Allgemeine Zeitung, Nr. 98, 8. April 1849.[Spaltenumbruch]
ständniß dieses Streites nöthig ist, und den ich ihr einsandte, an ebenso Graf E. Dessewffy." Wien, 4. April. Wir wissen jetzt mit ziemlicher Bestimmt- * Roveredo. Die große Mehrzahl der Bewohner dieses Kreises Oesterreichische Monarchie. ** Ofen, 30 März. Wegen der schlechten Witterung und der un- Pesth, 2 April. Ich habe heute eine alte irrige Mittheilung Großbritannien. London, 2 April. Der Sieg der kaiserlichen Armee in Ita- *) Wir haben bei der frühern Einsendung jenen Artikel eines fremden Blat-
tes zur Seite geiegt, da wir diese leider persönlich gewordene Polemik nicht ungebührlich ausdehnen lassen konnten. [Spaltenumbruch]
ſtändniß dieſes Streites nöthig iſt, und den ich ihr einſandte, an ebenſo Graf E. Deſſewffy.“ ⵔ Wien, 4. April. Wir wiſſen jetzt mit ziemlicher Beſtimmt- * Roveredo. Die große Mehrzahl der Bewohner dieſes Kreiſes Oeſterreichiſche Monarchie. ** Ofen, 30 März. Wegen der ſchlechten Witterung und der un- ∷ Peſth, 2 April. Ich habe heute eine alte irrige Mittheilung Großbritannien. ⸫ London, 2 April. Der Sieg der kaiſerlichen Armee in Ita- *) Wir haben bei der frühern Einſendung jenen Artikel eines fremden Blat-
tes zur Seite geiegt, da wir dieſe leider perſönlich gewordene Polemik nicht ungebührlich ausdehnen laſſen konnten. <TEI> <text> <body> <div type="jPoliticalNews" n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div type="jArticle" n="4"> <p> <floatingText> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0006" n="1502"/><cb/> ſtändniß dieſes Streites nöthig iſt, und den ich ihr einſandte, an ebenſo<lb/> guter Stelle als die gegen mich und meine Freunde gerichteten Angriffe,<lb/> nämlich in ihr Hauptblatt als Note zu dieſem Schreiben aufzunehmen die<lb/> Gefälligkeit habe.<note place="foot" n="*)">Wir haben bei der frühern Einſendung jenen Artikel eines fremden Blat-<lb/> tes zur Seite geiegt, da wir dieſe leider perſönlich gewordene Polemik nicht<lb/> ungebührlich ausdehnen laſſen konnten.</note> </p> <closer> <signed>Graf E. Deſſewffy.“</signed> </closer> </div> </body> </floatingText> </p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="4"> <dateline>ⵔ <hi rendition="#b">Wien,</hi> 4. 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Im Widerſpruche mit dieſer Hoffnung<lb/> ſteht freilich der jüngſte cenſurähnliche Erlaß der Stadthauptmannſchaft,<lb/> aber vielleicht iſt dießmal wieder der „übergroße Dienſteifer“ zu weit ge-<lb/> gangen. Die hieſtgen Buchhändler haben mittlerweile das Syſtem des<lb/> negativen Widerſtandes adoptirt; ſie laſſen ihre Bücherballen ſämmtlich<lb/> uneröffnet auf dem Hauptzollamte liegen und entwerfen heute eine ener-<lb/> giſche Adreſſe an das Miniſterium, worin gegen die Verletzung der Ver-<lb/> faſſung Proteſt eingelegt wird. Es wird wahrſcheinlich wenig nützen für<lb/> den Fall daß die Maßregel vom Militärcommando ausgeht, denn bei allen<lb/> ähnlichen Gelegenheiten wo Civil- und Militärbehörden in Amtsconflicte<lb/> gerathen, behaupten letztere das Schlachtfeld, zum mindeſten ſo lange der<lb/> Belagerungsſtand dauert. (Wir ſehen das auch in Berlin.) Im Joſe-<lb/> phinum nämlich, welches der Univerſität feierlich übergeben wurde, ſoll-<lb/> ten einige Umbauten vorgenommen werden. Nun aber hat die Militär-<lb/> behörde dagegen Einſprache erhoben, weil, wie ſie behauptet, das Ge-<lb/> bäude der mediciniſchen Facultät nicht als Eigenthum, ſondern bloß zur<lb/> Nutznießung übergeben wurde. Am meiſten leidet die ſtudirende Jugend<lb/> bei dieſem Behördenkriege, denn die Localitäten der eigentlichen Univer-<lb/> ſität find längſt zu Caſernſtuben umgewandelt und der Umbau zu geeig-<lb/> neten Räumen in der joſephiniſchen Akademie ſcheint wieder auf lange<lb/> Zeit hinausgeſchoben.</p> </div><lb/> <div type="jComment" n="4"> <dateline> <hi rendition="#b">* Roveredo.</hi> </dateline><lb/> <p>Die große Mehrzahl der Bewohner dieſes Kreiſes<lb/> konnte mit dem ⦻ Correſpondenten der Allgem. Zeitung Nr. 85 nur<lb/> das peinliche Erſtaunen theilen, wenn ſie ſah daß kein einziges Mitglied<lb/> der Nationalverſammlung in Frankfurt auftrat um die Vermeffenheit der<lb/> wälſchtiroliſchen Abgeordneten M. und G. kräftig zurückzuweiſen, als dieſe<lb/> Herren im Namen der hieſigen Bevölkerung gegen den Anſchluß unſerer<lb/> Provinz an das deutſche Reich Verwahrung einlegten. Es iſt traurig<lb/> wenn ein Wahlbezirk ſeine Geſinnungen ſo entſtellt an den Tag gelegt<lb/> ſehen muß, und zwar durch die Umtriebe einer Anzahl unbärtiger Exaltir-<lb/> ten, die ſelbſt wenig zu verlieren haben und kein Bedenken tragen das<lb/> Wohl einer ruhigen, gutgeſinnten Bevölkerung ihren utopiſchen Ideen und<lb/> einer geträumten Nationalität gewiſſenlos aufzuopfern. Deutſchland möge<lb/> aber erfahren daß die weit überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung die-<lb/> ſes Kreiſes weit davon entfernt iſt die Geſinnungen ihrer Stellvertreter<lb/> in der Paulskirche zu theilen, oder gar der von denſelben eingelegten Ver-<lb/> wahrung beizuſtimmen. Dieſe Bevölkerung weiß zu gut daß nur in<lb/> einem engen Anſchluſſe an Deutſchland für ſie Heil zu finden, und daß<lb/> nur Deutſchland die ergiebige Quelle ihres materiellen Wohles iſt. Süd-<lb/> tirol muß bei der Beſchaffenheit ſeiner Producte, durch den Anſchluß an<lb/> Deutſchland, Deutſchlands Garten werden, während es bei dem Anſchluß<lb/> an Italien das Sibirien der Halbinſel würde.</p> </div> </div> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b">Oeſterreichiſche Monarchie.</hi> </head><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>** <hi rendition="#b">Ofen,</hi> 30 März.</dateline><lb/> <p>Wegen der ſchlechten Witterung und der un-<lb/> genügenden Zahl der kaiſerl. 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Ver-<lb/> muthlich wird ihn Schlick aufs Korn nehmen, der ihm über Waitzen hin-<lb/> auf den Weg verſperrt. — Nachrichten von Siebenbürgen erhalten wir<lb/> hier nur über Wien. Sie wiſſen alſo ſchon daß Bem Hermannſtadt und<lb/> Kronſtadt genommen. Es blutet mir das Herz wenn ich an das Elend<lb/> der guten Sachſen denke.</p> </div><lb/> <div type="jArticle" n="3"> <dateline>∷ <hi rendition="#b">Peſth,</hi> 2 April.</dateline><lb/> <p>Ich habe heute eine alte irrige Mittheilung<lb/> zu berichtigen. 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Vorgeſtern wurde in Ofen großer Kriegsrath gehal-<lb/> ten, da bei dem Eintritte der ſchönen Witterung die Operationen aufs<lb/> neue aufgenommen werden. Die Generale Schlick und Zeisberg — den<lb/> man irrthümlich gefangen glaubte — und der Banus wohnten demſelben<lb/> bei. Das Hauptquartier des letztern befindet ſich noch immer in Czegled;<lb/> man will am Samſtag ſtarken, mehrſtündigen Kanonendonner in dieſer<lb/> Richtung vernommen haben. General Theodorovich ſteht in Törok Ka-<lb/> niſcha, drei Stunden von Szegedin. Obriſt Horvath hat die Donaulinie<lb/> vollends von Aufſtändiſchen geſäubert und iſt mit ſeinem fliegenden Corps<lb/> gleichfalls vorgeſtern nach der Hauptſtadt zurückgekehrt. 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Es fiel aber nicht we-<lb/> nig auf daß Viscount Palmerſion allein an dieſen Beglückwünſchungen<lb/> keinen Theil nahm. Er unterhielt ſich mehrere Minuten lang mit dem<lb/> öſterreichiſchen Botſchafter, vermied jedoch abſichtlich jedes Anſpiel auf ita-<lb/> lieniſche Angelegenheiten, und faſt ſchien es als fühle er ſich von dem Miß-<lb/> geſchicke ſeines unglücklichen Schützlings Karl Albert mit betroffen. —<lb/> Es iſt ſchwer zu ſagen wie lange dieſer tragikomiſche Zuſtand der Dinge<lb/> noch dauern wird, wie lange noch Englands auswärtige Verhältniſſe von<lb/> einem Manne geleitet werden ſollen der völlig iſolirt ſteht, im Widerſpruch<lb/> mit ſeiner Souveränin, mit ſeinen Collegen, mit dem Parlament, dem<lb/> Handelspublicum und der Preſſe. Aber wie viel oder wie wenig Lord<lb/> John Ruſſell dieſer widerſinnigen und fehlerhaften Politik verfallen und<lb/> verfangen ſeyn mag, ein alſo beſtelltes Miniſterium hat keine Elemente<lb/> der Dauer. Ueber zwei wichtige Punkte ſcheint nunmehr wenig Zweifel<lb/> obzuwalten: 1) daß die Navigationsbill mit kleiner Stimmenmehrheit —<lb/> wahrſcheinlich von nicht mehr als 50 — im Hauſe der Gemeinen durch-<lb/> gehen, und daß ſie im Hauſe der Lords wird verworfen werden; 2) daß<lb/> dieſe Bill als eine Cabinetsfrage zu betrachten iſt, und die jetzige Regie-<lb/> rung mit dieſer Maßregel ſtehen oder fallen will. Eine Erklärung in die-<lb/> ſem Sinne, ſo erwartet man, wird vom Marquis v. Lansdowne bei ihrer<lb/> Einführung ins Oberhaus gegeben werden. Vielleicht bewegt eine ſolche<lb/> Erklärung die Lords lieber die Bill anzunehmen, als daß ſie das Land in<lb/> dieſer Kriſts der europäiſchen Angelegenheiten der großen Gefahr ausſetzen<lb/> die Whigs in die Oppoſition und die Tories zur Gewalt zu bringen. Aber<lb/> andrerſeits iſt die Oppoſition unter den Peers ſtark. Graf Aberdeen hat<lb/> in letzter Zeit einen entſchiedneren Ton der Offenſive angenommen. Lord<lb/> Stanley iſt kühn genug jede Gefahr herauszufordern, und der Herzog<lb/> v. Wellington, ſagt man, weigert ſich für die Abſchaffung der Navigations-<lb/> geſetze zu ſtimmen, weil er dieſes Statut als weſentlich betrachtet zur ma-<lb/> ritimen Vertheidigung dieſer Inſeln. Wäre, worüber ich nicht gewiß<lb/> bin, dieſe letzte Angabe richtig, ſo würde ſie entſcheidend ſeyn für das<lb/> Schickſal der Bill und der Regierung. Nach meinem Dafürhalten indeſ-<lb/> ſen wird die Bill im Oberhaus <hi rendition="#g">nicht</hi> durchgehen, und ich muß daher<lb/> ſchließen daß die Miniſter zurücktreten werden; was aber natürlich minder<lb/> gewiß iſt, — Was aber dann? Lord Stanley, als das Haupt der Oppoſi-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [1502/0006]
ſtändniß dieſes Streites nöthig iſt, und den ich ihr einſandte, an ebenſo
guter Stelle als die gegen mich und meine Freunde gerichteten Angriffe,
nämlich in ihr Hauptblatt als Note zu dieſem Schreiben aufzunehmen die
Gefälligkeit habe. *)
Graf E. Deſſewffy.“
ⵔ Wien, 4. April.
Wir wiſſen jetzt mit ziemlicher Beſtimmt-
heit daß der Hof um die Mitte dieſes Monats nach Wien zurückzu-
kommen gedenkt. In Olmütz werden bereits Anſtalten zur Abreiſe, in
Schönbrunn zum Empfange gemacht. Die verwittwete Gemahlin des
frühern Palatins iſt von Olmütz abgereist und wollte ihre vorjährige
Sommerwohnung im Augarten beziehen, wurde aber von dieſem Vorha-
ben durch den Wunſch des Hofes abgehalten, welcher in Pleno ſeinen Ein-
zug in der Hauptſtadt halten will. Mehrere der erſten Cavaliere find —
wahrſcheinlich auf einen Wink von Olmütz aus — in ihre Stadtwohnun-
gen zurückgekehrt, welche ſie ſeit dem Oetober verlaſſen hatten, unter
andern auch Liechtenſtein und Trauttmansdorff. Somit wäre auch das
Ende des Belagerungszuſtandes in Ausſicht geſtellt, und die regelmäßigen
Geſetze träten in Wirkſamkeit. Im Widerſpruche mit dieſer Hoffnung
ſteht freilich der jüngſte cenſurähnliche Erlaß der Stadthauptmannſchaft,
aber vielleicht iſt dießmal wieder der „übergroße Dienſteifer“ zu weit ge-
gangen. Die hieſtgen Buchhändler haben mittlerweile das Syſtem des
negativen Widerſtandes adoptirt; ſie laſſen ihre Bücherballen ſämmtlich
uneröffnet auf dem Hauptzollamte liegen und entwerfen heute eine ener-
giſche Adreſſe an das Miniſterium, worin gegen die Verletzung der Ver-
faſſung Proteſt eingelegt wird. Es wird wahrſcheinlich wenig nützen für
den Fall daß die Maßregel vom Militärcommando ausgeht, denn bei allen
ähnlichen Gelegenheiten wo Civil- und Militärbehörden in Amtsconflicte
gerathen, behaupten letztere das Schlachtfeld, zum mindeſten ſo lange der
Belagerungsſtand dauert. (Wir ſehen das auch in Berlin.) Im Joſe-
phinum nämlich, welches der Univerſität feierlich übergeben wurde, ſoll-
ten einige Umbauten vorgenommen werden. Nun aber hat die Militär-
behörde dagegen Einſprache erhoben, weil, wie ſie behauptet, das Ge-
bäude der mediciniſchen Facultät nicht als Eigenthum, ſondern bloß zur
Nutznießung übergeben wurde. Am meiſten leidet die ſtudirende Jugend
bei dieſem Behördenkriege, denn die Localitäten der eigentlichen Univer-
ſität find längſt zu Caſernſtuben umgewandelt und der Umbau zu geeig-
neten Räumen in der joſephiniſchen Akademie ſcheint wieder auf lange
Zeit hinausgeſchoben.
* Roveredo.
Die große Mehrzahl der Bewohner dieſes Kreiſes
konnte mit dem ⦻ Correſpondenten der Allgem. Zeitung Nr. 85 nur
das peinliche Erſtaunen theilen, wenn ſie ſah daß kein einziges Mitglied
der Nationalverſammlung in Frankfurt auftrat um die Vermeffenheit der
wälſchtiroliſchen Abgeordneten M. und G. kräftig zurückzuweiſen, als dieſe
Herren im Namen der hieſigen Bevölkerung gegen den Anſchluß unſerer
Provinz an das deutſche Reich Verwahrung einlegten. Es iſt traurig
wenn ein Wahlbezirk ſeine Geſinnungen ſo entſtellt an den Tag gelegt
ſehen muß, und zwar durch die Umtriebe einer Anzahl unbärtiger Exaltir-
ten, die ſelbſt wenig zu verlieren haben und kein Bedenken tragen das
Wohl einer ruhigen, gutgeſinnten Bevölkerung ihren utopiſchen Ideen und
einer geträumten Nationalität gewiſſenlos aufzuopfern. Deutſchland möge
aber erfahren daß die weit überwiegende Mehrzahl der Bevölkerung die-
ſes Kreiſes weit davon entfernt iſt die Geſinnungen ihrer Stellvertreter
in der Paulskirche zu theilen, oder gar der von denſelben eingelegten Ver-
wahrung beizuſtimmen. Dieſe Bevölkerung weiß zu gut daß nur in
einem engen Anſchluſſe an Deutſchland für ſie Heil zu finden, und daß
nur Deutſchland die ergiebige Quelle ihres materiellen Wohles iſt. Süd-
tirol muß bei der Beſchaffenheit ſeiner Producte, durch den Anſchluß an
Deutſchland, Deutſchlands Garten werden, während es bei dem Anſchluß
an Italien das Sibirien der Halbinſel würde.
Oeſterreichiſche Monarchie.
** Ofen, 30 März.
Wegen der ſchlechten Witterung und der un-
genügenden Zahl der kaiſerl. Truppen ward, wie Sie wiſſen, in der letzten
Zeit der Beſchluß gefaßt ſich für die nächſten 4 Wochen rein auf die
Defenſive zu beſchränken. Mittlerweile iſt in Debreczin der Landtag auf-
gelöst und bis zum 24 April hierher nach Peſth! einberufen worden. Sie
ſehen, der Muth der Koſſuth-Partei iſt im Wachſen begriffen. Die näch-
ſten Folgen diefer Zuſtände können ſeyn daß das numeriſch weit zahlrei-
chere Heer die Oeſterreicher, ehe dieſe Zeit haben ſich zu verſtärken, bis
Ofen-Peſth zurückdrängt, und beide Städte der Schauplatz des fürchter-
lichſten Kampfes würden. Denn Windiſch-Grätz geht von Ofen nicht ſo
gutwillig fort, wie es am 5 Jan. die Ungarn gethan. Während man
Komorn fleißig bombardirt, ſo daß man die Kanonade bis in die nächſten
Berge hieher hört, verſuchte Görgey einen Entſatz dahin zu bringen, und
zwar von Debreczin aus über Miskolcz, Loſchontz, Balaſſa-Gyarmat. Ver-
muthlich wird ihn Schlick aufs Korn nehmen, der ihm über Waitzen hin-
auf den Weg verſperrt. — Nachrichten von Siebenbürgen erhalten wir
hier nur über Wien. Sie wiſſen alſo ſchon daß Bem Hermannſtadt und
Kronſtadt genommen. Es blutet mir das Herz wenn ich an das Elend
der guten Sachſen denke.
∷ Peſth, 2 April.
Ich habe heute eine alte irrige Mittheilung
zu berichtigen. Capitänlieutenant Szeel vom Linien-Infanterie-Regiment
Prinz von Preußen, der, als Oberſtwachtmeiſter Baron Koudelka im
vorigen Herbſt mit dem Oſſiciercorps ſein abtrünniges Bataillon verließ
und die kaiſerliche Fahne nach Wien brachte, das Commando unter der
ungariſchen Tricolore übernahm und bei dem Ueberfall bei Babolna, wo
Wallmoden Cüraſſtere furchtbar dreinhieben, ſchwer verwundet |auf dem
Schlachtfeld liegen blieb, von Beamten aus der Umgegend aufgeleſen
ward und während der Reconvalescirung gefangen wurde, iſt damals
nicht erſchoſſen, ſondern erſt kürzlich abgeurtheilt worden. Das Kriegs-
gericht verdammte ihn zum Tod. Fürſt Feldmarſchall Windiſch – Grätz
milderte aber, in Anbetracht ſeines frühern guten Benehmens und ſeiner
bei Babolna erhaltenen ſiebzehn Wunden, das Todesurtheil auf zehnjäh-
rige Kerkerſtrafe. Vorgeſtern wurde in Ofen großer Kriegsrath gehal-
ten, da bei dem Eintritte der ſchönen Witterung die Operationen aufs
neue aufgenommen werden. Die Generale Schlick und Zeisberg — den
man irrthümlich gefangen glaubte — und der Banus wohnten demſelben
bei. Das Hauptquartier des letztern befindet ſich noch immer in Czegled;
man will am Samſtag ſtarken, mehrſtündigen Kanonendonner in dieſer
Richtung vernommen haben. General Theodorovich ſteht in Törok Ka-
niſcha, drei Stunden von Szegedin. Obriſt Horvath hat die Donaulinie
vollends von Aufſtändiſchen geſäubert und iſt mit ſeinem fliegenden Corps
gleichfalls vorgeſtern nach der Hauptſtadt zurückgekehrt. Uebrigens leben
wir Peſther von Gerüchten.
Großbritannien.
⸫ London, 2 April.
Der Sieg der kaiſerlichen Armee in Ita-
lien iſt in England mit der lebhafteſten Freude begrüßt worden. Es traf
ſich daß am Donnerſtag, unmittelbar nach dem Einlauf der telegraphiſchen
Nachricht von der Schlacht bei Novara, eine Hofaufwartung von Herren
und Damen (drawing-room) im St. James-Palaſte ſtattfand. Graf
Colloredo’s Erſcheinen war das Signal zu einer vollſtändigen Ovation.
Der öſterreichiſche Botſchafter empfing die Glückwünſche der Königin, des
Prinzen, des Herzogs v. Wellington, des Marquis v. Lansdowne und
aller Perſonen die ſich ihm zu nähern vermochten. Es fiel aber nicht we-
nig auf daß Viscount Palmerſion allein an dieſen Beglückwünſchungen
keinen Theil nahm. Er unterhielt ſich mehrere Minuten lang mit dem
öſterreichiſchen Botſchafter, vermied jedoch abſichtlich jedes Anſpiel auf ita-
lieniſche Angelegenheiten, und faſt ſchien es als fühle er ſich von dem Miß-
geſchicke ſeines unglücklichen Schützlings Karl Albert mit betroffen. —
Es iſt ſchwer zu ſagen wie lange dieſer tragikomiſche Zuſtand der Dinge
noch dauern wird, wie lange noch Englands auswärtige Verhältniſſe von
einem Manne geleitet werden ſollen der völlig iſolirt ſteht, im Widerſpruch
mit ſeiner Souveränin, mit ſeinen Collegen, mit dem Parlament, dem
Handelspublicum und der Preſſe. Aber wie viel oder wie wenig Lord
John Ruſſell dieſer widerſinnigen und fehlerhaften Politik verfallen und
verfangen ſeyn mag, ein alſo beſtelltes Miniſterium hat keine Elemente
der Dauer. Ueber zwei wichtige Punkte ſcheint nunmehr wenig Zweifel
obzuwalten: 1) daß die Navigationsbill mit kleiner Stimmenmehrheit —
wahrſcheinlich von nicht mehr als 50 — im Hauſe der Gemeinen durch-
gehen, und daß ſie im Hauſe der Lords wird verworfen werden; 2) daß
dieſe Bill als eine Cabinetsfrage zu betrachten iſt, und die jetzige Regie-
rung mit dieſer Maßregel ſtehen oder fallen will. Eine Erklärung in die-
ſem Sinne, ſo erwartet man, wird vom Marquis v. Lansdowne bei ihrer
Einführung ins Oberhaus gegeben werden. Vielleicht bewegt eine ſolche
Erklärung die Lords lieber die Bill anzunehmen, als daß ſie das Land in
dieſer Kriſts der europäiſchen Angelegenheiten der großen Gefahr ausſetzen
die Whigs in die Oppoſition und die Tories zur Gewalt zu bringen. Aber
andrerſeits iſt die Oppoſition unter den Peers ſtark. Graf Aberdeen hat
in letzter Zeit einen entſchiedneren Ton der Offenſive angenommen. Lord
Stanley iſt kühn genug jede Gefahr herauszufordern, und der Herzog
v. Wellington, ſagt man, weigert ſich für die Abſchaffung der Navigations-
geſetze zu ſtimmen, weil er dieſes Statut als weſentlich betrachtet zur ma-
ritimen Vertheidigung dieſer Inſeln. Wäre, worüber ich nicht gewiß
bin, dieſe letzte Angabe richtig, ſo würde ſie entſcheidend ſeyn für das
Schickſal der Bill und der Regierung. Nach meinem Dafürhalten indeſ-
ſen wird die Bill im Oberhaus nicht durchgehen, und ich muß daher
ſchließen daß die Miniſter zurücktreten werden; was aber natürlich minder
gewiß iſt, — Was aber dann? Lord Stanley, als das Haupt der Oppoſi-
*) Wir haben bei der frühern Einſendung jenen Artikel eines fremden Blat-
tes zur Seite geiegt, da wir dieſe leider perſönlich gewordene Polemik nicht
ungebührlich ausdehnen laſſen konnten.
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Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription.
(2022-09-09T12:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.
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