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Allgemeine Zeitung, Nr. 93, 3. April 1849.

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[Spaltenumbruch] welche die Berichte und die Nachweisung ihres Bedarfs zum Behuf der
Berücksichtigung bei der nächsten Finanzperiode im Laufe des letzten Jahrs
erstattet worden.

Daß unter den Auspicien einer wohlwollenden Regierung, eines Kö-
nigs welcher Förderung der Wissenschaft zu den heiligen Pflichten, zu den
größten Zierden seiner Krone rechnet, ihr jene reichern Mittel und eine
ihrer Aufgabe würdige Stellung nicht vorenthalten bleiben werden, davon
hat sie im Lauf der letzten Monate mehr als einen Beweis empfangen.
Durch allerhöchste Entscheidung vom 26 Febr. I. J. ist unser Manheimer-
Reserve-Fonds einer jährlichen Leistung von 1200 fl. für fremde Zwecke
mit der Bestimmung entlastet worden daß die dadurch gewonnenen Mittel
auf die naturwissenschaftliche Erforschung des Königreichs sollen verwendet
werden, und vor zwei Tagen hat das neue Staatsministerium des Innern
für Kirchen- und Schulangelegenheiten seine Wiederherstellung, die wir
mit der höchsten Freude als eine den Wissenschaften erwiesene Wohlthat
begrüßen, den Anfang seiner Thätigkeit durch die Kundgabe der allerhöch-
sten Entscheidung vom 25 März zu uns gelangen lassen daß der Eintritt
in diesen gelehrten Verein als ordentliches Mitglied fortan nur auf den
Grund einer freien Wahl der Akademie und erfolgter königl. Bestätigung
stattfinden solle. Erst dadurch ist unserer Akademie die ihr gebührende
Ebenbürtigkeit zurückgegeben worden, welche sie in Folge trauriger Er-
eignisse vor 8 Jahren dadurch verlor daß die oberste Staatsbehörde sich
vorbehielt einer jeden Classe sechs Mitglieder eigner Wahl zuzuweisen.

Seit unserer letzten öffentlichen Sitzung hat die Akademie durch den
Tod verdienter Mitglieder, wie Letronne in Paris, Gottfried Hermann
in Leipzig und Fröhlich in München bedeutende Verluste erlitten. Letronne
erfreute, sich als vorzüglichster Vertreter und Pfleger der Alterthumswissen-
schaft in Frankreich eines europäischen Rufes, und vorzüglich seine Werke
über Aegypten und über griechische und römische Inschriften in Aegypten
werden seinem Namen unvergängliche Achtung sichern. In Gottfried
Hermann verlor Deutschland nach Heine und Wolf den größten und ge-
feiertsten Gründer der classischen Studien, dessen Ruhm vorzüglich durch
die ihm vor allem verdankte Gründung der griechischen und römischen
Metrik, durch seine kritischen und exegetischen Arbeiten über die griechische
Grammatik, über Homer, Orpheus, die Tragiker, Aristophanes und Plau-
tus, endlich durch die Bildung einer großen philologischen Schule und
Genossenschaft über alle die Völker verbreitet wurde von denen der Betrieb
und der Nutzen der classischen Studien in verdienten Ehren gehalten
werden.

Was der öffentliche Unterricht und was die Akademie durch den Tod
von Fröhlich verloren hat, darüber wird unser College Hr. Professor
Spengel zunächst Bericht erstatten. Hr. Professor Spengel behandelte
in seinem Vortrag nicht nur die äußern Lebensverhältnisse, den Bildungs-
gang und die litterarischen Leistungen des verdienstvollen Mannes, son-
dern auch die pädagogischen Leistungen desselben, und die Leiden die er
als Schulmann und Vorsteher einer der ersten Lehranstalten zu ertragen
hatte, seitdem die 1829 gegründete bessere und Gedeihen verheißende Ein-
richtung der Mittelschulen nach kurzem Bestand gebrochen wurde, und durch
Vorkehrungen und Maßnahmen nicht berathener Behörden die Gymna-
sten auf den Punkt herabgedrückt wurden wo das gegenwärtige Ministe-
rium sie findet.

Hr. Professor Georg Martin Thomas hielt hierauf eine Rede über
die staatliche Entwicklung bei den Völkern der alten und neuen Zeit, und
erläuterte die auffallende Verschiedenheit welche in dem politischen Ent-
wicklungsgang der Culturvölker des Alterthums und der neuern Zeit ob-
waltet -- eine Verschiedenheit die Glauben machen könnte jenes Men-
schengeschlecht, wie es sich in näherem Verkehr und gleichsam in sichtbarer
Gemeinschaft mit seinen Göttern dachte und selig fühlte, sey ein anderes
höheres und glücklicheres Geschlecht gewesen, es habe eben deßhalb den
Uebergang von einer Stufe der Gesammtentwicklung in die andere, den
das Leben bedingenden Fortschritt leichter und schmerzloser gefunden als
die Erben und Nachfolger in ihrem Besitz, denen jener Weg erst nach
langem Irrsal und furchtbarer Heimsuchung sich aufschließt. (Wir be-
halten uns vor auf beide Reden zurückzukommen.)



Der ungarische Krieg.

So ist denn neues Elend,
neuer Jammer über das unglückliche Hermannstadt hereingebrochen!
Wir haben aber nicht allein über diese citta dolente, wir haben
auch über uns selbst zu trauern, denn es ist vorherzusehen daß die schreck-
lichen Vorfälle in Siebenbürgen die Allianz mit Rußland unvermeidlich
machen und uns statt der einzelnen Truppenkörper, die sich als unzurei-
chend erwiesen, eine russische Armee ins Land bringen werden. Feldmar-
schalllieutenant Puchner, der greise Theresienritter, kann trotz seiner Um-
[Spaltenumbruch] sicht und seines Heldenmuthes, mit der kleinen Schaar die ihm zu Ge-
bote steht, Siebenbürgen nicht gegen den fünfmahl stärkern Feind ver-
theidigen. Fürst Windischgrätz kann seine Armee, von der er ohnehin be-
deutende Abtheilungen als Cernirungscorps vor den verschiedenen Festun-
gen belassen muß, nicht noch mehr zersplittern, und ist nicht in der Lage
dem Commandirenden in Siebenbürgen Verstärkungen zuzusenden. Der
Schluß dieser Rechnung ist leicht zu ziehen, ja vielleicht wartet Rußland
nicht einmal eine Aufforderung von Seiten Oesterreichs ab, um mit Kraft
und Entschiedenheit einzuschreiten. Kaiser Nikolaus ist nicht der Mann
der sich über die Bedeutung des in Ungarn und seinen Nebenlande ent-
flammten Kampfes täuschen könnte; hinter der vorgehaltenen Nationali-
tätsmaske erblickt er das Medusenantlitz des Radicalismus, und niemand
weiß besser als er, in welcher engen Beziehung das magyarische Rebellen-
thum zu den großen polnischen Verschwörungen, der, wenn ich sagen darf,
perennirenden in seinen eigenen Staaten steht. Durch seine eigene Lage
wird Rußland gezwungen die ungarische Empörung um jeden Preis zu
ersticken. Darum hege ich, obwohl unsre Angelegenheiten für den Augen-
blick nicht am besten stehen, nicht den geringsten Zweifel über den end-
lichen Ausgang des Kampfes den Oesterreich gegen die ungarischen In-
surgenten führt: wenn nicht durch seine eigene Kraft, wird es sie mit
Hülfe russischer Bajonnette unterwerfen. Welche Folgen aber eine solche
Allianz, welchen unseligen Einfluß sie auf unsere Verhältnisse, auf die
Entwicklung unsers staatlichen Lebens haben wird, ist eine jener Fragen
die man lieber nicht thun möchte, weil ihre bittere Antwort schon in
ihr enthalten ist. -- Ein Gerücht, das ich Ihnen aber auch nur als sol-
ches mittheile, behauptet: man gehe in Olmütz mit dem Gedanken um
Fürst Windischgräz abzurufen und Welden das Commando über die in
Ungarn operirende Armee zu übergeben.*) Die nächste Zukunft muß
uns lehren ob und wie viel Wahres an diesem Gerücht, das in gewöhn-
lich wohlunterichteten Kreisen circulirt. Daß die entente cordiale zwi-
schen dem Ministerium und dem Feldmarschall bedeutende Trübun-
gen erlitten, ist längst für nimand ein Geheimniß; Beweise genug
dafür finden sich in der Sprache welche die einer sehr strengen Controle
unterliegenden Wiener Journale jetzt gegen Fürst Windischgrätz führen
dürfen, während die leiseste Rüge der von ihm getroffenen Maßregeln
noch vor wenigen Monaten als ein ungleich größerer Frevel gegol-
ten hätte denn ein Zweifel an der Unfehlbarkeit des Papstes Pio Nono,
dem das seltsame Loos beschieden ward gerade in den Reihen der ortho-
doxesten Katholiken auf die meisten Ketzer zu stoßen. Um wieder auf
meinen Gegenstand zurückzukommen, scheint mir's allerdings noch sehr
zweifelhaft, ob der Familienzwist zwischen dem Ministerium und Fürst
Windischgrätz bis zum offenen Bruch, d. h. bis zur Abberufung des letz-
teren gehen werde; daß es aber, wenn es geschähe, den österreichischen
Waffen nicht zum Nachtheil gereichen werde, glaube ich verbürgen zu kön-
nen. Welden hat im vorigen Jahr und zwar unter sehr mißlichen Um-
ständen glänzende Proben seiner militärischen Tüchtigkeit abgelegt; die
Fehler die er in Wien beging, fallen denen zur Last deren staatsmän-
nische Weisheit einen Soldaten mit der Mission eines Staatsmannes
betraute. Sein Platz ist an der Spitze eines Heers; ein solcher Wech-
sel seiner Lage wäre sowohl ihm als den Wienern zu gönnen und die
Ungarn gelangten dabei wahrscheinlich auch zu dem was ihnen gebührt,
nämlich zu Schlägen.



Paris.

Der Proceß in Bourges hat vor Eröffnung
der Debatten aus allen Departements Vertreter zusammengeführt, die wie
die Mitglieder der Nationalversammlung, wenn auch nicht mit einem rein
politischen Mandat durch das allgemeine Stimmrecht, aber zu einer Zeit
"in die Generalconseils" gewählt worden sind wo der Schrecken welchen
der 24 Februar in den Provinzen hervorgebracht, vorüber war, und die ein-
schüchternden Bülletins die George Sand unter der Firma Ledru-Rollins her-
ausgegeben hatte ebenfalls keine Wirkung mehr übten. Frankreich hatte
damals bereits ein klares Einsehen in das was geschehen, wie in das was
noch zu erwarten war. Die als Geschworne nach Bourges durch die Laune
des Zufalls geschickten Mitglieder aller Generalconseils bilden somit einen
richtigeren Ausdruck der Wünsche und der gegenwärtigen Stimmung des
Landes als die unter den ersten Eindrücken der Revolution und dem Ein-
flusse Ledru - Rollins und seiner Commissäre gewählte Nationalversamm-
lung. Es war daher natürlich daß die also aus allen Gegenden Frank-
reichs hier vereinten Vertreter gegenseitig über die wichtigsten Fragen ihre
persönlichen Ansichten wie das was jeder von ihnen über die Simmung

*) Nach unseren gestrigen Wienerberichten war Welden bereits nach Com-
morn ahgegangen.

[Spaltenumbruch] welche die Berichte und die Nachweiſung ihres Bedarfs zum Behuf der
Berückſichtigung bei der nächſten Finanzperiode im Laufe des letzten Jahrs
erſtattet worden.

Daß unter den Auſpicien einer wohlwollenden Regierung, eines Kö-
nigs welcher Förderung der Wiſſenſchaft zu den heiligen Pflichten, zu den
größten Zierden ſeiner Krone rechnet, ihr jene reichern Mittel und eine
ihrer Aufgabe würdige Stellung nicht vorenthalten bleiben werden, davon
hat ſie im Lauf der letzten Monate mehr als einen Beweis empfangen.
Durch allerhöchſte Entſcheidung vom 26 Febr. I. J. iſt unſer Manheimer-
Reſerve-Fonds einer jährlichen Leiſtung von 1200 fl. für fremde Zwecke
mit der Beſtimmung entlaſtet worden daß die dadurch gewonnenen Mittel
auf die naturwiſſenſchaftliche Erforſchung des Königreichs ſollen verwendet
werden, und vor zwei Tagen hat das neue Staatsminiſterium des Innern
für Kirchen- und Schulangelegenheiten ſeine Wiederherſtellung, die wir
mit der höchſten Freude als eine den Wiſſenſchaften erwieſene Wohlthat
begrüßen, den Anfang ſeiner Thätigkeit durch die Kundgabe der allerhöch-
ſten Entſcheidung vom 25 März zu uns gelangen laſſen daß der Eintritt
in dieſen gelehrten Verein als ordentliches Mitglied fortan nur auf den
Grund einer freien Wahl der Akademie und erfolgter königl. Beſtätigung
ſtattfinden ſolle. Erſt dadurch iſt unſerer Akademie die ihr gebührende
Ebenbürtigkeit zurückgegeben worden, welche ſie in Folge trauriger Er-
eigniſſe vor 8 Jahren dadurch verlor daß die oberſte Staatsbehörde ſich
vorbehielt einer jeden Claſſe ſechs Mitglieder eigner Wahl zuzuweiſen.

Seit unſerer letzten öffentlichen Sitzung hat die Akademie durch den
Tod verdienter Mitglieder, wie Letronne in Paris, Gottfried Hermann
in Leipzig und Fröhlich in München bedeutende Verluſte erlitten. Letronne
erfreute, ſich als vorzüglichſter Vertreter und Pfleger der Alterthumswiſſen-
ſchaft in Frankreich eines europäiſchen Rufes, und vorzüglich ſeine Werke
über Aegypten und über griechiſche und römiſche Inſchriften in Aegypten
werden ſeinem Namen unvergängliche Achtung ſichern. In Gottfried
Hermann verlor Deutſchland nach Heine und Wolf den größten und ge-
feiertſten Gründer der claſſiſchen Studien, deſſen Ruhm vorzüglich durch
die ihm vor allem verdankte Gründung der griechiſchen und römiſchen
Metrik, durch ſeine kritiſchen und exegetiſchen Arbeiten über die griechiſche
Grammatik, über Homer, Orpheus, die Tragiker, Ariſtophanes und Plau-
tus, endlich durch die Bildung einer großen philologiſchen Schule und
Genoſſenſchaft über alle die Völker verbreitet wurde von denen der Betrieb
und der Nutzen der claſſiſchen Studien in verdienten Ehren gehalten
werden.

Was der öffentliche Unterricht und was die Akademie durch den Tod
von Fröhlich verloren hat, darüber wird unſer College Hr. Profeſſor
Spengel zunächſt Bericht erſtatten. Hr. Profeſſor Spengel behandelte
in ſeinem Vortrag nicht nur die äußern Lebensverhältniſſe, den Bildungs-
gang und die litterariſchen Leiſtungen des verdienſtvollen Mannes, ſon-
dern auch die pädagogiſchen Leiſtungen desſelben, und die Leiden die er
als Schulmann und Vorſteher einer der erſten Lehranſtalten zu ertragen
hatte, ſeitdem die 1829 gegründete beſſere und Gedeihen verheißende Ein-
richtung der Mittelſchulen nach kurzem Beſtand gebrochen wurde, und durch
Vorkehrungen und Maßnahmen nicht berathener Behörden die Gymna-
ſten auf den Punkt herabgedrückt wurden wo das gegenwärtige Miniſte-
rium ſie findet.

Hr. Profeſſor Georg Martin Thomas hielt hierauf eine Rede über
die ſtaatliche Entwicklung bei den Völkern der alten und neuen Zeit, und
erläuterte die auffallende Verſchiedenheit welche in dem politiſchen Ent-
wicklungsgang der Culturvölker des Alterthums und der neuern Zeit ob-
waltet — eine Verſchiedenheit die Glauben machen könnte jenes Men-
ſchengeſchlecht, wie es ſich in näherem Verkehr und gleichſam in ſichtbarer
Gemeinſchaft mit ſeinen Göttern dachte und ſelig fühlte, ſey ein anderes
höheres und glücklicheres Geſchlecht geweſen, es habe eben deßhalb den
Uebergang von einer Stufe der Geſammtentwicklung in die andere, den
das Leben bedingenden Fortſchritt leichter und ſchmerzloſer gefunden als
die Erben und Nachfolger in ihrem Beſitz, denen jener Weg erſt nach
langem Irrſal und furchtbarer Heimſuchung ſich aufſchließt. (Wir be-
halten uns vor auf beide Reden zurückzukommen.)



Der ungariſche Krieg.

So iſt denn neues Elend,
neuer Jammer über das unglückliche Hermannſtadt hereingebrochen!
Wir haben aber nicht allein über dieſe città dolente, wir haben
auch über uns ſelbſt zu trauern, denn es iſt vorherzuſehen daß die ſchreck-
lichen Vorfälle in Siebenbürgen die Allianz mit Rußland unvermeidlich
machen und uns ſtatt der einzelnen Truppenkörper, die ſich als unzurei-
chend erwieſen, eine ruſſiſche Armee ins Land bringen werden. Feldmar-
ſchalllieutenant Puchner, der greiſe Thereſienritter, kann trotz ſeiner Um-
[Spaltenumbruch] ſicht und ſeines Heldenmuthes, mit der kleinen Schaar die ihm zu Ge-
bote ſteht, Siebenbürgen nicht gegen den fünfmahl ſtärkern Feind ver-
theidigen. Fürſt Windiſchgrätz kann ſeine Armee, von der er ohnehin be-
deutende Abtheilungen als Cernirungscorps vor den verſchiedenen Feſtun-
gen belaſſen muß, nicht noch mehr zerſplittern, und iſt nicht in der Lage
dem Commandirenden in Siebenbürgen Verſtärkungen zuzuſenden. Der
Schluß dieſer Rechnung iſt leicht zu ziehen, ja vielleicht wartet Rußland
nicht einmal eine Aufforderung von Seiten Oeſterreichs ab, um mit Kraft
und Entſchiedenheit einzuſchreiten. Kaiſer Nikolaus iſt nicht der Mann
der ſich über die Bedeutung des in Ungarn und ſeinen Nebenlande ent-
flammten Kampfes täuſchen könnte; hinter der vorgehaltenen Nationali-
tätsmaske erblickt er das Meduſenantlitz des Radicalismus, und niemand
weiß beſſer als er, in welcher engen Beziehung das magyariſche Rebellen-
thum zu den großen polniſchen Verſchwörungen, der, wenn ich ſagen darf,
perennirenden in ſeinen eigenen Staaten ſteht. Durch ſeine eigene Lage
wird Rußland gezwungen die ungariſche Empörung um jeden Preis zu
erſticken. Darum hege ich, obwohl unſre Angelegenheiten für den Augen-
blick nicht am beſten ſtehen, nicht den geringſten Zweifel über den end-
lichen Ausgang des Kampfes den Oeſterreich gegen die ungariſchen In-
ſurgenten führt: wenn nicht durch ſeine eigene Kraft, wird es ſie mit
Hülfe ruſſiſcher Bajonnette unterwerfen. Welche Folgen aber eine ſolche
Allianz, welchen unſeligen Einfluß ſie auf unſere Verhältniſſe, auf die
Entwicklung unſers ſtaatlichen Lebens haben wird, iſt eine jener Fragen
die man lieber nicht thun möchte, weil ihre bittere Antwort ſchon in
ihr enthalten iſt. — Ein Gerücht, das ich Ihnen aber auch nur als ſol-
ches mittheile, behauptet: man gehe in Olmütz mit dem Gedanken um
Fürſt Windiſchgräz abzurufen und Welden das Commando über die in
Ungarn operirende Armee zu übergeben.*) Die nächſte Zukunft muß
uns lehren ob und wie viel Wahres an dieſem Gerücht, das in gewöhn-
lich wohlunterichteten Kreiſen circulirt. Daß die entente cordiale zwi-
ſchen dem Miniſterium und dem Feldmarſchall bedeutende Trübun-
gen erlitten, iſt längſt für nimand ein Geheimniß; Beweiſe genug
dafür finden ſich in der Sprache welche die einer ſehr ſtrengen Controle
unterliegenden Wiener Journale jetzt gegen Fürſt Windiſchgrätz führen
dürfen, während die leiſeſte Rüge der von ihm getroffenen Maßregeln
noch vor wenigen Monaten als ein ungleich größerer Frevel gegol-
ten hätte denn ein Zweifel an der Unfehlbarkeit des Papſtes Pio Nono,
dem das ſeltſame Loos beſchieden ward gerade in den Reihen der ortho-
doxeſten Katholiken auf die meiſten Ketzer zu ſtoßen. Um wieder auf
meinen Gegenſtand zurückzukommen, ſcheint mir’s allerdings noch ſehr
zweifelhaft, ob der Familienzwiſt zwiſchen dem Miniſterium und Fürſt
Windiſchgrätz bis zum offenen Bruch, d. h. bis zur Abberufung des letz-
teren gehen werde; daß es aber, wenn es geſchähe, den öſterreichiſchen
Waffen nicht zum Nachtheil gereichen werde, glaube ich verbürgen zu kön-
nen. Welden hat im vorigen Jahr und zwar unter ſehr mißlichen Um-
ſtänden glänzende Proben ſeiner militäriſchen Tüchtigkeit abgelegt; die
Fehler die er in Wien beging, fallen denen zur Laſt deren ſtaatsmän-
niſche Weisheit einen Soldaten mit der Miſſion eines Staatsmannes
betraute. Sein Platz iſt an der Spitze eines Heers; ein ſolcher Wech-
ſel ſeiner Lage wäre ſowohl ihm als den Wienern zu gönnen und die
Ungarn gelangten dabei wahrſcheinlich auch zu dem was ihnen gebührt,
nämlich zu Schlägen.



Paris.

Der Proceß in Bourges hat vor Eröffnung
der Debatten aus allen Departements Vertreter zuſammengeführt, die wie
die Mitglieder der Nationalverſammlung, wenn auch nicht mit einem rein
politiſchen Mandat durch das allgemeine Stimmrecht, aber zu einer Zeit
„in die Generalconſeils“ gewählt worden ſind wo der Schrecken welchen
der 24 Februar in den Provinzen hervorgebracht, vorüber war, und die ein-
ſchüchternden Bülletins die George Sand unter der Firma Ledru-Rollins her-
ausgegeben hatte ebenfalls keine Wirkung mehr übten. Frankreich hatte
damals bereits ein klares Einſehen in das was geſchehen, wie in das was
noch zu erwarten war. Die als Geſchworne nach Bourges durch die Laune
des Zufalls geſchickten Mitglieder aller Generalconſeils bilden ſomit einen
richtigeren Ausdruck der Wünſche und der gegenwärtigen Stimmung des
Landes als die unter den erſten Eindrücken der Revolution und dem Ein-
fluſſe Ledru - Rollins und ſeiner Commiſſäre gewählte Nationalverſamm-
lung. Es war daher natürlich daß die alſo aus allen Gegenden Frank-
reichs hier vereinten Vertreter gegenſeitig über die wichtigſten Fragen ihre
perſönlichen Anſichten wie das was jeder von ihnen über die Simmung

*) Nach unſeren geſtrigen Wienerberichten war Welden bereits nach Com-
morn ahgegangen.
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[1426/0010] welche die Berichte und die Nachweiſung ihres Bedarfs zum Behuf der Berückſichtigung bei der nächſten Finanzperiode im Laufe des letzten Jahrs erſtattet worden. Daß unter den Auſpicien einer wohlwollenden Regierung, eines Kö- nigs welcher Förderung der Wiſſenſchaft zu den heiligen Pflichten, zu den größten Zierden ſeiner Krone rechnet, ihr jene reichern Mittel und eine ihrer Aufgabe würdige Stellung nicht vorenthalten bleiben werden, davon hat ſie im Lauf der letzten Monate mehr als einen Beweis empfangen. Durch allerhöchſte Entſcheidung vom 26 Febr. I. J. iſt unſer Manheimer- Reſerve-Fonds einer jährlichen Leiſtung von 1200 fl. für fremde Zwecke mit der Beſtimmung entlaſtet worden daß die dadurch gewonnenen Mittel auf die naturwiſſenſchaftliche Erforſchung des Königreichs ſollen verwendet werden, und vor zwei Tagen hat das neue Staatsminiſterium des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten ſeine Wiederherſtellung, die wir mit der höchſten Freude als eine den Wiſſenſchaften erwieſene Wohlthat begrüßen, den Anfang ſeiner Thätigkeit durch die Kundgabe der allerhöch- ſten Entſcheidung vom 25 März zu uns gelangen laſſen daß der Eintritt in dieſen gelehrten Verein als ordentliches Mitglied fortan nur auf den Grund einer freien Wahl der Akademie und erfolgter königl. Beſtätigung ſtattfinden ſolle. Erſt dadurch iſt unſerer Akademie die ihr gebührende Ebenbürtigkeit zurückgegeben worden, welche ſie in Folge trauriger Er- eigniſſe vor 8 Jahren dadurch verlor daß die oberſte Staatsbehörde ſich vorbehielt einer jeden Claſſe ſechs Mitglieder eigner Wahl zuzuweiſen. Seit unſerer letzten öffentlichen Sitzung hat die Akademie durch den Tod verdienter Mitglieder, wie Letronne in Paris, Gottfried Hermann in Leipzig und Fröhlich in München bedeutende Verluſte erlitten. Letronne erfreute, ſich als vorzüglichſter Vertreter und Pfleger der Alterthumswiſſen- ſchaft in Frankreich eines europäiſchen Rufes, und vorzüglich ſeine Werke über Aegypten und über griechiſche und römiſche Inſchriften in Aegypten werden ſeinem Namen unvergängliche Achtung ſichern. In Gottfried Hermann verlor Deutſchland nach Heine und Wolf den größten und ge- feiertſten Gründer der claſſiſchen Studien, deſſen Ruhm vorzüglich durch die ihm vor allem verdankte Gründung der griechiſchen und römiſchen Metrik, durch ſeine kritiſchen und exegetiſchen Arbeiten über die griechiſche Grammatik, über Homer, Orpheus, die Tragiker, Ariſtophanes und Plau- tus, endlich durch die Bildung einer großen philologiſchen Schule und Genoſſenſchaft über alle die Völker verbreitet wurde von denen der Betrieb und der Nutzen der claſſiſchen Studien in verdienten Ehren gehalten werden. Was der öffentliche Unterricht und was die Akademie durch den Tod von Fröhlich verloren hat, darüber wird unſer College Hr. Profeſſor Spengel zunächſt Bericht erſtatten. Hr. Profeſſor Spengel behandelte in ſeinem Vortrag nicht nur die äußern Lebensverhältniſſe, den Bildungs- gang und die litterariſchen Leiſtungen des verdienſtvollen Mannes, ſon- dern auch die pädagogiſchen Leiſtungen desſelben, und die Leiden die er als Schulmann und Vorſteher einer der erſten Lehranſtalten zu ertragen hatte, ſeitdem die 1829 gegründete beſſere und Gedeihen verheißende Ein- richtung der Mittelſchulen nach kurzem Beſtand gebrochen wurde, und durch Vorkehrungen und Maßnahmen nicht berathener Behörden die Gymna- ſten auf den Punkt herabgedrückt wurden wo das gegenwärtige Miniſte- rium ſie findet. Hr. Profeſſor Georg Martin Thomas hielt hierauf eine Rede über die ſtaatliche Entwicklung bei den Völkern der alten und neuen Zeit, und erläuterte die auffallende Verſchiedenheit welche in dem politiſchen Ent- wicklungsgang der Culturvölker des Alterthums und der neuern Zeit ob- waltet — eine Verſchiedenheit die Glauben machen könnte jenes Men- ſchengeſchlecht, wie es ſich in näherem Verkehr und gleichſam in ſichtbarer Gemeinſchaft mit ſeinen Göttern dachte und ſelig fühlte, ſey ein anderes höheres und glücklicheres Geſchlecht geweſen, es habe eben deßhalb den Uebergang von einer Stufe der Geſammtentwicklung in die andere, den das Leben bedingenden Fortſchritt leichter und ſchmerzloſer gefunden als die Erben und Nachfolger in ihrem Beſitz, denen jener Weg erſt nach langem Irrſal und furchtbarer Heimſuchung ſich aufſchließt. (Wir be- halten uns vor auf beide Reden zurückzukommen.) Der ungariſche Krieg. ** Von der March, 29. März. So iſt denn neues Elend, neuer Jammer über das unglückliche Hermannſtadt hereingebrochen! Wir haben aber nicht allein über dieſe città dolente, wir haben auch über uns ſelbſt zu trauern, denn es iſt vorherzuſehen daß die ſchreck- lichen Vorfälle in Siebenbürgen die Allianz mit Rußland unvermeidlich machen und uns ſtatt der einzelnen Truppenkörper, die ſich als unzurei- chend erwieſen, eine ruſſiſche Armee ins Land bringen werden. Feldmar- ſchalllieutenant Puchner, der greiſe Thereſienritter, kann trotz ſeiner Um- ſicht und ſeines Heldenmuthes, mit der kleinen Schaar die ihm zu Ge- bote ſteht, Siebenbürgen nicht gegen den fünfmahl ſtärkern Feind ver- theidigen. Fürſt Windiſchgrätz kann ſeine Armee, von der er ohnehin be- deutende Abtheilungen als Cernirungscorps vor den verſchiedenen Feſtun- gen belaſſen muß, nicht noch mehr zerſplittern, und iſt nicht in der Lage dem Commandirenden in Siebenbürgen Verſtärkungen zuzuſenden. Der Schluß dieſer Rechnung iſt leicht zu ziehen, ja vielleicht wartet Rußland nicht einmal eine Aufforderung von Seiten Oeſterreichs ab, um mit Kraft und Entſchiedenheit einzuſchreiten. Kaiſer Nikolaus iſt nicht der Mann der ſich über die Bedeutung des in Ungarn und ſeinen Nebenlande ent- flammten Kampfes täuſchen könnte; hinter der vorgehaltenen Nationali- tätsmaske erblickt er das Meduſenantlitz des Radicalismus, und niemand weiß beſſer als er, in welcher engen Beziehung das magyariſche Rebellen- thum zu den großen polniſchen Verſchwörungen, der, wenn ich ſagen darf, perennirenden in ſeinen eigenen Staaten ſteht. Durch ſeine eigene Lage wird Rußland gezwungen die ungariſche Empörung um jeden Preis zu erſticken. Darum hege ich, obwohl unſre Angelegenheiten für den Augen- blick nicht am beſten ſtehen, nicht den geringſten Zweifel über den end- lichen Ausgang des Kampfes den Oeſterreich gegen die ungariſchen In- ſurgenten führt: wenn nicht durch ſeine eigene Kraft, wird es ſie mit Hülfe ruſſiſcher Bajonnette unterwerfen. Welche Folgen aber eine ſolche Allianz, welchen unſeligen Einfluß ſie auf unſere Verhältniſſe, auf die Entwicklung unſers ſtaatlichen Lebens haben wird, iſt eine jener Fragen die man lieber nicht thun möchte, weil ihre bittere Antwort ſchon in ihr enthalten iſt. — Ein Gerücht, das ich Ihnen aber auch nur als ſol- ches mittheile, behauptet: man gehe in Olmütz mit dem Gedanken um Fürſt Windiſchgräz abzurufen und Welden das Commando über die in Ungarn operirende Armee zu übergeben. *) Die nächſte Zukunft muß uns lehren ob und wie viel Wahres an dieſem Gerücht, das in gewöhn- lich wohlunterichteten Kreiſen circulirt. Daß die entente cordiale zwi- ſchen dem Miniſterium und dem Feldmarſchall bedeutende Trübun- gen erlitten, iſt längſt für nimand ein Geheimniß; Beweiſe genug dafür finden ſich in der Sprache welche die einer ſehr ſtrengen Controle unterliegenden Wiener Journale jetzt gegen Fürſt Windiſchgrätz führen dürfen, während die leiſeſte Rüge der von ihm getroffenen Maßregeln noch vor wenigen Monaten als ein ungleich größerer Frevel gegol- ten hätte denn ein Zweifel an der Unfehlbarkeit des Papſtes Pio Nono, dem das ſeltſame Loos beſchieden ward gerade in den Reihen der ortho- doxeſten Katholiken auf die meiſten Ketzer zu ſtoßen. Um wieder auf meinen Gegenſtand zurückzukommen, ſcheint mir’s allerdings noch ſehr zweifelhaft, ob der Familienzwiſt zwiſchen dem Miniſterium und Fürſt Windiſchgrätz bis zum offenen Bruch, d. h. bis zur Abberufung des letz- teren gehen werde; daß es aber, wenn es geſchähe, den öſterreichiſchen Waffen nicht zum Nachtheil gereichen werde, glaube ich verbürgen zu kön- nen. Welden hat im vorigen Jahr und zwar unter ſehr mißlichen Um- ſtänden glänzende Proben ſeiner militäriſchen Tüchtigkeit abgelegt; die Fehler die er in Wien beging, fallen denen zur Laſt deren ſtaatsmän- niſche Weisheit einen Soldaten mit der Miſſion eines Staatsmannes betraute. Sein Platz iſt an der Spitze eines Heers; ein ſolcher Wech- ſel ſeiner Lage wäre ſowohl ihm als den Wienern zu gönnen und die Ungarn gelangten dabei wahrſcheinlich auch zu dem was ihnen gebührt, nämlich zu Schlägen. Paris. . Paris, 21 März. Der Proceß in Bourges hat vor Eröffnung der Debatten aus allen Departements Vertreter zuſammengeführt, die wie die Mitglieder der Nationalverſammlung, wenn auch nicht mit einem rein politiſchen Mandat durch das allgemeine Stimmrecht, aber zu einer Zeit „in die Generalconſeils“ gewählt worden ſind wo der Schrecken welchen der 24 Februar in den Provinzen hervorgebracht, vorüber war, und die ein- ſchüchternden Bülletins die George Sand unter der Firma Ledru-Rollins her- ausgegeben hatte ebenfalls keine Wirkung mehr übten. Frankreich hatte damals bereits ein klares Einſehen in das was geſchehen, wie in das was noch zu erwarten war. Die als Geſchworne nach Bourges durch die Laune des Zufalls geſchickten Mitglieder aller Generalconſeils bilden ſomit einen richtigeren Ausdruck der Wünſche und der gegenwärtigen Stimmung des Landes als die unter den erſten Eindrücken der Revolution und dem Ein- fluſſe Ledru - Rollins und ſeiner Commiſſäre gewählte Nationalverſamm- lung. Es war daher natürlich daß die alſo aus allen Gegenden Frank- reichs hier vereinten Vertreter gegenſeitig über die wichtigſten Fragen ihre perſönlichen Anſichten wie das was jeder von ihnen über die Simmung *) Nach unſeren geſtrigen Wienerberichten war Welden bereits nach Com- morn ahgegangen.

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Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 93, 3. April 1849, S. 1426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine93_1849/10>, abgerufen am 21.11.2024.