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Allgemeine Zeitung, Nr. 87, 27. März 1848.

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[Spaltenumbruch] stern am 21, von hier aus auf dem Wege nach Berlin. Er hat also bei
seiner Ankunft diese förmliche Verkündigung deutscher Sache dort vorge-
funden als fertige Thatsache. Seine Begleiter, v. Lehrbach und v. Ster-
nenfels, sind noch in Dresden. Es steht nicht zu bezweifeln daß Sach-
sen vollständig beitritt. Es ist eine Nothwendigkeit und ist der unver-
kennbare Wunsch des ganzen Volkes. Ueber allen Streitfragen steht un-
berührt von Zweifeln der Ruf: Wir müssen seyn ein einig Volk von
Brüdern. Die rasche Einigung zu einer Gesammtmacht und Gesammt-
regierung ist übrigens jetzt auch dem Norden und Nordosten Deutsch-
lands ein tiefes Bedürfniß geworden, seit in der Berliner Revolution die
polnische Frage entfesselt worden ist. Sie wissen daß einzelne Polen
tapfer mitgefochten, daß die durch unwürdiges Läugnen in der Verthei-
digung so übel gestellten Polen aus dem Gefängnisse geholt und im
Triumph durch die Stadt geführt worden sind. Die wahrscheinlichen
Folgen sind nicht zu verkennen; eine Erhebung Polens wird nicht aus-
bleiben, eine kriegerische Schlichtung mit Rußland wird uns nun unmit-
telbar nahe gerückt. Rechnen Sie hinzu daß Preußen in seiner Leitung
jetzt tief erschüttert, und daß es noch nicht zu übersehen ist wie und wann
sich die Neugestaltung derselben auf deutschen Grundsätzen vollenden
wird. Ist es da nicht für Schlester, Preußen, Märker, Sachsen, denen
Polen so nahe, eine sofortige Lebensfrage geworden daß die deutsche Ge-
sammtmacht festgegliedert rasch entstehe? Wir sind hier in Leipzig seit
gestern Abend, wo die letzten obigen Nachrichten aus Berlin eintrafen,
darüber aufs klare gekommen daß die zum 30 März in Frankfurt zu-
sammentretende Versammlung von Notablen schon berufen seyn könne
eine Art Permanenz anzunehmen, und mit allen von den Regierungen
ihr zufließenden Mitteln einen Gesammtstaat zu berathen.


Heute haben wir ein schönes Bürgerfest
gefeiert. Früh wurde das hier in Garnison stehende Militär auf die
Verfassung beeidet, und defilirte darauf mit sämmtlichen Communalgar-
den unter dem Jubel des Volkes vor dem König. Nachmittags zogen
Bürger und Einwohner unsrer Stadt in großer Anzahl in einem von
Communalgarden umschlossenen Kreis vor das Schloß, und begrüßten
den König aus vollem Herzen mit Gesang und Lebehoch. Seit 7 Uhr
wogt die freudige Menge durch die Straßen der glänzend erleuchteten
Stadt, wo an vielen Häusern neben der weiß und grünen auch die schwarz-
roth-goldene Fahne weht, das Symbol der deutschen Einheit.

H. Braunschweig.

Die ge-
stern mitgetheilte Erklärung unserer Regierung womit dieselbe die preu-
ßische Proclamation vom 21 d. Mts. veröffentlicht, sowie die allge-
mein bekanntgewordenen, von dem Herzoge zu seinen Officieren ge-
sprochenen Worte erregten einen unbeschreiblichen Enthusiasmus un-
ter der Bevölkerung, der noch vermehrt wurde als derselbe gestern
bei Gelegenheit des Begräbnisses des Generalmajors v. Schrader in
einer schwarz-roth-goldenen Cocarde erschien, und wie durch einen
Zauberschlag auf seinen Befehl an öffentlichen Gebäuden, Schildern,
Häusern etc. die braunschweigische Farben verschwanden und durch die
deutschen ersetzt wurden. Der Vorschlag, dem Herzog in einem feier-
lichem Zuge eine dankende Huldigung darzubringen, wurde daher mit
der Schnelligkeit die nur in solchen Zeiten denkbar ist, angenommen
und ausgeführt. Nachmittags versammelte sich unter dem Geläute
aller Glocken auf dem Altstadtmarkt eine unübersehbare Menge von
Menschen ohne Unterschied des Alters und der Stände. Bald kamen
auch sämmtliche hier garnisonirende Soldaten, ohne Waffen, mit ihren
Musikchören, und wurden von den versammelten Bürgern mit einem
Hurrah empfangen, ihre Glieder wurden aufgelöst, sie vertheilten sich
unter die Bürger, während der an die Stelle des in Ruhestand ver-
setzten Generalmajors v. Normann gestern zum Commandeur des
Feldcorps ernannte Obrist v. Erichsen mit dem Commandeur der Bür-
gergarde an einem Fenster stand. Um 4 Uhr setzte sich der unab-
sehbare Zug in Bewegung, Soldaten und Bürger wie ihre Comman-
deure Arm in Arm, mit wehenden deutschen Fahnen, unter dem Ge-
läute der Glocken, während die Musik: "Was ist des Deutschen Vater-
terland" spielte, alle öffentlichen Gebäude und viele Privathäuser mit
deutschen Fahnen geziert waren, und die ebenfalls mit denselben ge-
schmückten Frauen und Jungfrauen aus allen Fenstern mit Tüchern
schwenkten. Erst um 5 Uhr errreichte der Zug den Schloßhof. Nach-
dem zwei Verse des Chorals: "Eine veste Burg ist unser Gott" ge-
fungen waren, erschien der Herzog am Fenster des von der schönsten
Nachmittagssonne beleuchteten Schlosses, und wurde mit einem Vivat
empfangen, das von einer Menschenmenge von ungefähr 20,000 Per-
[Spaltenumbruch] sonen angestimmt wurde. Der Herzog gab seinen Dank zu erkennen,
und brachte seinerseits der Einigkeit des deutschen Vaterlands ein Lebe-
hoch. Nachdem noch mehrfach dem Herzog ein Lebehoch gebrcht und:
"Heil unserm Wilhelm Heil" und "Was ist des Deutschen Vaterland" ge-
sungen war, entfernte sich der Zug. Nicht die geringste Unordnung,
nicht die geringste Unannehmlichkeit störte die schöne Feier. -- An die
Stelle des vor wenigen Tagen zurückgetretenen, in seinen Jahren dem
jetzigen Ausschwunge der Dinge wohl nicht gewachsenen Staatsmini-
sters Grafen v. Veltheim waren der Finanzdirector v. Geyso und der
Ministerialrath v. Koch als Geheimräthe in das Ministerium getre-
ten. Die Ernennung des letzteren erregte Unzufriedenheit, denn was
sich früher Verstimmendes zwischen den Herzog und das Volk gedrängt
hatte, schrieb man jenem übrigens höchst talentvollen und thätigen
Manne zu. Nachdem einige Bürger demselben gestern die nöthigen
Eröffnungen gemacht hatten, bat er den Herzog um seine Entlassung,
welche er auf der Stelle erhielt. Nichts steht daher mehr zwischen
unserem Fürsten und seinem Volke, und wenn das hiesige Beispiel
in allen deutschen Ländern befolgt wird, dürfte bald aller Hader auf-
hören und Liebe und Vertrauen einziehen.

Oesterreich.

Die Proclamationen des Königs
von Preußen haben hier im Publicum die höchste Mißstimmung erregt, und
die Wiener Zeitung spricht sich in energischer Weise gegen einen Kaiser
Deutschlands aus eigner Machtvollkommenheit aus. Die Regierung
steht in diesen Actenstücken vorderhand nur die Emanationen einer unter
höchst stürmischen Eindrücken schwankenden Erregung, der keine so ent-
schiedene Absicht zum Grunde liegt als man nach dem Wortlaut anzu-
nehmen berechtigt wäre. Die österreichische Politik erkennt nur Einen
Mittelpunkt der deutschen Interessen, und dieser ist zu Frankfurt, und
sie ist fest überzeugt daß der König von Preußen nicht entfernt daran
denkt denselben verrücken zu wollen wenn er auch könnte, um so viel
weniger aber da hierzu der Wille allein nicht genügt. Die an den
Grafen Colloredo nach Frankfurt sogleich abgegangenen Instructionen
sollen so verfaßt seyn daß wohl alle deutschen Mächte und Stämme sich
damit befreunden dürften. Der Bund muß werden was er bisher nicht
war, die einzig in Deutschland gültige höchste Instanz, und von ihr
müssen die Maßregeln ausgehen die zur Einheit Deutschlands nöthig
sind, und durchaus von keinem einzelnen Bundesstaat mehr, er sey groß
oder klein. Dieß sind die Ansichten Oesterreichs, und wir zweifeln nicht
daß sie auch die preußischen sind, trotz der allerdings etwas seltsamen
Proclamationen des Königs. Soll dadurch aber nur gesagt werden
daß der König von Preußen in den Tagen der Gefahr einen hervor-
ragenden Antheil übernehmen, daß er dabei selbst seine eigene Person
voranstellen wolle, so hat er nur erklärt was sich von seiner Ergebenheit
für das deutsche Vaterland erwarten läßt, das der aufopfernden Bei-
spiele nicht zu viel haben kann. Ein Volk wie das preußische ist und
bleibt ein Anker für die Wohlfahrt Deutschlands, das erkennt man hier
so gut wie anderswo, aber eine Macht aus eigenem Gepräge würden die
Preußen selbst ein Unglück für Deutschland finden, wer immer seinen
Stempel darauf drückte. Dem Repräsentativsystem wohnt nur durch
die Wahl eine Seele inne; Maßregeln die Lebensfragen für Deutsch-
land ausmachen, können nur auf diesem Wege verwirklicht werden. Wenn
erst die Fluth die durch die Berliner Begebnisse erregt noch immer Wellen
schlägt, wieder in ruhiger Strömung fortfließt, wird auch der Schaum der
emporgewirbelt wird ebenso schnell verschwinden als er entstanden ist.


Hier nimmt alles wieder seinen gewohnten
Gang; nur sind die Gemüther, wie es auch nicht anders seyn kann, sehr
aufgeregt. Wir können uns in die Erlebnisse noch nicht recht finden,
aber das wird sich geben; es wäre indeß sehr zu wünschen daß Männer
von Einsicht und Energie jetzt zusammentreten und über alle zu treffen-
den Maßregeln reiflich berathen, damit wir bei den kommenden Dingen
nicht unvorbereitet dastehen; denn daß wir noch erst beim Beginn der
Bewegungen sind, wird wohl niemand läugnen können. Heute macht
der Magistrat bekannt daß der hiesige Municipalrath wegen des Aus-
tritts mehrerer Mitglieder aufgelöst ist, und ein neuer Stadtvorstand
nach Stimmenmehrheit gewählt werden soll. Die Nationalgarde wird
mit jedem Tage zahlreicher, und entwickelt eine lobenswerthe Thätigkeit.
In Venedig ist's ruhig, und auch aus den nahen Provinzen gehen befrie-
digende Berichte ein.*)

*) Ist es möglich daß man am 22 in Triest die Ereignisse von Mailand
noch nicht kannte?

[Spaltenumbruch] ſtern am 21, von hier aus auf dem Wege nach Berlin. Er hat alſo bei
ſeiner Ankunft dieſe förmliche Verkündigung deutſcher Sache dort vorge-
funden als fertige Thatſache. Seine Begleiter, v. Lehrbach und v. Ster-
nenfels, ſind noch in Dresden. Es ſteht nicht zu bezweifeln daß Sach-
ſen vollſtändig beitritt. Es iſt eine Nothwendigkeit und iſt der unver-
kennbare Wunſch des ganzen Volkes. Ueber allen Streitfragen ſteht un-
berührt von Zweifeln der Ruf: Wir müſſen ſeyn ein einig Volk von
Brüdern. Die raſche Einigung zu einer Geſammtmacht und Geſammt-
regierung iſt übrigens jetzt auch dem Norden und Nordoſten Deutſch-
lands ein tiefes Bedürfniß geworden, ſeit in der Berliner Revolution die
polniſche Frage entfeſſelt worden iſt. Sie wiſſen daß einzelne Polen
tapfer mitgefochten, daß die durch unwürdiges Läugnen in der Verthei-
digung ſo übel geſtellten Polen aus dem Gefängniſſe geholt und im
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bleiben, eine kriegeriſche Schlichtung mit Rußland wird uns nun unmit-
telbar nahe gerückt. Rechnen Sie hinzu daß Preußen in ſeiner Leitung
jetzt tief erſchüttert, und daß es noch nicht zu überſehen iſt wie und wann
ſich die Neugeſtaltung derſelben auf deutſchen Grundſätzen vollenden
wird. Iſt es da nicht für Schleſter, Preußen, Märker, Sachſen, denen
Polen ſo nahe, eine ſofortige Lebensfrage geworden daß die deutſche Ge-
ſammtmacht feſtgegliedert raſch entſtehe? Wir ſind hier in Leipzig ſeit
geſtern Abend, wo die letzten obigen Nachrichten aus Berlin eintrafen,
darüber aufs klare gekommen daß die zum 30 März in Frankfurt zu-
ſammentretende Verſammlung von Notablen ſchon berufen ſeyn könne
eine Art Permanenz anzunehmen, und mit allen von den Regierungen
ihr zufließenden Mitteln einen Geſammtſtaat zu berathen.


Heute haben wir ein ſchönes Bürgerfeſt
gefeiert. Früh wurde das hier in Garniſon ſtehende Militär auf die
Verfaſſung beeidet, und defilirte darauf mit ſämmtlichen Communalgar-
den unter dem Jubel des Volkes vor dem König. Nachmittags zogen
Bürger und Einwohner unſrer Stadt in großer Anzahl in einem von
Communalgarden umſchloſſenen Kreis vor das Schloß, und begrüßten
den König aus vollem Herzen mit Geſang und Lebehoch. Seit 7 Uhr
wogt die freudige Menge durch die Straßen der glänzend erleuchteten
Stadt, wo an vielen Häuſern neben der weiß und grünen auch die ſchwarz-
roth-goldene Fahne weht, das Symbol der deutſchen Einheit.

H. Braunſchweig.

Die ge-
ſtern mitgetheilte Erklärung unſerer Regierung womit dieſelbe die preu-
ßiſche Proclamation vom 21 d. Mts. veröffentlicht, ſowie die allge-
mein bekanntgewordenen, von dem Herzoge zu ſeinen Officieren ge-
ſprochenen Worte erregten einen unbeſchreiblichen Enthuſiasmus un-
ter der Bevölkerung, der noch vermehrt wurde als derſelbe geſtern
bei Gelegenheit des Begräbniſſes des Generalmajors v. Schrader in
einer ſchwarz-roth-goldenen Cocarde erſchien, und wie durch einen
Zauberſchlag auf ſeinen Befehl an öffentlichen Gebäuden, Schildern,
Häuſern ꝛc. die braunſchweigiſche Farben verſchwanden und durch die
deutſchen erſetzt wurden. Der Vorſchlag, dem Herzog in einem feier-
lichem Zuge eine dankende Huldigung darzubringen, wurde daher mit
der Schnelligkeit die nur in ſolchen Zeiten denkbar iſt, angenommen
und ausgeführt. Nachmittags verſammelte ſich unter dem Geläute
aller Glocken auf dem Altſtadtmarkt eine unüberſehbare Menge von
Menſchen ohne Unterſchied des Alters und der Stände. Bald kamen
auch ſämmtliche hier garniſonirende Soldaten, ohne Waffen, mit ihren
Muſikchören, und wurden von den verſammelten Bürgern mit einem
Hurrah empfangen, ihre Glieder wurden aufgelöst, ſie vertheilten ſich
unter die Bürger, während der an die Stelle des in Ruheſtand ver-
ſetzten Generalmajors v. Normann geſtern zum Commandeur des
Feldcorps ernannte Obriſt v. Erichſen mit dem Commandeur der Bür-
gergarde an einem Fenſter ſtand. Um 4 Uhr ſetzte ſich der unab-
ſehbare Zug in Bewegung, Soldaten und Bürger wie ihre Comman-
deure Arm in Arm, mit wehenden deutſchen Fahnen, unter dem Ge-
läute der Glocken, während die Muſik: „Was iſt des Deutſchen Vater-
terland“ ſpielte, alle öffentlichen Gebäude und viele Privathäuſer mit
deutſchen Fahnen geziert waren, und die ebenfalls mit denſelben ge-
ſchmückten Frauen und Jungfrauen aus allen Fenſtern mit Tüchern
ſchwenkten. Erſt um 5 Uhr errreichte der Zug den Schloßhof. Nach-
dem zwei Verſe des Chorals: „Eine veſte Burg iſt unſer Gott“ ge-
fungen waren, erſchien der Herzog am Fenſter des von der ſchönſten
Nachmittagsſonne beleuchteten Schloſſes, und wurde mit einem Vivat
empfangen, das von einer Menſchenmenge von ungefähr 20,000 Per-
[Spaltenumbruch] ſonen angeſtimmt wurde. Der Herzog gab ſeinen Dank zu erkennen,
und brachte ſeinerſeits der Einigkeit des deutſchen Vaterlands ein Lebe-
hoch. Nachdem noch mehrfach dem Herzog ein Lebehoch gebrcht und:
„Heil unſerm Wilhelm Heil“ und „Was iſt des Deutſchen Vaterland“ ge-
ſungen war, entfernte ſich der Zug. Nicht die geringſte Unordnung,
nicht die geringſte Unannehmlichkeit ſtörte die ſchöne Feier. — An die
Stelle des vor wenigen Tagen zurückgetretenen, in ſeinen Jahren dem
jetzigen Auſſchwunge der Dinge wohl nicht gewachſenen Staatsmini-
ſters Grafen v. Veltheim waren der Finanzdirector v. Geyſo und der
Miniſterialrath v. Koch als Geheimräthe in das Miniſterium getre-
ten. Die Ernennung des letzteren erregte Unzufriedenheit, denn was
ſich früher Verſtimmendes zwiſchen den Herzog und das Volk gedrängt
hatte, ſchrieb man jenem übrigens höchſt talentvollen und thätigen
Manne zu. Nachdem einige Bürger demſelben geſtern die nöthigen
Eröffnungen gemacht hatten, bat er den Herzog um ſeine Entlaſſung,
welche er auf der Stelle erhielt. Nichts ſteht daher mehr zwiſchen
unſerem Fürſten und ſeinem Volke, und wenn das hieſige Beiſpiel
in allen deutſchen Ländern befolgt wird, dürfte bald aller Hader auf-
hören und Liebe und Vertrauen einziehen.

Oeſterreich.

Die Proclamationen des Königs
von Preußen haben hier im Publicum die höchſte Mißſtimmung erregt, und
die Wiener Zeitung ſpricht ſich in energiſcher Weiſe gegen einen Kaiſer
Deutſchlands aus eigner Machtvollkommenheit aus. Die Regierung
ſteht in dieſen Actenſtücken vorderhand nur die Emanationen einer unter
höchſt ſtürmiſchen Eindrücken ſchwankenden Erregung, der keine ſo ent-
ſchiedene Abſicht zum Grunde liegt als man nach dem Wortlaut anzu-
nehmen berechtigt wäre. Die öſterreichiſche Politik erkennt nur Einen
Mittelpunkt der deutſchen Intereſſen, und dieſer iſt zu Frankfurt, und
ſie iſt feſt überzeugt daß der König von Preußen nicht entfernt daran
denkt denſelben verrücken zu wollen wenn er auch könnte, um ſo viel
weniger aber da hierzu der Wille allein nicht genügt. Die an den
Grafen Colloredo nach Frankfurt ſogleich abgegangenen Inſtructionen
ſollen ſo verfaßt ſeyn daß wohl alle deutſchen Mächte und Stämme ſich
damit befreunden dürften. Der Bund muß werden was er bisher nicht
war, die einzig in Deutſchland gültige höchſte Inſtanz, und von ihr
müſſen die Maßregeln ausgehen die zur Einheit Deutſchlands nöthig
ſind, und durchaus von keinem einzelnen Bundesſtaat mehr, er ſey groß
oder klein. Dieß ſind die Anſichten Oeſterreichs, und wir zweifeln nicht
daß ſie auch die preußiſchen ſind, trotz der allerdings etwas ſeltſamen
Proclamationen des Königs. Soll dadurch aber nur geſagt werden
daß der König von Preußen in den Tagen der Gefahr einen hervor-
ragenden Antheil übernehmen, daß er dabei ſelbſt ſeine eigene Perſon
voranſtellen wolle, ſo hat er nur erklärt was ſich von ſeiner Ergebenheit
für das deutſche Vaterland erwarten läßt, das der aufopfernden Bei-
ſpiele nicht zu viel haben kann. Ein Volk wie das preußiſche iſt und
bleibt ein Anker für die Wohlfahrt Deutſchlands, das erkennt man hier
ſo gut wie anderswo, aber eine Macht aus eigenem Gepräge würden die
Preußen ſelbſt ein Unglück für Deutſchland finden, wer immer ſeinen
Stempel darauf drückte. Dem Repräſentativſyſtem wohnt nur durch
die Wahl eine Seele inne; Maßregeln die Lebensfragen für Deutſch-
land ausmachen, können nur auf dieſem Wege verwirklicht werden. Wenn
erſt die Fluth die durch die Berliner Begebniſſe erregt noch immer Wellen
ſchlägt, wieder in ruhiger Strömung fortfließt, wird auch der Schaum der
emporgewirbelt wird ebenſo ſchnell verſchwinden als er entſtanden iſt.


Hier nimmt alles wieder ſeinen gewohnten
Gang; nur ſind die Gemüther, wie es auch nicht anders ſeyn kann, ſehr
aufgeregt. Wir können uns in die Erlebniſſe noch nicht recht finden,
aber das wird ſich geben; es wäre indeß ſehr zu wünſchen daß Männer
von Einſicht und Energie jetzt zuſammentreten und über alle zu treffen-
den Maßregeln reiflich berathen, damit wir bei den kommenden Dingen
nicht unvorbereitet daſtehen; denn daß wir noch erſt beim Beginn der
Bewegungen ſind, wird wohl niemand läugnen können. Heute macht
der Magiſtrat bekannt daß der hieſige Municipalrath wegen des Aus-
tritts mehrerer Mitglieder aufgelöst iſt, und ein neuer Stadtvorſtand
nach Stimmenmehrheit gewählt werden ſoll. Die Nationalgarde wird
mit jedem Tage zahlreicher, und entwickelt eine lobenswerthe Thätigkeit.
In Venedig iſt’s ruhig, und auch aus den nahen Provinzen gehen befrie-
digende Berichte ein.*)

*) Iſt es möglich daß man am 22 in Trieſt die Ereigniſſe von Mailand
noch nicht kannte?
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[1382/0006] ſtern am 21, von hier aus auf dem Wege nach Berlin. Er hat alſo bei ſeiner Ankunft dieſe förmliche Verkündigung deutſcher Sache dort vorge- funden als fertige Thatſache. Seine Begleiter, v. Lehrbach und v. Ster- nenfels, ſind noch in Dresden. Es ſteht nicht zu bezweifeln daß Sach- ſen vollſtändig beitritt. Es iſt eine Nothwendigkeit und iſt der unver- kennbare Wunſch des ganzen Volkes. Ueber allen Streitfragen ſteht un- berührt von Zweifeln der Ruf: Wir müſſen ſeyn ein einig Volk von Brüdern. Die raſche Einigung zu einer Geſammtmacht und Geſammt- regierung iſt übrigens jetzt auch dem Norden und Nordoſten Deutſch- lands ein tiefes Bedürfniß geworden, ſeit in der Berliner Revolution die polniſche Frage entfeſſelt worden iſt. Sie wiſſen daß einzelne Polen tapfer mitgefochten, daß die durch unwürdiges Läugnen in der Verthei- digung ſo übel geſtellten Polen aus dem Gefängniſſe geholt und im Triumph durch die Stadt geführt worden ſind. Die wahrſcheinlichen Folgen ſind nicht zu verkennen; eine Erhebung Polens wird nicht aus- bleiben, eine kriegeriſche Schlichtung mit Rußland wird uns nun unmit- telbar nahe gerückt. Rechnen Sie hinzu daß Preußen in ſeiner Leitung jetzt tief erſchüttert, und daß es noch nicht zu überſehen iſt wie und wann ſich die Neugeſtaltung derſelben auf deutſchen Grundſätzen vollenden wird. Iſt es da nicht für Schleſter, Preußen, Märker, Sachſen, denen Polen ſo nahe, eine ſofortige Lebensfrage geworden daß die deutſche Ge- ſammtmacht feſtgegliedert raſch entſtehe? Wir ſind hier in Leipzig ſeit geſtern Abend, wo die letzten obigen Nachrichten aus Berlin eintrafen, darüber aufs klare gekommen daß die zum 30 März in Frankfurt zu- ſammentretende Verſammlung von Notablen ſchon berufen ſeyn könne eine Art Permanenz anzunehmen, und mit allen von den Regierungen ihr zufließenden Mitteln einen Geſammtſtaat zu berathen. ⁑ Dresden, 22 März. Heute haben wir ein ſchönes Bürgerfeſt gefeiert. Früh wurde das hier in Garniſon ſtehende Militär auf die Verfaſſung beeidet, und defilirte darauf mit ſämmtlichen Communalgar- den unter dem Jubel des Volkes vor dem König. Nachmittags zogen Bürger und Einwohner unſrer Stadt in großer Anzahl in einem von Communalgarden umſchloſſenen Kreis vor das Schloß, und begrüßten den König aus vollem Herzen mit Geſang und Lebehoch. Seit 7 Uhr wogt die freudige Menge durch die Straßen der glänzend erleuchteten Stadt, wo an vielen Häuſern neben der weiß und grünen auch die ſchwarz- roth-goldene Fahne weht, das Symbol der deutſchen Einheit. H. Braunſchweig. ஃ Braunſchweig, 23 März. Die ge- ſtern mitgetheilte Erklärung unſerer Regierung womit dieſelbe die preu- ßiſche Proclamation vom 21 d. Mts. veröffentlicht, ſowie die allge- mein bekanntgewordenen, von dem Herzoge zu ſeinen Officieren ge- ſprochenen Worte erregten einen unbeſchreiblichen Enthuſiasmus un- ter der Bevölkerung, der noch vermehrt wurde als derſelbe geſtern bei Gelegenheit des Begräbniſſes des Generalmajors v. Schrader in einer ſchwarz-roth-goldenen Cocarde erſchien, und wie durch einen Zauberſchlag auf ſeinen Befehl an öffentlichen Gebäuden, Schildern, Häuſern ꝛc. die braunſchweigiſche Farben verſchwanden und durch die deutſchen erſetzt wurden. Der Vorſchlag, dem Herzog in einem feier- lichem Zuge eine dankende Huldigung darzubringen, wurde daher mit der Schnelligkeit die nur in ſolchen Zeiten denkbar iſt, angenommen und ausgeführt. Nachmittags verſammelte ſich unter dem Geläute aller Glocken auf dem Altſtadtmarkt eine unüberſehbare Menge von Menſchen ohne Unterſchied des Alters und der Stände. Bald kamen auch ſämmtliche hier garniſonirende Soldaten, ohne Waffen, mit ihren Muſikchören, und wurden von den verſammelten Bürgern mit einem Hurrah empfangen, ihre Glieder wurden aufgelöst, ſie vertheilten ſich unter die Bürger, während der an die Stelle des in Ruheſtand ver- ſetzten Generalmajors v. Normann geſtern zum Commandeur des Feldcorps ernannte Obriſt v. Erichſen mit dem Commandeur der Bür- gergarde an einem Fenſter ſtand. Um 4 Uhr ſetzte ſich der unab- ſehbare Zug in Bewegung, Soldaten und Bürger wie ihre Comman- deure Arm in Arm, mit wehenden deutſchen Fahnen, unter dem Ge- läute der Glocken, während die Muſik: „Was iſt des Deutſchen Vater- terland“ ſpielte, alle öffentlichen Gebäude und viele Privathäuſer mit deutſchen Fahnen geziert waren, und die ebenfalls mit denſelben ge- ſchmückten Frauen und Jungfrauen aus allen Fenſtern mit Tüchern ſchwenkten. Erſt um 5 Uhr errreichte der Zug den Schloßhof. Nach- dem zwei Verſe des Chorals: „Eine veſte Burg iſt unſer Gott“ ge- fungen waren, erſchien der Herzog am Fenſter des von der ſchönſten Nachmittagsſonne beleuchteten Schloſſes, und wurde mit einem Vivat empfangen, das von einer Menſchenmenge von ungefähr 20,000 Per- ſonen angeſtimmt wurde. Der Herzog gab ſeinen Dank zu erkennen, und brachte ſeinerſeits der Einigkeit des deutſchen Vaterlands ein Lebe- hoch. Nachdem noch mehrfach dem Herzog ein Lebehoch gebrcht und: „Heil unſerm Wilhelm Heil“ und „Was iſt des Deutſchen Vaterland“ ge- ſungen war, entfernte ſich der Zug. Nicht die geringſte Unordnung, nicht die geringſte Unannehmlichkeit ſtörte die ſchöne Feier. — An die Stelle des vor wenigen Tagen zurückgetretenen, in ſeinen Jahren dem jetzigen Auſſchwunge der Dinge wohl nicht gewachſenen Staatsmini- ſters Grafen v. Veltheim waren der Finanzdirector v. Geyſo und der Miniſterialrath v. Koch als Geheimräthe in das Miniſterium getre- ten. Die Ernennung des letzteren erregte Unzufriedenheit, denn was ſich früher Verſtimmendes zwiſchen den Herzog und das Volk gedrängt hatte, ſchrieb man jenem übrigens höchſt talentvollen und thätigen Manne zu. Nachdem einige Bürger demſelben geſtern die nöthigen Eröffnungen gemacht hatten, bat er den Herzog um ſeine Entlaſſung, welche er auf der Stelle erhielt. Nichts ſteht daher mehr zwiſchen unſerem Fürſten und ſeinem Volke, und wenn das hieſige Beiſpiel in allen deutſchen Ländern befolgt wird, dürfte bald aller Hader auf- hören und Liebe und Vertrauen einziehen. Oeſterreich. = Wien, 24 März. Die Proclamationen des Königs von Preußen haben hier im Publicum die höchſte Mißſtimmung erregt, und die Wiener Zeitung ſpricht ſich in energiſcher Weiſe gegen einen Kaiſer Deutſchlands aus eigner Machtvollkommenheit aus. Die Regierung ſteht in dieſen Actenſtücken vorderhand nur die Emanationen einer unter höchſt ſtürmiſchen Eindrücken ſchwankenden Erregung, der keine ſo ent- ſchiedene Abſicht zum Grunde liegt als man nach dem Wortlaut anzu- nehmen berechtigt wäre. Die öſterreichiſche Politik erkennt nur Einen Mittelpunkt der deutſchen Intereſſen, und dieſer iſt zu Frankfurt, und ſie iſt feſt überzeugt daß der König von Preußen nicht entfernt daran denkt denſelben verrücken zu wollen wenn er auch könnte, um ſo viel weniger aber da hierzu der Wille allein nicht genügt. Die an den Grafen Colloredo nach Frankfurt ſogleich abgegangenen Inſtructionen ſollen ſo verfaßt ſeyn daß wohl alle deutſchen Mächte und Stämme ſich damit befreunden dürften. Der Bund muß werden was er bisher nicht war, die einzig in Deutſchland gültige höchſte Inſtanz, und von ihr müſſen die Maßregeln ausgehen die zur Einheit Deutſchlands nöthig ſind, und durchaus von keinem einzelnen Bundesſtaat mehr, er ſey groß oder klein. Dieß ſind die Anſichten Oeſterreichs, und wir zweifeln nicht daß ſie auch die preußiſchen ſind, trotz der allerdings etwas ſeltſamen Proclamationen des Königs. Soll dadurch aber nur geſagt werden daß der König von Preußen in den Tagen der Gefahr einen hervor- ragenden Antheil übernehmen, daß er dabei ſelbſt ſeine eigene Perſon voranſtellen wolle, ſo hat er nur erklärt was ſich von ſeiner Ergebenheit für das deutſche Vaterland erwarten läßt, das der aufopfernden Bei- ſpiele nicht zu viel haben kann. Ein Volk wie das preußiſche iſt und bleibt ein Anker für die Wohlfahrt Deutſchlands, das erkennt man hier ſo gut wie anderswo, aber eine Macht aus eigenem Gepräge würden die Preußen ſelbſt ein Unglück für Deutſchland finden, wer immer ſeinen Stempel darauf drückte. Dem Repräſentativſyſtem wohnt nur durch die Wahl eine Seele inne; Maßregeln die Lebensfragen für Deutſch- land ausmachen, können nur auf dieſem Wege verwirklicht werden. Wenn erſt die Fluth die durch die Berliner Begebniſſe erregt noch immer Wellen ſchlägt, wieder in ruhiger Strömung fortfließt, wird auch der Schaum der emporgewirbelt wird ebenſo ſchnell verſchwinden als er entſtanden iſt. *†* Trieſt, 22 März. Hier nimmt alles wieder ſeinen gewohnten Gang; nur ſind die Gemüther, wie es auch nicht anders ſeyn kann, ſehr aufgeregt. Wir können uns in die Erlebniſſe noch nicht recht finden, aber das wird ſich geben; es wäre indeß ſehr zu wünſchen daß Männer von Einſicht und Energie jetzt zuſammentreten und über alle zu treffen- den Maßregeln reiflich berathen, damit wir bei den kommenden Dingen nicht unvorbereitet daſtehen; denn daß wir noch erſt beim Beginn der Bewegungen ſind, wird wohl niemand läugnen können. Heute macht der Magiſtrat bekannt daß der hieſige Municipalrath wegen des Aus- tritts mehrerer Mitglieder aufgelöst iſt, und ein neuer Stadtvorſtand nach Stimmenmehrheit gewählt werden ſoll. Die Nationalgarde wird mit jedem Tage zahlreicher, und entwickelt eine lobenswerthe Thätigkeit. In Venedig iſt’s ruhig, und auch aus den nahen Provinzen gehen befrie- digende Berichte ein. *) *) Iſt es möglich daß man am 22 in Trieſt die Ereigniſſe von Mailand noch nicht kannte?

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christopher Georgi, Manuel Wille, Jurek von Lingen: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2022-04-08T12:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

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Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert. Tabellen und Anzeigen wurden dabei textlich nicht erfasst und sind lediglich strukturell ausgewiesen.




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Zitationshilfe: Allgemeine Zeitung, Nr. 87, 27. März 1848, S. 1382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_allgemeine87_1848/6>, abgerufen am 24.11.2024.