglich Einfluß, einen ſittlich ermuthigen- den und für die Regierung gewinnenden Einfluß ausüben kann. Eine andere Art der Bildung als die unſrige, eine ſittliche Bildung, würde wohl den umgekehrten Weg ein- ſchlagen, ſie würde die Perſönlichkeiten mit ſorgfältiger Um- ſicht auswählen und alſo da, wo man ſittliche Erfolge will, ſolche Perſönlichkeiten wählen, von welchen ſittliche Erfolge zu erwarten ſind, — an ihren Früchten ſollt ihr ſie erkennen. Sie würde ferner dieſe mit ihrem Vertrauen bekleideten Be- amten zwar durch häufiges perſönliches Nachſehen an Ort und Stelle in ihrem Wirken und in ihren Früchten beob- achten, denſelben aber, unter der Bedingung voller Verant- wortlichkeit für den Geiſt ihrer Wirkſamkeit, möglichſt freie Hand laſſen in Bezug auf die Form. Und gleichzeitig würde dieſe andere Art von Bildung den Beamten noch eine andere Bedingung gewähren, ohne welche die Ausübung eines ſitt-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/117
Zitationshilfe: [N. N.]: Unsere moderne Bildung im Bunde mit der Anarchie. Stuttgart, 1852, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_anarchie_1852/117>, abgerufen am 24.11.2024.